Aschewolke und reiserechtliche Ansprüche

  • [FONT=Arial, sans-serif]Wie hier zum Teil schon bekannt sein dürfte, habe ich eine berufliche Vergangenheit im Bereich Luftverkehr / Tourismus. Nachdem ich heute per PN um meine reiserechtliche Meinung zur Aschewolke vor dem Hintergrund eines BerH-Antrages und möglicher folgender Anträge wegen etwaiger Schadensersatzansprüche gebeten wurde, stelle ich das von mir gefundene Ergebnis auch hier ein, da entsprechende Fragen bzw. Anträge sicherlich bundesweit auftreten können. Ich möchte damit keine Diskussion lostreten, ob es legitim ist, daß BerH-Antragsteller Urlaubsreisen unternehmen.
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    [FONT=Arial, sans-serif]Zunächst einmal ist m.E. unzweifelhaft klar, daß hier ein Fall höherer Gewalt vorliegt.[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Höhere Gewalt sind Umstände, die auf Vorkommnissen beruhen, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens bzw. Reiseveranstalters sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (vgl. [url=http://lexetius.com/2009,3346]EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C-402/07[/url]; dort als „außergewöhnliche Umstände“ bezeichnet).[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Für die Pauschalreise gilt bzgl. Ansprüchen gegenüber dem Reiseveranstalter:[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]§ 651j BGB Kündigung wegen höherer Gewalt[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif](1) Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen.[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif](2) Wird der Vertrag nach Absatz 1 gekündigt, so finden die Vorschriften des des § 651e Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 Anwendung. Die Mehrkosten für die Rückbeförderung sind von den Parteien je zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen fallen die Mehrkosten dem Reisenden zur Last.[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif]§ 651e BGB Kündigung wegen Mangels[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif](1) [...] [/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif](2) [...][/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif](3) Wird der Vertrag gekündigt, so verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Er kann jedoch für die bereits erbrachten oder zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden Reiseleistungen eine nach § 638 Abs. 3 zu bemessende Entschädigung verlangen. [der folgende Satz gilt bei der Kündigung wegen höherer Gewalt nicht, keine Verweisung in § 651j Abs. 2:] Dies gilt nicht, soweit diese Leistungen infolge der Aufhebung des Vertrags für den Reisenden kein Interesse haben.[/FONT]
    [FONT=Arial, sans-serif](4) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die infolge der Aufhebung des Vertrags notwendigen Maßnahmen zu treffen, insbesondere, falls der Vertrag die Rückbeförderung umfasste, den Reisenden zurückzubefördern. [der folgende Satz gilt bei der Kündigung wegen höherer Gewalt nicht, keine Verweisung in § 651j Abs. 2:] Die Mehrkosten fallen dem Reiseveranstalter zur Last.[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Soweit ich es verfolgt habe, hat kein Reiseveranstalter Kündigungen wegen höherer Gewalt ausgesprochen. Gleichwohl ist m.E. auch zu betrachten, wie die Rechtslage wäre, wenn Kündigungen erfolgt wären. Danach würde zunächst § 651j Abs. 2 S. 2 greifen. Mehrkosten wären hier durchaus denkbar, insbesondere für Positionierungsflüge (= Leerflüge) von Deutschland in die Zielgebiete. Einmal Deutschland – Kanaren einfache Strecke kann man mit 20.000 Euro – plusminus ein paar tausend Euro, in Abhängigkeit von Fluggesellschaft und Fluggerät - veranschlagen, d.h. theoretisch könnten ca. 10.000 Euro auf die Reisenden umgelegt werden. Vorbehaltlich Berechnung im Einzelfall wären das je nach Fluggesellschaft und Fluggerät also 50 – 75 Euro pro Person. Weiterhin ergibt sich aus § 651j Abs. 2 S. 3, daß der Reisende Kosten insbesondere für Unterbringung und Verpflegung in der Zeit zwischen Kündigung und Rückbeförderung selbst zu tragen hat.[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Daraus folgt m.E. für den ungekündigten Reisevertrag:[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Verzug hinsichtlich der Rückbeförderung seitens des Reiseveranstalters liegt nicht vor, da die unterbliebene Rückbeförderung zum geschuldeten Zeitpunkt von ihm nicht zu vertreten ist (§ 286 Abs. 4 BGB). Hinsichtlich zusätzlich angefallener Unterkunfts- und Verpflegungskosten fehlt daher bereits deshalb die Anspruchsgrundlage, die m.E. beim ungekündigten Reisevertrag nur Verzugsschaden sein kann. Der Reisende kann sich m.E. auch nicht darauf berufen, daß der Reiseveranstalter den Vertrag nicht wegen höherer Gewalt gekündigt hat, da dies für ihn (= den Reisenden) aus o.g. Gründen sogar ungünstiger sein kann als die vollständige Regelung auf Kosten des Reiseveranstalters.[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Das gilt natürlich auch umgekehrt, will sagen, der Reiseveranstalter kann sich m.E. nicht zum Zwecke der Kostenersparnis darauf berufen, daß der Reisevertrag nicht wegen höherer Gewalt gekündigt worden ist. Insoweit verweise ich auf § 162 Abs. 1 BGB. Wenn dem Antragsteller Mehrkosten für die Rückreise entstanden sind, die der Reiseveranstalter nicht jedenfalls zur Hälfte übernimmt (s.o.), würde ich daher bewilligen. In dem Fall bietet es sich an, auf die Einziehung auf die Staatskasse übergegangener Erstattungsansprüche zu achten und diese ggf. auch vorzunehmen, da man es unzweifelhaft mit einem solventen Schuldner zu tun hat.[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Beim Linienflug (= Werkvertrag) ist eine Anspruchsgrundlage für Mehraufwendungen nicht ersichtlich. Schon beim regulären Ablauf hat die Fluggesellschaft nicht dafür einzustehen, was der Fluggast am Zielort unternmmt. Ansonsten ist auch hier darauf zu verweisen, daß Verzug der Fluggesellschaft nicht vorliegt, da die entsprechenden Umstände von ihr nicht zu vertreten sind (s.o.).[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Sowohl für Linienflüge als auch für Pauschalreisen ist die VO (EG) 261/2004 zu berücksichtigen. Dabei geht es dann aus Sicht des Anspruchstellers um Ausgleichszahlungen, siehe Art. 7. Zur Definition in Art. 2 lit. b): [/FONT][FONT=Arial, sans-serif]hier sind Linienflüge (= Vertrag mit dem Fluggast) oder Pauschalreisen (= Vertrag im Namen einer anderen … Person, die mit dem … Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht) gemeint. D.h. bei einer Pauschalreise kommen grundsätzlich / theoretisch sowohl Ansprüche gegen die Fluggesellschaft als auch gegen den Reiseveranstalter in Betracht. Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist gem. Art. 5 Abs. 3 „nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände [= höhere Gewalt, s.o.] zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“ Geschuldet sind dann nur Unterstütungsleistungen.[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Zusammenfassend ist zu sagen, daß m.E. BerH-Anträge wegen Mehrkosten für den Urlaub aufgrund der Aschewolke zurückzuweisen sind, sofern der Antragsteller nicht Mehrkosten für die Rückbeförderung geltend macht, an denen der Reiseveranstalter sich nicht anteilig beteiligen will.[/FONT]

    [FONT=Arial, sans-serif]Sofern Beratungshilfe beantragt werden sollte, weil dem Antragsteller von dritter Stelle, z.B. vom Arbeitgeber wegen verspäteten Erscheinens nach dem Urlaub, außergerichtlich Rechtsnachteile angedroht worden sind, die ursächlich darauf beruhen, daß der Antragsteller aufgrund der Aschewolke am Urlaubsort gestrandet war und dadurch Fristen oder Termine etc. versäumt hat, würde ich bewilligen, sobald und sofern der Antragsteller nachgewiesen hat, daß er den Dritten erfolglos darauf hingewiesen hat.[/FONT]

  • Vielen Dank für deinen Beitrag! Erst am Wochenende, als mal wieder ein Beitrag über die Aschewolke und die Folgen im Fernsehen kam, habe ich mich gefragt, wann wohl auf der RASt die ersten entsprechenden Anträge kommen. Jetzt bin ich schon mal vorinformiert, wenn es wirklich so weit sein sollte und weiß, wo ich mal nachlesen kann. :daumenrau

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Ich wollte gerade unter „Smalltalk“ fragen, ob es auch hier „Aschewolkeopfer“ gibt, als mir einfiel, doch erstmal die Suchfunktion zu nutzen. Nun bin ich hier gelandet.
    Als Rechtspflegerin will ich eigentlich keinen Beratungshilfeschein, aber einige Tipps (von einem Fachmann!) wären ja nicht schlecht...
    Zum Smalltalk kann ich ja immer noch verschoben werde (vielleicht finden sich noch paar Leidensgenossen?)
    Kurz zu meinem Problem.:

    Hinweis:
    Da in diesem Forum von Gesetzes wegen keine (einzelfallbezogene) Rechtsauskunft bzw. -beratung erteilt werden kann und darf - siehe hierzu auch die Forenregeln - und des noch immer bestehenden Klarnamenverbots, wurde der Rest des Beitrags gelöscht.
    Allgemeine juristische Fragen, auch mit Bezug zur Rechtspflegertätigkeit, können z.B. in folgenden Foren gestellt und diskutiert werden:

    Forum juraforum.de
    Forum Jurathek.de
    Forum recht.de

    Wir bitten um Verständnis und Beachtung.
    li_li (Mod)

  • Nur ein kleiner Hinweis:

    Vermutlich antwortet keiner der Kollegen, weil das schon scharf an einer Rechtsberatung vorbeischrammt oder sich schon in diesem Bereich befindet.

    Was sagt die Verbraucherzentrale? Das sind doch unsere Profis für sowas... (ich bin öfters mal da und mir konnte fast immer gut geholfen werden)

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