Löschung gegenstandsloser Eintragungen

  • Hallo,

    ich habe hier eine Grunddienstbarkeit (Wegerecht) von 1927. Dieses Wegerecht scheint gegenstandslos zu sein. Da es auf einigen Flurstücken lastet, die bereits verkauft worden sind und noch einige Verkäufe in Zukunft anstehen, wurde vom Verkäufer über den Notar vorgeschlagen, dass komplette Recht zu löschen, da es angeblich gegenstandslos wäre. Berechtigte dieses Rechtes sind über 20 Eigentümer jeweils anderer Grundbücher. Alleine die Ermittlung der begünstigten aktuellen Flurstücke (nach Fortschreibung etc.) war schon sehr aufwendig. Da das Recht insgesamt gelöscht werden soll, kommt ein Unschädlichkeitszeugnis des Katasteramtes wohl nicht in Betracht. Über §§ 84 ff. GBO wäre eine Löschung von Amts wegen möglich. Ich habe vor, den Betroffenen gem. § 87 b) eine Löschungsankündigung zuzustellen. Hier meine erste Frage: Muss diese Löschungsankündigung per Zustellungsurkunde zugestellt werden oder gibt es noch eine künstigere Zustellungsart. Da ich dieses Verfahren zum ersten Mal anwende, wäre ich für weitere Praxistipps dankbar. Muss ich noch irgendetwas bedenken bzw. reicht die Anhörung der Betroffenen (= Eigentümer der begünstigten Flurstücke) aus oder sollte ich auch die Eigentümer der belasteten Flurstücke anhören (§ 103 GG)? Muss ich noch irgendwelche Bescheinigung vom Katasteramt anfordern (z. B. Karte über die Lage der ursprünglichen Flurstücke; mir liegt zur Zeit nur eine Karte über die aktuellen Flurstücke vor). Schon vorab vielen Dank für Eure Antworten!!!

  • Die förmliche Zustellung kann auch durch Einschreiben/Rückschein bewirkt werden (§ 15 II FamFG, 175 ZPO). § 15 II FamFG sieht aber auch die Zustellung durch Aufgabe zur Post vor. Bei der Wahl der zutreffenden Bekanntgabeart wird auf die Zweckmäßigkeit abzustellen sein. Insoweit ist pflichgemäßes Ermessen auszuüben (BT-Drs. 16/6308, S. 182). S. dazu Wilsch, FGPrax 2009, 243/244). Aus Nachweisgründen würde ich die ZU per EgR bevorzugen.

    Das Amtsverfahren nach §§ 84 ff GBO ist allerdings nur dann einzuleiten, wenn ein hinreichender Grund für die Annahme besteht, dass die Eintragung gegenstandslos ist (§ 85 Absatz 1 GBO). Dabei ist bei der Beurteilung dieser Frage große Vorsicht auszuüben (BayObLGZ 1986, 218 = MDR 1986, 936 = Rpfleger 1986, 373 = NJW-RR 1986, 1206 sowie NJW-RR 1989, 1495; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Auflage 2009, § 84 RN 23; Schöner/Stöber, RN 386 m.w.N. in Fußn. 12). Wenn z. B. der Vorteil, den eine Grunddienstbarkeit dem herrschenden Grundstück bieten muss (§ 1019 BGB) entfallen sein soll, dann ist zu beachten, dass der Inhalt der Grunddienstbarkeit Wandlungen unterworfen sein kann (Staudinger/Mayer, BGB, Bearb. 2009, § 1018 RN 153 ff, § 1019 RN 9 m.w.N.). Es findet eine Anpassung an entwicklungsbedingte Veränderungen statt, bei der die Einschränkung lediglich darin besteht, dass sich aus Umfang und Intensität der Inanspruchnahme des dienenden Grundstücks keine weitergehenden Auswirkungen als bisher ergeben dürfen (Staudinger/Mayer, § 1019 BGB RN 10, § 1018 BGB RN 159 m.w.N.). Die Veränderung muss sich lediglich in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des herrschenden Grundstücks halten und darf nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung nicht vorhersehbare oder willkürliche Nutzungsänderung zurückzuführen sein (Staudinger/Mayer, § 1018 BGB RN 157). Z. B. ist es der technischen Entwicklung adäquat, dass alle Wege- und Fahrtrechte, vor allem wenn sie keine Einschränkung enthalten, zur Ausübung mit den jeweils gebräuchlichen Fahrzeugen berechtigen, so also statt mit einem Pferdefuhrwerk mit einem Kraftfahrzeug (BGH, NJW 1967, 1609, BayObLG, NJW-RR 1998, 304/307; OLG Karlsruhe, a.a.O.; Staudinger/Mayer, § 1018 BGB RN 161 m.w.N.). Das gilt lediglich dann nicht, wenn der Inhalt der Dienstbarkeit durch Vereinbarung der Beteiligten klar fixiert ist (Staudinger/Mayer, § 1018 BGB RN 155). Für die Bestimmung von Inhalt und Umfang einer Grunddienstbarkeit kommt es nicht in erster Linie darauf an, in welcher Weise von ihr Gebrauch gemacht worden ist, sondern darauf, wie die Dienstbarkeit infolge des rechtlich wirksamen Inhalts der Eintragung hätte ausgeübt werden können (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1990, 663 m.w.N.). Maßgebend für die Vorteilhaftigkeit einer Dienstbarkeit ist die objektive Nützlichkeit für das herrschende Grundstück (KG, NJW 1975, 697/698; OLG München, MDR 1983, 934; Bayer in Bauer/von Oefele, GBO, 2. Auflage 2006, AT III 357 mit weit. Nachw. in Fußn. 327, MünchKomm/Joost BGB, 5. Aufl., 2009, § 1019 RN 3 mit weit. Nachw. in Fußn. 5; Staudinger/Mayer, § 1019 RN 4 m.w.N.).

    Zum Inhalt „Deiner“ Dienstbarkeit hast Du aber bisher keinerlei Angaben gemacht. Weshalb soll das Recht denn gegenstandslos sein ?

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Die Löschungsankündigung nach § 87 lit. b GBO muss förmlich zugestellt werden; das ergibt sich aus den einschränkenden Vorschriften des § 88 GBO - insoweit also wie Prinz.

    Ich setzte in der Regel eine etwa vierwöchige Frist, weil sich gezeigt hat, dass bei zu kurzer Frist prophylaktische Widersprüche eingelegt werden, die u. a. dem Umstand geschuldet sind, dass sich eine nicht wirklich versierte Partei binnen ein, zwei Wochen nicht wirklich ein Bild über Sach- und Rechtslage machen kann.

    Wir haben auch gute Erfahrungen damit gemacht, den Beteiligten anhand der ursprünglichen Bewilligung und den heutigen Plänen aufzuzeigen, warum das Recht unsere Ansicht nach erloschen ist.

    Die Eigentümer der belasteten Grundstücke müssen nur angehört werden, soweit sie selbst zufällig wieder Berechtigte sind; ansonsten sind sie nicht betroffen.

    Wenn ein Herrschvermerk eingetragen ist, musst Du bei der Anhörung die mittelbar Berechtigten noch berücksichtigen.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Die Grunddienstbarkeit beinhaltet ein Wegerecht für sehr viele Begünstigte zu ihren (damaligen) landwirtschaftlichen Flächen. Heute liegen die belasteten Flurstücke fast alle an Bahnschienen. Die belasteten Flurstücke sind entweder keine Straßen- oder Wegeflächen oder falls doch, haben diese nicht mehr die Funktion einer Zuwegung zu den begünstigten Flurstücken. Des Weiteren sind einige belastete Flurstücke in das Eigentum der Gemeinde übergegangen und haben daher den Status öffentlicher Gemeindestraßenflächen womit die Eintragung eines besonderen Nutzungsrechtes nicht mehr erforderlich ist (nach Aussage des Veräußerers).

  • Ich würde an Deiner Stelle von der Gemeinde eine Bestätigung über die Widmung für den öffentlichen Verkehr einholen. Wenn die ursprüngliche Wegefläche heute öffentliche Verkehrsfläche ist, ist das Wegerecht nach überwiegender Ansicht erloschen.

    An den übrigen Flächen wird es etwas schwieriger. Es müsste mindestens dargetan werden, dass die Dienstbarkeit entweder infolge sie hindernder Anlagen (etwa Zäune) verjährt und daher erloschen ist (§ 1028 BGB) oder dass sie seit langem (da würde ich wenigstens 15-20 Jahre ansetzen) nicht mehr ausgeübt wurde, die Ausübung auch von niemandem mehr verlangt wurde und nach Lage der Dinge eine künftige Ausübung ausgeschlossen scheint.

    Wobei ich hier immer von den Ausübungsflächen rede. Flächen, die nicht Ausübungsfläche sind (Bewilligung prüfen!), werden nach § 1026 BGB frei.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Aus der Bewilligung lässt sich eine Bestimmung der Ausübungsfläche (§ 1018 BGB) leider nicht entnehmen. Eine Karte, in der der Weg eingezeichnet worden ist, liegt ebenfalls nicht vor.

    Hinsichtlich der Ausübung des Reches weden die Betroffenen doch nach § 87 b) GBO angehört. Reicht das nicht aus, um nachzuweisen, dass dieses Recht nicht mehr ausgeübt wird. Wie soll der Notar dies ansonsten nachweisen?

  • Du solltest selbst schon anhand der bestehenden oder vorgelegten Nachweise davon überzeugt sein, dass das Recht erloschen ist, da das Amtslöschungsverfahren sonst eigentlich nicht durchgeführt werden sollte. Die Anhörung steht erst am Ende Deiner Ermittlungen und ersetzt diese definitiv nicht.

    Wenn Du selbst überzeugt bist, ist eine andere Frage, inwieweit Du die Anzuhörenden überzeugen kannst. Und da erscheint mir Dein Vortrag etwas sehr dünn. Sonst bekommst Du nämlich schlicht Widersprüche und kannst (musst nicht) das Verfahren nach § 87 lit. c GBO fortführen. Im Feststellungsbeschluss sollten dann aber gute Gründe enthalten sein, zumal gegen ihn Beschwerde eingelegt werden kann.

    Vielleicht wäre doch über die Karte mit ursprünglichen Lage der Flurstücke sowie über ein aktuellen Luftbild mit eingezeichneten Flurstücken nachzudenken, und so nachzuweisen, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird.

    Wenn der Weg der §§ 84 ff. GBO - aus welchem Grund auch immer - nicht gangbar ist, bleiben nur Löschungsbewilligungen. Zur Not wären letztere einklagbar. Soviel zur Beweislastfrage.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich hänge meine Frage hier mal an:

    Mir wurde eine Bescheinigung des Katasteramtes nach § 1026 BGB vorgelegt, wonach das abzuschreibende Flurstück xy von der eingetragenen Grunddienstbarkeit (Wegerecht aus dem Jahr 1935) nicht betroffen ist. Vor der beantragten lastenfreien Abschreibung habe ich dem (derzeitigen) Dienstbarkeitsberechtigen rechtl. Gehör gewährt. Dieser erhebt nun Einwendungen gegen die Eintragung.
    Nun muss ich wohl einen Feststellungsbeschluss nach § 87 a) ZPO fertigen. Hat jemand Erfahrungen mit diesem Verfahren? :gruebel:

    Zur Ausgangslage möchte ich noch hinzufügen, dass die Bescheinigung nach § 1026 BGB durch den Notar im Zuge der Abwicklung eines Kaufvertrages eingereicht wurde, also kein Fall des § 86 GBO vorliegt.

    Einmal editiert, zuletzt von Lotte (16. August 2017 um 11:44) aus folgendem Grund: Ergänzung Falldarstellung

  • Feststellungsbeschluss läuft nach § 87 lit. c GBO. § 87 lit. a GBO ist einschlägig, wenn urkundlicher Nachweis der Gegenstandslosigkeit möglich ist. Wenn ich den Parallelthread richtig verstanden habe, ist das bei Dir der Fall. Also: Anhören, dem Scheinberechtigten die urkundlichen Nachweise präsentieren und nach Ablauf der Anhörungsfrist löschen.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich hol den Thread nochmal nach oben und bitte um eure Meinung bzw. Hilfestellung:

    Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich ein Verfahren nach § 87 lit. b durchführen möchte (Löschungsankündigung). Bei den zu löschenden Grunddienstbarkeiten sind Herrschvermerke eingetragen ist, weswegen ich bei der Anhörung die mittelbar Berechtigten noch berücksichtigen muss. Die Beteiligten haben versucht im bisherigen Verfahren nach §§ 22, 29 GBO mir die Löschungszustimmungen der Berechtigten des herrschenden Grundstücks in der Form des § 29 GBO beizubringen, sind jetzt aber an einen Punkt gekommen, wo sie nicht mehr weiterkommen und haben deswegen nach § 84 GBO angeregt. Seht ihr eine Möglichkeit, dass die bisher in notariell begl. Form abgegebenen Zustimmungserklärungen eine weitere Löschungsankündigung zumindest an diese Berechtigten ersetzen, da sie der Löschung ja schon bereits zugestimmt haben oder haltet ihr eine Löschungsankündigung an diese mittelbar Berechtigten trotzdem für erforderlich, weil dies nun ein ganz anderes Verfahren ist?

    Wer ist der Personenkreis für die Löschungsankündigung? Nur die Berechtigten zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens oder alle Hinzukommenden (z.B. Vormerkungsberechtigte durch Verkauf, Erben durch Tod etc.) solange das Recht noch nicht gelöscht ist? Ich halte Zweiteres für richtig.

    Ich habe einen Beteiligten mit Wohnsitz in China. Laut ZRHO zum Länderteil China sind Postzustellungen (§ 87 GBO lit. b erfordert förmliche Zustellung) nicht zulässig. Im Wege der Rechtshilfe darf es der Übersetzung meiner Löschungsankündigung, eines Kostenvorschusses (die Zustellung erfordert hohe Kosten) und die Zustellung kann bis zu 1 Jahr dauern. Eine Zustellung über die deutsche Auslandsvertretung ist nur ausnahmsweise unter Angabe besonderer Gründe möglich. Die Emailadresse des Beteiligten ist mir bekannt, er wäre bereit zuzustimmen mittels digitaler Signatur (eAkte?) oder per Email (was aber keine förmliche Zustellung ist). Welchen gangbaren Weg kann ich hier gehen; bleibt mir wirklich nur die umständliche Zustellung über die Rechtshilfe? Macht es überhaupt Sinn das Verfahren einzuleiten, wenn ich dann nicht zustellen kann und das Verfahren wieder einstellen muss?

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