§ 109 I InsO - Verständnisfrage

  • Wahrscheinlich ganz einfach, aber ich verstehe den Wortlaut des Gesetzes irgendwie nicht:

    Wenn der Schuldner Mieter einer Wohnung ist, tritt an die Stelle der Kündigung innerhalb von drei Monaten, die Erklärung des Treuhänders nach § 109 I 2 InsO.

    Was bewirkt diese denn nun genau? Der TH gibt die Erklärung ab, dass nach Ablauf der drei Monate nach Eröffnung die Mieten nicht mehr im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.

    Heißt das, dass die drei Monatsmieten nach Eröffnung noch zur Tabelle angemeldet werden können, wenn der Schuldner sie nicht begleicht oder dass diese drei Monatsmieten dann Masseforderungen sind und der TH gegebenenfalls Masseunzulänglichkeit anzuzeigen hätte?

    Ich brauche also nur eine simple Erklärung für die Worte "können nicht mehr im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden".

    Ich bin gerade mit der Frage einer Kollegin konfrontiert worden, warum der TH eine solche Erklärung abgibt; die Kanzlei vertritt einen größeren Vermieter. Ich konnte die Fragen nur zur Hälfte beantworten.

  • Ich hänge hier mal im selben Zusammenhang die nächste Frage dran:

    Masseunzulänglichkeit wird mit der Erklärung nach § 109 I 2 InsO zusammen gleich angezeigt. Kann der Vermieter die fehlenden Mieten beim Schuldner einklagen oder haftet allein die Masse für diese Neuforderungen?

  • 1. MUZ würde ich nicht (automatisch) zusammen mit der Erklärung nach § 109 I 2 InsO anzeigen, denn

    1.1. wenn der Schuldner die Miete zahlt, kommt es nicht zur MUZ - und das ist der absolute Standardfall.

    1.2. wenn ich das in jedem Verfahren mit natürlicher Person mache, bekomme ich bestenfalls von meinen InsGerichten (zu Recht!) den Hintern versohlt wegen unnötiger Mehrarbeit, schlechtestenfalls ein Delisting.

    2. Ob der Vermieter sich wegen der Miete bis zum ersten Kündigungszeitpunkt an den Schuldner direkt wenden kann, ist eine interessante, m.E. noch nicht abschließend geklärte Frage. Die Wirkung der Erklärung auf die "Massezugehörigkeit des Mietvertrages" ist strittig (vgl. Uhlenbruck/Wegener, 13. Aufl., § 109 Rz. 21 ff.). M.E. haftet der Schuldner jedenfalls für die Mieten wie für alle sonstigen Masseverbindlichkeiten, die ihm sonst auch ohne das Insolvenzverfahren entstanden wären (HK-Landfermann, 5. Aufl., § 301 Rz. 12). Der Vermieter kann die Miete daher m.E. auch während des Insolvenzverfahrens schon einklagen. Er unterliegt allerdings bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens bezüglich der Vollstreckung des Zahlungsanspruchs den üblichen Beschränkungen, insbes. § 89 Abs. 2 und § 91 Abs. 1 InsO.

  • @ chick:

    Ich gebe Dir Recht, aber in Fällen eines schlechten Timings, nämlich wenn die Erklärung nach § 109 InsO erst abgegeben wird, wenn der Vermieter sich bereits an die Masse wendet :eek:, können beide Erklärungen schon mal zusammen fallen.

    Ansonsten gebe ich Dir Recht. Das Thema von massenhaften Masseunzulänglichkeitsanzeigen ohne Grund wurde neulich im Forum schon mal aufgebracht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Die Kollegin erhielt in ihrem Anwaltsbüro für den vertretenen Vermieter eben jene obige Ansage nach 109 und gleichzeitig die Anzeige der MUK. Allerdings hat sich der Vermieter gar nicht an die Masse gewandt; es war wohl eher so, dass der Schuldner "gebeichtet" hat, dass er keine Miete gezahlt hat. Der TH wollte sich hier wohl absichern. Jedenfalls ging die Erklärung nach 109 samt MUK ein und die Kollegin konnte nichts damit anfangen.

    Ich gehe davon aus, dass jener TH nicht massenhaft grundlos Anzeigen verschickt in IK-Verfahren, sondern aus konkretem Anlass handelte.

    Der Vermieter wollte nun natürlich wissen, ob er die fehlenden Mieten nach EÖ dann wenigstens vom Schuldner kriegen kann - also einklagen. Dann soll sie sich mal an der Variante "Schuldner haftet" versuchen.

  • Unter Hinweis auf chick halte ich es für fraglich, ob es sich lohnt, die Kosten einer Klage zu verauslagen, denn eine Titulierung würde ja nur was bringen, um 1) die Verjährung zu unterbrechen und 2) zu vollstrecken. Mit 1) kann sich der Vermieter noch eine Weile Zeit lassen und vollstrecken kann er zurzeit ohnehin noch nicht; ob der Schuldner bald nach Aufhebung des Verfahrens wieder pfändbares Vermögen hat, ist fraglich.

    Die Frage ist dann weiter, ob der Vermieter aufgrund der Nichtzahlung kündigen könnte und so Druck auf den Mieter aufbauen könnte. Dies dürfte aufgrund der Qualifizierung als Masseverbindlichkeit und der MUZ wohl aber nicht möglich sein.

    Da schließt sich dann die Frage an, ob es dem Vermieter dennoch was bringen könnte, die Masse offiziell in Anspruch zu nehmen. Geld bekommt er aufgrud der MUZ wohl keines. Allerdings könnte man sich die Frage stellen, ob der Schuldner gegen seine Mitwirkungspflichten verstößt, wenn er, obwohl es ihm möglich wäre die Miete zu zahlen, dies nicht tut und dadurch die Masse mit Verbindlichkeiten belastet. Denn er nutzt ja einen Massegegenstand, und der Treuhänder hat wegen des Schutzes der Wohnung nicht die Möglichkeit, die Mietsache gegen den Willen des Schuldners zu räumen, also die Masse zu entlasten. Somit könnte die Stundung entfallen, und der Schuldner könnte gar Grund für einen Versagungsantrag geben.

  • ...


    Allerdings könnte man sich die Frage stellen, ob der Schuldner gegen seine Mitwirkungspflichten verstößt, wenn er, obwohl es ihm möglich wäre die Miete zu zahlen, dies nicht tut und dadurch die Masse mit Verbindlichkeiten belastet.

    Denn er nutzt ja einen Massegegenstand, und der Treuhänder hat wegen des Schutzes der Wohnung nicht die Möglichkeit, die Mietsache gegen den Willen des Schuldners zu räumen, also die Masse zu entlasten. Somit könnte die Stundung entfallen, und der Schuldner könnte gar Grund für einen Versagungsantrag geben.



    Dem schließe ich mich nicht an.

    Eine Mitwirkungspflicht gem. § 97 InsO steht in keiner Relation zur Massebelastung nach § 55 InsO. Der Mietvertrag bindet erst einmal die Masse, egal, ob der Schuldner die Wohnung nutzt oder nicht, egal ob er, zur Vermeidung der Kündigung, Miete zahlt oder nicht.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • egal ob er, zur Vermeidung der Kündigung, Miete zahlt oder nicht.


    Meinst Du denn, dass der Vermieter kündigen könnte? Trotz MUZ?




    klar, die MUZ beschneidet doch nicht die Rechte des Vermieters. Es gelten die allgemeinen Regeln des BGB, insbesondere § 569 BGB. Eingeschränkt wird das Kündigungsrecht lediglich über § 112 InsO. Ob dieser jedoch auf Wohnraum Anwendung findet, ist strittig, da mit dieser Vorschrift eigentlich sichergestellt werden soll, dass das Unternehmen des Schuldners durch Kündigung nicht ausseinanderbricht (HK), also die Masse schützen soll. Bei Wohnraum läuft dies leer.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Na, dann hätte man damit doch das Druckmittel.

    Rolle rückwärts: Aus der Diskussion geht hervor, dass die Wohnraum-Miete ab IE gleichzeitig Neuverbindlichkeit und Masseverbindlichkeit ist. Ein solches Nebeneinander ist dogmatisch unsauber. Entweder die Miete ist Masseverbindlichkeit und der Schuldner haftet nach, kann aber nicht rausgeschmissen werden, wenn der TH nicht leistet (und den Schuldner daher kein Verschulden trifft). Oder die Miete ist Neuverbindlichkeit und die Masse hat damit nichts zu tun, was wiederum in der InsO gerade nicht so steht. :gruebel:

  • die Frage, ob es sich bei den Mieten nach Abgabe der Erklärung nach § 109 InsO um Masseverbindlichkeiten oder aber um Neuvrbindlichkeiten handelt, ist mW nach nicht abschließend geklärt. Es wird die Meinung vertreten, dass es sich um keine Masseverbindlichkeit handelt, da die Überlassung von Wohnraum nicht zur Masse erfüllt wird.

    Dies dürfte jedoch bei der Frage der Kündigung nicht von Interesse sein.
    Gerät, wer auch immer, mit der Miete in Verzug, provoziert die Kündigung des Vermieters. Ob die Kündigung demVerwalter zuzugehen hat oder doch an den Schuldner, kann dem Vermieter egal sein, sofern er sie an bei adressiert.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Immerhin verstehe ich nun, warum ich es nicht verstehe. :teufel:

    Wenn der Verwalter die Miete nicht aus der Masse zahlen kann, muss sich das der Schuldner zurechnen lassen, damit ein Kündigungsrecht des Vermieters besteht? Irgendwie auch nicht logisch.

  • Immerhin verstehe ich nun, warum ich es nicht verstehe. :teufel:

    Ich habe gerade nochmal im MüKo gelesen (der beschäftigt sich recht ausführlich mit dem Problem - und ich habe zurzeit einen ähnlichen Fall), und dort findet man genausowenig eine Linie. Also schwenke ich mal die Fahne und sage, ausprobieren geht über studieren ;)

  • Der Vermieter hat Anspruch auf Miete. Bekommt er keine, von wem auch immer, muss man sehen, dass ein neuer, solventer Mieter, reinkommt.

    Will der Schuldner bleiben, muss er halt bezahlen

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der Vermieter hat Anspruch auf Miete. Bekommt er keine, von wem auch immer, muss man sehen, dass ein neuer, solventer Mieter, reinkommt.

    Will der Schuldner bleiben, muss er halt bezahlen



    Klar, rausschmeißen sehe ich ja ein. Aber ob man die Mieten, die nicht gezahlt wurden, noch bekommt, damit mag sich der Anwalt des Vermieters auseinandersetzen. :nixweiss:

  • Neue Sache, neues Glück:

    Vermieter ruft hier beim TH an und sagt: Schuldner hat für Mai noch keine Miete gezahlt.

    Eröffnung: 08.04.

    Mietvertrag durch Schuldner am 15.03. zum 30.06. gekündigt.

    Mein Kollege sagt mir jetzt, ich bräuchte keine Masseunzulänglichkeit anzeigen. Ich bin aber nun verunsichert. Was passiert denn, wenn der Vermieter sich auf § 109 InsO beruft?

  • Masseunzulänglichkeit zeigen wir erst an, wenn der Massegläubiger seine Ansprüche auch durchsetzt, d.h. sich tatsächlich auf § 109 InsO beruft. Denn § 208 InsO spricht von fälligen Ansprüchen. Diese liegen aber so lange nicht vor, wie der Gläubiger noch gar keine Ansprüche geltend macht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

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