Rechtspfleger- ein erstrebenswerter Beruf?

  • Ich möchte hiermit ein vielleicht auch eher unangenehmes Thema, insbesondere für zukünftige Anwärter, anschneiden.

    Es ist schon interessant, wie positiv hier oft das Berufsbild beschrieben, aber auch wahrgenommen wird.
    Wovon bislang aber zu wenig geschrieben wird, ist der berufliche Alltag.
    Über die Vorzüge eines verhältnismäßig sicheren Arbeitsplatzes mag man sinnieren, Das kann man sicher auch über die Bezahlung machen, die wohl jedem Anwärter frühzeitig schon alleine auf Grund der offen einsehbaren Besoldungstabellen bekannt sein dürfte. Viel Arbeit ist sicher heute in (fast) jeder Branche bitterer Alltag.

    Mir geht es um einen anderen Aspekt.
    Meines Erachtens macht den Beruf des Rechtspflegers die schwache Position innerhalb der Gerichtsstrukturen unattraktiv.
    Fakt ist, dass man weder etwas "Halbes noch was Ganzes" ist. :daumenrun
    Im Grunde erfahren doch viele von uns täglich, wie schlecht angesehen wir in den Augen der Volljuristen (Richter, Rechtsanwälte) sind. Entsprechend herablassend wird man dann auch oft behandelt. Nicht die Rechtspfleger sind die höchsten Entscheidungsträger, das sind und bleiben nun einmal die Richter.
    Die "Sandwich-Position" in der wir uns befinden, oder sollte ich besser sagen Zwickmühle, entsteht dann durch die (m.E. unbegründet) starke Stellung der Mitarbeiter der Service-Einheiten. Mit einer frechen, ja fast dumm-dreisten Art verunmöglichen sie jede noch so nachdrückliche Arbeitsplatzorganisation.
    Da werden Fristen monatelang nicht vorgelegt - die Dienstaufsichtsbeschwerden soll dann der zuständige Rechtspfleger bearbeiten. Im Urlaub können angeblich keine Vertretungen gemacht werden, was man von einem gestandenen Rechtspfleger selbstverständlich erwarten kann. Jeder Dreck, zu dem die Justizangestellten keinen Bock haben, landet natürlich im Mülleimer, d.h. im Zutragsfach für Rechtspfleger.

    M.a.W.: Bei dem Wort Richter pisst sich jeder Angestellte in die Hose, bei Rechtspflegern kennt die Schikane keine Grenzen.

    Wenn ich mir dann noch die Vorschläge zur Dienstrechtsreform 2011 ansehe, steht eines fest: Sowie die Angestellten dieses Jahr wieder einmal im Tarifvertrag hofiert wurden, bekommen die Beamten einen großen, fetten Arschtritt.

    Ich kann nur jedem Bewerber raten, sich sehr genau zu informieren.

    Und wenn ihr mich fragt: Ich würde sich er nicht noch einmal Rechtspflege studieren.
    Ab Herbst werde ich noch einmal von vorne beginnen und nach Neigung studieren, d.h. ein neues, dann sicherlich vollakademisches Studium aufnehmen. Ich bin jetzt seit 10 Jahren Rechtspfleger - und bereue jeden Tag davon.

    Euch allen viel Kraft!

  • Auch wenn meine Beiträge gelegentlich einen ironischen Unterton haben, meine ich diesen hier grundehrlich:

    Für Dein neues Studium und Deinen weiteren Lebensweg wünsche ich Dir viel Glück!

    Schade, dass Dich der Rechtspflegerberuf so unglücklich gemacht hat. Liegt es wirklich am Beruf, oder hattest Du einfach nur besonders heftige Diskrepanzen mit Deinen Kollegen?

    Ich bin 8 1/2 Jahren mit der Ausbildung fertig, und ich könnte mir keinen schöneren Beruf für mich vorstellen.

    Vielleicht hat es ja damit zu tun, dass ich in der ZVG-Abteilung arbeite und damit quasi keinen Richter über mir habe. Was mein Berufsbild angeht, so ärgert es mich schon, wenn in der Wahrnehmung der Volljuristen es nur Richter, Staatsanwälte und den "nachgeordneten" Dienst gibt. Mit dem Abteilungsrichter und "meinen" Landgerichts-Richtern sehe ich derlei Probleme nicht, im Gegenteil schmeichelt es mir, wenn sie das Rechtsmittel gegen meinen Beschluss unter Bezugnahme auf die "zutreffenden Gründe der Nichtabhilfeentscheidung" zurückweisen.

    Mit meinen Kollegen vom mittleren Dienst wie auch mit den Wachtmeistern hab ich keine Probleme. Die haben ihre Aufgaben, ihre Verantwortung, ich hab meine. Ich verlange Respekt, also muss auch ich Respekt zollen. Dass man mit dem Einen besser und mit dem Andern nicht so gut zusammenarbeiten kann, das ist nun einmal im Leben so. Aber Schikane darf es weder von der einen noch von der anderen Seite geben.

  • Ich bin jetzt seit 10 Jahren Rechtspfleger - und bereue jeden Tag davon.

    Ich für mich empfinde nicht so, aber wenn man so frustriert ist wie Du, ist es wohl tatsächlich das Beste, sich anderweitig zu orientieren.

    Viel Erfolg dabei!

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Es tut mir leid für Dich, dass Du 10 Jahre den falschen Beruf hattest. Ich wünsche Dir viel Glück bei Deiner neuen Wahl.

    Ich liebe meinen Beruf und bin bislang mit Kollegen aller Laufbahngruppen sehr gut ausgekommen. Dass man sich nicht mit jedem abends auf ein Bier trifft, liegt in der Natur der Sache - aber das verlangt auch keiner.

  • Zunächst mal wünsche ich auch viel Glück, Erfolg und Freude beim Neuanfang.

    Ich komme auch sehr gut sowohl mit "meinen" Staatsanwälten als auch mit meinen Serviceeinheiten klar.
    Wir arbeiten im Allgemeinen zusammen, und nicht gegeneinander. Klar gibt es manchmal auch Reibereien, aber bisher konnten wir alles untereinander klären. Und dieses: "keine Ahnung was ich damit machen soll- also erstmal an Rpfl. (von beiden Seiten) stört mich auch, wenn es aber (so wie hier) mit einem "Entschuldige, ich hab keine Ahnung, kannst Du mal schauen" kommt, finde ich es garnicht so schlimm.

    Ich denke auch, es ist sehr von den Mitarbeitern abhängig, wie einem der Beruf gefällt. Ich bin seit über 14 Jahren Rpfl, und bis auf ein 3/4 Jahr in der ZVG Abteilung bereue auch ich keinen Tag.

    Die höchste Form des Glücks ist Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.
    Erasmus von Rotterdam



  • Mit meinen Kollegen vom mittleren Dienst wie auch mit den Wachtmeistern hab ich keine Probleme. Die haben ihre Aufgaben, ihre Verantwortung, ich hab meine. Ich verlange Respekt, also muss auch ich Respekt zollen. Dass man mit dem Einen besser und mit dem Andern nicht so gut zusammenarbeiten kann, das ist nun einmal im Leben so. Aber Schikane darf es weder von der einen noch von der anderen Seite geben.



    Dem schließe ich mich an. Ich bin 18 Jahre dabei und habe in zwei Abteilungen keinerlei schlechten Erfahrungen gemacht. In deinem Gericht scheint es ein grundlegendes Problem zu geben, vielleicht würde dir auch die Arbeit an einem anderen Gericht helfen. Aber die Entscheidungen sind sicher schon getroffen und es ist dafür zu spät.

    Viel Glück !

  • Nun ja, jeder Beruf hat Vorteile und Nachteile und in jedem Beruf gibt es nette und weniger nette Kollegen.
    Ein Phänomen, das ich allerdings auch schon öfter beobachtet habe ist, dass man als Rechtspfleger öfter vom Publikum und auch von der Geschäftsstelle in Sachen richterlicher Zuständigkeit gefragt wird, da anscheinend eine Scheu besteht, sich direkt an den Richter zu wenden. Dem kann man allerdings mit einer konsequenten Verweisung entgegenwirken ("Da müssen Sie den Richter fragen" - "Kann man den einfach so anrufen?" - "Mich haben Sie doch auch einfach so angerufen" ...)
    Dass man sich gegenüber den Geschäftsstellen auch manchmal durchsetzen muss ist auch klar. Wenn man das nicht schafft, liegt es aber wohl weniger an der Eigenschaft als Rechtspfleger. Ob ein vollakademisches Studium per se eine höhere Durchsetzungsstärke verschafft, wage ich zu bezweifeln.

  • ... Dem kann man allerdings mit einer konsequenten Verweisung entgegenwirken ("Da müssen Sie den Richter fragen" - "Kann man den einfach so anrufen?" - "Mich haben Sie doch auch einfach so angerufen" ...)



    Am hiesigen Gericht wird die Herausgabe der Richterdurchwahl mit todesstrafenähnlichen Konsequenzen belohnt. Egal, wer´s war.

    Zitat

    Dass man sich gegenüber den Geschäftsstellen auch manchmal durchsetzen muss ist auch klar. Wenn man das nicht schafft, liegt es aber wohl weniger an der Eigenschaft als Rechtspfleger.

    Insoweit stimme ich Dir zu. Wenngleich auch die Geschäftstellen eher vom Richter als vom Rechtspfleger Weisungen annehmen.

    Zitat

    Ob ein vollakademisches Studium per se eine höhere Durchsetzungsstärke verschafft, wage ich zu bezweifeln.

    Höhere Durchsetzungsstärke im Bezug auf die ausübende Person sicher nicht, höheren Respekt auf Seiten des Gegenüber sicher.

    Der Beruf des Rechtspflegers: Keiner, außer denen, die ihn ausüben, kennt ihn. Und keiner will ihn kennen.

  • Unterschiede von Behörde zu Behörde wird es viele geben, ich halte das Sittenbild über Geschäftsstellen und Richter aber für zumindest teilweise im Kern für berechtigt.
    Das merkt man hier teilweise auch ganz schnell, wenn man deutlich darauf hinweist, dass in unzuständiger Weise unnötig Arbeit für andere mitgemacht wird. Als ungemütlich-unkollegialer Unmensch abgekanzelt zu werden ist dann oft erwartbares erstes Feedback, bevor man sachlich miteinander diskutieren kann.

    Wie auch immer: Ich wünsche für die Zukunft alles Gute beim Versuch, endlich was Anständiges zu lernen!

  • Schön, wenn man nach 10 Jahren im Beruf noch einmal etwas Neues anfangen kann und schade, wenn man 10 Jahre (Berufs-)Leben als vergeudet ansieht.
    Ich wünsche dir viel Erfolg in deiner neuen beruflichen Laufbahn und hoffe, dass dein Studium "nach Neigung" dir die gewünschte berufliche Zufriedenheit bringt.
    Auch wenn es Dinge gibt, die ich ändern würde, wenn ich könnte und auch wenn ich mir noch etwa ein halbes Dutzend andere Berufslaufbahnen vorstellen kann, die ich gerne mal ausprobieren würde, habe ich meine Entscheidung für die Rechtspflege doch nie wirklich bereut. Deshalb lautet meine Antwort auf deine Frage: Ja, für mich ist Rechtspfleger ein erstrebenswerter Beruf.

    Mach's gut, Kollege :bigbye:

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Mit dem Rechtspfleger ist es so wie mit der Gesundheit oder mit anderen erstrebenswerten Dingen:

    Man wird ihn erst vermissen, wenn es ihn nicht mehr gibt.



    Guter Beitrag!

    Würde mich mal interessieren, was passiert, wenn man den Rechtspfleger einfach abschafft und die Richter sich den Aufgaben widmen dürften. (Großes Geschrei! Wir brauchen mehr Richter!)

  • Warum denn Rückübertragung auf die Richter?

    Die Zeichen der Zeit deuten in andere Richtung. Laut BGH gehört der Rechtspfleger nicht zur rechtsprechenden Gewalt, sondern zur Exekutive. Nun denn, Verwaltung ist Verwaltung, übertragen wir mal:

    Beratungshilfe und PKH- Teil persönliche und wirtsch. Verhältnisse auf den UdG des mittleren Dienstes, Kostenrecht in allen Bereichen sowieso, Betreuer werden von der Betreuungsbehörde, Vormundschaften vom Jugendamt geführt, die Grundbuchführung geht zu den Katasterämtern, das Nachlasswesen auf die Notare, Hinterlegungssachen macht die Gerichtsverwaltung (mittlerer Dienst), Zwangsvollstreckung einschließlich ZVG geht zu den Gerichtsvollziehern, die Aufgaben des Insogerichts nach Verfahrensanordnung werden von der IHK (soweit es um juristische Personen geht), im Übrigen von den Sozialämtern überwacht. Handels- und Genossenschaftsregister gehen zur IHK, Vereinsregister werden von den Notaren geführt.
    Strafvollstreckung? Kann man privatisieren. Anträge zu Protokoll - kann der mittlere Dienst doch auch.

    Was bleibt dann noch vom Rechtspfleger?

  • Ich bin jetzt seit ca. 17 Jahren Rechtspfleger und mache meine Arbeit nach wie vor gerne. Ich habe die Entscheidung, Rechtspfleger zu werden, nicht bereut. So wie ich meinen Kollegen (egal ob Richter, SE oder Putzfrau) gegenübertrete, so verhalten sie sich auch mir gegenüber. Es liegt an mir selber, wie ich mit meiner Umwelt klar komme.
    Wenn du solche massiven Probleme mit deinen Kollegen hast, liegt es möglicherweise auch daran, dass du deine Arbeit nie gerne gemacht hast. Das merken die Anderen natürlich und eine kollegiale Zusammenarbeit leidet da möglicherweise drunter.
    Deshalb meinen Respekt, wenn du jetzt noch mal von vorn beginnst und hoffentlich für dich das Richtige findest. Ich wünsche dir viel Glück und Erfolg dabei.

  • Mit dem Rechtspfleger ist es so wie mit der Gesundheit oder mit anderen erstrebenswerten Dingen:
    Man wird ihn erst vermissen, wenn es ihn nicht mehr gibt.


    Ich finde den Beitrag auch sehr spannend, aber vor allem, weil so schön unklar bleibt, wie groß der Anteil der darin enthaltenen Ironie ist.
    Ich finde jedenfalls auch: der Beruf des Rechtspflegers ist gleich hinter den Primärtugenden anzusiedeln.

  • Wenn man im hiesigen AG die frustrierten Rpfl. und Juas so sieht, kann ich deine Frustration gut nachvollziehen. Aber ich denke das es nicht grundsätzlich der Rechtspflege geschuldet ist, sondern der finanziellen und personellen Aussattung. Wenn im Jahr 2000 noch 12 Rpfl. vorhanden waren und nun sind es noch 4 und eingestellt wird aufgrund der schlechten Haushaltssituation nicht, dann kommt Frust auf.

    Was waren das alles mal für schöne Versprechen die gemacht wurden. Und was waren das weit früher für tolle Arbeitsverhältnisse. Die gibt es in vielen AGs leider nicht mehr.

    Ich freue mich für jeden, der in seiner Arbeit eine Berufung gefunden hat und sich darin wohl fühlt. Kopf hoch und viel Glück auf dem neuen Lebensweg.

  • :eek:
    Das Schlimme ist, 15. Meridian, dass ich die Nachtigall insoweit schon leise trapsen höre :(

    Das kommt ... bestimmt ...



    Hmmm... Da fragt an sich als Neuanwärter, ob man bis zum Ende des Studiums (in drei Jahren) und danach überhaupt noch als Beamter übernommen wird? Wie konkret sind denn solche Überlegungen (speziell in Sachsen?) zur quasi "Abschaffung" des Rechtspflegers? Das würde mich und meine Zukunftsplanung schon interessieren...! :gruebel:

  • Ich denke immer noch, dass Rechtspfleger ein erstrebenswerter Beruf ist. Ich bin eine der Aufstiegsbeamten und habe sowohl die Arbeit in der Kanzlei als auch auf der Geschäftsstelle kennen gelernt.

    Es gibt - außer den Richtern - kein Berufzweig, in dem man so unabhängig arbeiten kann, als im Rechtspflegerbereich.

    Das Problem, sich bei den jetzigen Servicegeschäftsstellen Respekt zu verschaffen, kenne ich auch. Aber ich glaube, es liegt an der jeweiligen Person, ob es gelingt oder nicht.
    Ich habe jedenfalls bei unserer Behörde nicht den Eindruck, dass die Servicekräfte für die Richter anders (besser) arbeiten.

    In sehr vielen Berufen hat man Mitarbeiter unter und über sich. Also fällt das Problem, wie die Mitarbeiter für einen arbeiten fast überall an und nicht nur in unserem Bereich.

    Natürlich ist es schade, wenn man einen Beruf ergriffen hat und dann feststellt, dass er für einen selber nicht geeignet ist. Aber das soll doch jeder für sich entscheiden.

    Obwohl ich meine Berufswahl nicht bereue, rate ich nur jedem Schulabgänger, der sich für diesen Beruf bewerben möchte, mal persönlich mit einem Rechtspfleger in Kontakt zu treten und sich erkären lassen, was der Rechtspfleger überhaupt macht und sich auch mal die Organisation des Gerichts angucken.

    Birgit-Vanessa

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