Insolvenz der GbR

  • Tun wir öfters.

    Mit der Fortsetzungsklausel käme man zu den §§ 736, 738 BGB (vgl. Beschluss des OLG München vom 04.07.2017 - 34 Wx 123/17):

    Bestimmt der Gesellschaftsvertrag, dass die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst wird, sondern unter Ausscheiden des Verstorbenen fortbestehen soll (Fortsetzungsklausel), wächst der Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern gem. § 736 I, § 738 I 1 BGB an (Palandt/Sprau, BGB, § 738 Rn. 1 a), bei einer Zwei-Personen-Gesellschaft dem verbliebenen Gesellschafter (OLG Stuttgart, NZG 2004, 766 [768] zur BGB-Gesellschaft; BGH, NZG 2000, 474 = NJW 2000, 1119 zur KG).“

    Hätte man die Fortsetzungsklausel in Bezug auf die Insolvenz, würde sie dennoch nicht greifen. Da nur der Abs. 2 des § 728 BGB abdingbar ist (vgl. MüKoBGB/Schäfer BGB § 736 Rn. 14):

    „Eine Fortsetzungsklausel ist auch als Abweichung von der in § 728 Abs. 2 angeordneten Auflösungsfolge zulässig.“

    Nicht dagegen der Abs. 1. Ich verstehe nicht, wie man bei noch laufender Insolvenz über den Tod und die §§ 736, 738 BGB trotzdem zur Übernahme gelangen soll, ohne den § 728 Abs. 1 BGB damit nachträglich auszuhebeln.

  • Ja, der einzige logische Grund ist § 728 BGB.

    Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, BGB § 728 – Auflösung durch Insolvenz der Gesellschaft oder eines Gesellschafters:
    (1) [1]Die Gesellschaft wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft aufgelöst. [2]Wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen.
    (2) [1]Die Gesellschaft wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst. [2]Die Vorschriften des § 727 Abs. 2 Satz 2, 3 finden Anwendung.

    A. Gesellschaftsinsolvenz.
    I. Grundlagen.
    Rz. 1
    Der unabdingbare § 728 I ist mit der InsO zum 1.1.99 eingeführt worden. § 11 II Nr 1 InsO bestimmt die Insolvenzfähigkeit der GbR. Die Insolvenz betrifft nur die Außen-GbR, weil bei der Innen-GbR idR kein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist und selbst bei Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen mangels Außenhandelns der GbR keine rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten bestehen, die zum Insolvenzverfahren führen können (MüKo/Schäfer § 728 Rz 7).
    II. Rechtsfolge des Insolvenzverfahrens.
    Rz. 2
    Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 27 I InsO führt zwingend zur Auflösung der GbR (LG Berlin ZInsO 02, 884), nicht aber die vorläufige Sicherungsmaßnahme (§ 21 InsO), die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 22 InsO) oder die Ablehnung der Eröffnung mangels Masse nach § 26 InsO (Palandt/Sprau § 728 Rz 1). Die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses im Beschwerdeverfahren lässt die Insolvenzeröffnung rückwirkend entfallen und die GbR wird wieder werbend (MüKo/Schäfer § 728 Rz 8). Das Insolvenzverfahren ist auch noch über die GbR im Liquidationsstadium möglich (MüKo/Schäfer § 728 Rz 6).
    ...

    IV. Folgen der Insolvenzeröffnung.
    Rz. 4
    Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehen alle Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über das Gesellschaftsvermögen auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 I InsO). Die Insolvenz tritt an die Stelle der Liquidation (s. § 730 I Hs 2). Die geschäftsführenden Gesellschafter sind Adressat der Auskunftspflichten nach §§ 20 I, 97 InsO. Während der Dauer des Insolvenzverfahrens ist nach § 93 InsO nur noch der Insolvenzverwalter berechtigt, die persönliche Haftung der Gesellschafter (auch der ausgeschiedenen, Gerhart ZIP 00, 2181, 2182 f) geltend zu machen, soweit sich diese Haftung aus dem Gesellschaftsverhältnis und nicht aus anderen Rechtsverhältnissen (zB Bürgschaft eines Gesellschafters ggü einem Gesellschaftsgläubiger) ergibt (Stuttg DB 02, 1929; Jena NZG 02, 172, 173 [OLG Jena 17.12.2001 - 6 W 695/01]). Den Gesellschaftern bleiben dabei Einreden der GbR und eigene Einreden erhalten, und sie sind nicht zur Leistung verpflichtet, soweit die Insolvenzmasse zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger genügt (BTDrs 12/2443, 140). Mit Insolvenzeröffnung werden Prozesse zwischen Gläubigern und Gesellschaftern der GbR wegen der akzessorischen Gesellschafterhaftung analog § 17 I 1 AnfG unterbrochen und der Insolvenzverwalter kann diese selbst nach § 85 InsO aufnehmen (BGH NJW 03, 590, 591 [BGH 14.11.2002 - IX ZR 236/99]). Leistungen der Gesellschafter, die der Insolvenzverwalter nach § 93 InsO beitreibt, sind als Sondermasse zu Gunsten der Insolvenzgläubiger zu separieren und stehen nicht zur Deckung der Massekosten zur Verfügung (MüKo/Schäfer § 728 Rz 22). Für Verbindlichkeiten, die während des Insolvenzverfahrens begründet werden, haftet nur das Gesellschaftsvermögen (Prütting ZIP 97, 1725, 1732).
    Rz. 5
    Die Gesellschafter können Drittforderungen oder rückständige Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis (zB Aufwendungsersatz) selbst als Insolvenzforderung anmelden, der vor Insolvenzeröffnung ausgeschiedene Gesellschafter auch seinen Abfindungsanspruch (BGH NJW 58, 787 [BGH 20.03.1958 - II ZR 2/57]).
    Rz. 6
    Nach § 728 I 2 können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen, wenn das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt (§§ 212, 213 InsO) oder mit Bestätigung eines Insolvenzplans nach § 248 InsO, der den Fortbestand der GbR vorsieht, aufgehoben wird. Gleiches muss gelten, wenn das Verfahren wegen Massearmut (§§ 207, 208 InsO) eingestellt wird (MüKo/Schäfer § 728 Rz 26 f).

    Wo das Gesetz nicht hilft, da muss Klugheit raten. (J. W. Goethe)

  • Ich lese nichts, was meinen Annahmen widerspräche, weil das Problem, das wir im vorliegenden Fall haben, gar nicht erörtert wird.

    Es ist klar, dass die Fortsetzung der GbR im Sinne einer Umwandlung in eine werbende Gesellschaft der Zustimmung des Insolvenzverwalters bedürfte. Aber eine solche Umwandlung steht im vorliegenden Fall ja gar nicht in Frage, sondern es geht alleine darum, wer an die Stelle eines nach Insolvenzeröffnung verstorbenen Gesellschafters tritt.

    Und "ausgehebelt" wird auch nichts, sofern der Insolvenbeschlag - wovon ich ausgehe - fortbesteht.

  • Mit "Prof. Bö ..." können zwei verschiedene Personen gemeint sein.

    Falls es sich um Herrn Böhringer handelt, kann ich noch kurz über eine rechtliche GbR-Meinungsverschiedenheit mit ihm berichten. Er vertrat die Ansicht, dass dann, wenn ein Gesellschafter der Liquidations-GbR verstirbt, der Nacherbfolge und/oder Testamentsvollstreckung angeordnet hat, ein Nacherben- und/oder TV-Vermerk im Grundbuch eingetragen werden könne, da die GbR bereits aufgelöst sei und die "Vermerks-Sperre" daher nicht mehr greife. Ich stehe demgegenüber auf dem Standpunkt, dass solche Vermerke auch im Grundbuch einer Liquidations-GbR nicht eingetragen werden können, weil die GbR nach wie vor rechtsfähig ist und sich daher an der der "Vermerks-Sperre" zugrunde liegenden Rechtslage nichts geändert hat. Gesellschafter-Verfügungsbeschränkungen (mit Ausnahme der Insolvenz) ändern eben nichts an der uneingeschränkten Verfügungsbefugnis der GbR, mag sie eine werbende oder eine Liquidations-GbR sein.

  • ME ist lediglich die Auflösungsfolge des § 728 Absatz 1 BGB zwingend, denn die BGB-Gesellschafter könnten auch im Falle der Insolvenzeröffnung die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen, allerdings dann nur mit der Folge, dass dieser Beschluss nur greift, wenn das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben wird (§ 728 Absatz 1 Satz 2 BGB). Zwei weitere, in § 728 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht erwähnte Einstellungsgründe finden sich für den Fall der Massearmut in den §§ 207, 211 InsO. Lt. Schäfer im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 728 RN 26 greifen sie dann ein, wenn sich entweder nach Verfahrenseröffnung herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht (§ 207 InsO), oder wenn der Insolvenzverwalter nach § 208 InsO dem Gericht die Masseunzulänglichkeit anzeigt.

    Wenn aber in solchen Fällen ein Fortsetzungsbeschluss Bestand hätte, der vorliegend aufgrund der Ausschlagung der eintrittsberechtigten Erben die Anwachsung bei dem verbliebenen Gesellschafter zur Folge hätte, dann ist doch eigentlich nicht einzusehen, warum eine bereits im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelung diese Folge nicht haben soll. Sie ist lediglich für die Dauer des Insolvenzverfahrens suspendiert.

    Habermeier führt zum zwingenden Recht nach § 728 Absatz 1 BGB im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2003, § 728 RN 3 aus „Es gibt freilich wenig Gründe, einer im Gesellschaftsvertrag vorsorglich aufgenommen Vereinbarung über den Fortbestand der Gesellschaft in diesen Fällen die rechtliche Anerkennung zu versagen; die Fortsetzung der Gesellschaft bedürfte in diesem Fall lediglich des Eintritts der in § 728 Abs 1 Satz 2 genannten Bedingungen; ein weiterer auf die Fortsetzung gerichteter Beschluss wäre dann entbehrlich.“

    § 728 Absatz 1 BGB dient der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger im Rahmen eines besonders gearteten Verfahrens. Für dieses Verfahren kommt es lediglich auf den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen, nicht auf die Personen der Gesellschafter an. Selbst wenn trotz der Suspendierung durch § 728 Absatz 1 BGB während des Insolvenzverfahrens von einer Anwachsung bei dem verbliebenen Gesellschafter ausgegangen würde, würde sich an dem Gesellschaftsvermögen nichts ändern, weil dann bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens von einer (sonst unzulässigen) 1-Mann-GbR ausgegangen werden müsste (s. dazu MüKo/Schäfer, § 705 BGB RN 61 Fußnoten 143, 144, RNern 63, 64).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Dass die Fortsetzung - eigentlich ja Übernahme - unter dem Vorbehalt des § 728 Abs. 1 S. 2 BGB steht, wurde doch aber schon festgestellt!? Solange die Voraussetzungen nicht vorliegen, führt das zu keiner Anwachsung und damit auch zu keiner Einmanngesellschaft. Und sobald sie vorliegen, besteht keine "selbständige Dispositionsbefugnis" (MüKo/Schäfer BGB § 705 Rn. 64) des Insolvenzverwalters mehr.

  • Cromwell: es ist Prof. Böhringer (und nicht Böttcher - war wohl die andere Vermutung)

    45: vielleicht stehen wir mit unserer Betrachtungsweise der Problematik so ziemlich alleine da, aber ich kann mich einer anderen
    Sichtweise immer noch nicht anschließen.

    Prinz: Natürlich können nach Insolvenzeröffnung unter bestimmten Umständen die Gesellschafter die Fortsetzung der GbR beschließen,
    aber wer soll das für den bereits verstorbenen Gesellschafter tun? Das könnte hier ja nur der Fiskus.

    Insgesamt bin ich allen, die sich hier geäußert haben für ihre Anregungen und Meinungsäußerungen sehr dankbar. Für mich ist das Forum oft der erste Anlaufpunkt bei der "Lösungsfindung". Ob die von mir favorisierte Lösung die richtige ist - ich werde berichten, wenn sich etwas anderes ergibt.

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  • .... Natürlich können nach Insolvenzeröffnung unter bestimmten Umständen die Gesellschafter die Fortsetzung der GbR beschließen, aber wer soll das für den bereits verstorbenen Gesellschafter tun? Das könnte hier ja nur der Fiskus...
    ....


    Sorry, bin Morgen nicht da:

    Eines Beschlusses über die Fortsetzung der Gesellschaft unter Mitwirkung des Fiskus bedarf es nicht, weil die Fortsetzung bereits im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Eine solche gesellschaftsvertragliche Regelung behält auch nach der Auflösung der Gesellschaft ihre Bedeutung (s. Rz. 19 des Urteils des BGH vom 08.07.1965, II ZR 143/63 = WM 1965, 1035). Schöne führt dazu im BeckOK BGB, Stand: 15.06.2017, § 736 RN 5, aus (Hervorhebung durch mich): „Befindet sich die Gesellschaft bereits im Auflösungsstadium, weil sich zB ein Auflösungsgrund gem. § 726 oder § 728 Abs. 1 verwirklicht hat, und tritt dann erst ein zum Ausscheiden eines Gesellschafters führender Grund ein, soll nach hM die Fortsetzungsklausel eingreifen mit der Folge, dass der betr. Gesellschafter aus der Liquidationsgesellschaft ausscheidet (BGH WM 1963, 728 [730]; 1964, 1086 [1087]; 1965, 1035 [1036]; Erman/H. P. Westermann Rn. 3; Soergel/Hadding/Kießling Rn. 11; mit Bedenken MüKoBGB/Schäfer Rn. 16; iErg ebenso Palandt/Sprau Rn. 2). Ob sich die Abwicklungsgesellschaft mit Eintritt des Fortsetzungsgrundes in eine werbende Gesellschaft zurückverwandelt, muss durch Auslegung der Fortsetzungsklausel entschieden werden; im Zweifel ist dies eher nicht anzunehmen (zutr. Staudinger/Habermaier Rn. 12)…“

    Allerdings kann dies nicht zur Anwachsung nach § 738 BGB führen, weil die Anwachsung eine werbende Gesellschaft voraussetzt.

    Wenn aber die Einstellung des Insolvenzverfahrens, etwa weil die Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht (§ 207 InsO) oder der Insolvenzverwalter nach § 208 InsO dem Gericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, die Rückverwandlung in eine werbende Gesellschaft ermöglicht, dann hätte dies im vorliegenden Fall aufgrund der fortgeltenden Fortsetzungsklausel und der Ausschlagung der Eintrittsberechtigten die Anwachsung beim verbliebenen Gesellschafter zur Folge. Diese Folge ist lediglich für die Dauer des Insolvenzverfahrens suspendiert. Der Fall entspricht mE demjenigen, den Keller in seiner Abhandlung „Zur Insolvenz der zweigliedrigen Personengesellschaft, NZI 2009, 29/31 unter Punkt 3Ausscheiden nach Insolvenzeröffnung“ abhandelt: „Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR zum Zeitpunkt des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters bereits eröffnet, so wird dieses nach herrschender Meinung unverändert fortgesetzt15. Neuer Insolvenzschuldner ist der letzte Gesellschafter, auf den das Vermögen der nicht mehr existierenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist16. Das Rubrum des Eröffnungsbeschlusses ist auch in diesem Fall gem. § 4 InsO i.V. mit § 319 ZPO zu berichtigen17 und in den Gründen klarzustellen, dass sich das Insolvenzverfahren nur auf den angewachsenen Teil des Vermögens des Gesellschafters bezieht18. Bezugspunkt des Insolvenzverfahrens ist auch hier nur das angewachsene Gesellschaftsvermögen, das innerhalb des Vermögens des letzten Gesellschafters einen klar abgrenzbaren Teil, eben eine Sondermasse bildet. Das übrige Privatvermögen des Gesellschafters ist demgegenüber nicht Gegenstand des Verfahrens. In das Verfahren einbezogen sind nur die Gläubiger der bisherigen Gesellschaft, nicht die Privatgläubiger des letzten Gesellschafters…“

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    Einmal editiert, zuletzt von Prinz (26. November 2017 um 12:16) aus folgendem Grund: Fundstelle der Abhandlung von Keller berichtigt

  • Neuer Insolvenzschuldner ist der letzte Gesellschafter, auf den das Vermögen der nicht mehr existierenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist. ... dass sich das Insolvenzverfahren nur auf den angewachsenen Teil des Vermögens des Gesellschafters bezieht.

    Dahinter steht dann offenbar immer noch der Gedanke der Einmanngesellschaft und die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen? Und wenn die Gesamtrechtsnachfolge nicht Folge der Anwachsung nach §§ 736, 738 BGB ist, wie gestaltet sie sich denn dann?

  • Neuer Insolvenzschuldner ist der letzte Gesellschafter, auf den das Vermögen der nicht mehr existierenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist. ... dass sich das Insolvenzverfahren nur auf den angewachsenen Teil des Vermögens des Gesellschafters bezieht.

    Den Ansatz hatte ich in #45, 47 auch schon einmal gebracht..

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Neuer Insolvenzschuldner ist der letzte Gesellschafter, auf den das Vermögen der nicht mehr existierenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist. ... dass sich das Insolvenzverfahren nur auf den angewachsenen Teil des Vermögens des Gesellschafters bezieht.

    Den Ansatz hatte ich in #45, 47 auch schon einmal gebracht..

    Und auch da ist Frage nach der Art der Anwachsung aufgetaucht. Von Beginn des Threads an stehen die fehlenden Rechtsvorschriften im Weg.

  • So, es liegt ein neuer Sachverhalt vor.
    Der InsO-Vermerk wurde auf Ersuchen des Insolvenzgerichts (nach Freigabe des Grundstücks durch den InsO-Verwalter) gelöscht.

    Nun stehe ich trotzdem vor der Frage: wer tritt an die Stelle des verstorbenen Gesellschafters?
    Zur Erinnerung:
    Eingetragen im Grundbuch ist eine GbR, bestehend aus 2 Gesellschaftern.
    DerGesellschaftervertrag sieht die Fortsetzung der GbR bei Tod einesGesellschafters mit einem nachfolgeberechtigten Erben (leiblicher Abkömmling;somit qualifizierte Nachfolgeklausel) vor. Falls ein solcher nicht vorhandenist und wenn nur ein Gesellschafter verbleibt, wächst der Anteil desverstorbenen Gesellschafters dem anderen an.
    Der verstorbene Gesellschafter hat ein notarielles Testament errichtet undeinen seiner Söhne als Erben gemäß Gesellschaftervertrag eingesetzt.
    Der Erbe des verstorbenen Gesellschafters (Sohn) und alle weiteren gesetzlichenErben sowie die Abkömmlinge aller Erben haben fristgerecht ausgeschlagen.

    Tritt nun derFiskus an die Stelle des nachfolgeberechtigten Erben oder wächst der Anteil desverstorbenen Gesellschafters dem anderen Gesellschafter an?
    Das Erbrechtdes Fiskus – so es eintritt – wäre dann ja durch Erbschein zu belegen.

    Cromwell hatte bereits geschrieben, dass der Fiskus nicht eintrittsberechtigt ist - wieso nicht?

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  • ...
    Cromwell hatte bereits geschrieben, dass der Fiskus nicht eintrittsberechtigt ist - wieso nicht?

    Der Fiskus wurde im Gesellschaftsvertrag nicht zum eintrittsberechtigten Personenkreis bestimmt.

    Nach h. M. ist die Freigabe von Vermögen, das zur Insolvenzmasse gehört, durch den Insolvenzverwalter möglich (RGZ 127, 197/200 (zur AG); BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 21.04.2005, IX ZR 281/03 und Urteil vom 07.12.2006, IX ZR 161/04, je mit weit. Nachw.; Peter Lang, google-books
    https://books.google.de/books?id=sZEz_…C%20633&f=false
    mit Darstellung der Gegenansicht in Fußnote 978.

    Graf-Schlicker, InsO, 4. Auflage 2014, § 35 RN 17 führt zum Freigaberecht des Insolvenzverwalters an, dass ein zur Insolvenzmasse gehöriger Gegenstand für diese auch eine Belastung darstellen könne, etwa wenn die Kosten für Verwaltung oder Verwertung den zu erwartenden Erlös voraussichtlich übersteigen oder wenn Masseverbindlichkeiten aus zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Pflichten zu befürchten sind.

    Einer solchen Freigabe würde ich die Wirkung beimessen wollen, die im Falle der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses eintritt. Dazu führt Westermann in Erman BGB, Kommentar, 15. Auflage 2017, § 728 RN aus (Hervorhebung durch mich):

    „Vorausgesetzt ist in beiden Fällen des § 728 ein wirksamer Insolvenzeröffnungsbeschluss, ….Wird der Beschl wieder aufgehoben, wird die Gesellschaft rückwirkend als werbende angesehen (für Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern aber Soergel/Hadding/Kießling Rn 5)…“

    Davon geht offenbar auch die o.a. Abhandlung von Keller, NZI 2009, 29 ff (die Fundstelle habe ich oben berichtigt) aus.

    Keller geht auf Seite 31 davon aus, dass bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR und anschließendem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters (wie im vorliegenden Fall) das Vermögen auf den letzten Gesellschafter im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergeht. Dazu ist in der Fußnote 16 auf Ott/Vuia, in: MünchKomm-InsO, § 11 Rdnr. 71b verwiesen. Dort ist ausgeführt: „Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft bereits vor Vereinigung aller Gesellschaftsanteile eröffnet worden, so wird dieses dennoch unverändert fortgesetzt.230 Insolvenzschuldner ist nunmehr der letzte Gesellschafter, auf den das Vermögen der nicht mehr existierenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist.231

    In der Fußnote 231 ist auf die Abhandlung von Jacoby/Bork in der ZGR 2005, 611 ff (-653) verwiesen
    http://www.juris.de/jportal/portal…true#focuspoint

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  • Einer solchen Freigabe würde ich die Wirkung beimessen wollen, die im Falle der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses eintritt.

    Und allein das ist die Frage. Mit Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses entfällt rückwirkend der Auflösungsgrund. Einer bloßen Einstellung des Verfahrens wird die Rückwirkung schon nicht mehr beigemessen. Einer Freigabe, die zum Beispiel auch bei Verträgen keine Rückwirkung entfaltet, dann wohl ebenfalls nicht.

  • Keller geht auf Seite 31 davon aus, dass bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR und anschließendem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters (wie im vorliegenden Fall) das Vermögen auf den letzten Gesellschafter im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergeht.

    Wie gehabt. Das Gesellschaftsvermögen geht nicht auf den anderen Gesellschafter über, wenn die Forsetzungsklausel und deren Folgen hier keine Anwendung findet (§§ 736 I, 738 I 1 BGB). Wenn der Anteil des Verstorbenen etwa auf einen Dritten übergeht. Ist bei Keller nicht abgehandelt.

  • Die Freigabe durch den Insolvenzverwalter führt zu einem Rückfall des freigegebenen Objekts in das Vermögen des Insolvenzschuldners (= juristische Personen und/oder sonstige insolvenzfähige Personenvereinigungen iSv § 11 InsO); s. Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 35 RN 71, 72, Chrsitian Mezger, „Die vollständige Abwicklung insolventer Handelsgesellschaften“ google-books, Seite 233 mwN in Fußn. 1186).
    https://books.google.de/books?id=WAv9W…C%20258&f=false
    Zwar wirkt die Freigabe nicht zurück (Uhlenbruck/Hirte, RN 82). Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich an die Freigabe die Auseinandersetzung anschließen muss
    s. dazu Mezger, Seite 117 ff.
    https://books.google.de/books?id=WAv9W…C%20322&f=false

    oder ob diese dann entbehrlich ist, wenn es nach dem Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel gibt.

    Wie oben ausgeführt, behält eine solche gesellschaftsvertragliche Regelung auch nach der Auflösung der Gesellschaft ihre Bedeutung (BGH, Urteil vom 08.07.1965, II ZR 143/63, Rz. 19).

    Gerade wenn sich ein Auflösungsgrund nach § 728 Abs. 1 BGB verwirklicht hat und dann erst ein zum Ausscheiden eines Gesellschafters führender Grund eintritt, greift nach hM die Fortsetzungsklausel (s. BeckOK/Schöne, § 736 BGB RN 5 mwN)

    Und wenn die Fortsetzungsklausel greift, dann kommt es zu einer Gesamtrechtsnachfolge bei dem verbliebenen Gesellschafter (s. Keller, NZI 2009, 29/31; Schäfer im Münchener Kommentar zum BGB
    7. Auflage 201, Vorbemerkung vor § 723 BGB RN 9 mwN)..


    Unerklärlich ist mir allerdings, weshalb das DNotI im Gutachten vom 14.01.2011, geändert am 24.01.2011, Abrufnummer: 99686,
    http://www.dnoti.de/gutachten/inde…54a?mode=detail

    nicht von einer Anwachsung ausgeht. Dort ist ausgeführt:

    „Scheiden alle Gesellschafter bis auf einen aus der Gesellschaft aus, wird dieser (bei Existenz einer Fortsetzungsklausel) in analoger Anwendung von § 140 Abs. 1 S. 2 HGB Alleininhaber des Gesellschaftsvermögens; in diesem Fall erfolgt nicht eine Anwachsung, sondern eine Gesamtsrechtsnachfolge ohne besondere Übertragungsakte (Piehler/Schulte, § 10 Rn. 75; Staudinger/Habermeier, BGB, 2003, § 719 Rn. 5; vgl. auch MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 2. Aufl. 2006, § 140 Rn. 14). Durch diese Anteilsvereinigung ohne Liquidation wird die Gesellschaft also beendet (Staudinger/Habermeier, a. a. O.), alle Abtretungen gingen mangels fortbestehender Gesellschaftsanteile mithin ins Leere.“

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  • Dazu musst Du mich schon vollständig zitieren. Ich hebe es noch einmal hervor:

    Allerdings kann dies nicht zur Anwachsung nach § 738 BGB führen, weil die Anwachsung eine werbende Gesellschaft voraussetzt. Wenn aber die Einstellung des Insolvenzverfahrens, etwa weil die Insolvenzmasse nicht zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht (§ 207 InsO) oder der Insolvenzverwalter nach § 208 InsO dem Gericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, die Rückverwandlung in eine werbende Gesellschaft ermöglicht, dann hätte dies im vorliegenden Fall aufgrund der fortgeltenden Fortsetzungsklausel und der Ausschlagung der Eintrittsberechtigten die Anwachsung beim verbliebenen Gesellschafter zur Folge. Diese Folge ist lediglich für die Dauer des Insolvenzverfahrens suspendiert.“

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  • Schön. Keine Lust um nachzulesen, ob ich es schon damals gefragt habe, aber: Wenn der Anteil noch nicht jetzt, sondern erst mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens dem anderen Gesellschafter anwächst, wer hat den Anteil dann in der Zwischenzeit?

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