Testamentsauslegung bei nicht mehr vorhandenen Nachlassgegenständen

  • Es liegt mir ein Testament vom Feb. 1994 folgenden Inhalts vor: Ich erkläre meine Tochter A und meinen Enkel B als Erben. Aufteilung wie folgt:
    B: 1 Tagwerk Feld
    A den restlichen Besitz, Haus mit Garten Bauplatz

    Das Feld, das B erhalten sollte, befindet sich nicht mehr im Nachlass. Er hat es auch nicht zu Lebzeiten erhalten. Beim Tode der Erblasserin ist nur noch das Haus mit Garten (Bauplatz) vorhanden, wobei der angesprochene Bauplatz nur Grünland ist. Mir liegt ein Antrag auf Alleinerbin A vor. Dem stellt sich B entgegen. Sind beide Erben geworden?

    A und B haben sich jeweils einen Anwalt genommen und PKH-Antrag gestellt. Kann die PKH bewilligt werden in Nachlasssachen? Die wirtschaftlichen Verhältnisse von beiden würden es grds. zulassen.

  • Hallo Hanna,

    der Antrag auf Erteilung eines Erbscheines zug. v. A als Alleinerbin geht m.E. i.O. Wir handhaben das hier auch so, dass derjenige als Erbe anzusehen ist welcher den werthaltigsten/werthaltigeren Teil des Nachlasses erhält. Alles andere sind dann Vermächtnisse (so die Absprache mit NachlRichter).

    PKH - siehe § 14 FGG. Aber ich denke über die Bewilligung hinsichtl. der PKH müsste der Richter zu befinden haben (wg. § 16 Abs. 1 Nr. 6 RpflG).

    Gruß

    HuBo

  • Nachlaß ist bei mir schon lange her -aber: #2 kann ich mich nicht anschließen.
    Das Testament enthält nun einmal eine klare Aussage über die Erbeinsetzung von A u. B. Ob das Testament Vermächtnisanordnung enthält (-eine Teilungsanordnung , die ja mal getroffen war, ist vom EL zu Lebzeiten durch dessen Verfügung über den Acker aus der Welt) bedarf der näheren Abklärung.
    Ich halte es für bedenklich, durch Erbschein für einen Alleinerben den zwischen den Beteiligten herrschenden Streit zu "präjudizieren".
    PKH wäre wohl grundsätzlich möglich -aber: Ist denn wirklich kein Geldnachlaß vorhanden?

  • Für die Auslegung des Testaments ist zunächst der Wille des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich. Es stellt sich also die Frage, wie das Testament auszulegen gewesen wäre, wenn sich das Ackergrundstück noch im Nachlass befände. Auch wenn der Erblasser für beide Bedachte den Terminus "Erben" verwendet hat, bedeutet das nicht zwingend, dass damit auch beide Personen im Rechtssinne Erben sein sollen. Durch den Ausdruck "restlichen Besitz ..." hat der Erblasser m.E. zum Ausdruck gebracht, dass der Enkel nur das Ackergrundstück (und sonst nichts) erhalten soll. Dies deutet darauf hin, dass der Enkel nur Vermächtnisnehmer und die Tochter Alleinerbin sein sollte, weil sie den gesamten übrigen und wertmäßig weit überwiegenden Nachlass (insbesondere das Hausgrundstück) erhalten soll. Alternativ käme in Betracht, eine Quotenerbfolge nach den Wertverhältnissen der Zuwendungen anzunehmen, allerdings mit der Maßgabe, dass der Nachlass in der vom Erblasser angeordneten Weise auseinanderzusetzen ist, sodass der Enkel im Ergebnis wiederum nur das Ackergrundstück erhält.

    Aus heutiger wirtschaftlicher Sicht wird diese Testamentsauslegung auch durch die Vorschrift des § 2169 Abs.1 BGB bestätigt, wonach ein angeordnetes Stückvermächtnis im Zweifel unwirksam ist, wenn der Vermächtnisgegenstand nicht mehr zum Nachlass gehört (obwohl klar ist, dass diese rechtliche Argumentation bereits voraussetzt, dass der Enkel nach dem Willen des Erblassers lediglich Vermächtnisnehmer sein sollte und dass die Berufung auf § 2169 Abs.1 BGB damit eigentlich unterstellt, was es erst zu prüfen gilt.). Etwas anderes gilt nur, wenn der festzustellende qualifizierte Zuwendungswille des Erblassers ergibt, dass es sich um ein Verschaffungsvermächtnis handelt (§ 2170 Abs.1 BGB), wofür der Erbe bei Nichtverschaffung Wertersatz zu leisten hat (§ 2170 Abs.2 S.1 BGB). Für diesen Zuwendungswillen trägt der Enkel die Beweislast (BGH FamRZ 1984, 41). Dieser Beweis wird nicht zu führen sein.

    Im Ergebnis wird es also darauf ankommen, ob der Erblasser den Enkel gesamtrechtsnachfolgebezogen oder gegenstandsbezogen bedenken wollte. Aus den genannten Gründen neige ich zu letzterem. Damit wäre der Erbscheinsantrag der Tochter begründet.

    krim:

    Für das befürchtete "Präjudiz" bleibt sich gleich, wie das Nachlassgericht entscheidet. Denn es muss dem gestellten Erbscheinsantrag der Tochter stattgeben, ihn als unbegründet zurückweisen oder einen Vorbescheid erlassen. Dem "unterlegenen" Beteiligten bleibt dann der FGG-Instanzenweg. Im übrigen ist er darauf verwiesen, sein Heil im Prozessweg mittels Feststellungsklage zu suchen.

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