marokkanisches Erbrecht

  • Hallo!

    Ich habe hier folgenden Fall:
    Der Erblasser ist marokkanischer Staatsangehöriger, der in Deutschland verstorben ist. Nun wollen die Verwandten an die Konten bei der hiesigen Bank und wollen dazu einen Erbschein beantragen.

    Was muss ich dabei beachten, wenn ich den Antrag aufnehme?

  • Wegen Art.25 Abs.1 EGBGB zunächst einmal das marokkanische IPR, das nach meinen Informationen vom Grundsatz der Nachlasseinheit ausgeht, aber nach Religionszugehörigkeit interpersonal gespalten ist (malekitisch/jüdisch/christlich+sonstige). Auch ist der deutsche ordre public im Hinblick auf die Erbquote der überlebenden Witwe und der weiblichen Abkömmlinge.

    Zu allem Staudinger/Dörner [2000] Anh. zu Art.25 EGBGB Rn.408-413 m.w.N.

  • Ich würde mich hier gerne anschließen, da ich vor dem gleichen Problem stehe.

    Der Erblasser ist ein in Deutschland lebender und hier verstorbener Marokkaner. Er war in einziger Ehe verheiratet mit einer Marokkanerin. Die Ehe wurde in Marokko geschlossen. Es gibt sieben Kinder (drei Söhne und vier Töchter). Die Eltern sind verstorben, ebenso die Großeltern. Zur Religionszugehörigkeit erfolgte keine Aussage. Beantragt wurde ein Erbschein nach marokkanischem Recht für den in Deutschland belegenen Nachlass: Ehefrau 1/8, Söhne jeweils 7/40, Töchter jeweils 7/80.

    Nach dem was ich bisher herausgefunden habe, sind die Erbquoten für muslimische und christliche Marokkaner richtig angegeben, wobei es gegen den deutschen ordre public verstößt, dass die weilbichen Nachkommen und die Witwe eine geringere gesetzliche Erbberechtiung haben als die männlichen Nachkommen und ein überlebender Ehemann.

    Die Frage ist aber, was hat das für Folgen und wie erteile ich jetzt einen Erbschein :confused::confused::confused: ?

    Bin für jede Hilfe dankbar.

  • Aus der Wikipedia:

    "Durch den kollisionsrechtlichen ordre public wird bei Unvereinbarkeit nur der betroffene einzelne ausländische Rechtssatz von der Anwendung ausgeschlossen. Im übrigen bleibt das ausländische Recht anwendbar und wird sogar zur Schließung einer durch die Unanwendbarkeit entstandenen Lücke herangezogen. Dies dient dem Zweck des ordre public, das ausländische Recht, das eigentlich anwendbar ist, nur soweit einzuschränken, als es zur Wahrung der materiellen Gerechtigkeit und des nationalen Entscheidungseinklangs erforderlich ist. Der internationale Entscheidungseinklang, dem das IPR gerade dient, soll nicht durch eine eigenmächtige Durchsetzung des eigenen Rechts gefährdet werden. Erst wenn sich im ausländischen Recht keine analog oder direkt anwendbaren passenden Vorschriften finden lassen, wird deutsches Recht als Ersatzrecht herangezogen. In der Praxis ist aber die Lückenschließung durch das deutsche Recht am häufigsten, was in der Regel der notwendig werdenden Lückenfüllung aufgrund faktischen Fehlens eines alternativen Normenbestands im ausländischen Recht geschuldet ist."

    Das hat m.E. zur Folge (bzw. so würde ich es machen), dass man in deinem Sachverhalt alle Frauen so behandelt, als wären es Männer und dann so auf Erbquoten nach marrokanischem Erbrecht kommt, die nach der Sicht unserer deutschen Wertvorstellungen (Stichwort Art. 3 II GG) vertretbar und analog anwendbar wären.

    Sieht man es so, müßte man dies dem Antragsteller so begründen und ihm anheim stellen, den ESA entsprechend zu ändern. Tut er es nicht, wäre der ESA wegen Verstoß gegen den Ordre Public zurückzuweisen und ggf. wird sich dann das OLG damit auseinandersetzen :)

    Natürlich kann man auch gleich eine Zurückweisung des ESAs mit entsprechender Begründung machen und warten, ob entweder Beschwerde dagegen eingelegt wird, oder ein geänderter ESA kommt. Den oben genannten Ansatz halte ich aber für besser, weil man dann vielleicht um ein langwieriges Beschwerdeverfahren kommt und damit vielleicht allen Beteiligten gedient ist.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • TL: Danke schön.

    Ich habe dem Antragsteller jetzt vorgeschlagen, den Antrag entsprechend abzuändern.

    Die Witwe soll wie ein überlebender Ehemann 1/4 Anteil erhalten.

    Den restlichen 3/4 Anteil teilen sich die sieben Kinder unabhängig vom Geschlecht, so
    dass jeder 3/28 erhält.

  • :daumenrau

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