Beratungshilfe in Strafsachen?

  • Ich habe eine Frage zu Beratungshilfe in Strafsachen. Was bedeutet es, dass Beratungshilfe nur für das außergerichtliche Verfahren bewilligt wird? Wenn jemand angezeigt wurde, heißt das dann,
    1. dass ich prüfen muss, ob das Verfahren bei Gericht schon anhängig ist und dann den Antrag ablehnen muss, während er ein paar Tage früher vielleicht noch bewilligt worden wäre.

    2. oder heißt das, dass der Anwalt eben nur außerhalb des Gerichts tätig wird - durch die Beratung - auch wenn das Verfahren schon bei Gericht ist??

    Gibt es also Beratunghilfe in Strafsachen nur bis das Verfahren bei Gericht anhängig ist?? Das wäre ja paradox, weil man dann davon abhängig wäre, wie schnell die StA arbeitet!!


    Überschrift aussagekräftig angepasst und Verschub in Subforum RAST/BerH
    li_li (Mod)

  • Fragezeichen, dass relativiert sich ein bisschen durch die Tatsache, dass im gerichtlichen Verfahren unter bestimmten Umständen ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • 1. richtig. Du prüfst, ob bereits Verfahren anhängig
    a) nein : Bei vorliegen aller weiteren Voraussetzungen Bewilligung der BerHi mit aussagekräftiger Angelegenheit
    b) ja: Ablehnung, da bereits gerichtliches Verfahren. Dann bleibt die Möglichkeit der Pflichtverteidigerbeiordnung

  • Wobei ich noch unterscheide ob "nur" Anlage erhoben wurde oder das Verfahren bereits eröffnet ist. Ist nur Anklage erhoben bewillige ich noch.

  • Beratungshilfe ist in Strafverfahren ziemlich umfassend zu bewilligen; die Beiordnung eines Pflichtverteidigers kommt nur in ganz engen Voraussetzungen vor. Was macht ihr dann eigentlich, wenn eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht in Betracht kommt. Vertraut ihr auf die Objektivität des dt. Strafrichters. Im Grunde kommt es wohl dann schon darauf an, wie schnell die Staatsanwaltschaft arbeitet.

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  • Die Problematik der BerH in Strafsachen finde ich immer etwas misslich.

    Häufig kommen die Leute, wenn die Anklage oder der Strafbefehl zugestellt wurde. Vom Gesetz her befindet man sich natürlich dann schon im gerichtlichen Verfahren (BerH also eigentlich nicht mehr zu bewilligen), es verbleibt somit die Möglichkeit der Pflichtverteidigerbeiordnung.

    Da ein Pflichtverteidiger jedoch nur bei einer gewissen hohen Strafe der Straftat oder entsprechenden Vorstrafen gewährt wird, belohnt man dieses Klientel quasi noch, während z. B. jemand der nach einem Verkehrsunfall wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt ist, sich selbst um einen Anwalt bemühen und diesen bezahlen muss.

    Von daher habe ich auch schon BerH bewilligt, wenn gerade die Anklage zugegangen war.

  • Beratungshilfe ist in Strafverfahren ziemlich umfassend zu bewilligen; die Beiordnung eines Pflichtverteidigers kommt nur in ganz engen Voraussetzungen vor. Was macht ihr dann eigentlich, wenn eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht in Betracht kommt. Vertraut ihr auf die Objektivität des dt. Strafrichters. Im Grunde kommt es wohl dann schon darauf an, wie schnell die Staatsanwaltschaft arbeitet.

    Die Frage ob ein Pflichtverteidiger in Betracht kommt oder nicht hat für mich keine Auswirkungen darauf ob ich Beratungshilfe bewillige oder nicht. Beratungshilfe ist nicht als Ersatz für eine gerichtliche Verteidigung gedacht.

  • Das Beratungshilfe nicht als Ersatz für die gerichtliche Verteidigung gedacht ist, ist mir schon klar. Nur in dem von mir geschilderten Fall steht der Angeschuldigte dann eben ohne jede Verteidigung dar. Das kann es vielleicht auch nicht sein. Mein Gott - ich weiß doch auch nicht, wo die Lösung liegen kann. War nur so ein Denkansatz.

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  • Auch wenn bereits Anklage erhoben worden ist, muss sich der Angeklagte doch zumindest beraten lassen können, welche Verteidungsstrategie er einschlagen soll. Für Beratungshilfe ist etwas anderes ohnehin nicht drin, mehr als die Ratsgebühr abrechnen kann der Anwalt nicht.

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

  • Sehe ich anderst und hab das ziemlich strikt getrennt - in dem Moment in dem jemand mit einem gerichtlichen Schreiben (Anklage oder Strafbefehl) vor mir stand gab es keine Beratungshilfe mehr, da bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist.

  • Er kann sich ja gerne beraten lasen, nur eben nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Oder eben rechtzeitig.
    Immerhin ist der Angeklagte nicht mehr ganz so unschuldig vermutet wie im Ermittlungsverfahren.

    Das Strafverfahren dient schließlich auch anders als das Zivilgedöns mit all seinen prozessualen Flunkereien der Wahrheitsfindung. Entlastendes wird von Anklage und Gericht schließlich amtswegig berücksichtigt.

  • Ich halte das nicht anders wie in Zivilsachen auch. Wenn z.B. der MB vorliegt, bewillige ich auch noch soweit noch kein Widerspruch eingelegt wurde. Wenn sich der Beklagte/Angeklagte noch darüber klar werden muss ob er sich verteidigen will, befindet er sich aus seiner Sicht noch nicht im Verfahren. Da irgendwo ein Schlusstrich sein muss, ist bei Verfahrenseröffnung/VB bei mir Schluss.

  • Auch wenn jetzt alle auf mich einschlagen. Wenn jemand mit einer Anklageschrift zu mir kommt, dann erhält er, wenn die Voraussetzungen stimmen, einen Berechtigungsschein. Sinn und Zweck des BerHG soll doch sein, einem Bürger, der sich eine Rechtsberatung (und mehr gibt es ja nicht) nicht leisten kann, den Weg zum RA zu öffnen. Dafür erhalten Antragsteller bei mir keinen BerSchein, wenn sie vortragen, dass eine Strafanzeige gegen sie vorliegt. Hier sehe ich den Bedarf nicht, auch wenn meine Ansicht vielleicht nicht ganz richtig ist.

  • Ist halt juristisch falsch, aber der Rechtsstaat wird durch Deine Handhabung sicher nicht gefährdet.
    Rechtspolitisch finde ich es aber auch nicht überzeugend, weil viele Ermittlungsverfahren z. B. erst dadurch Richtung Anklage kippen, wenn die Leute z. B. keine Ahnung haben, dass sie gegenüber der Polente schweigen dürften.

  • Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn nach Anlageerhebung keine BerH bewilligt wird. Die Möglichkeit der Pflichtverteidigung und die besonderen rechtsstaatlichen Garantien bieten hinreichenden Rechtschutz für den Unbemittelten, vgl. BVerfG, 30.01.1989, 1 BvR 1290/87.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Der Beschluss des LAG Thüringen vom 29.09.08, 1 Ta 82/08, juris, könnte analog zur Thematik "gerichtliches Verfahren" gesehen werden. Auch ein Mahnverfahren ist bereits ein gerichtliches Verfahren. Ich und unsere BezRev stellen uns nun auf den Standpunkt, dass (nur) eine Beratung zum Mahnbescheid möglich ist.

    Und bloß gut, dass ich den Rechtsstaat nicht zum Einsturz bringe ;) :D

  • Ähm, es kommt nicht objektiv darauf an, ob sich derjenige im gerichtlichen Verfahren befindet, sondern subjektiv.

    D.h., bekomme ich etwas zugestellt, bin ich nicht bereits schon durch Inempfangnahme der Klageschrift im gerichtlichen Verfahren. Aus subjektiver Sicht bin ich als Beratungshilfe-Antragsteller erst im Verfahren, wenn ich mich aktiv am gerichtlichen Verfahren beteilige. Z.B.: Rechtsverteidigungsabsicht erkläre oder grundsätzlich mich auf das Verfahren in irgendeiner Form einlasse

    Kalthoener/Büttner, 4. Auflage, BerH-Kommentar, Rn. 915 ff.

    Noch deutlicher Schoreit/Groß, BerH-Kommentar, § 1 BerHG Rn. 16 ff.: "Wer verklagt oder gemahnt wird, muss hingegen Berhi. erhalten können, um sich beraten zu lassen, ob der Rechtsstreit lohnt usw."
    Und Rn. 20 ff. lässt sich hierzu zu Strafverfahren aus...

  • Das ist der kleine Unterschied von Zivil und Strafe, in letzterem bin ich immer drin, ob ich will oder nicht, sogar wenn sich das Verfahren für den Angeklagten nicht lohnt. Falls sich da zwischenzeitlich was geändert hat, könnte ich glatt meine Berufsfindung überdenken:teufel:.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Noch deutlicher Schoreit/Groß, BerH-Kommentar, § 1 BerHG Rn. 16 ff.: "Wer verklagt oder gemahnt wird, muss hingegen Berhi. erhalten können, um sich beraten zu lassen, ob der Rechtsstreit lohnt usw."
    Und Rn. 20 ff. lässt sich hierzu zu Strafverfahren aus...


    Mein Reden....

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