Verfahrenspfleger bei Nachlasspflegschaft

  • Wie wird folgender Fall von Rechtspfleger-Seite aus gesehen:

    Es besteht eine Nachlasspflegschaft. Einziger Nachlassgegenstand ist eine unbewohnte Immobilie. Der Nachlasspfleger hat keinen Cent, um die Unterhaltung und die Verkehrssicherungspflicht der Immobilie zu gewährleisten. Alle bekanntgewordenen Erben haben die Erbschaft ausgeschlagen.
    Mit Zustimmung der dinglichen Grundschuldgläubigerin verkauft der Nachlasspfleger unter Berücksichtigung der Marktsituation und zur Abwendung eines drohenden Zwangsversteigerungsverfahren die Immobilie für 90 % des gutachterlich festgestellten Verkehrswertes und beantragt hierzu die nachlassgerichtliche Genehmigung. Das Nachlassgericht bestellt nunmehr im Genehmigungsverfahren einen Verfahrenspfleger für die unbekannten Erben.
    Inwieweit können Einwendungen des Verfahrenspflegers Einfluss auf die nachlassgerichtliche Entscheidung nehmen oder wird der Verfahrenspfleger nur für die Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses bestellt ?

  • m. E. kann der Verfahrenspfleger alle möglichen Erklärungen im Vorfeld der Entscheidung abgeben, vgl. Zöller, 27. Auf. Anm. 9 zu § 57 mit Hinweis auf Anm. 10 zu § 81. Demnach nimmt er vorab Einfluss auf die Entscheidung. Wobei dies doch eigentlich kein Problem sein sollte, wenn der Nachlasspfleger guten Gewissens die Genehmigung beantragt. 90% vom festgestellten Wert ist meist völlig ok.

  • Da der Verfahrenspfleger die unbekannten Erben vertritt, kann und soll er zu dem Vertrag (aus der Sicht der Erben) Stellung nehmen.

  • Ergänzend: Es wurde bereits in mehreren Threads erörtert und zur Diskussion gestellt, ob anstelle eines Verfahrenspflegers nicht ein Ergänzungsnachlasspfleger erforderlich ist, weil § 9 Abs.2 FamFG einen Vertreter nach bürgerlichem Recht fordert. Diese Frage soll hier aber nicht erneut vertieft werden.

  • Ich gebe immer an:

    Stellungnahme zum Vertrag des Notars XX, URNr. XX/2010 vom ..... zwischen der Nachlasspflegerin und dem XXXX.

  • Das halte ich nicht für ausreichend, weil der Verfahrenspfleger notfalls auch Beschwerde einlegen muss.

    Deshalb würde ich viel allgemeiner und gleichzeitig umfassender formulieren:

    "Vertretung des Betroffenen im (hier: nachlassgerichtlichen) Genehmigungsverfahren betreffend ... (Bezeichnung des Rechtsgeschäfts)."

  • Den Verfahrenspfleger zu einer "Vertretung" zu ermächtigen, halte ich für zweifelhaft, da die Rechtsmacht des Verfahrenspflegers (der eben nicht Vertreter ist) gesetzlich festgelegt ist. Genügt es nicht, den Verfahrenspfeger einfach so zu bestellen:
    In dem nachlassgerichtlichen Genehmigungsverfahren bezügl. des Kaufvertrags xxx
    wird Y zum Verfahrenspfleger bestellt.
    So habe ich es jedenfalls schon in anderen Akten gesehen.

    Anders liegt der Fall bei der Ergänzungspflegschaft, da der Ergänzungspfleger ja gesetzlicher Vertreter ist.
    Hier könnte formuliert werden:
    X wird zum Ergänzungs-nachlass-pfleger bestellt.
    Der Aufgabenkreis des Pflegers umfasst die Vertretung der unbekannten Erben im nachlassgerichtlichen Genehmigungsverfahren bezüglich des Kaufvertragsxxx
    einschließlich Entgegennahme der Entscheidung und Vertretung im Rechtsmittelverfahren.

  • Folgender Sachverhalt:

    Es ist Nachlaßpflegschaft angeordnet. Zum Nachlaß gehört eine Eigentumswohnung, Verkehrswert laut Gutachten € x; der Nachlaßpfleger hat einen Kaufinteressenten, der € y bezahlen würde. € y sind etwas über 50 % von € x. :eek:

    Unterschrieben ist noch nichts, der Nachlaßpfleger wurde bei mir vorstellig und bat um Einschätzung hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit wegen der Differenz zwischen angebotenem Kaufpreis und Verkehrswert.

    Der Immobilienmarkt in diesem Stadtteil ist von einem Preisverfall betroffen. Grundsätzlich gesehen ist es also nicht auszuschließen, daß die für dort belegene Wohnungen erzielbaren Verkaufspreis deutlich unter dem Verkehrswert liegen. Die Lage der Wohnung innerhalb dieses Stadtteils ist wiederum eher positiv zu bewerten. Die Aussagen im Gutachten zum Zustand der Wohnung erscheinen mir nicht ganz eindeutig bzw. aussagekräftig; ich will die Wohnung aber auch in Augenschein nehmen, was natürlich kein Gutachten ersetzen kann, aber in dem Fall sinnvoll erscheint, um mir einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.

    So, nun zur Frage:

    Wäre das ein Fall, in dem die Bestellung eines Ergänzungsnachlaßpflegers für das Genehmigungsverfahrens in Betracht zu ziehen ist? Für den Nachlaßpfleger würde ich hier eine Interessenkollision dergestalt sehen, daß er subjektiv alles getan hat, um den Verkauf zum bestmöglichen Preis in die Wege zu leiten, so daß er selbst objektiv nicht bestätigen kann, daß dieser Preis trotz der Differenz zum Verkehrswert und unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten akzeptabel ist.

  • Natürlich ist ohnehin ein Pfleger für die Duchführung des Genehmigungsverfahrens zu bestellen, aber der alleine macht es ja noch nicht. Du als NLG musst ja eigenständig für dich zu der Meinung kommen, ob der Verkauf genehmigungsfähig ist, oder nicht.

    Also 50 % unter Gutachtenwert halte ich doch für begründungsbedürftig. Wer hat denn das Gutachten erstellt? Ein öffentl. Gutachter oder der Gutachterausschuss der Stadt? Und klar auch die Frage, wie alt das Gutachten ist.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ausschlaggebend ist u.a. auch, wie lange die Wohnung schon zum Verkauf angeboten wird. Je länger der Pfleger schon erfolglos versucht hat, sie zu einem höheren Preis zu verkaufen, desto "genehmigungsfähiger" wird der Verkauf zu einem niedrigeren Preis. Bei gut 50 % muss sich z.B. monatelang kein Interessent gefunden haben. Maßgeblich ist auch, wieviele Barmittel der Nachlasspfleger noch hat, um die Wohnung zu unterhalten. Wenn nichts mehr da ist, muss er sehen, dass er sie schnell loswird.

  • Vielen Dank für die Meinungen.

    Das Gutachten ist ca. 1 1/2 Jahre alt. Inzwischen habe ich die Wohnung selbst in Augenschein genommen. Es gibt ein Feuchtigkeits- oder Schimmelproblem. :eek: Der Gutachter wird seine Meinung bzw. Aussage zum Verkehrswert nochmals überdenken. Möglicherweise war die Wohnung noch nicht ausgeräumt, als er sie erstbegutachtet hat, so daß dieses Problem da noch nicht erkennbar war.

    Nach der Besichtigung tendiere ich dazu, auch einen Verkauf unter dem revidierten Verkehrswert zu genehmigen, da der o.g. Zustand gleich mehrere Räume betrifft und der Sachverständige im Rahmen des Überdenkens des Gutachtens die Verkehrswertminderung durch den Sanierungsaufwand nur schätzen kann.

  • Hallo liebe Kollegen im Forum, ich hänge mich hier mal mit einer Frage ran.
    Habe in einer Nachlassangelegenheit (Grundstücksverkauf) einen Verfahrenspfleger zu bestellen, aber jetzt das Problem der Personalauswahl. Mehrere Angesprochene haben - bei unverbindlicher Anfrage - das Amt mit der Begründung abgelehnt, dass sie sich in ihrer Freizeit nicht auch noch Haftungsrisiken aussetzen wollen. Wie sieht das Haftungsrisiko für den Verfahrenspfleger tatsächlich aus? Gefühlt hätte ich gesagt, dass Nachlasspfleger und Nachlassgericht da wohl eher "dran" wären, aber ausschließen konnte ich das nicht. Weiß dazu jemand was?

  • Eine Haftung lässt sich nie ausschließen, auch wenn es unwahrscheinlich sein mag, dass sie sich realisiert.

    Weshalb bestellst Du nicht einen Anwalt zum Verfahrenspfleger und stellst im Beschluss fest, dass er anwaltsspezifische Tätigkeiten zu erledigen hat? In diesem Fall erhält der anwaltliche Verfahrenspfleger seine Gebühren nach dem RVG und er rechnet unmittelbar gegenüber dem Nachlasspfleger ab.

  • Es gibt ein BGH-Urteil zum Verfahrenspfleger bei Betreuungen: BGH Urteil vom 22.07.2009, XII ZR 77/06

    Aus dem Inhalt:

    "...vor diesem Hintergrund erfährt der Pflichtenkreis des Verfahrenspflegers Inhalt und Grenzen. Der VerfPfl soll nicht -neben dem Gericht und anstelle eines Gegenbetreuers- die Interessen des Betreuten ggü. dem Betreuer schützen und dessen Amtsführung überwachen.
    ...es gehört zu den Aufgaben des VerfPfl den tatsächlichen od. mutmaßlichen Willen des Betreuten zu erforschen und in das Verfahren einzubringen....
    ...die Aufgaben des Verf.Pfl erschöpfen sich in solchem Falle darin, die Nachteile des Betreuten, die sich aus dessen fehlender Fähigkeit zur Willensbildung oder -äußerung ergeben, auszugleichen."

    Anmerkung: Im damaligen Fall war der VerfPlf von einer Haftung für ein Immobiliengeschäft, das Verluste brachte, "freigesprochen" worden.

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    3 Mal editiert, zuletzt von TL (18. Mai 2011 um 10:21)

  • Vielen Dank für die superschnellen Antworten, sehr hilfreich!!!!
    Konnte damit die Bedenken zerstreuen bzw. relativieren und eine qualifizierte Person als Verfahrenspfleger gewinnen. :)

    P.S. Hatte übrigens gestern Besuch von einem netten Mitarbeiter der H***** B***, der sich persönlich vorstellte u.a. fragte, ob mir dieses Institut bekannt wäre... Natürlich! Auch wegen der auffallend guten Beiträge im Forum...

  • Logisch :)

    Gruß aus HN!

    TL

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