Erbschein für Grundstück in Italien

  • Der deutsche Erblasser hat mit seiner 2. Ehefrau E einen Ehe- und Erbvertrag gemacht und E als Alleinerbin eingesetzt. Er hat aus 1. Ehe eine Tochter. Der dt. Erblasser hatte in Italien Grundbesitz. Nun fragt die Tochter an, ob sie einen Erbschein bekommt, weil sie nach italienischem Recht neben der 2. Ehefrau 1/2 erben würde (hinsichtlich des Grundstücks in Italien), weil angeblich in Italien der Ehe- und Erbvertrag nicht anerkannt wird. Für die Erteilung des Erbscheins ist doch Italien zuständig, oder?:gruebel:

  • Wenn auch die Ehefrau des Erblassers Deutsche ist, stellt sich das Problem nicht, weil das im italienischen Recht enthaltene materiellrechtliche Verbot von gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen (Art. 458, 589 c.c.) natürlich nur greift, wenn mindestens einer der beteiligten Eheleute Italiener ist. Sind dagegen beide Ehegatten Deutsche, bleibt es auch aus italienischer Sicht dabei, dass sich die Erbfolge für den gesamten (gleich wo belegenen beweglichen und unbeweglichen) Nachlass nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers richtet (§ 46 Abs.1 IPRG). Damit gilt für die Zulässigkeit von gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen im vorliegenden Fall das deutsche Recht.

    Aus deutscher Sicht kann somit ohne weiteres ein Eigenrechtserbschein über das Alleinerbrecht der Ehefrau ohne jede inhaltliche und gegenständliche Beschränkung erteilt werden. Da Italien für den dort belegenen Grundbesitz ebenfalls von der Anwendung des deutschen Erbstatuts ausgeht, kann dieser Erbschein (ggf. mit Apostille) auch dem italienischen Nachlassverfahren zugrunde gelegt werden.

    Es bleibt also beim Pflichtteilsrecht der Tochter für den gesamten Nachlass.

  • Das hatte ich nicht geschrieben: die 2. Ehefrau ist laut Aussage der Tochter Italienerin.

    Dann greift also das nach italienischem Recht geltende materiellrechtliche Verbot von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten.

    Soweit so gut. Aber für die Erteilung eines Erbscheins nach italienischem Recht für einen in Deutschland verstorbenen Deutschen ist doch dann Italien zuständig, oder?

  • Handelt es sich um einen einseitigen Erbvertrag, in welchem lediglich der Erblasser Verfügungen getroffen hat, oder um einen gegenseitigen Erbvertrag mit wechselseitiger Alleinerbeneinsetzung der Ehegatten?

    Enthält der Erbvertrag auch (ggf. welche) Bestimmungen für die Beerbung des überlebenden Ehegatten?

    Welche Verfügungen wurden einseitig und welche vertragsmäßig getroffen?

  • Und ich dachte, ich fange früh an zu arbeiten!!

    Die Fragen kann ich leider nicht beantworten. Es kam nur gestern die Tochter zu mir und wollte einen Erbschein (sie sagte was von einem Teilerbschein - so genau konnte sie sich nicht mehr erinnern, was das Konsulat ihr kurz vorher wohl gesagt hat!!). Ihr wurde vom Konsulat gesagt, sie soll mit der Sterbeurkunde ihres Vaters beim Nachlassgericht einen (Teil)erbschein für das Grundstück in Italien holen. Nachdem ich davon ausgehe, dass wie gesagt für den Deutschen Erblasser, der in Deutschland verstorben ist, ein Erbschein für den Grundbesitz in Italien vom italienischen Gericht zu erteilen ist, habe ich ihr geraten, sich nochmals beim Konsulat zu erkundigen, was sie hier beim deutschen Nachlassgericht beantragen soll. Kann es wirklich sein, dass wir international zuständig sind?

  • Da die Tochter wohl bald wieder bei Gericht aufkreuzen wird, kann man bei folgendem Lösungsansatz nur "ins Blaue hinein" spekulieren. Eine Tätigkeit des NachlG ohne vorliegenden Ehe- und Erbvertrag und ohne die Anlegung eigener Nachlassakten bzw. ohne die Beiziehung der Nachlassakten des zuständigen Gerichts (Rechtshilfe) ist aber im vorliegenden Fall ohnehin nicht möglich.

    Zunächst einmal ist festzuhalten, dass für das Grundstück in Italien sowohl aus deutscher als auch italienischer Sicht keinesfalls das italienische, sondern das deutsche Erbrecht gilt, weil der Erblasser Deutscher war. Ob der Erbvertrag wirksam oder unwirksam ist, spielt dabei keine Rolle. Denn dies ändert nichts am anwendbaren Erbstatut, sondern hat nur Einfluss darauf, ob gewillkürte oder gesetzliche deutsche Erbfolge eintritt.

    Nun zur Gretchenfrage: Ist der Erbvertrag wirksam?

    Ob die Errichtung eines Erbvertrags statthaft ist, entscheidet nicht das allgemeine Erbstatut des Art.25 Abs.1 EGBGB, sondern das Errichtungsstatut des Art.26 Abs.5 S.1 EGBGB (Staudinger/Dörner Art.25 RdNr.335; Soergel/Schurig Art.26 RdNr.35). Beim einseitigen Erbvertrag kommt es daher auf das hypothetische Erbstatut des Vertragsschlusses (also die zu diesem Zeitpunkt bestehende Staatsangehörigkeit des einseitig verfügenden Erblassers) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Beim Abschluss eines zweiseitigen Erbvertrages muss die Zulässigkeit dagegen für jeden Vertragspartner gesondert nach dem für ihn maßgebenden Errichtungsstatut geprüft werden (Staudinger/Dörner a.a.O. m.w.N., nach a.A. muss die Errichtung des Erbvertrags nach den Errichtungsstatuten beider Ehegatten zulässig sein). Gelangen auf einen zweiseitigen Erbvertrag unterschiedliche Errichtungsstatute zur Anwendung und ist der Erbvertrag nur nach einem der beteiligten Rechte (hier: dem italienischen Recht) unwirksam, so befindet das andere (also das deutsche) Recht über die Konsequenzen, die sich daraus für den Gesamtvertrag und damit auch für die letztwillige Verfügung des deutschen Vertragspartners ergeben. Hieraus folgt, dass die vertragsmäßig getroffene Erbeinsetzung der Ehefrau durch den deutschen Erblasser wegen der gegenseitigen Abhängigkeit der wechselseitigen vertraglichen Verfügungen grundsätzlich unwirksam ist (womit die o.g. Streitfrage nach der einseitigen oder kumulativen Anknüpfung in aller Regel im Ergebnis bedeutungslos ist). Zu prüfen ist in einem solchen Falle aber stets, ob die Umdeutung der unwirksamen erbvertraglichen Erbeinsetzung nach dem Errichtungsstatut des deutschen Erblassers in ein wirksames Einzeltestament möglich ist (Staudinger/Dörner Art. 25 RdNr. 338). Dem Ergebnis dieser Prüfung kann an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden, weil es die (noch nicht durchgeführte) Ermittlung des Erblasserwillens voraussetzt.

    Es gibt demnach zwei Möglichkeiten:

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    Alternative 1:

    Kommt eine Umdeutung nach § 140 BGB in Betracht, so bleibt es aus der für das deutsche NachlG maßgeblichen Sicht des deutschen IPR dabei, dass der deutsche Erblasser für seinen gesamten Nachlass (also auch im Hinblick auf den Grundbesitz in Italien) einheitlich nach deutschem Recht von seiner Ehefrau als Alleinerbin beerbt wurde. Ob die italienischen Behörden dies aus Sicht ihres IPR anders sehen, kann offen bleiben (hierzu vgl. Süß/Haas/Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, Länderteil Italien, RdNr.22, S. 558).

    Alternative 2:

    Ist eine Umdeutung zu verneinen, so tritt für den gesamten Nachlass des Erblassers die deutsche gesetzliche Erbfolge ein. Welche Erbfolge das ist, hängt davon ab, in welchem Güterstand die Eheleute gelebt haben. Es stellt sich also die weitere Frage, ob der mit dem unwirksamen Erbvertrag verbundene Ehevertrag seinerseits wirksam ist. Diese Frage beurteilt sich nicht nach dem Erbstatut, sondern nach dem Güterrechtsstatut des Art.15 EGBGB (Staudinger/Dörner Art.25 RdNr. 349 m.w.N.). Da die Ehegatten im vorliegenden Fall nach deutschem Recht einen Ehevertrag geschlossen haben, haben sie nach Art.15 Abs.2 Nr.1 EGBGB für ihre gesamten güterrechtlichen Beziehungen eine ausdrückliche und nach Art.15 Abs.3 EGBGB i.V.m. Art. 14 Abs.4 S.1 EGBGB formgerechte Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen (anders wäre es bei einer -hier nicht vorliegenden- Rechtswahl i.S. des Art.15 Abs.2 Nr.3 EGBGB, die zu einer Spaltung des Güterrechtsstatus führen würde). Dies gilt jedenfalls, wenn der Ehevertrag bereits unter der Geltung des neuen IPR (also nach dem 31.12.1985) abgeschlossen wurde; in diesem Fall ist es auch unerheblich, wann die Eheleute geheiratet haben, weil ein sich evtl. nach Art.220 EGBGB ergebender abweichender Güterstand durch eine nachträgliche Rechtswahl i.S. des § 15 Abs.2 EGBGB mit ex-nunc-Wirkung geändert werden kann (daraus ergibt sich gleichzeitig, dass der Ehevertrag natürlich auch bei Alternative 1 wirksam ist). Es gilt also nichts anderes, als wenn Ehegatten erst nach dem 31.12.1985 heiraten, in deren Ehe nach den Art.14 und 15 EGBGB ein bestimmter Güterstand gilt und sie diesen ursprünglichen Güterstand durch eine wirksame Rechtswahl i.S. des § 15 Abs.2 EGBGB nachträglich ändern (hierzu vgl. Palandt/Heldrich Art.15 RdNr.21). Verneint man eine Umdeutung, wird der Erblasser daher nach dem ehevertraglich vereinbarten Güterstand (der infolge Rechtswahl auch derjenige der Zugewinngemeinschaft sein kann) entweder von seiner Ehefrau und seiner Tochter zu je 1/2 (bei Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung) oder von seiner Ehefrau zu 1/4 und von seiner Tochter zu 3/4 (bei Gütergemeinschaft) beerbt.

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    Wie bereits in #2 hervorgehoben, bleibt es aber in jedem Fall dabei, dass das deutsche NachlG im vorliegenden Fall einen Eigenrechtserbschein ohne jede inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung erteilen kann (also nicht etwa mit dem Zusatz, dass er sich nicht auf den in Italien belegenen Grundbesitz erstreckt). Ob die italienischen Behörden diesen Erbschein für den italienischen Grundbesitz anerkennen oder nicht, ist für das deutsche NachlG bedeutungslos. Die deutschen Gerichte haben nach dem deutschen IPR zu verfahren.

    Pflichtteilsberechtigt im Hinblick auf den gesamten Nachlass ist die Tochter aus deutscher Sicht lediglich bei Alternative 1 (Pflichtteilsquote abhängig vom Güterstand der Erblasserehe), während sie bei Alternative 2 für den gesamten Nachlass zur gesetzlichen Miterbin berufen ist.

  • Danke juris für die Hinweise. Werde sie an die Kollegin weitergeben, die für den Fall eigentlich zuständig ist. Mich hat's nur erwischt, weil die Kollegin im Urlaub war. Die Erbfolge ist bei uns schon abgeschlossen (EE eröffnet, Annahme etc.); na hoffentlich bleibt bei der Erbfolge alles beim alten. Aber ich denke mal (ohne den Inhalt des EE zu kennen), dass man den EE umdeuten kann; insbesondere natürlich wenn man durch Auslegung zu dem Ergebnis kommt, dass die beiden Eheleute bei Kenntnis der Rechtslage (kein gemeinschaftliches Testament bzw. Erbvertrag möglich bei italienischer Staatsangehörigkeit) jeweils ein Einzeltestament gemacht hätten.

    Deine Ausführungen haben mir allerdings sehr geholfen:2danke

  • Eines habe ich noch vergessen:

    Wenn der Erbvertrag tatsächlich mangels möglicher Umdeutung den Bach hinuntergehen sollte (was aus den genannten Gründen natürlich erst recht beim zweiten Sterbefall denkbar ist), dann kann es leicht passieren, dass der beurkundende Notar in die Haftung kommt. Die vorliegende Erbstatuts-Problematik bei gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen muss einem Notar einfach bekannt sein.

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