Genehmigung der Ausschlagung?

  • Ich habe da wieder mal einen Knoten im Hirn:

    Erblasser setzt die drei volljährigen Kinder A B C zu Erben zu gleichen Teilen ein.

    Allerdings war anscheinende die Hofübergabe an A geplant und auch mit den übrigen Geschwistern bereits abgesprochen. Gloreiche Idee meiner Beteiligten: B und C schlagen aus. Problem (oder auch nicht) sind deren mj. Kinder.

    Grds. benötigen Eltern ja für die Ausschlagung der mj. Kinder famG Genehmigung, § 1643 II 1, I BGB
    Ausnahme § 1643 II 2 BGB, Anfall erfolgt wie hier nur aufgrund der Ausschlagung des eines erziehungsberechtigten Elternteils.

    Notariatsmitarbeiter ruft an, denn er ist der Meinung, dass der Ausnahmetatbestand des § 1643 II 2 BGB in diesem Fall keine Anwendung finden dürfte, weil ja einer der anderen Miterben "vorsätzlich" so das Erbe zugeschanzt bekommt.
    Palandt sagt hierzu in RN 5: Genehmigung dann, wenn für eines der mj Kinder ausgeschlagen wird um die Erbschaft einem anderen Kind anfallen zu lassen, theleologische Reduktion.

    Darf man diese Reduktion nun auch auf die Verwandten höheren Grades ausweiten oder zumindest im Bereich der Abkömmlinge des Erblassers gelten lassen?

    Denn hier liegt eine offensichtliche Vermögensverschiebung an den mj Kindern vorbei vor, Grund ist einfach die mögliche Ersparnis von Schenkungssteuer und Notarsgebühren bei einer regulären Übergabe von B und C an A.

    :gruebel:

  • Siehst du, das ist einer der Gründe, weswegen ich die Hintergründe einer Ausschlagung lieber nicht wissen möchte und die Leute unter Hinweis auf die unerledigten Akten freundlich "bremse", wenn sie anfangen, mir ihre Lebensgeschichten oder die des Erblassers zu erzählen.

    Ich frage nach, ob a) wegen (angenommener) Überschuldung oder b) aus pers. Gründen ausgeschlagen wird und hinterfrage ggf. noch § 2306 BGB und den Nachlassumfang etc.; dann ist Schluss.

    Ich habe derzeit leider Kommentierung zur Hand, um eine qualifizierte Antwort auf die Problematik zu geben.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • M.E. ist hier ein Genehmigungserfordernis gegeben.

    Die angesprochene Ausnahme von der Ausnahme (Palandt s.o.) sieht im MüKo, 4. Auflage 2002, § 1643, RN 25 sinngemäß so aus:
    "Die familiengerichtliche Genehmigung ist auch notwendig, wenn einer der Eltern, die ihm angefallene Erbschaft ausschlägt und für einzelne Kinder auch ausschlägt, für bestimmtes Kind aber nicht. Dann handele der Elternteil hier nicht, um eine Vermögensgefährdung inform einer als nachteilig bewertenden Erbschaft von den Kindern, wie von sich fernzuhalten, sondern um den Nachlass in eine bestimmte Bahn zu lenken."

    Weiter vorne heißt es in RN 17 unten sinngemäß: "Motiv dieser Ausnahme in Absatz 2 S. 2 ist es, der Tatsache gerecht zu werden, dass es in diesen Fällen normalerweise keine Interessenkollision zwischen Eltern und dem minderjährigen Erben gibt."

    Als Familienrechtspfleger würde ich hier auf jeden Fall genau prüfen, was Sache ist. Andererseits, schlagen B+C nicht aus, dann kriegen die Kids auch nix, wenn dann alles rechtsgeschäftlich an A übertragen wird. Da würde ich dann das ganze Programm mit Verfahrenspfleger und Vorbescheid durchführen. Oder sind die Ausschlagungen von B+C schon wirksam? Das wäre ja tragisch, denn dann ist auch nix mehr mit unentgeltlicher Übertragung...

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Von einem Genehmigungserfordernis vermag ich nicht auszugehen, weil A bereits Miterbe ist und es somit nicht darum geht, einem Nichtberufenen eine Erbschaft mittels Ausschlagung zuzuweisen. Der Einschätzung von Tommy (Verfahrenspfleger/Vorbescheid) kann ich insoweit nicht zustimmen, als aufgrund der Nichtgenehmigungsbedürftigkeit der Erbausschlagung ja überhaupt kein entsprechendes familiengerichtliches Genehmigungsverfahren in Gang gesetzt wird.

    Problematisch ist das Ganze aber aus einem anderen Grund. Meines Erachtens dürfen die vertretungsbefugten Eltern hier nicht (auch) für ihre Kinder ausschlagen, weil sie die deren vermögensrechtliche Interessen durch die Ausschlagung ganz offensichtlich schädigen. Für die entsprechende Schadensersatzpflicht der Eltern kommt es im Rechtssinne nicht darauf an, dass die Kinder erst durch die Ausschlagung eines Elternteils überhaupt zu Erben berufen waren. Diese Erwägung zieht nahezu zwangsläufig einen Teilentzug der Vermögenssorge und die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Realisierung der Ansprüche der Kinder gegenüber ihren Eltern nch sich.

    Auch die Kinder sollten sich die Erbausschlagung (so noch nicht erfolgt) im eigenen Interesse noch einmal überlegen. Da ihr Erbteil nicht beschwert ist, erlangen sie durch die Ausschlagung nämlich keinen Pflichtteilsanspruch. Sie gehen somit im Hinblick auf den Nachlass völlig leer aus (was mittelbar im Hinblick auf die eigene Erbfolge wiederum ihre Kinder benachteiligt).

    Unabhängig von den bisherigen Ausführungen habe ich natürlich für das Anliegen von B und C Verständnis, den nicht rechtsgültig erklärten Willen des Erblassers aus moralischen Erwägungen akzeptieren zu wollen. Gleichwohl muss es dabei verbleiben, dass dass für das FamG nur die objektive Rechtslage maßgeblich sein kann.

    Ein Ausweg könnte darin bestehen, dass B und C die Erbschaft nur gegen Abfindung -aber natürlich nicht für "nen Appl und'n Ei"- ausschlagen (dann wäre nur die Abfindung zu versteuern, bei einem Freibetrag von 205.000 € pro Nase kein Problem). Aufgrund dieser Abfindungsleistung könnte man das Testament anschließend dahingehend auslegen, dass die Abkömmlinge von B und C nach dem mutmaßlichen Willen des Erblassers nicht zu Ersatzerben i.S. des § 2069 BGB berufen sein sollen, weil die beiden Stämme aufgrund der geleisteten Abfindung ansonsten doppelt begünstigt würden (eine analoge Fallgestaltung ergibt sich, wenn ein pflichtteilsberechtigter Nacherbe die Erbschaft nach § 2306 Abs.2, Abs.1 S.2 BGB ausschlägt, um seinen Pflichtteil zu verlangen, auch hier wird angenommen, dass die Abkömmlinge des Aussschlagenden aufgrund der genannten Doppelbegünstigungserwägung nach dem Willen des Erblassers nicht zu Ersatznacherben i.S. des § 2069 BGB berufen sein sollen). In diesem Fall bedürfte es überhaupt keiner Ausschlagung der Erblasserenkel, weil sie aufgrund Testamentsauslegung durch die Ausschlagung des betreffenden Elternteils überhaupt nicht zu Erben des Erblassers berufen sind. Die steuerliche Seite dieser Lösung bedarf aber natürlich eingehender Prüfung (Schenkung im Hinblick auf den über den Abfindungsbetrag hinausgehenden Wert? Problematik wegen evtl. vorhandenen Betriebsvermögens?). Aber die Ausschlagungsfrist für B und C wird wohl "davonlaufen" (pragmatischer Trick: das Testament noch nicht eröffnen, damit läuft auch keine Ausschlagungsfrist und die Beteiligten haben genügend Zeit zur rechtlichen Beratung; im vorliegenden Fall ist die Eröffnung aber wohl bereits erfolgt).

    Die unentgeltliche Auflassung des Grundbesitzes oder (wohl besser) die unentgeltliche Erbteilsübertragung wirft im übrigen nicht nur steuerliche Probleme auf. Die Kinder der Ausschlagenden könnten nämlich im Hinblick auf diese unentgeltliche Verfügung Pflichtteilsergänzungsansprüche (evtl. nach § 2329 BGB sogar gegen den Beschenkten) geltend machen, wenn der betreffende Elternteil die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs.3 BGB nicht überlebt.

    Alles in allem ein blöder Fall, wie er aber immer wieder vorkommt.

    Der vorliegende Fall zeigt einmal mehr, dass die gesetzliche Regelung des § 1643 Abs.2 BGB misslungen ist. De lege ferenda wäre demzufolge anzustreben, eine Erbausschlagung für minderjährige Kinder generell dem familiengerichtlichen Genehmigungserfordernis zu unterwerfen. Allerdings führt und diese Überlegung hier nicht weiter.

  • Ich bin trotzdem der Meinung, dass hier § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB keine Anwendung findet und daher ein Genehmigungserfordernis besteht.
    Ich denke, dass sich das mit der von mir sinngemäß zitierten Komemntarmeinung deckt.

    Kurz gesagt liegt hier m.E. eine eindeutige Interessenkollision zwischen Elternwille und Vermögenswohl der Kinder vor, die zur Nichtanwendung der zitierten Ausnahme führt und somit zum normalen Genemigungserfordernis nach Abs. 2 S. 1.

    Ich sehe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es darauf ankommen könnte, ob A bereits Miterbe ist oder nicht. Es geht hier ganz allein (die Regelungen und Eigenarten der Erbengemeinschaft vollkommen außer Acht lassen könnend) um den konkreten Vermögenszuwachs bei den Minderjährigen, den Sie durch die Stellung als Erben gewonnen hätten.

    Natürlich müsste dies durch das zuständige Nachlassgericht genau so gesehen werden, damit es überhaupt so weit kommt.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Es fragt sich aber, ob eine Interessenkollision zwingend zu einem Genehmigungserfordernis oder nur zu einem veranlassten Teilentzug der elterlichen Sorge führt. Zu den von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Ausnahmen von der Genehmigungsfreiheit gehört der vorliegende Fall jedenfalls nicht.

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