Nachweis der Vertretung von Behörden (Gesamtvertretung, § 64 GO NW), § 29 III GBO

  • Unserem Grundbuchamt liegt seit Kurzem eine BGH-Entscheidung (Urteil vom 27.10.2008, II ZR 158/06) vor, in der es um die Gesamtvertretung bei der Stadt geht. Darin heißt es unter anderem:
    Nach § 64 Abs. 1 GO NW sind Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, in Schriftform abzugeben und vom Bürgermeister oder seinem Stellvertreter und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichnen. Darin liegt die Anordnung einer Gesamtvertretung. ... Der Unterschrift dieser zwei Personen bedarf es nach § 63 Abs. 2 und 3 GO NW nur dann nicht, ... wenn ein für ein bestimmtes Geschäft oder einen Kreis von Geschäften ausdrücklich Bevollmächtigter die Erklärung abgibt. Eine derartige Vollmacht ist allerdings nur wirksam, wenn sie nicht so weit gefasst ist, dass damit die Vorschriften über die Gesamtvertretung unterlaufen werden.“
    In § 64 Abs. 2 GO NW ist geregelt, dass sich das Erfordernis einer Gesamtvertretung nicht auf Geschäfte der laufenden Verwaltung bezieht. Gerade im o.a. Urteil wird jedoch ein Grundstücksgeschäft als ein Geschäft eingeordnet, das nicht zur laufenden Verwaltung gehört und daher dem Erfordernis der Gesamtvertretung unterliegt.

    Für das GBA ergibt sich daher das Problem, dass die Stadt bei Auflassungen und Bewilligungen eigentlich nie ordnungsgemäß vertreten ist. Denn unsere Erklärungen der Stadt werden häufig von einem im Regelfall nicht zu den vertretungsberechtigten Personen des § 64 Abs. 1 GO NW gehörenden Mitarbeiter der Stadt, unterschrieben und gesiegelt eingereicht, oder falls vollmachtlose Vertreter im Vertrag aufgetreten sind, in dieser Form genehmigt. Aufgrund § 29 III GBO wurde die Vertretungsbefugnis eigentlich nur bei ausdrücklichem Verweis auf zu den Generalakten eingereichte Vollmachten geprüft, und natürlich in den Fällen, in denen in einer notariellen Verhandlung ein Mitarbeiter der Stadt aufgetreten ist.

    Durch die o. a. Entscheidung ist aber nun bekannt, dass die Vertretung gar nicht zulässig sein kann, da durch diese „vollumfänglichen“ Vollmachten die vorgeschriebene Gesamtvertretung unterlaufen würde.

    Nun ist die Frage, inwiefern uns das als GBA überhaupt interessiert.
    Bei einer Auflassung denke ich, dass wir wegen § 20 GBO auch die materiell-rechtliche Einigung und somit auch die ordnungsgemäße Vertretung der Stadt prüfen müssen.
    Bei einer Bewilligung gilt eigentlich nur § 19 GBO. Dennoch bin ich ja nun eigentlich bösgläubig, was die (mangelnde) Vertretung der Stadt angeht.
    Muss das GBA die Vertretungsmacht denn auch bei Bewilligungen prüfen?

    Außerdem werden in unserer Abteilung auch Zweifel geäußert, ob wir dieses zivilrechtliche Urteil überhaupt auf das formalisierte Grundbuchverfahren anwenden können, oder ob es für uns einfach bei der bisherigen Regelung (§ 29 III GBO: Unterschrift und Siegel der Stadt reichen aus) verbleibt.

    Als Ergänzung: Das o.a. Problem ergibt sich nicht nur bei der Stadt. Bei diversen anderen öffentlichen Einrichtungen sind die Vertretungsregelungen zum Teil noch komplizierter. Es kann meiner Meinung nach nicht Aufgabe des GBA sein, in den jeweiligen Satzungen, Vorschriften etc. zu gucken, wie die Einrichtungen vertreten werden und ob eine Untervollmacht zulässig ist.

    Für Antworten wäre ich sehr dankbar.

  • Ungeachtet der Frage, ob überhaupt eine Konkurrenz besteht, ginge § 29 III GBO schon wegen Art. 31 GG der Gemeindeordnung des Landes NRW vor. Die Nachweiserleichterung gilt aber nur für Behördenerklärungen, nicht aber, wenn Behördenmitarbeiter Erklärungen in notarieller Urkunde abgeben. Hier genügt das Beidrücken des Behördensiegels nicht, es bleibt vielmehr das Vertretungsrecht nachzuweisen (OLG Frankfurt Rpfleger 1990, 112).

  • Art. 31 GG ist eine Vorschrift, welche über das Verhältnis der GBO zur GO/NRW genau nichts sagt. Denn Art. 31 GG setzt voraus, dass für das selbe Rechtsgebiet formell verfassungsgemäßen Bundesrecht neben formell verfassungsbemäßem Landesrecht gibt. Nun hat aber der Bundesgesetzgeber vom Kompetenztitel des gerichtlichen Verfahrens aus Art. 74 I (1) GG umfassend Gebrauch gemacht. Damit ist dem Landesgesetzgeber bereits nach Art. 72 III GG jede Kompetenz entzogen.

    Dagegen kann der Landesgesetzgeber das Kommunalrecht regeln, da das Grundgesetz keine Gesetzgebungskompetenz verleiht, Art. 70 I GG.

    Die Rechtsnatur des § 64 GO/NRW ist umstritten. Nach unzutreffender Ansicht handelt es sich, wie der Wortlaut von § 64 IV GO/NRW nahelegt, um eine Formvorschrift. Wäre dies der Fall, so wäre § 64 GO/NRW wegen Artt. 72 III, 74 I (1) GG nichtig. Es würde auch nicht feststehen, wie die Gemeinden nunmehr handeln sollen.

    Deshalb sieht die zutreffende Ansicht in § 64 GO/NRW eine Regelung der Vertretung der Gemeinden. Denn nur so kann § 64 GO/NRW überhaupt wirksam sein.

    Vor diesem Hintergrund kann nunmehr geprüft werden. ob die Erklärungen der Gemeide wirksam sind. Im Bereich von § 20 GBO ist gleichzeitge Anwesenheit nachzuweisen. Eine Erklärung der Gemeinde nach § 29 III GBO scheidet somit aus. Grundstücksgeschäfte gehören nur dann zur laufenden Verwaltung, wenn diese bei der Aufgabenerfüllung der Verwaltung als üblich vorkommen. Dies wäre dann der Fall, wenn die Gemeinde üblicherweise mit Grundstücken handelt. Das darf sie aber nicht, § 107 I (1)-(3) GO/NRW. Mithin sind Grundstücksgeschäfte immer außerhalb der laufenden Verwaltung. Daher müssen 2 nach § 64 GO/NRW zustände Personen beim Notar anwesend sein.

    Im Bereich von § 19 GBO genügt der Nachweis der Bewilligungsberechtigung. Wird die Erklärung in Gemäßheit von § 29 III GBO abgegeben, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Berechtigung vorliegt und eine interne Zuständigkeit nicht zu prüfen ist. Anders ist es allerdings, wenn die fehlende Berechtigung gerichtsbekannt ist. Aus § 64 GO/NRW folgt gerichtsbekannt dass eine Unterschrift nicht ausreichen kann. Somit steht bei einer Unterschrift für das Grundbuchamt fest, dass eine Bewilligungsberechtigung nicht vorliegt.

  • Im Bereich von § 19 GBO genügt der Nachweis der Bewilligungsberechtigung. Wird die Erklärung in Gemäßheit von § 29 III GBO abgegeben, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Berechtigung vorliegt und eine interne Zuständigkeit nicht zu prüfen ist. Anders ist es allerdings, wenn die fehlende Berechtigung gerichtsbekannt ist. Aus § 64 GO/NRW folgt gerichtsbekannt dass eine Unterschrift nicht ausreichen kann. Somit steht bei einer Unterschrift für das Grundbuchamt fest, dass eine Bewilligungsberechtigung nicht vorliegt.


    Das sehe ich (und u.a. auch das OLG Düsseldorf) anders:
    Der Umstand, dass die Behördenerklärung nur eine Unterschrift trägt, ist mitnichten ein Beleg für die Unwirksamkeit der Erklärung. Vielmehr kann die auftretende Person auch aufgrund einer für den Einzelfall erteilten Vollmacht (§ 64 III GO NRW) handeln. Der BGH hat eine solche Vollmacht in der in #1 genannten Entscheidung gerade nicht ausgeschlossen. Vielmehr verweist der BGH selbst in seiner Entscheidung auf BGH, Urt. v. 6. Mai 1997 - KZR 43/95, ZIP 1997, 2166, 2168. Darin heißt es:
    "Die Gefahr eines Unterlaufens der Vorschriften über die Gesamtvertretung im Kommunalrecht (vgl. dazu RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 167 BGB Rdn. 20 a.E.; Reinicke, Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge, 1969, S. 150) besteht jedenfalls dann nicht, wenn sich die Ermächtigung - wie hier - auf ein einzelnes inhaltlich im wesentlichen vorbestimmtes Geschäft bezieht."

    Das OLG Düsseldorf sagt deshalb konsequenterweise in Rpfleger 2004, 283:
    "Zudem war nicht auszuschließen, dass sich die Vertretungsbefugnis des Stadtbaurats K. aus dem ihm zukommenden grundsätzlichen Recht zur Stellvertretung des Bürgermeisters oder aber auch aus einer besonderen für das hier anstehende Grundstücksgeschäft erteilten Vollmacht herleiten konnte."

    Damit dürften sich für das Grundbuchamt die Probleme weitgehend in Wohlgefallen auflösen.

  • Hallo,

    ich häng' meinen Fall einfach mal hier an.

    Der Bürgermeister einer bayerischen Gemeinde bewilligt und beantragt zugunsten der Berechtigten eine Dienstbarkeit (Photovoltaikanlage) und Vormerkungen. Inhaltlich o.k.

    Es folgt die Unterschrift des Bürgermeisters + Siegel.

    Irgendwie kommt mir das komisch vor so ganz ohne Gemeinderatsbeschluss. Aber nach § 29 Abs. 3 GBO müsste es schon gehen, oder?

  • Das geht keinesfalls "irgendwie nach § 29 III". Eine bay. Gemeinde wird durch Bürgermeister + Gemeinderat vertreten. Wenn der Bürgermeister allein handelt, braucht er dazu eine entsprechende - allgemeine oder spezielle - Ermächtigung des Gemeinderats. Im Regelfall tut der Gemeinderat das allgemein in der Geschäftsordnung. Wenn Du sie nicht kennst, musst Du sie vom Antragsteller anfordern.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • @ Andreas

    Vielen Dank!!!
    Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO findet also keine Anwendung.

    Dann fordere ich mal die Gemeindeordnung an. Wenn diese das Handeln des BM nicht deckt ist eine Gemeinderatsbeschluss erforderlich.

  • Der BGH hat bereits die Frage, ob die Zustimmung einer (nordrhein-westfälischen) Kommune zur Übertragung eines Erbbaurechts [weil die Kommune Erbbaurechtsausgeber war und der Übertragung zustimmen musste] eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung sei, unabhängig von der Größe der Kommune verneint, weil es an der regelmäßigen Wiederkehr fehlt (II ZR 158/06).

    Nimmt man das zum Maßstab, dann bleibt an laufender Verwaltung im Grundstücksverkehr allenfalls (und auch das nur mit Zahnschmerzen) noch der Erwerb von Straßengrund übrig. Nach der Definition des BGH fiele vermutlich nicht mal der darunter.

    Ebenfalls: OLG München 34 Wx 65/10

    Du forderst die Geschäftsordnung an.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Der Sinn des § 29 Abs. 3 liegt doch aber darin, daß das Grundbuchamt die Legitimation nicht zu prüfen hat. Daß wir nur dann beanstanden dürfen, wenn
    "tatsächliche Anhaltspunkte für eine mangelnde Vertretungsbefugnis" bestehen (vgl. BayObLG Rpfleger 1978, 141; dort zum Handeln eines "stv. Bügermeisters" für eine bayerische Gemeinde).

  • Da in Bayern der Grundsatz der Gesamtvertretung von Bürgermeister und Gemeinderat besteht, kann sich das Nicht-Prüfen-müssen eigentlich nur auf die Unterschrift + das Siegel des Bürgermeisters beziehen. Das dürfen wir grundsätzlich als ordnungsgemäß unterstellen. Wenn der Gemeinderat ausgespart (sprich: vom Grundsatz abgewichen) werden soll, werden die wohl nachweisen müssen, dass es damit seine Richtigkeit hat.

    Wie gesagt: OLG München a.a.O.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • @ Cromwell: Andere Zustimmungen sind natürlich zu prüfen. Aber die Zustimmung des Gemeinderats wäre im Rahmen einer eingeschränkten Vertretungsmacht erforderlich. Und die Vertretungsmacht darf ich ohne Grund eben nicht anzweifeln.

  • @ Andreas: Das Urteil des OLG München finde ich auf die Schnelle nicht. Aber nach der o.g. Entscheidung des BayObLG ist an der Vertretungsmacht auch dann nicht zu zweifeln, wenn der Handelnde nicht der erste Bürgermeister selbst ist, weil der Handelnde seine Vertretungsmacht unter Umständen aufgrund einer "vom ersten Bürgermeister erteilten Vollmacht herleiten konnte".

  • Nach dem von Dir erwähnten Beschluss des BayObLG soll § 29 III GBO einer Behörde im Grundbuchverfahren die Legitimation derjenigen Person erleichtern, die ihre Erklärung unterzeichnet. M. E. ist die spätere Ausführung, dass mit der Beidrückung des Siegels zugleich die Vermutung der Ordnungsgemäßheit, "d.h. auch der Vertretungsbefugnis der Unterzeichner", begründet sei, daher auch nur in Bezug auf den Bürgermeister zu verstehen.

    Sonst müsste ich mich (auch) fragen, warum hier seit Jahr und Tag bei Bewilligungen die Gemeinderatsbeschlüsse vorgelegt werden.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!