Gläubigerbevorzugung

  • Nach § 294 Abs. 2 InsO ist jedes Abkommen des Schuldners oder anderer Personen mit einzelnen Insolvenzgläubigern, durch das diesen ein Sondervorteil verschafft wird, nichtig.

    Nach § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO obliegt es dem Schuldner Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen.

    Jetzt taucht ja häufig die Frage auf, dass Schuldner einem Gläubiger (naher Verwandter, guter Freund etc.) das Geld, das er schuldet auf jeden Fall zurück zahlen möchte. Dabei will er aber auf gar keinen Fall gegen die Obliegenheiten verstoßen und damit die RSB riskieren.

    Häufig habe ich gelesen, dass dann dritte Personen die Zahlungen vornehmen sollen. Das halte ich aber auch für bedenklich.

    Was wäre, wenn Eltern des Schuldners oder sein(e) Ehemann/Ehefrau oder Freund/ Freundin vor der Eröffnung für die Schulden bei einer Person eine Bürgschaft übernehmen würde, die durch die RSB nicht betroffen wäre?

    Der/die Bürge/in würde die Forderung dann bezahlen und der Schuldner hätte weder gegen § 294 noch § 295 InsO verstoßen. :gruebel::gruebel:

  • Wenn ein Dritter aus seinem Vermögen einem Insolvenzgläubiger etwas zuwendet, unterfällt dies nicht dem Regelungsbereich des § 294 Abs. 2. Die Vorschrift schließt auch nicht aus, dass der Schuldner an einen Insolvenzgläubiger Zahlungen aus seinem freien Vermögen (AG Göttingen ZInsO 2005, 1002 [AG Göttingen 05.08.2005 - 74 IN 162/04]; a.A. Adam ZInsO 2006, 1132 ) oder aus Mitteln erbringt, die ihm in dem gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 zulässigen einer Erbschaft zugeflossen sind (KP-Wenzel § http://www.insolvenzrecht.de/inhalte/suche/…search_match_37294http://www.insolvenzrecht.de/inhalte/suche/…search_match_39 Rn. 5).

  • Da bin ich mir eben nicht sicher:

    Abkommen des Schuldners oder anderer Personen

    Die Frage ist nur, ob es darum geht, dass sich ein Gläubiger nicht auf ein Abkommen berufen (also Ansprüche stellen) kann oder ob eine Zahlung einer anderen Person nicht schon ein Abkommen darstellt.

    Auch was die Zahlung aus dem freien Vermögen angeht habe ich meine Bedenken. Man könnte schon alleine darin eine Benachteiligung der übrigen Gläubiger sehen, wenn einer besser gestellt wird und zusätzliche Zahlungen erhält. Die Vorschrift des § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO lese ich ganz anders.

  • Abzustellen ist dabei auf den Sondervorteil:

    Der Münchner Kommentar schreibt dazu folgendes (viel Spass beim Lesen:teufel:)

    Ein Sondervorteil liegt dann vor, wenn ein Insolvenzgläubiger entgegen den allgemeinen Verteilungsvorschriften des Restschuldbefreiungsverfahrens ohne Rechtfertigung den anderen Insolvenzgläubigern gegenüber bevorzugt wird. Es kommt dabei - anders als bei der entsprechenden früheren Vorschrift des § 181 Satz 3 KO („. . . bevorzugt werden sollen . . .“) - nur auf die objektive Bevorzugung an. Mit dieser Einschränkung ist die Rechtsprechung zur Auslegung des § 181 Satz 3 KO entsprechend heranzuziehen.Wesentlich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise.
     Unberechtigt ist ein Sondervorteil dann, wenn die Haftungsmasse unter Verletzung des Grundsatzes par conditio creditorum verkürzt wird. Gleiches gilt, wenn ein Einfluss auf den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess auf Seiten des Gläubigers zu befürchten ist, wobei dann allerdings eine Beziehung zu einer solchen Entscheidungsbildung erforderlich ist, da ohne diese einer missbilligten Vorteilsgewährung der Bewertungsmaßstab fehlen würde.
     Ein unberechtigter Sondervorteil liegt demnach nicht schon dann vor, wenn der Schuldner oder ein Dritter einem einzelnen Gläubiger etwas verspricht, um auf den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess auf Seiten dieses betreffenden Gläubigers Einfluss zu nehmen, soweit dadurch die Masse des Schuldners nicht beeinträchtigt wird. Ein Abkommen, das darauf gerichtet ist, Einfluss auf den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess des Gläubigers zu nehmen, ist nur dann gemäß § 294 Abs. 2 nichtig, wenn der Gläubiger tatsächlich die entsprechende Handlung (etwa ein Antrag nach den §§ 290 Abs. 1, 296 Abs. 1, 297 Abs. 1 und 303 Abs. 1) unterlässt und es dadurch zu einer Verkürzung der Haftungsmasse unter Mißachtung der Gläubigergleichbehandlung und zu Gunsten des betreffenden Gläubigers kommt. Da es im Rahmen des § 294 aber darauf ankommt, dass die Gleichbehandlung der Gläubiger missachtet wird, indem ihnen tatsächlich weniger Vermögen zur Verteilung zur Verfügung steht als ihnen ohne das Abkommen zur Verfügung stünde, kann es nicht darauf ankommen, dass auf Grund objektiver oder subjektiver Umstände die Gefahr besteht, ein Gläubiger würde seine Antragsbefugnisse in einer bestimmten Art und Weise ausführen. Ein unberechtigter Sondervorteil liegt eben nur dann vor, wenn aus dem allen Gläubigern zur Verfügung stehenden Vermögen bestimmte Vermögenswerte einem einzelnen Gläubiger zukommen. Da der Schuldner mit seinem freien Vermögen nach eigenem Belieben verfahren kann, liegt ein unberechtigter Sondervorteil nur dann vor, wenn die Haftungsmasse unter Missachtung der Gläubigergleichbehandlung verkürzt wird. Auf den Einfluss der Willensbildung bei dem betreffenden Gläubiger alleine kommt es nicht an. Vor diesem Hintergrund kann die Bezahlung einer Geldstrafe zur Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe nur dann einen vom Schuldner gewährter Sondervorteil darstellen, wenn dieser Betrag nicht aus seinem pfändungsfreien Vermögen stammt.

  • interessant, was Schuldner nach IE für Aktivitäten an den Tag legen, um Verbindlichkeiten zu bedienen.

    Wenn schon der Hang vorhanden ist, hier jemandem einen Sondervorteil zu verschaffen, kann man das nicht auf die Zeit nach Erteilung der RSB verschieben ?

    Das schafft weder dem Treuhänder noch dem Insolvenzgericht Kopfschmerzen bzw. Arbeit.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Zu § 295 Abs. 1 Nr. 4 Inso:

    PräsenzKommentar Haarmeyer/Wutzke/Förster

    Es existieren lediglich vier Entscheidungen von Amtsgerichten.
    Die Rechtsprechung (die weitere Voraussetzung der Gläubigerbeeinträchtigung gem. § 296 Abs. 1 Satz 1 InsOhttp://www.insolvenzrecht.de/inhalte/suche/…31,301#jurabs_1 wird wegen Sachzusammenhanges einbezogen) bejaht einen Verstoß bei

    eigenmächtiger Befriedigung der Gläubiger in unterschiedlichen Umfang,
    AG Göttingen, Beschl. v. 17.01.2003 - AZ: 74 IK 191/01, DZWIR 2003, 215 dort wurde die Geltung des § 295 InsO schon ab Verfahrenseröffnung

    Zahlungen an die Staatsanwaltschaft zur Abwendung der Haft.
    AG Mannheim, Beschl. v. 26.02.2004 - AZ: IN 113/02

    Nichtabführung pfändbarer Beträge durch den Schuldner bei durch den Treuhänder nicht offen gelegter Abtretung.
    AG Passau, Beschl. v. 27.11.2008 – AZ: 2 XN 404/06, ZInsO 2008, 493.


    Die Rechtsprechung verneint einen Verstoß bei
    Zahlungen aus dem unpfändbaren Vermögen.
    (siehe oben)

  • Ich häng mich hier auch mal dran.

    Verstehe ich das also richtig, dass der Schuldner im Hauptverfahren risikolos einzelne Gläubiger aus seinem pfändungsfreien Vermögen bezahlen darf, da er über das pfandfreie Vermögen frei verfügen darf?

  • Ich glaube,so ist es zu verstehen.M.E. muss bei der Bevorzugung nicht darauf abgestllt werden,dass ein einzelner Gläubiger was bekommt.Vielmehr müssen die anderen durch diese Zahlung weniger bekommen.Und wenn die Zahlungen aus dem pfandfreien Bereich erfolgen,ist die Bevorzugung des einen bzw. die Benachteiligung der anderen eben nicht gegeben, da das pfandfreie Einkommen nicht Masse ist und insoweit nicht zur Verteilung stand bzw. ein Zugriff der anderen Gläubiger ohnehin nicht gegeben war..durch eine solche Zahlung kriegen sie nicht weniger,sind dadurch nicht benachteiligt,daraus folgt, dass eine Bevorzugung iS des Gesetzes auch nicht stattfand......richtige Interpretation ?

  • Ich häng mich hier auch mal dran.

    Verstehe ich das also richtig, dass der Schuldner im Hauptverfahren risikolos einzelne Gläubiger aus seinem pfändungsfreien Vermögen bezahlen darf, da er über das pfandfreie Vermögen frei verfügen darf?



    Wenn mit "Hauptverfahren" das eröffnete Insolvenzverfahren vor Beginn der Wohlverhaltensperiode gemeint ist, dann kann der Schuldner in Bezug auf die Obliegenheiten des § 295 InsO ohnehin machen, was er will, weil diese erst ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens zur Anwendung kommen (soweit nicht vorverlagert durch § 4c InsO bei Stundung oder durch Verweisung in § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO).

  • Sorry, wenn ich das alte Ding ausbuddele, aber ich verstehe es einfach nicht:

    Was ist, wenn der Treuhänder das aus dem pfändungsfreien Vermögen gezahlte Geld haben will?

    Kann ich ihm dann einfach unter Hinweis auf beispielsweise das Urteil aus Göttingen sagen:
    Nee, lieber Treuhänder, ist nicht, weil der von Dir gewünschte Betrag aufgrund von kleineren Zahlungen aus dem pfändungsfreien Vermögen und aufgrund einer entsprechenden Zusage des Insolvenzschuldners erfolgten.
    Eine Bevorzugung des einen Gläubigers bzw eine Benachteiligung der anderen liegt somit nicht vor.

    Oder ist eine Differenzierung vorzunehmen nach den Zeiträumen? Vor Eröffnung, vor Schlußtermin und danach?

    :confused:

  • Rainer, icke oooch...

    Scheint eher eine allgemeine Frage zu sein, die bitte noch konkretisiert werden muss: Wann Zahlungen, worauf Zahlungen, an wen Zahlungen?

  • Ich sortiere mich mal:

    Gläubiger hat offene Forderungen, sagen wir aus dem Jahr 2010.
    Anfang 2011 fängt Schuldner an, kleinere Beträge zu zahlen.

    Im Frühjahr des Jahres kommt der Schuldner und sagt, daß er bei der Schuldnerberatung war und voraussichtlich in die Inso gehen wird.
    Er ist jedoch der Meinung, er möchte diesen Gläubiger mit kleineren Beträgen weiter glücklich machen.
    Er zahlt also weiter seine kleinen Beträge.

    Im Mai 2011 wird tatsächlich die Inso eröffnet.
    Dennoch zahlt er weiterhin.

    Jetzt, zum Ende des Jahres war ein Betrag von ca 90 € zusammengekommen, von dem der Treuhänder erfahren hat und den dieser gern haben möchte.

    Ich möchte dem Treuhänder jetzt gern sagen, daß der Schuldner die Zahlungen, in Summe 90 € im Jahr, aus seinem pfändungsfreien Vermögen gezahlt hat und ich daher nicht bereit bin, ihm das Geld auszuzahlen.
    Kann ich das unter Verweis auf das Urteil aus Göttingen tun?

    Besser erklärt?

  • Von wem möchte der Treuhänder denn das gezahlte Geld haben? Vom Schuldner oder vom Gläubiger?

    Sofern er es vom Gläubiger möchte käme für die vor Verfahrenseröffnung bezahlten Beträge ja nur eine Anfechtung gem. §§ 129 ff InsO in Betracht. Da sehe ich aber die Voraussetzungen als nicht erfüllt, wenn die Zahlungen aus dem unpfändbaren Vermögen stammten .

  • Das Ganze lief über monatliche Barzahlungen. Hat das Auswirkungen?

    Ich weiß nicht, ob der Treuhänder wirklich anfechten will. (Reifenpanne, er will es vom Gläubiger)
    Er kann doch nur die 3 Monate vor Eröffnung anfechten, oder?
    Das wäre dann Februar, März, April 2011. Und wenn ich die 90 € runterrechne auf den Monat, dann lohnt sich der Aufwand eigentlich doch schon gar nicht mehr.

  • Anfechtung ist im Verbraucherinsolvenzverfahren wegen § 313 Abs. 2 InsO schwierig. Allerdings dürften die Voraussetzungen nach § 133 InsO (10 Jahre!) spätestens dann vorliegen, wenn dem Gläubiger Post von der Schuldnerberatung zugeht. Und bezüglich der Frage, pfändungsfreies Vermögen würde ich mich insbesondere bei Selbständigen immer streiten. Anders ist es meinnes Erachtens bei Zahlungen, welche nach Eröffnung aus pfandfreien Einkommen erfolgen. Wenn ich die Rechtsprechung richtig verstehe, kann der Schuldner damit machen, was er lustig ist. Auch seine Gläubiger bedienen. Und weil sich die Rechte nur auf die Insolvenzmasse beziehen, kommt der Treuhänder da auch nicht ran. Pfändungsfreies Einkommen ist nämlich keine Masse.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Der Schuldner ist definitiv kein Selbständiger und war es auch nie.

    Gegs, meinst Du Deinen Satz zur Schwierigkeit wegen 313 Abs 2 wegen der Beauftragung?

    Das spricht eigentlich alles dafür, daß der Gläubiger die 90 € behalten darf.:gruebel: höchstens abzüglich eines kleinen Betrages x für die Monate Februar bis April - die man dem Treuhänder bei "Struheit" freiwillig anbieten könnte.

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