Verfahren § 1673 I BGB

  • Hallo zusammen, habe mal wieder einen "nicht normalen" Fall und brauche mal ein paar Anregungen von anderen Praktikern:

    Ein Kind steht unter elterlicher Sorge beider Eltern, der Vater steht jedoch aufgrund einer Erbkrankheit (Chorea Huntington) mit negativer Prognose unter Betreuung durch seine Ehefrau. Das Betreuungsgutachten 11/2008 gibt keine Aussage zur Geschäftsfähigkeit, Pflegefall im Heim, Verständigung ist kaum möglich und stetige Progredienz ist gegeben.

    Nun ist der Vater als Erbe berufen, Betreuerin/Ehefrau hat ausgeschlagen, wodurch nunmehr das gemeinsame minderjährige Kind (17) berufen ist.

    M.E. ein Fall des § 1673 BGB - da die Geschäftsunfähigkeit - soweit sie belegt ist - nicht nur vorübergehend sein wird.

    Die Kindesmutter benötigt einen deklaratorischen Beschluss über das Ruhen der elterlichen Sorge kraft Gesetzes, hat aber keine Unterlagen die das wörtlich belegen.

    Muss ich nunmehr im Rahmen des § 1673 I BGB vielleicht auch § 1674 BGB als Rpfl des FamG vAw eine ärztliche Bescheinigung oder Gutachten in Auftrag geben, um das Bestehen der GU schwarz auf weiß zu haben oder muss die Mutter oder gar das Betreuungsgericht hier nachweisen??


    Käthi

  • Ich hatte mal einen ähnlichen Fall, bei dem es um Geschäftsunfähigkeit eines Elternteils nach § 1673 (also Ruhen bei rechtlichem Hindernis) ging.
    Da habe ich die Akte an den Richter abgegeben, weil ich meine, die deklatorische Feststellung dieses Sachverhalts ist Sache des Richters - der hat es dann auch gemacht; nur das Feststellen des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 (wegen tatsächlichen Hindernissen) ist Sache des Rechtspflegers.

    Zwar sind im RpflG beide §§ 1673, 1674 als Richtervorbehalt nicht genannt, aber letztlich sieht der § 1673 ja auch keine gerichtliche Entscheidung oder Feststellung vor - nur aus diesem Grunde wird wohl im RpflG auch nicht darauf eingegangen.
    Aus meinem Bauchgefühl heraus, ist der Richter immer zuständig, wenn es um Fragen der Geschäftsunfähigkeit geht (Stichworte: Einwilligungsvorbehalt, Testierfähigkeit ....).

  • Danke, Andy K - an die Zuständigkeit des Rpfl hatte ich bis jetzt noch gar nicht gezweifelt!!:teufel:

    Weitere Ideen hinsichtlich der Nachweisung der GU?:gruebel:

  • Als Nichtmediziner kann ich nur meine Annahme äußern, dass Chorea Huntington auf die geistigen Fähigkeiten keinen Einfluss hat. Ich halte den Mann erstmal für geschäftsfähig. Wahrscheinlich berührt das vorliegende Gutachten deshalb diese Frage nicht.

    Bei § 1673 BGB brauche ich keine Feststellung des Gerichts, wie oben richtig ausgeführt wird, sondern nur die medizinisch fundierte entsprechende Aussage.
    Der deklaratorische Beschluss kann ja nur dieser Aussage folgen, also ist er nicht erforderlich.

    Das NL-Gericht muss bei der Ausschlagung mit der Mutter besprechen, ob sie allein das Kind vertreten kann. Kommt die Mutter allein und verweist auf die angebliche Geschäftsunfähigkeit des Vaters, muss es m. E. diesen Punkt ins Protokoll aufnehmen und darauf hinweisen, dass zu befürchten ist dass die kraft Gesetzes vorhandenen Folgen des § 1678 BGB nicht eingetreten sind und dass die Mutter eventuell nicht allein vertreten kann. Ob das NL-Gericht verpflichtet ist, dies zu prüfen, notfalls per Gutachten, müssen die NL-Experten beantworten können.
    Jedenfalls kann kein Beschluss des FG im Sinne des § 1673 BGB verlangt werden. Auch kein deklaratorischer. Das wäre eine Verlagerung von Zuständigkeiten, die ja spätestens im Erbscheinserteilungsverfahren ans Tageslicht treten.

    Eine Überlappung zwischen § 1673 BGB und § 1674 BGB sehe ich nicht: entweder - oder. Also werde ich als F-Rpfl. nicht tätig.


  • 1. Jedenfalls kann kein Beschluss des FG im Sinne des § 1673 BGB verlangt werden. Auch kein deklaratorischer. Das wäre eine Verlagerung von Zuständigkeiten, die ja spätestens im Erbscheinserteilungsverfahren ans Tageslicht treten.

    2. Eine Überlappung zwischen § 1673 BGB und § 1674 BGB sehe ich nicht: entweder - oder. Also werde ich als F-Rpfl. nicht tätig.



    Beiden Aussagen würde ich so auch zustimmen.

  • Jetzt hab ich als dienstjüngster Rpfl. gerade einen Antrag nach § 1673, 1674 BGB (steht wörtlich so drauf) auf dem Tisch mit folgendem Sachverhalt:

    Eltern geschieden, Mutter hat alleiniges Sorgerecht. Nach einem Schlaganfall am 25.12.2009 kann die Mutter offenbar kaum noch sprechen und ist halbseitig gelähmt :eek: Zum Vater besteht seit langer Zeit kein Kontakt. Für die Mutter wurde eine vorläufige Betreuerin bestellt.

    Da JA beantragt heute für die 16 jährige Tochter im Wege der einstweiligen Anordnung
    - das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen und
    - das JA zum Vormund zu bestellen.

    Eilbedürftigkeit wird damit begründet, dass Unterschriften für einen Ausbildungsvertrag zu leisten sind.

    Meine Fragen:

    Wer ist zuständig, Richter oder Rpfl. :gruebel:
    und was ist - so ich zuständig wäre - bei dem Verfahren zu beachten (Anhörungen oder sofortige schriftliche Entscheidung :confused:)

    Ich danke schon jetzt für jegliche Hilfe . . . :)

  • Das ist der klassische Fall des § 1674 BGB. Zuständig ist der Rpfl..
    Anhören würde ich Mutter und Kind. Die Mutter kann sich zumindest durch Gestik artikulieren, das Kind hat Beteiligtenstatus, ist auch zwingend persönlich anzuhören und hat ein eigenes Beschwerderecht. Das JA hat sich mit seinem "Antrag" bereits geoutet und muss nicht auf sein Antragsrecht, als Beteiligter beigezogen zu werden, hingewiesen werden (§§ 162, 8, 7 FamFG). Es hat seinen Antrag konkludent handelnd bereits mit seiner Einleitungsschrift abgegeben.
    So dringend ist der Handlungsbedarf nicht. Das nächste Ausbildungsjahr beginnt am 01.08.2010, wir schreiben Februar.
    Allerdings kannst du die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung nach §§ 49 FamFG prüfen, mir persönlich ist der Vortrag hierfür zu dünn.

    Zu beachten ist allerdings § 1678 ff BGB. Hatte der Vater auch die elterliche Sorge, was nach #1 nicht der Fall sein soll, ist überhaupt nichts zu veranlassen. Zu prüfen ist allerdings diese Behauptung.

    Im übrigen muss der Ausbildungsvertrag in aller Regel genehmigt werden (§ 1822 Ziffer 6 BGB), es sei denn, das Jugendamt wird nach der Feststellung im Sinne des § 1674 BGB Vormund; da entfällt die Genehmigungspflicht nach § 56 II SGB VIII. Aber erst mal musst du gemäß § 1791b BGB einen Vormund aus Fleisch und Blut suchen und für den gibt es eine Genehmigungspflicht. Die ganze Angelegenheit kann sich also hinziehen.

  • Herzlichen Dank für die umfassende Antwort, Gänseblümchen :)

    da ich an das JA bezüglich des wirklich sehr dünnen Antrages (eben, wie eilig ist es denn mit der Unterschrift für den Ausbildungsvertrag) noch ein zwei Fragen gehabt hätte und dort telefonisch keinen erreichen konnte, habe ich heute selbstverständlich keine eAO erlassen und die Akte zurück in die Serviceeinheit gebracht . . . mit den hier genannten Hinweisen bezüglich des nicht erfolgten Erlasses der eAO und der Bitte den Antrag der am Montag wieder anwesenden und regulär zuständigen Rechtspflegerin vorzulegen ;)

    in dem Sinne ein schönes Wochenende . . . :)

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