Verhandlungen bald auch auf englisch möglich?

  • Genauso sehe ich es auch irgendwo hat alles dann eine Grenze.
    Wobei es natürlich trotzdem fraglich ist ob "Otto Normalverbraucher" in einem auf deutsch geführten Wirtschaftsprozess viel verstehen würde.

  • Genauso sehe ich es auch irgendwo hat alles dann eine Grenze.
    Wobei es natürlich trotzdem fraglich ist ob "Otto Normalverbraucher" in einem auf deutsch geführten Wirtschaftsprozess viel verstehen würde.



    Sehe ich auch so.

    Ich habe mich vor ein paar Wochen mit einem Geschäftsmann über dieses Thema unterhalten, der sehr viel im Ausland unterwegs ist. Er kann in der Tat von sich behaupten, fließend englisch, russisch und bruchstückhaft türkisch und arabisch zu sprechen.
    Nichtsdestotrotz werden für jede, wirklich jede, Vertragsverhandlung Dolmetscher hinzugezogen.
    Er hat mir gesagt, dass das auch eigentlich Standard ist, weil die unterschiede und Feinheiten der Fachbegriffe so minimal sind, dass da Fehler in der (genauen) Übersetzung vorprogrammiert sind. Von diesem Standard weicht er auch nie ab.
    Warum sollen sich deutsche Gerichte auf dieses Glatteis begeben? Kann ich in keinster Weise nachvollziehen.

  • Habe gerade gestern früh im ZDF-Morgenmagazin einen Bericht über Lebensmittel gesehen - da meldete sich jemand (Deutscher) zu wort mit der Berufsbezeichnung "Foodwatch" (gemeint war damit sowas wie "Lebensmittelüberwacher") -- aber deutsch kann sich in diesem Land ja bald niemand mehr ausdrücken, und wer es nicht versteht, hat eben Pech.

    Mal sehen, was wir Rechtspfleger bald für eine Bezeichnung haben (? Law-Ranger oder so).

  • Mal sehen, was wir Rechtspfleger bald für eine Bezeichnung haben (? Law-Ranger oder so).



    Judicial officer ist die mir bekannte Übersetzung, die ich schon häufig benutzen mußte, um unseren angelsächsischen Investorenfreunden zu erklären, welche Machtbefugnisse in ZV-Verfahren diese Berufsgruppe hat. Führt meistens zu erstauntem Kopfschütteln. :D

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Mal wieder schön zusammengefasst:

    http://www.zeit.de/2010/21/Justiz-Prozesse-Englisch

    Was mich bei Gesetzesinitiativen stört ist, wenn man die voraussichtlichen Kosten unrealistisch veranschlagt.
    Sicher mag ein Wirtschaftsprozess etwas "reinbringen", aber hat die Justiz in irgendeiner Weise bisher etwas für die Zusatzqualifizierung (nicht der Richter) des Personals investiert oder gar eine entsprechende tarifliche Ausgestaltung/Honorierung angedacht.

    Hier wird doch wieder erwartet, dass die ach so überbezahlten Mitarbeiter des nichtrichterlichen Dienstes funktionieren und es in diesem Bereich nichts zusätzlich kostet:daumenrun

  • Zumindest muss sich die Justiz dann etwas einfallen lassen, wie sie verhindert, dass diejenigen Mitarbeiter, deren Englischkenntnisse dann erfolgreich erweitert und gefestigt worden sein werden, prompt von Unternehmen in der freien Wirtschaft abgeworben werden - wenn denn eine Abwerbung von Angestellten überhaupt notwendig ist.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Habe gerade gestern früh im ZDF-Morgenmagazin einen Bericht über Lebensmittel gesehen - da meldete sich jemand (Deutscher) zu wort mit der Berufsbezeichnung "Foodwatch" (gemeint war damit sowas wie "Lebensmittelüberwacher") -- aber deutsch kann sich in diesem Land ja bald niemand mehr ausdrücken, und wer es nicht versteht, hat eben Pech.


    Vielleicht war das nicht seine Berufsbezeichnung, sondern der Herr war vom Verein "Foodwatch" (siehe hier).

    Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, entsteht Verwaltung.


    (Oliver Hassenkamp)


  • Neuester Sachstand :

    Am Donnerstag, 29. 9. 2011, findet im Deutschen Bundestag die erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurfs "Einführung von Kammern für internationale Handelssachen (KfiHG)" statt.
    - Drs 17/2163 -
    Der Gesetzenwurf sieht in einem geänderten § 93 GVG eine Öffnungsklausel für die Bundesländer vor, nach der die Landesregierungen ermächtigt werden, bei den Landgerichten für den Bezirk eines oder mehrerer Landgerichte Kammern für Handelssachen als Kammern für internationale Handelssachen einzurichten. Ebenso sieht der ergänzte § 184 GVG vor, dass in internationalen Handelssachen vor diesen Kammern und bei Berufungen und Beschwerden in diesen Sachen auch vor den Senaten der Oberlandesgerichte das Verfahren in englischer Sprache geführt wird und Protokolle und Entscheidungen des Gerichts in englischer Sprache abzufassen sind, wobei Gerichtsentscheidungen mit einem vollstreckbaren Inhalt in die deutsche Sprache zu übersetzen sind.
    Vor dem BGH kann in internationalen Handelssachen das Verfahren in englischer Sprache geführt werden.


    Aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt sich, dass man mit diesem Gesetz die "Attraktivität des Gerichtsstandortes Deutschland" stärken möchte, eine Absicht, die man sich auch für deutsche Bürger, die Prozesse vor dem Sozialgerichten führen (müssen, um zu ihrem Recht zu kommen), nur wünschen kann.....:oops:

    Ich hatte in meinem Posting #69 die - hier im Forum im weiteren Verlauf kaum beantwortete - Frage aufgeworfen, wie denn der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung gem. § 169 GVG gewahrt werden kann, wenn in einer Sprache verhandelt wird, die die Öffentlichkeit nicht versteht ?

    Die Gesetzesbegründung geht - für mich überraschenderweise - auf diese Frage ein und stellt zunächst fest, dass die Möglichkeit des Verstehens für einen potenziellen Zuhörerkreis im Vergleich zu einer Verhandlung in deutscher Sprache eingeschränkt wird, wenn Gericht und Verfahrensbeteiligte in einer fremden Sprache miteinander sprechen. Na, immerhin etwas, wer hätte das gedacht :eek:

    Man geht dann auf den Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgebotes ein - Kontrolle der Staatsgewalt auf Grund des Rechtsstaats- und Demokratiegebotes - und meint, die Kontrollfunktion werde schon deshalb erfüllt, weil nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts Allensbach im April 2008 etwa 67 % aller Befragten (ab 16 Jahren) angegeben hätten, sie sprächen und verstünden "einigermaßen gut" Englisch. Bei dem daraus erkennbaren hohen Verbreitungsgrad der englischen Sprache unter Deutschen müssten die Verfahrensbeteiligten gewärtigen, dass die auf Englisch geführte Verhandlung durch Zuhörer ebenso verfolgt - und damit kontrolliert - werde, als ob auf Deutsch verhandelt würde. Aus rechtsstaatlicher Sicht sei die nicht fern liegende Möglichkeit einer stattfindenden Kontrolle entscheidend, nicht hingegen die Frage, ob der einzelne Zuhörer tatsächlich alles in der Sitzung Gesprochene versteht.

    Die Frage der Fremdsprachenkompetenz wird in der Gesetzesbegründung "sehr schlank" beantwortet :
    - nach § 5 Abs. 2 DRiG sieht die juristische Ausbildung bereits den erfolgreichen Besuch einer fremdsprachlichen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses vor;
    (Anmerkung : hoffentlich war das auf Englisch, es soll auch Studenten geben, die verständlicherweise solche Veranstaltungen lieber an den sonnigen Mittelmeergefilden absolvieren ;):))
    - viele Richter hätten im Ausland einen LL.M. erworben,
    - über die Laienrichter wird gesagt, dass insgesamt "unter Beweis gestellt" würde, dass die deutsche Justiz auch über Kaufleute als Laienrichter verfügt, die "auch im Bereich internationaler Streitigkeiten große praktische Erfahrungen und oft hervorragende, im internationalen Wirtschaftsverkehr erprobte Sprachkenntnisse besitzen",
    - das "nichtrichterliche" Personal sei bei den relativ wenigen einzurichtenden Kammern zahlenmäßig gering und könnte erforderlichenfalls Sprachkenntnisse durch Schulungen erwerben.

    Na, denn ist ja alles ganz einfach....:)


  • Was die sprachlichen Kompetenzen der Beteiligten angeht, bin ich weit skeptischer als der Gesetzgeber. Das liegt sicher daran, dass er nicht auf dem Pfadfinderlager war, auf dem ich vor etwa drei Jahren einige interessante Erlebnisse zu diesem Thema haben durfte.

    Zunächst hatte sich meine damalige Gruppe, nachdem sie von mir etwa einen Monat bearbeitet worden war, letztlich doch dafür entschlossen, sich auf das (überschaubare) Abenteuer einer Partnergruppe einzulassen. Bei der Frage, woher die denn kommen solle, ergab die Abstimmung zu 80%, dass es bitte eine englische Partnergruppe sein solle, man wolle ja schließlich mit denen reden können. Verständlich, auch wenn ich mich frage, warum man mit Mongolen oder Litauern nicht auf englisch reden kann ... zwar nicht mein persönlicher Favorit, zumal ich Englisch in der Schule mit einem Gnadenvierer abgeschlossen und als erstes, sobald möglich, abgewählt und seitdem - also seit nunmehr 22 Jahren - nicht eben sonderlich gepflegt habe, aber gut, Demokratie fördert nicht immer jedem gerechte Lösungen.

    Nun ergibt es sich, dass Gruppenleiter im Allgemeinen und ich im Besonderen oft mehr Möglichkeiten finden, mit anderen zu parlieren, zumal wenn es Ausländer sind, aber am Ende dritten oder vierten Lagertages drängte es mich doch, bei meinen Jugendlichen mal nachzufragen, ob sie sich denn vorstellen könnten, die Kommunikation mit der Partnergruppe über "Good morning!" und "How are you?" hinaus ein wenig oder vielleicht gar deutlich zu erweitern ... und was höre ich? "Ähm ... wir können kein Englisch!" Ausgesprochen von Realschülern, die soeben die Schule - laut Zeugnis erfolgreich - beendet, und von Gymnasiasten, die als erste Fremdsprache Englisch und soeben die 10. Klasse - laut Zeugnis erfolgreich - abgeschlossen haben.

    Zwei Tage zuvor sind die Engländer - neben anderen ausländischen Gruppen auch - naturgemäß auch in der Leiterbesprechung unseres Teillagers aufgefallen. Irgendein Super-English-Speaker (die ich immer wieder beneide) hatte die Idee, man könne diese Leiterbesprechung gleich ganz auf Englisch abhalten, dann spare man sich die Übersetzerei, und Englisch könne ja schließlich jeder ... einzelne zustimmende Laute ... sonst weitgehend Schweigen ... auf meinen dezenten Hinweis auf meinen damals 19 Jahre zurückliegenden letzten Englischunterricht hat man sich unter Berücksichtigung der mir ansehbaren Last des Alters netterweise doch entschlossen, bei Deutsch zu bleiben. Das Aufatmen in nahezu dem gesamten Zelt war nicht zu überhören (und die Übersetzungen jenes Super-English-Speakers hätte ich unter Abzug von ungefähr 20 Wörtern auch hinbekommen).

    Es gibt sie ja, die Rechtsanwälte und Notare, sicher auch Richter, die nicht nur Englisch, sondern auch gutes Englisch sprechen und verstehen, und zwar nicht nur gutes Unterhaltungsenglisch, sondern auch gutes Juristenenglisch, welcher Unterschied ja deutschen Muttersprachlern bereits in der deutschen Sprache zu schaffen machen kann. Daneben werden Zeitungen in solche Prozesse vermutlich Journalisten schicken, die des/dieses Englischen dann auch mächtig sind. Auf den anschließenden englischen Zeitungsartikel freue ich mich besonders. Darüber hinaus wäre ich zurückhaltender.

    Das ist die realistische Seite in mir.

    Die visionäre Seite in mir sieht das Ganze euphorischer. Man kann sich natürlich fragen, warum man den Gerichtsstandort Deutschland so stärken will, nachdem man in Strafsachen eher bemüht ist, die Kunden vom Gerichtsstandort Deutschland abzubringen. Über Werbemaßnahme für den Gefängnisstandort Deutschland will ich gar nicht nachdenken. Aber mit Blick auf die Europäische Union, die ich im Wesentlichen und Ganzen ein sinnvolles Projekt finde, muss man feststellen, dass zumindest eine gemeinsame Verkehrssprache über alle Länder sicher von Vorteil ist. Englisch ist dazu prädestiniert, ob man es gut findet oder nicht. Und auch wenn das vielleicht nicht der Grund dafür sein mag, ist es vielleicht nicht verkehrt, auch die diese Richtung voranzugehen.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

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