Bekanntgabe mit Ausfertigung oder begl. Abschrift des Beschlusses? (§ 317 ZPO)

  • Der BGH hat in zwei aktuellen Entscheidungen vom 09.06.2010 (Az.: XII ZB 132/09 und XII ZB 133/09) entschieden, dass für den Beginn der Rechtsmittelfrist die Zustellung einer Ausfertigung der Entscheidung erforderlich ist, mithin die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Entscheidung nicht ausreicht. Beide Verfahren wurden noch nach altem FGG-Verfahrensrecht entschieden. Begründet wurden die Entscheidungen insbesondere mit der amtlichen Überschrift zu § 317 ZPO und dem Wortlaut des § 317 IV ZPO.

    Nach Auskunft der hiesigen Familiengeschäftsstelle wurden dieser auf Schulungsveranstaltungen in Familiensachen mitgeteilt, dass die Bekanntgabe der Entscheidungen in beglaubigter Abschrift ausreicht. Dies insbesondere vor dem Hintergrund des § 42 II FamFG (dem § 319 II ZPO nachgebildet), wonach ein etwaiger Berichtigungsbeschluss sowohl auf dem berichtigten Beschluss als auch auf den Ausfertigungen des berichtigten Beschlusses, nicht hingegen auf den beglaubigten Abschriften des berichtigten Beschlusses zu vermerken ist.

    Die Familiensachen nach neuem Recht (FamFG) sehen in § 38 FamFG die Entscheidung in Beschlussform vor. Nach Zöller 28. Auflage § 329 ZPO RdNr. 17 i.V.m. § 166 ZPO RdNr. 5 können Entscheidungen, die in Beschlussform nach der ZPO ergehen, sowohl in Ausfertigung als auch in beglaubigter Abschrift zugestellt werden. Ebenso Keidel 16. Auflage § 15 FamFG RdNr. 13, wonach grundsätzlich bei Amtszustellungen die Zustellung einer beglaubigten Abschrift ausreicht, sofern nicht nach materiellem Recht oder Verfahrensrecht eine andere Übersendungsart vorgeschrieben ist. Dies dürfte z.B. in Zwangsvollstreckungssachen bei den Vollstreckungshindernissen der § 95 II FamFG i.V.m. § 775 Nr. 1 und § 775 Nr. 2 ZPO der Fall sein (§ 775 Nr. 1 und 2 ZPO setzen voraus, dass eine Ausfertigung der Entscheidung vorgelegt wird; nicht ausreichend ist die Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Entscheidung). Auch bei Ehe- und Abstammungssachen ist es evtl. erforderlich, dass eine Ausfertigung der Entscheidung zugestellt wird, da § 46 Satz 3 FamFG die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses auf einer Ausfertigung ohne Begründung vorsieht (ggf. handelt es sich auch um ein Versehen des Gesetzgebers, da die Vorschrift den früheren § 706 I 2 ZPO übernommen hat und hierbei der Gesetzgeber ggf. übersehen hat, dass diese Entscheidungen nicht mehr, wie früher, in Urteilsform nach § 317 ZPO, sondern jetzt in Beschlussform nach § 38 FamFG getroffenen werden).

    Eine weitere Ausnahme kommt bei den Ehesachen und Familienstreitsachen (insbesondere bestimmte Unterhaltsverfahren und Güterrechtssachen) in Betracht. Nach der Vorschrift des § 113 FamFG sind eine Vielzahl von FamFG-Vorschriften nicht anzuwenden. Stattdessen sind die allgemeinen Vorschriften der ZPO anzuwenden. Nach Zöller 28. Auflage § 113 FamFG RdNr. 4 und Keidel 16. Auflage § 113 FamFG RdNr. 4 werden in diesen Fällen die Vorschriften über die Bekanntgabe des Beschlusses (§ 41 FamFG) durch § 317 ZPO ersetzt. Also doch wieder zwingende Zustellung einer Ausfertigung der Entscheidung? Alternativ kann man argumentieren, dass nach § 113 FamFG weiterhin § 38 FamFG anwendbar bleibt, mithin durch Beschluss entschieden wird, so dass die Bekanntgabe des Beschlusses (§ 41 FamFG) nicht durch § 317 ZPO sondern durch § 329 ZPO ersetzt wird, wofür wieder die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Entscheidung ausreicht.

    An anderer Stelle des Zöllers (Zöller 28. Auflage § 41 FamFG RdNr. 2) wird erwähnt, dass generell bei der Bekanntgabe von Beschlüssen nach § 41 FamFG eine Ausfertigung des Beschlusses, somit keine beglaubigte Abschrift des Beschlusses, zu verwenden ist. Eine nähere Begründung hierzu wird nicht geliefert (lediglich Hinweis auf Prütting/Helms § 41 FamFG RdNr. 3).

    Wie wird bei anderen Gerichten verfahren? Die Geschäftsstelle entscheidet über die Bekanntmachung der Entscheidung. Soll die Geschäftsstelle in Familiensachen vorsichtshalber Ausfertigungen der Entscheidungen bekanntmachen, bis demnächst eine höchstrichterliche Entscheidung nach dem FamFG (insbesondere bei Bekanntgabe von Entscheidungen in Ehesachen und Familienstreitsachen) vorliegt, um sicherzustellen, dass auf jeden Fall die Rechtsmittelfristen laufen und insbesondere kein falsches Rechtskraftzeugnis erteilt wird? Oder soll vor dem Hintergrund der §§ 38, 42 II FamFG weiterhin eine Bekanntmachung von beglaubigten Abschriften des Beschlusses erfolgen?

  • Die BGH-Entscheidungen bestätigen da mal meine ganz persönliche Auffassung. Ich habe viele Jahre im Zivilbereich gearbeitet und alle Entscheidungen gingen als Ausfertigungen. Im Vormundschafts- jetzt Betreuungsgericht hatte ich schon immer Probleme mit den beglaubigten Abschriften. Rechtsmittelfähige Entscheidungen haben bei mir in Ausfertigung rauszugehen. In meinem Referat gingen und gehen deshalb immer Ausfertigungen raus. Da ich meine Beschlusse selber schreibe und die vorbereiteten Ausfertigungen schon in die Akte lege, muss ich da auch nicht mit den Geschäftsstellen diskutieren.

  • § 42 Abs.2 FamFG spricht nach meiner Ansicht dafür, dass stets eine Ausfertigung des Beschlusses bekannt zu machen ist. Denn gerade weil die beglaubigte Beschlussabschrift nicht "der Beschluss" ist und im Rechtsverkehr nicht an seine Stelle tritt, braucht eine Berichtigung nicht auf ihr vermerkt zu werden.

    Wer stets nur in der Form der Ausfertigung bekannt macht (hier seit jeher üblich), ist jedenfalls auf der sicheren Seite, weil sich das Problem für ihn gar nicht stellt.

  • Die BGH-Entscheidungen bestätigen da mal meine ganz persönliche Auffassung. Ich habe viele Jahre im Zivilbereich gearbeitet und alle Entscheidungen gingen als Ausfertigungen. Im Vormundschafts- jetzt Betreuungsgericht hatte ich schon immer Probleme mit den beglaubigten Abschriften. Rechtsmittelfähige Entscheidungen haben bei mir in Ausfertigung rauszugehen. In meinem Referat gingen und gehen deshalb immer Ausfertigungen raus. Da ich meine Beschlusse selber schreibe und die vorbereiteten Ausfertigungen schon in die Akte lege, muss ich da auch nicht mit den Geschäftsstellen diskutieren.




    Ich schließe mich an.

  • Ich hänge mich mal einfach hier dran:

    § 63 III FamFG stellt für den Beginn der Beschwerdefrist auf die Bekanntgabe des Beschlusses in schriftlicher Form ab. Über § 113 FamFG sind die Vorschriften über die Beschwerde nicht ausgeschlossen, gelten also auch in Familiensachen/Ehesachen/Familienstreitsachen.

    Wie passiert denn die Bekanntgabe nun in der Praxis? Habe leider mit FamSachen gar nichts zu tun, muss mich aber grad mal in die Thematik einarbeiten.

    Zustellung mit EB? Postversand mit fiktiver Berechnung der Bekanntgabe 3 Tage nach Aufgabe? Wie wird der Zugang / die Bekanntgabe denn in der Praxis belegt, um den Fristbeginn zu ermitteln?

  • Hallo Zusammen, ich möchte mich hier mal ranhängen.

    Der § 317 ZPO wurde uzm 1.7. geändert und stellt damit klar, dass nur auf Antrag Ausfertigungen zugestellt werden und sonst beglaubigte Abschriften.

    Gibt es schon neue Erkenntnisse wie sich das auf die Bekanntmachungen im Familienrecht auswirken?

    Viele Grüße

  • Hallo, ich habe mal eine Frage zur Anwendung des § 317 ZPO, wonach Urteile und Beschlüsse nur noch in beglaubigter Abnschrift zuzustellen sind und Ausfertigungen nur noch auf Antrag.

    Die ZPO Vorschriften sind in Ehe-und Familienstreitsachen anzuwenden, d. h. unter anderem auch in Unterhaltssachen. Verfügt Ihr, dass die Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse nur in beglaubigter Abschrift zuzustellen sind?

    Zudem interessiert mich, ob Ihr es vom Einzelfall abhängig macht, ob Ihr eine Ausfertigung rausschickt oder ob Ihr streng nach Vorschrift nur noch begl. Abschriften zustellt.

    Vielen Dank im Vorraus für eure Antworten.

    Edit:
    Themen verbunden.
    Ulf, Admin

  • Um ehrlich zu sein setze ich das nicht völlig konsequent um. :oops: In der Regel lasse ich zwar nur noch begl. Abschriften zustellen aber in den Fällen, in denen noch meine Vordrucksätze im vereinfachten Verfahren Verwendung finden, gehen weiterhin Ausfertigungen raus.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ehrlicherweise interessiert das hier auch keinen (Richter, Rechtspfleger, Geschäftsstellen), es werden wohl weiterhin fleißig Ausfertigungen hinausgegeben ....
    Habe von den beglaubigten Abschriften erstmal im Zusammenhang mit dem beabsichtigten internationalen Erbschein erfahren, es scheint also dem EU-Recht zu entstammen.

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