Materielle Einwendungen kurz vor dem Termin

  • Ich würde mich über eure Meinungen zu folgendem Fall freuen:

    Finanzamt betreibt dinglich aus eingetragener Zwangssicherungshypothek über 11.000,-- €.
    Am 11.01. steht Termin an. Nun beantragt der Schuldnervertreter (am 22.12.09!) die Einstellung bzw. Aufhebung des Termins, da die der Zwangssicherungshypothek zugrundeliegende Forderung durch Zahlung erloschen bzw. verjährt sei.
    Ich bin der Ansicht, dass es sich hierbeit um materielle Einwendungen handelt, die ich nicht zu berücksichtigen habe.
    Das Finanzamt gesteht ein, dass von der dinglich gesicherten Forderung nur noch 400,-- € offen sind. Soweit so gut.

    Ich habe nun folgendes vor:
    Termin findet statt, Einstellungsantrag wird ggf. mit dem Zuschlag als unzulässig zurückgewiesen (oder darf ich das nicht??)
    Sollte der Schuldnervertreter seinen Einstellungsantrag allerdings noch auf § 765a ZPO und Sittenwidrigkeit in Anbetracht der geringen (dinglichen) Restschuld stützen, dann könnte dem Antrag stattzugeben sein. Oder wie seht ihr das?
    Im Stöber finde ich zu so einem Fall leider gar nichts.

  • Den Termin stattfinden zu lassen ist m.E richtig! Richtig indes nicht, einem Antrag nach § 765a statt zu geben. Auch wegen einer geringen Schuld, muss der Schuldner die Vollstreckung gegen sich dulden!

    Du kannst Zuschlag erteilen, solange eine dingliche Forderung besteht!

  • Zur angeblichen Bezahlung der Forderung: § 775 Nr. 4 und Nr. 5 ZPO, ansonsten Hinweis auf Vollstreckungsabwehrklage mit Möglichkeit der Einstellung nach § 769 Abs. 2 ZPO durch das Vollstreckungsgericht.
    Wobei ich letzteres bei begründeten Zweifel am Bestehen der Forderung wohl eher durch einen Verkündungstermin umgehen würde. In der Zwischenzeit kann dann Klage eingereicht und eine einstweilige Anordnung beantragt werden.
    In der Regel dürfte ein derartiges Vorbringen des Schuldners jedoch nicht mehr als heiße Luft sein.

  • Das Finanzamt hat doch schon eingestanden, dass nur noch 400 € offen sind, also doch nicht nur heisse Luft. Ich würde wie Stefan eine Zuschlagsaussetzung vorziehen, 765 a käme für mich nur als in Betracht, ehe für den lächerlichen Rest das Familienheim draufgeht und nicht nur ein Acker. Per Fax würde ich aber noch heute den RA auf den Klageweg nach 767 hinweisen und mitteilen, dass eine evtl. Einstellung nach 769 II ZPO davon abhängig gemacht wird, dass die Klageeinreichung nachgewiesen wird. Im Termin kommt dann sicher der Zahlungsnachweis und die Gerichtskosten trägt dann der Fiskus.

  • Betreibt das Finanzamt aus erster Rangstelle?
    Betreibt das Finanzamt nur wegen der dinglichen Forderung? - der Sachverhalt klingt so, als ob daneben noch eine deutlich höhere persönliche Forderung besteht.
    Wie hoch ist der Wert des Versteigerungsobjekts, und handelt es sich dabei um selbstgenutzes Wohneigentum?

    Auch wenn "nur" 400 EUR dingliche Forderung offen sind, sehe ich keine Not, den § 765a ZPO überzustrapazieren. Da müsste schon noch einiges mehr hinzukommen.

  • Es sind bestimmt nicht nur 400 Euronen offen sondern sicherlich auch die Kosten des Verfahrens, derentwegen ja auch im Prinzip ein Gläubiger betreibt. Dieses sollte das Finanzamt vor einer Rücknahme schließlich auch berücksichtigen und auch das Gericht bei einer Einstellung.

  • Das Finanzamt betreibt bisher nur wegen der dinglichen Forderung, an zweiter Rangstelle. Bei dem Objekt handelt es sich um das Familienwohnheim mit einem Wert von 220.000,-- €. Vorgehend ist nur eine (Eigentümer)Grundschuld in Höhe von 35.000,-- DM.
    Über die dingliche Forderung hinaus hat das Finanzamt noch persönliche Ansprüche in Höhe von 48.000,-- €, wegen denen heute ein Beitrittsantrag gestellt wurde.

    Auf unbillige Härte der Versteigerung aus der geringen dinglichen Restschuld war ich im Stöber bei § 15 RdNr. 34.10 gestoßen (s. BGH NJW 1973, 894).
    Aber m.E. muss sich der Schuldner ausdrücklich hierauf berufen, damit ich evtl. nach § 765a ZPO einstellen könnte...?

    Was wäre denn nun, wenn am 11.01. ein zuschlagsfähiges Gebot abgeben wird und ich nicht einstellen will - kann/muss ich den Einstellungsantrag aus materiellen gründen mit dem Zuschlagsbeschluss als unzulässig zurückweisen???


  • Auf unbillige Härte der Versteigerung aus der geringen dinglichen Restschuld war ich im Stöber bei § 15 RdNr. 34.10 gestoßen (s. BGH NJW 1973, 894).
    Aber m.E. muss sich der Schuldner ausdrücklich hierauf berufen, damit ich evtl. nach § 765a ZPO einstellen könnte...?



    Das sehe ich anders.
    Wenn man unter Beachtung der Kommentarstelle bei Stöber (ohne dass ich die BGH-Entscheidung gelesen habe) tatsächlich zu dem Schluss kommt, dass eine Einstellung gem. § 765a ZPO in Betracht kommt, sollten Anträge und Äußerungen des Schuldners im Sinne eines vernünftigen Schuldnerschutzes weitergehend ausgelegt werden - alleine aus Gründen der gerichtlichen Aufklärungspflicht.
    Es kann doch im Ergebnis nicht sein, dass man innerlich die "ganz besonderen Umstände der Härte" bejaht, jedoch den Schuldner, der immerhin mit seinem Antrag bezweckt, die Versteigerung zu verhindern, letztlich auflaufen lässt.
    Auch wenn ich zugestehe, dass durch Rechtsanwälte gestellte Anträge eigentlich keiner Auslegung bedürfen sollten ;).
    Andererseits stimme ich den Vorschreibern vollkommen zu, dass eigentlich auch bei geringer Restforderung ein Fall des § 765a ZPO grundsätzlich zu verneinen ist.
    Letztlich meine auch ich, dass man bei sonst sparsamer Anwendung hier einen Zuschlagsverkündungstermin im Auge behalten sollte, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, die Sache durch Vollstreckungsabwehrklage oder Zahlung aus der Welt zu bringen.
    Aber bis zum Termin ist ja noch ein bisschen Zeit ... :)

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

  • Ich denke, für 765a ZPO muss man alle Umstände berücksichtigen, die sich aus dem Sachvortrag oder aus der Akte ergeben, auch wenn der Schuldner (Anwalt) sich nicht ausdrücklich darauf beruft. Die Einstellung würde ich aber auf jeden Fall verbinden mit Zahlungsauflagen - auch bezüglich der Gerichskosten. Mit dem nachgereichten Beitritt wegen der hohen persönlichen Forderung wird es aber schon schwieriger eine unbillige Härte zu begründen. Wie alt sind denn diese neuen Forderungen ? Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier auf beiden Seiten ziemlich gepennt wurde. Ärgerlich ist auch, dass solche Dinge nicht mehr im Termin noch angesprochen werden können, da bei uns vom Finanzamt nie einer kommt. FA anrufen, über Vollstreckungsschutz laut nachdenken und empfehlen, zum Sortieren und Verhandeln mit dem Schuldner das Verfahren erst mal einzustellen.

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