Feststellung der Geschäftsunfähigkeit im Grundbuch

  • Hallo,

    mich beschäftigt ein Problem und ich wäre euch für eure Meinung oder Tipps sehr dankbar!

    Folgender Sachverhalt:
    Eine alte Dame überträgt durch notariellen Kaufvertrag/Auflassung im Juli ihr Eigenheim auf ihren Sohn. Der Notar beantragt die Eigentumsumschreibung.

    Vor Eintragung meldet sich eine Tochter der Verkäuferin und trägt schriftlich vor, dass die Mutter aufgrund einer Krebserkrankung und Kopf-OP seit Juni geschäftsunfähig sei. Eine entsprechende Bescheinigung der Hausärztin wurde zwischenzeitlich eingereicht.

    Frage(n):

    1. Reicht das Attest einer Hausärztin aus, die Geschäftsfähigkeit in Zweifel zu
    ziehen? Muss es sich nicht um ein Gutachten eines Neurologen/Psychiaters
    handeln?

    2. Wie sieht das weitere Vorgehen im Grundbuchverfahren zur Prüfung der
    Geschäftsfähigkeit aus?

    3. Muss nicht die Tochter die Geschäftsunfähigkeit belegen, weil sie sich auf
    die Geschäftsunfähigkeit als Ausnahme von der Regel der Geschäftsfähig-
    keit beruft?

    4. Muss das Grundbuchamt eine "Beweisaufnahme" durchführen?

    Viele Grüße
    Sponge

  • Die Geschäftsunfähigkeit kann nur ein Psychiater oder Neurologe feststellen. Dies ist z.B. im Nachlassrecht unbestritten.
    Im Grundbuchverfahren kann bei Zweifeln über die Geschäftsfähigkeit ein Gutachten des Gesundheitsamts verlangt werden. Dies entspricht und erfordert auch § 29 GB0.

  • Hallo Ollik,

    wer muß denn das Gutachten beschaffen? Muss ich das dem Antragsteller aufgeben oder der Person, die die Geschäftsunfähigkeit behauptet? Oder letzte Möglichkeit: Hat das Grundbuchamt das Gutachten in Auftrag zu geben?

    Viele Grüße
    Sponge

  • Kurze Zusammenfassung:
    Das GBA stellt nicht fest, ob die Einigung wirksam erklärt ist. Es stellt nur fest, ob sie erklärt ist. Nur bei Überzeugung des GBA durch feststehende Tatsachen, daß die Eintragung das GB unrichtig machen würde, darf das GBA die Eintragung ablehnen (§ 20 Rz. 38 in der 25. Aufl.).

    Bei ernsthaften Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Bewilligenden als Voraussetzung seiner Verfahrensfähigkeit (=Eintragungsvoraussetzung) verlangt das GBA vom Ast. mit Zwischenverfügung, die Zweifel auszuräumen. Dazu genügt ein ärztliches Attest, das nicht der Form des § 29 GBO bedarf (§ 18 Rz. 3 in der 25. Aufl.).

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

    Einmal editiert, zuletzt von FED (14. Dezember 2009 um 12:51) aus folgendem Grund: jemand hatte einen Buchstaben gestohlen

  • Demharter § 18 Rn.3 und § 20 Rn.38.



    Was steht da? Ich habe den Demharter leider nicht.



    Kein Demharter ???. Das ist ja wie ein Auto ohne Bremsen...
    Also:
    Wenn sich dem GBA (ernsthafte) Zweifel aufdrängen, ist der Frage der Geschäftsfähigkeit des Bewilligenden von Amts wegen nachzugehen und dem Antragsteller ggf. die Vorlage eines (nerven-) fachärztlichen Attestes aufzugeben (BayObLG, NJW-RR 1990, 721, Rpfleger 1992, 152; Knothe in Bauer/von Oefele, GBO 2. Auflage 2006, § 29 RN 40, Demharter, GBO, 27. Aufl. 2010, § 18 RN 3; Stellungnahme in DNotI-Report 7/2000, 57/58 (zur Prüfung im Rahmen des § 20 GBO), je mit weit. Nachw., s. a. BGH, DNotZ 1995, 133/135 zu den Folgen bei Verfügungen von Mitgliedern einer Bruchteilsgemeinschaft und fehlender Geschäftsfähigkeit eines der Teilhaber).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Beim dortigen Grundbuchamt steht -auch bei den Kollegen- kein Demharter zur Verfügung? Dann wahrscheinlich auch kein größerer Kommentar. Wie entscheidet ihr in Zweifelsfällen, werft ihr eine Münze?


    Größtenteils. :D Nein, wir verfahren nach Schöner/Stöber, Meikel und KEHE. Aber wenn hier der Demharter zitiert wird, möchte ich schon wissen, was der dazu sagt. Ehe die nächste Frage kommt: Nein, Bauer/v. Oefele haben wir - trotz mehrfachem Wunsch - auch nicht. :oops:

  • Vielen Dank für Eure Hinweise und Tipps!

    Ich habe mich dazu entschieden, eine Zwischenverfügung zu erlassen und dem Notar aufgegeben, ein Gutachten eines Neurologen oder Psychiaters beizubringen, das geeignet ist, die Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Verkäuferin so weit zu zerstreuen, dass wieder von der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann.

    Ich werde weiter berichten ...

    Viele Grüße
    Sponge

  • Ich habe schon viel zu dem Thema gelesen, hier und diverse Kommentare und Rechtsprechung und bin mir trotzdem noch unsicher, wie ich folgenden Fall beurteilen soll:
    Der Eigentümer verschenkt seinen sehr werthaltigen Grundbesitz an eine weit entfernte Verwandte. Die Notarin hat sich zum Zwecke der Beurkundung ins Krankenhaus begeben, wo der Eigentümer in Folge einiger Schlaganfälle lag. Sie führt aus, dass sie sich durch ein langes Gespräch über diverse Dinge von der Geschäftsfähigkeit des Eigentümers überzeugt habe.

    Nach der Ausführung im BeckOK in Rn. 36 zu § 29 ist das Grudbuhamt nicht an die Feststellung des Notars gebunden. Hier macht mich die Tatsache, dass die Angelegenheit offenbar so eilig war, dass noch im Krankenhaus beurkundet werden musste, etwas unsicher, zumal das Grundstück eben einen sehr hohen Wert hat. Was würdet ihr dazu meinen?

  • Die Eile kann befremdlich wirken, da will ich Dir nicht widersprechen. Aber hast Du jenseits der Eile irgendeinen Anlass für Zweifel? Wurden etwa viel nähere Angehörige übergangen? Handelte es sich um eine "bezirksfremde" Notarin, die extra eine weite Anreise unternommen hat, ist sie vielleicht für ihre zweifelhafte Geschäftsauffassung bekannt ...

    Wenn es nur die Eile ist, würde ich wohl eintragen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Viel nähere Angehörige wurden übergangen, das weiß ich aus entfernter eigener Kenntnis über die Familie...
    Die Notarin kommt aus der nächsten größeren Stadt, das sollte soweit keine Zweifel schüren.

    Ansonsten habe ich nichts Konkretes, das vedächtig ist, das stimmt schon. Also werde ich wohl eintragen müssen:gruebel:.

    Ich danke dir für die schnelle Antwort - und das am Sonntag!

  • Ich finde die Eile in diesem Fall auf den zweiten Blick eigentlich nicht besonders verwunderlich. Der Eigentümer spielt womöglich schon länger mit dem Gedanken und als er mit Schlaganfall (wo ja die Gefahr einer Wiederholung durchaus gegeben ist) im KKH landet erkennt er, dass er besser umgehend handeln sollte.
    Als "Verdachtsmoment" bliebe dann nur noch das Übergehen näherer Angehöriger, die aber ja nicht notwendigerweise auch näherstehend sein müssen.
    ich denke auch, dass du wirst eintragen müssen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • ich häng mich hier mal dran. Würdet ihr folgenden Fall auch zwischenverfügen?

    Der in Zugenwinngemeinschaft verheiratete Alleineigentümer lässt Grundstück an die Tochter auf und behält sich ein Wohnungsrecht sowie ein Rückforderungsrecht (gesichert durch Vormerkung) vor. Unter dem Punkt "Genehmigungen/Zustimmungen" in der Urkunde befindet sich folgender Passus: "Die erforderliche Ehegattenzustimmung gemäß § 1365 BGB erfolgt gesondert. Da die Beteiligten offenbar selbst davon ausgehen, dass die Zustimmung erforderlich ist, sehe ich Anlass, diese auch im Grundbuchverfahren zu prüfen.

    Mit nachfolgender Urkunde erteilte die Ehefrau aus allen Rechtsgründen ihre Zustimmung zur Überlassungsurkunde.
    Der Notar führte im Urkundeneingang aus, dass die Ehefrau zwar erkrankt sei, jedoch auf die Fragen klar und hinreichend deutlich zu antworten und ihren Willen nach Einschätzung des Notars hinreichend deutlich auszudrücken vermochte. "Gleichwohl konnte ich mich auch durch das mit Frau ... geführte längere Gespräch nicht zweifelsfrei von ihrer Geschäftsfähigkeit überzeugen. Dennoch wünschen die Beteiligten die heutige Beurkundung."
    Als Anlage ist ein Neuropsychologisches Gutachten (circa 2 Monate vor Beurkundung erstellt) beigefügt. Ich zitiere aus dem Punkt "Zusammenfassende Beurteilung":
    Um ein komplexes Schriftstück wie ein notarielles Dokument zu verstehen, bedarf es eines wenigstens in größten Teilen unbeeinträchtigten Sprachverständnisses. Dies ist bei Frau ... nicht der Fall.
    ...
    Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass Frau .. für das "normale" Procedere einer notariellen Beglaubigung aufgrund Aphasie und verbalen Gedächtnisdefiziten nicht ausreichend einsichtsfähig und somit auch nicht geschäftsfähig ist (klingt nach partieller Geschäftsunfähigkeit).
    Etwas weiter: "Ließe sich eine Möglickeit finden, FRau .. mit deutlich reduzierten sprachlichen Anforderungen den Sinn und Zweck der angestrebten Überschreibung darzustellen, so liegen keinerlei Gründe vor anzuzweifeln, dass sie diese auch umfassend nachvollziehen könnte." Dies kann ich nicht feststellen, da ich nicht bei der Beurkundung dabei bin.
    Der letzte Satz lautet wie folgt: "Die Einsichtsfähigkeit wird durch die festgestellten kognitiven Defizite in vielfältiger Weise beeinflusst. Es liegt ein Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit vor. Dieser betriff alle kognitiven Bereiche, die mündlicher oder schriftsprachlicher Verarbeitung bedürfen.

    Für eure Meinungen wäre ich dankbar.

  • Eine sog. relative Geschäftsunfähigkeit wird in der Rechtsprechung ablehnt (s. G. Müller im BeckOK BGB, Stand 15.06.2017, § 1896 RN 19 unter Zitat BGH NJW 1953, 1342; 1961, 261; 1970, 1680 [1681]; BayObLG NJW 1989, 1678 [1679].

    Dennoch genügen auch bei einer psychischen Erkrankung Defizite der Erkenntnisfähigkeit, Willensbildung oder Willenssteuerung, die erheblich vom Normalmaß abweichen, aber nicht notwendig die freie Willensbestimmung iSv § 104 Nr. 2 ausschließen, um die Anordnung einer rechtlichen Betreuung nach § 1896 BGB zu ermöglichen. Daher kann auch bei einem leichter geistig Behinderten die Bestellung eines Betreuers für schwierigere Vermögensgeschäfte in Betracht kommen (G. Müller, aaO).,

    Ich denke daher, dass die Zustimmung nach § 1365 BGB von einem nach § 1896 BGB zu bestellenden rechtlichen Betreuer zu erklären ist.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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