Zweites Insolvenzverfahren

  • Was haltet Ihr davon: Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Selbständigen. RSB beantragt. Verw. gibt Gewerbe frei. Finanzamt stellt weiteren Inso-Antrag über freigegebenes Gewerbe. Schh. stellt Eigenantrag verbunden mit RSB und Kostenstundung. Nun bekomme ich die Akte mit Stundungsbeschluss zum eröffnen. Beim Durchsehen der Akte sehe ich, dass er bei der Abtretungserklärung erklärt, dass seine Bezüge noch nicht an einen Dritten abgetreten oder verpfändet sind. Meiner Meinung ist das eine unrichtige Erklärung, denn im ersten Verfahren hat er die Bezüge ja bereits abgetreten, mit der Folge, dass ihm die Restschuldbefreiung zu versagen ist. Weiterhin ist ja dann wohl keine Kostenstundung zu gewähren und die Eröffnung mangels Masse abzuweisen. Hattet Ihr das schon einmal.
    Ein Aufsatz im InsbürO 5/2010 ist im Übrigen derselben Ansicht. Danke für Eure Meinungen

  • Handelt es sich bei der vom Finanzamt im 2. Verfahren geltend gemachten Forderung um Neuverbindlichkeiten (die erst nach EÖ des 1. Verfahrens entstanden sind)?

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Also ich denke, der Antrag des FA ist nicht zulässig:

     BUNDESGERICHTSHOF

    Beschluss vom 18.05.2004


    Leitsatz:
     Vermag der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbständig tätige Schuldner die daraus herrührenden Verbindlichkeiten nicht zu erfüllen, haben die Neugläubiger, solange das Insolvenzverfahren nicht abgeschlossen ist, grundsätzlich kein rechtlich geschütztes Interesse an der Eröffnung eines weiteren Insolvenzverfahrens.

  • Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein zweites Insolvenzverfahren über die freigegebene selbständige Tätigkeit möglich ist. Wenn man mal von den rechtlichen Hintergründen/Problemen absieht, ergeben sich doch rein tatsächlich viele Abgrenzungsprobleme zwischen den beiden Verfahren. Zudem gibt doch kein Verwalter grundlos die selbständige Tätigkeit frei. Hintergrund ist doch in der Regel, dass sie nicht gewinnbringend läuft. Wenn man ein weiteres Verfahren über den freigegebenen Teil zuließe, ist es also durchaus wahrscheinlich, dass der dortige Verwalter wiederum die Freigabe erklärt, und so ließe sich die Kette der Insolvenzverfahren endlos weiterführen. Bei einer Fortbildungsveranstaltung, wo Verwalter und auch einige Richter/Rpfl. über dieses Thema diskutiert haben, hat sich auch keine überzeugende Lösung oder auch nur eine Mehrheit für oder gegen ein "Zweitinsolvenzverfahren" ergeben.

    quidquid agis prudenter agas et respice finem. (Was immer Du tust, tue klug und bedenke das Ende.) :akten

  • aus der Negativerklärung des § 35, II InsO folgt nicht, dass es keine freie Masse gibt, die die Eröffnung eines weiteren Verfahrens hindern würde. Die Freigabe erfolgt doch, um die Masse vor Schaden zu bewahren.

    Wenn der Schuldner nun zahlungsunfähig wird, weil die offenen Forderungen nur schleppend reinkommen, haben wir, wenn der 2. Verwalter die Forderungen einzieht, Masse.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • da stimme ich LFdC zu.
    Der "neue" 35 ist eh ein gesetzgeberisch gewollter Unfall.
    Alles was diese Vorschrift von der Gesetzesbegründung her vorgibt, regeln zu wollen, war durch die Rechtsprechung schon längst abgegessen.
    Der Wirkungskreis der Vorschrift beschränkt sich letztlich nur noch auf 2 Situationen:
    1. Situation: der Verwalter hat Angst oder keine Lust den aktiv Selbständigen zu restrukurieren
    2. der uneinsichtige Selbständigen

    Fallgruppe 2 war schon längst durch die Rechtsprechung gelaufen
    Fallgruppe 1 beweist eine gewisse Tragik. (ich erspare mir, das weiter zu kommentieren...)

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau




  • wenn wunderts ?
    dies liegt sicherlich auch darin begründet, dass man glaubt, der Verwalter wird es schon immer richten, ohne zu berücksichtigen, dass die Mittel, die der IV zur Verfügung hat, i.d.R. schlechter sind, als die des Schuldners. Der IV hat mit dem gleichen Kundenstamm, den gleichen Lieferanten, den gleichen MA zu tun, mit dem Malus der Insolvenz auf der Stirn. Die fähigen MA haben das Desaster kommen sehen und haben sich anderweitig orientieren. Der Schuldner selbst hat in der Regel Schwierigkeiten, sich mit der Änderung auf der Kommandobrücke abzufinden, so dass die Motivation sich in Grenzen halten wird. Dies sicher auch, weil er ja auch nicht mehr über die Mittel verfügt, die er für einen, sich selbst als angemessenen Lebensstil betrachtend, verfügen kann.

    Es geht hier in der Regel um die Verwaltung des Notstandes.

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  • Ich meine, wir hatten hier so einen Fall schon mal und das 2. Verfahren ist eröffnet worden, obwohl das 1. Verfahren noch lief ... ich kriege aber die Begründung im Moment aus dem Kopf nicht mehr zusammen und müsste mir mal die Akten 'rauszuppeln - das schaffe ich aber heute nicht mehr, sondern muss die werte Insolvenzgemeinde auf Freitag vertrösten :) (wenn's dann noch interessiert - nichts ist langweiliger als eine Frage von vorgestern ;))

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • wenn wunderts ?
    dies liegt sicherlich auch darin begründet, dass man glaubt, der Verwalter wird es schon immer richten, ohne zu berücksichtigen, dass die Mittel, die der IV zur Verfügung hat, i.d.R. schlechter sind, als die des Schuldners. Der IV hat mit dem gleichen Kundenstamm, den gleichen Lieferanten, den gleichen MA zu tun, mit dem Malus der Insolvenz auf der Stirn. Die fähigen MA haben das Desaster kommen sehen und haben sich anderweitig orientieren. Der Schuldner selbst hat in der Regel Schwierigkeiten, sich mit der Änderung auf der Kommandobrücke abzufinden, so dass die Motivation sich in Grenzen halten wird. Dies sicher auch, weil er ja auch nicht mehr über die Mittel verfügt, die er für einen, sich selbst als angemessenen Lebensstil betrachtend, verfügen kann.

    Es geht hier in der Regel um die Verwaltung des Notstandes.[/QUOTE]

    Na dafür hätte es der Freigabevorschrift aber nicht bedurft. Da wird geschlossen und gut ist.
    Inwiewiet aber die MA in solcen Fällen (ich geh mal davon aus, Du meinst Mergers & Acyuistions) da noch eine Rolle spielt, ist mir ein wenig unerfindlich.

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  • Defaitist, die Vorschrift wurde geschaffen, weil der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb schließt und der unvernünftige Schuldner sich gleich wieder selbständig macht. Das kann der beste Insolvenzverwalter nämlich nicht verhindern.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."



  • Na dafür hätte es der Freigabevorschrift aber nicht bedurft. Da wird geschlossen und gut ist.
    Inwiewiet aber die MA in solcen Fällen (ich geh mal davon aus, Du meinst Mergers & Acyuistions) da noch eine Rolle spielt, ist mir ein wenig unerfindlich.



    Du vergisst, woher die Regelung kommt, die Gesetzesbegründung mal außen vor, die ist für die Tonne, bzw. für die, denen die Problematik nicht klar gewesen ist. Ohne den 35,II wäre ja die Einkünfte in die Masse gefallen, die Zwangskontrahierer, FA und KK hätten aber eine Neuforderungen, die ins Leere gelaufen ist. Somit hat man jetzt Haftungsmasse bzw. Potential geschaffen.


    MA = Mitarbeiter

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • vielleicht bin ich wg. der Änderung des § 35 etwas emotional unterwegs (was nicht professionell ist, kein Thema).
    Gegs hat völlig recht, was mit dem uneinsichtigen Weiterbastler ist. Da hätte man nach altem Recht - einmal übertrieben - wöchentlich eine Gläubigerversammlung stattfinden lassen, um über den nacherwerblichen Geschäftsbetrieb entscheiden zu müssen.
    Oki, dieses Prob haben wir aber ohne den geänderten 35 hinbekommen !
    LFdC hat insoweit Recht, dass dann der Schuldner komplett für die Neuverbindlichkeiten in Anspruch genommen werden kann (war aber vorher auch so !). Die Beantragung einer Folgeinsolvenz durch Gläubiger hat der BGH jedoch zum Glück eingeschränkt auf der Ebene des Rechtschutzbedürfnisses.

    @ LFdC: MA hab ich nicht geblickt, sorry !

    nur bleibe ich dabei: die Änderung des § 35 ist völlig verunglückt.
    Die Insaolvenzgerichte haben andere Mechanismen gefunden; bis zum BFH rauf war der Verwalter auch aus der Schusslinie.
    Wenn ich dann, so wie heute, eine Anruf bekomme: der Klient ist im RSB-Verahren; hat sich aber mit seiner Selbständigkeit verhoben.... na wofür machen wir denn bei den 0- Verfahren den ganzen kram.....
    Nur geht der Trend wohl dahin: schriftliches Verfahren auch bei aktiv Selbständigen - Freigabe (egal wie desaströs dies für den Schuldner ist)...
    Hab auch noch erfahren, dass z.T. Arztpraxen feigegeben werden und auch noch im schriftlichen Verahren... (nicht bei uns; außer in den Fällen, bei null - Aussicht auf ein vernünftiges Verhalen des Schuldners).
    Oki, denke, wir müssen uns nicht über den 35 streiten unter den Vernünftigen...

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  • Also wenn ich von Selbständigen gefragt werde, ob sie ihr Unternehmen nach Eröffnung weiterführen dürfen, dann sage ich denen, dass ich das nicht entscheiden kann, weil diese Entscheidung dem Insolvenzverwalter nicht zusteht und ich mich da auch gar nicht einmischen kann/will. Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, dass nach Eröffnung alle Verbindlichkeiten Neuforderungen sind, die erstens bezahlt werden müssen und die zweitens der Restschuldbefreiung nicht unterliegen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • ....
    Hab auch noch erfahren, dass z.T. Arztpraxen feigegeben werden und auch noch im schriftlichen Verahren... (nicht bei uns; außer in den Fällen, bei null - Aussicht auf ein vernünftiges Verhalen des Schuldners).
    Oki, denke, wir müssen uns nicht über den 35 streiten unter den Vernünftigen...




    CAVE mit den Arztpraxen, da muss man jeden Einzelfall genau prüfen:

    1. Der Arzt, dessen Praxis super läuft, der aber nach dem Prinzip: "Wir sparen Steuern, koste es was es wolle", Immobilien auf Pump angelacht hat, die er nicht mehr stemmen kann, da kann man sicher über eine Positiverklärung nachdenken, sofern man sich mit dem Arzt einig ist. Ansonsten hat der nämlich ganz schnell keine Lust mehr und die Masse hängt auf den Auslaufverbindlichkeiten.

    2. Die Praxis, die nichts abwirft, entweder wegen der Bugetierung oder wegen der laufenden Kosten, weil entweder personal- und/oder maschinenintensiv. Bei maschinenintensiven Praxen sind die Gerätschaften idR auch noch sicherungsübereignet. Ein schönes Spannungfeld, wenn der Verwalter die Positiverklärung abgibt, andererseits jedoch nach Abhaltung der ersten Gläubigerversammlung, bei der keine Anträge gestellt werden, eigentlich zur baldigen Verwertung gehalten ist.

    3. Ein Arzt ohne "Vermögen" bzw. Betriebsausstattung. Dann wäre zu hinterfragen, ob das "Einkommen" i.S.d. § 196 InsO generalisiert zu bewerten ist.

    Wie @def schon gesagt hat, die Regelung des § 35 nF ist Käse und auch nicht praktikabel. Insbesondere wenn das Verfahren mal zu beenden ist. Eine herrliche Abgrenzungsproblematik bezgl. der Masseverbindlichkeiten. Auch unter dem Gesichtspunkt der bekannten BGH-Entscheidung zur Erteilung der RSB bei noch laufendem Verfahren. Wem stehen den die Einkünfte nach 6 Jahren endgültig zu, wenn dem Schuldner nach 6 1/2 Jahren die RSB erteilt wird ?

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  • @ Gegs; LFdC
    wir sind uns einig.
    Wenn die Eigenantragstellung persönlich vorgenommen wird, erörtere ich dies schon bei der Antragstellung. Sonst dient der Berichtstermin dazu.
    @ all
    sorry, dass ich den thread vom Ausgangsthema - etwas- abgebracht hab.

    Wie sieht es denn eigentlich aus, mit neuer Eigenantragsstellung (inclusive RSB) bei noch laufender Rest-WVP ?
    Müsste ja der alte RSB-Antrag zurückgenommen werden (logo). Stundung dürfte es für das neue Verfahren ja nicht geben, auch klar. Sperrfrist-Rspr. des BGH oder komplett weg vom Fenster ?

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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  • da wird man wohl den Antrag auf RSB im ersten Verfahren zurücknehmen müssen, da der Schuldner sowohl im ersten als auch im zweiten Verfahren, soweit dort die Negativerklärung abgegeben worden ist, die jeweiligen Massen nach § 295, II InsO freihalten müssen. Das wird der Schuldner nicht stemmen können.

    Ginge auch noch das zweite Verfahren in die WVP bevor das erste beendet ist, hätte der Schuldner zudem das Problem, dass er den Gläubigern im Erstverfahren einen Sondervorteil schafft, auch kritisch.

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