Auskehrung Pflichtteilsanspruch

  • Hallo Freunde der Nacht,
    hier nun mein Fall brandaktuell, vom Amtsgericht x übernommen.
    Sicher sind die Kollegen froh, dass sie das Teil los sind.
    Betreuerin ist die Tochter. Der Vater steht unter Betreuung und ist alles andere als mittellos. Seine Ehefrau (die Mutter der Betreuerin) ist vor 6 Monaten verstorben. Nach dem Berliner Testament ist der Betreute erst mal Alleinerbe.
    Nun möchte die Betreuerin sich ihren Pflichtteil auskehren. Vom Betreuerkonto bzw. Depotauflösung etc. überweisen.
    Mein Problem ist, dass ich hier keinen Vertretungsausschluss sehe:
    nach § 181 BGB handelt es sich bei der Auskehrung des Pflichtteils um die Erfüllung einer Verbindlichkeit und die Überweisung an sich selbst stellt kein In-sich-Geschäft dar, weil es keine empfangsbedürftige Willenserklärung ist und der Überweisungsauftrag an die Bank geht.
    Auch sehe ich keinen Genehmigungstatbestand, den § 1822 Abs. 1 BGB greift nicht. Es handelt sich nicht um eines der dort erwähnten Rechtsgeschäfte.
    Nun ich sehe eigentlich auch kein Problem darin, würde der Pflichtteil sich nicht bei diesem Betreuungsvermögen auf 300.000,- € belaufen.
    Die Höhe des Pflichtteils kann ich doch auch mit der Betreuerin festlegen.
    Denn die Anlagewerte, Vermögenswerte (Gutachten für die Immobilien) habe ich ja.
    Es handelt sich dementsprechend auch nicht um einen genehmigungsbedürftigen Vergleich oder eine Einigung, wenn doch die Vermögenswerte feststehen und die Höhe des Pflichtteils schliesslich auch quotenmässig gesetzlich geregelt ist.
    Alle bisher eingeholten Rechtspflegermeinungen sagen, ich muss einen Ergänzungsbetreuer bestellen, aber keine kann mir sagen nach welcher Vorschrift.

  • Ich sehe hier schon einen Vertretungsausschluss. Die Höhe der Verbindlichkeit (Pflichtteil) steht nämlich nur quotenmäßig, aber nicht zahlenmäßig fest. Was alles als werterhöhend (z. B. Schenkungen an Dritte), bzw. wertmindernd (z. B. Schenkungen an die Tochter) anzusehen ist, bedarf regelmäßig einer Vereinbarung, und die ist schuldrechtlicher Natur.

  • Zunächst einmal ein herzliches Willkommen und das gleich -nomen est omen- mit einem "Hurry on Sundown"-Posting.

    Zur Sache:

    Der entscheidende Gesichtspunkt in vorliegender Angelegenheit dürfte sein, dass die Geltendmachung und die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs im Rechtssinne voneinander zu unterscheiden sind.

    Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs hat für beide Beteiligten zur Folge, dass eine Einigung über die Pflichtteilsquote, den Wert von Aktiva und Passiva des Nachlasses und damit über die Höhe des Anspruchs, das Nichtbestehen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen und -vor allem -über die Feststellung des Nichtbestehens von weiteren Pflichtteilsansprüchen im Fall der Auszahlung des errechneten Pflichtteilsbetrages erzielt werden muss. Dass ein Teil dieser Werte und Berechnungskomponenten durch gesetzliche Vorschrift(en) und bereits erholte Gutachten faktisch feststeht, ändert nichts daran, dass sich das VormG im Hinblick auf die erforderliche Prüfung der Rechtslage nicht quasi an die Stelle des Betreuten setzen kann, um damit das objektiv vorliegende Selbstkontrahieren der Betreuerin i.S. des § 181 BGB im Ergebnis für unbeachtlich zu erklären. Denn die Überprüfungstätigkeit -oder gar die eigenständige Berechnungstätigkeit- des VormG ändert im Rechtssinne nichts daran, dass die Betreuerin in eigener Sache eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit der von ihr vertretenen Betreuten zu treffen hat. An der Bestellung eines Ergänzungs- bzw. Verhinderungsbetreuers führt somit kein Weg vorbei (§§ 1908 i Abs.1 S.1, 1795 Abs.2, 181 BGB). Dies gilt umso mehr, als auch zu überprüfen ist, ob die Tochter bereits Vorempfänge erhalten hat, die aufgrund einer Anrechnungsbestimmung nach § 2315 BGB auf ihren Pflichtteilsanspruch anzurechnen wären.

    Der zu bestellende Ergänzungs- bzw. Verhinderungsbetreuer hat somit eine Vereinbarung mit der Tochter im Hinblick auf die Höhe des Pflichtteilsanspruchs zu treffen, wobei in diese Vereinbarung -wie bereits ausgeführt- insbesondere aufzunehmen ist, dass sich die Tochter durch die Auszahlung des errechneten Pflichtteilsbetrages im Hinblick auf ihre gesamten ordentlichen Pflichtteilsansprüche für befriedigt erklärt und anerkennt, dass darüber hinaus keine Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen.

    Einen Genehmigungstatbestand für diese zu treffende Vereinbarung sehe ich nicht, und zwar insbesondere nicht nach § 1812 BGB, weil die Betreute nicht Gläubigerin, sondern Schuldnerin des Anspruchs ist (das schließt aber natürlich nicht aus, dass das VormG die erforderliche Prüfung vornimmt, ob es mit der Berechnung des Pflichtteilsbetrages seine Richtigkeit hat). Damit erübrigt sich auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers zur Überprüfung des Handelns des Ergänzungs- bzw. Verhinderungsbetreuers, weil kein vormundschaftsgerichtliches Genehmigungsverfahren in Frage steht, in welchem die Betreute von objektiver dritter Seite vertreten werden müsste. Die persönliche Anhörung der Betreuten durch das Gericht wird hierdurch aber natürlich nicht entbehrlich.

    Was die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs angeht, so gehört die Tochter zum befreiten Personenkreis i.S. des § 1908 i Abs.2 S.2 BGB. Demzufolge unterliegt sie nach § 1857 a BGB i.V.m. § 1852 Abs.2 BGB nicht dem Genehmigungsvorbehalt des § 1812 BGB. Nach erfolgtem Abschluss der Pflichtteilsvereinbarung kann sie die Überweisung des Pflichtteilsbetrages in Erfüllung der hieraus folgenden Verbindlichkeit der Betreuten ohne unzulässiges Selbstkontrahieren somit ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung an sich selbst veranlassen.

    Die bisher befragten Kollegen sahen die Sache somit richtig.

  • Vielen Dank juris2112 und Manfred für Eure statements.
    Ich werde jetzt einen Ergänzungsbetreuer durch den Richter bestellen lassen, da auch die alte Else (Tochter) nicht ganz zurechnungsfähig erscheint. Nun als Ergänzungsbetreuer nehme ich bzw. verfüge ich dem Richter vor, die Einsetzung einer meiner ehemaligen übernatürlichen Nachlaßpfleger. Hier allerdings nicht den vorgestellten Kripobeamten, sondern einen Rechtsanwalt, den ich immer auf die kniffligsten nachlaßrechtlichen Fragen überhaupt angesetzt habe (nicht selten waren es Akten, die vom Nachlaßgericht anderen Bezirks, nur weil bei uns das Sicherungsbedürfnis gelegen hat, abgeschoben wurden) - letztere Äusserung nur weiter als Unmut zu verstehen.

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