Worauf lasse ich mich tatsächlich ein?

  • Einen schönen guten Abend!

    Ich bin eigentlich gelernte Kauffrau im Einzelhandel, kann diesen Beruf aber nicht mehr ausüben und mache deshalb zurzeit eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten.
    Während dieser habe ich einerseits festgestellt, dass mir die Rechtsfächer (Verwaltungsrecht, Recht der Gefahrenabwehr, BGB, Staatsrecht usw. usf.) sehr viel Spaß machen und liegen und andererseits, dass ich doch noch etwas „höher hinaus“ möchte.
    Nach intensiver Recherche bin ich nun auf den Beruf des Rechtspflegers gestoßen, welcher mich sehr anspricht.
    Trotz nunmehr tagelangem Informationen sammeln und Lesen dieses Forums stellen sich mir einige Fragen, wie denn der tatsächliche Alltag eines Rechtspflegers aussieht.

    Mir ist bewusst, dass diesbezüglich schon sehr viele Threads existieren, diese beantworten meine Fragen jedoch nicht abschließend. Deshalb werde ich sie hier einfach mal stellen in der Hoffnung, dass sich viele die Mühe machen, sie mir zu beantworten.

    Ich werde meine jetzige Ausbildung mit voraussichtlich sehr guten Ergebnissen abschließen (Durchschnitt 1,0 - 1,2), ohne dass ich hierfür viel tun musste. Kann ich also davon ausgehen, dass ich das Rechtspflegerstudium (natürlich mit einem wesentlich größeren Lernaufwand) schaffen werde? Sprich, WIE anspruchsvoll ist die Ausbildung? Beim Lesen der Threads in diesem Forum (und z. B. der Studienpläne Theorie http://www.hwr-berlin.de/fileadmin/down…pfl_theorie.pdf und Praxis http://www.hwr-berlin.de/fileadmin/down…rpfl_praxis.pdf) wird mir nämlich schon ein bisschen Angst und Bange vor den Anforderungen…
    Vielleicht kann mir diese Frage ja sogar jemand beantworten, der sein Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin absolviert hat, denn dort würde auch ich mein Studium durchführen.

    Wie wahrscheinlich ist es, das ausbildungsbegleitende Fachpraktikum an einem Gericht in der Nähe des Wohnortes durchführen zu können?

    Wie sieht es dann im Arbeitsleben aus? Ich lese hier sehr häufig von Publikumsverkehr und Verhandlungen. Ist es also tatsächlich so, dass ich permanent mit Bürgern zu tun habe, die fuchsteufelswild ins Gericht kommen und von mir irgendwelche Lösungen erwarten? Wie hoch ist insgesamt das Konfliktpotential? Wie häufig muss ich Verhandlungen führen und wie laufen diese ab?
    [Zur Erklärung: Habe lange Jahre an Arbeitsplätzen gearbeitet, die geprägt waren von Verärgerung seitens des Kunden und Hilflosigkeit meinerseits, da ich in meiner Position nur beschwichtigen, aber nichts lösen konnte bzw. durfte.
    Da ich unter solchen Voraussetzungen auf gar keinen Fall mehr arbeiten möchte (Prellbock zwischen Kunde und Unternehmen ohne Entscheidungs- oder Handlungsmöglichkeiten), ist es für mich sehr wichtig, dass mein Alltag dann nicht durch so etwas geprägt ist. Das wäre für mich bzw. den Beruf des Rechtspflegers ein k.o.-Kriterium.]

    Dann habe ich in einem Thread hier gelesen, dass man sich den Tagesablauf ungefähr so vorstellen muss, dass man morgens um halb acht ins Büro kommt, Akten bearbeitet, zwischendurch kurz zur Service-Einheit, um neue Akten zu holen, wieder Akten bearbeitet, Mittagessen, Aktenbearbeitung, vielleicht nochmal zur Service-Einheit, Akten, Feierabend.
    Ist das wirklich so? Oder gestaltet sich der Alltag doch abwechslungsreicher?

    Wie häufig wird man innerhalb des Gerichts versetzt? Habe hier schon oft gelesen, dass manche quasi vierteljährlich den Bereich wechseln. Empfinden diejenigen das als gut oder als schlecht? Wie geht es denen, die seit Jahren den selben Arbeitsplatz besetzen? Ist das langweilig oder besser, da man dadurch eingearbeitet und dementsprechend routiniert ist?
    Habe ich dabei ein Mitspracherecht oder bin ich meinem Dienstherrn dann „auf Gedeih und Verderb“ ausgeliefert? Die gleiche Frage stellt sich mir im Zusammenhang mit Versetzungen innerhalb des Bundeslandes.

    Wie universell einsetzbar ist das im Studium erlangte Wissen? Da die Länder Berlin und Brandenburg keine Übernahmegarantie nach dem Studium geben, ist es ja durchaus möglich, dass ich mich danach nach etwas anderem umschauen muss. Habe ich dann mit dieser Ausbildung überhaupt reelle Chancen, auf dem freien Arbeitsmarkt oder in anderen Behörden etwas zu finden? Wenn ja, welche beruflichen Alternativen kämen da in Frage?

    So. Das solls erst mal gewesen sein. Tut mir leid, dass es so viel Text geworden ist, aber ich mache mir wirklich viele, viele Gedanken, da ich auch nicht mehr die allerjüngste bin und diese Ausbildung dann die hoffentlich letzte und richtige wäre...

    Vielen lieben Dank im voraus für Eure/Ihre Antworten!

    MfG Justinia

  • Hi, werde bestimmt nicht zu allen Fragen antworten können.
    Aber zunächst eine Gegenfrage: im Bereich der Kommunen war der Aufstieg stets durchlässiger als bei der Justiz. Die Beförderungsmöglichkeiten exorbitant. Ob das heute noch so ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Vor einigen Jahren ist eine Kollegin gewechselt, die war nach drei Monaten schon befördert, ich hab noch gut 2 Jahre warten dürfen.
    Nun, in der Rechtspflegerei kann man schon mal auf Pensen landen, die Publikumsintensiv sind. Jedoch bereitet die Ausbildung da auch einigermaßen drauf vor. Allerdings ist dies auch eine Sache der Neigung. Wenn man Glück hat, wird man auch nach Neigung eingesetzt (Kollegin und ich wurden an ein kleines Amtsgericht überwiesen; sie wollte Kostenfestsetzung und bloß kein Publikum, ich wollte Rechtsantragstelle und bloß keine Kostenfestsetzung; der Geschäftsleiter war so klug und auch in der Lage, uns entsprechend den Neigungen einzusetzen).
    Äh, das mit dem Tagesablauf... bei so einem Gericht bin ich nicht, wo man noch Nacholbedarf an Akten hat. Ich krieg morgens diverse Kubikmeter an Akten reingefahren und kann froh sein, wenn ich davon 2/3 wieder aus dem Zimmer krieg. Rechtlich problematische Sachen dürfen dann in der Freizeit erledigt werden, oder garnicht.
    Was den Einsatz nach der Ausbildung betrifft: Sachgebiet ist bedarfsabhängig; Einsatzort ist bezirgsabhängig. Wenn Du alles mit sehr gut machst, wirst Du nie forensisch arbeiten müssen, Du gehst in die Verwaltung (OLG oder so). Verfestigungszeiträume bei Beurteilungen brauchst Du dann auch nicht befürchten....
    Rechtspfleger waren immer gerne gesehen bei Banken, weil sie im Versteigerungsrecht was gelernt haben. OB dem heute noch so ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Halli hallo... Alsoooooo eins vorneweg. Habe vorher eine ähnliche Ausbildung gemacht wie du (Fachangstellte für Bürokommunikation bei ner Landesbehörde).. Nach dem Abi die einzige Alternative und natürlich auch etwas unterfordernd, also hab ich auch dementsprechend gut abgeschnitten. Ich würde aber nie mehr den Fehler machen und das Rechtspflege-Studium mit dieser Ausbildung auch nur annähernd vergleichen. Ich dacht auch dass ich das mit links machen würde und ja schon nen kleinen Vorsprung hätte. Pustekuchen! Aber wenn du dich für §§ etc. begeistern kannst und mit nem Gesetz umgehen kannst und bereit bist die drei Jahre des Studiums durchzupowern und zu lernen, kann es durchaus die richtige Entscheidung sein. Du wirst natürlich dann dein eigenes Sprachrohr sein, du darfst dann auch selbst entscheiden bzw. besser gesagt du MUSST! Das ist auch nicht jedermanns Sache. Es sei denn du sitzt in der Verwaltung, dann hast du natürlich wieder einen über dir, der dir Anweisungen gibt und dir sprichwörtlich auf die Finger schaut.
    Also ganz so langweilig ist der Tag des Rechtspflegers nun auch wieder nicht. Man bekommt morgens seine Akten, die man dann bearbeiten kann. Zu den Sprechzeiten kann natürlich je nach Abteilung auch mal Publikum vorbeischauen. Und dann gibt es auch mal Besprechungen mit Kollegen, Pläuschchen bei den Service-Einheiten (mit denen man sich immer gut stellen muss, sonst können die einem den Arbeitsalltag zur Hölle machen), Abteilungsbesprechungen etc. An meinem alten Gericht gab es auch einmal die Woche ein Rechtspfleger-Cafe, wo alle Rpfl. zusammenkamen und dienstliche Sachen besprochen wurden.
    Wenn man in ner Abteilung wie Zwangsversteigerung ist kommen dann natürlich auch noch das Abhalten von Zwangsversteigerungsterminen vor, in der Insolvenzabteilung gibts ebenfalls Sitzungen (Gläubigerversammlungen, Prüfungs-, Schlusstermine etc.). In ner Abteilung wie Familie oder Betreuung kann es sein, dass du mal rausfährst zu den Leuten um sie anzuhören. Also es ist nicht die sture Aktenbearbeiterei, obwohls sicher auch Leute gibt die den ganzen Tag nicht aus dem Büro kommen und sich nur hinter ihren Aktenbergen vergraben.
    Ich hoffe das hilft dir erst mal ein wenig weiter..

    VG



  • Soviel von mir. ;)

  • Zu der Praxisausbildung in Berlin kann ich dir sagen, dass die berliner Anwärter alle innerhalb der berliner Gerichte verteilt werden. Es wird natürlich versucht, alle irgendwie gerecht zu verteilen, aber wenn alle im Umkreis von der FH wohnen, können eben nicht alle zum nächstgelegenen Gericht kommen. Normalerweise werden alle auf die 11 Amtsgerichte verteilt. Es wird auch darauf geachtet, dass man während seiner Praxisausbildung nicht immer nur an einem Gericht ist, sondern auch mal andere kennenlernt.
    Die Anbindung in Berlin ist allerdings sehr gut, wodurch die Fahrzeiten alle machbar sind. Im ungünstigsten Fall ist man mit der S-Bahn so 50-70 Minuten unterwegs, je nachdem wo du eben wohnst ;)

    Zu den Anforderungen: Ja, es ist schon hart, aber stell dir da jetzt keinen unüberwindbaren Berg vor. Es ist kein Zuckerschlecken, vor allem das letzte Jahr nicht, aber mit Motivation und Fleiß geht das schon. Das Studium beginnt erstmal etwas seichter und dann wird nach und nach angezogen. Man gewöhnt sich an die Studienzeiten von 8:30 bis 15:45. Letztendlich musst du dann selbst einschätzen, wieviel Lernaufwand du hineinstecken musst. Das ist ja bei jedem anders. Aber wenn du bisher immer gut bis sehr gut warst, wirst du vermutlich nicht komplett untergehen. Vermutlich musst du dich aber daran gewöhnen, dass es nicht mehr 1er und 2er regnet. Gerade die ersten Klausuren waren bei uns alle eher... erschreckend ;)
    Ansonsten kann ich noch so allgemein sagen, dass Klausuren an der HWR im Block geschrieben werden. Das sind im ersten Studienabschnitt jeweils 6 Klausuren zweimal. Im 2. Abschnitt (Praxis) steht eine Hausarbeit an. Im 3. Abschnitt werden am Ende 9 Klausuren innerhalb von ca. 4 Wochen geschrieben. Und im 4. sind es nochmal 8 innerhalb von 2,5 Wochen - das sind dann auch die Voraussetzungen für das Examen anschließend. Man übt quasi vorher schonmal.
    Die Klausurphasen sind schon furchtbar. Ich sag es wie es ist. Man ist nur am lernen, steht unter Stress und "kloppt eine Klausur nach der nächsten weg". Die Klausuren selber gehen immer 5 Stunden und schlauchen schon. Nicht nur die Lernerei. Auch die Aufregung und allein das Schreiben strengt nach ein paar Klausuren hintereinander ganz schön an. Mir taten danach immer regelmäßig die Handgelenke weh.
    Aber letztendlich ist das alles machbar. Wenn du mit so großen Stressphasen also umgehen kannst, generell belastbar bist und zumindest für die drei Jahre (teils auch im Urlaub, zb der letzte vorm Examen) erstmal bereit bist, durchzupowern, dann geht das.

  • Ich werde meine jetzige Ausbildung mit voraussichtlich sehr guten Ergebnissen abschließen (Durchschnitt 1,0 - 1,2), ohne dass ich hierfür viel tun musste. Kann ich also davon ausgehen, dass ich das Rechtspflegerstudium (natürlich mit einem wesentlich größeren Lernaufwand) schaffen werde? Sprich, WIE anspruchsvoll ist die Ausbildung? Beim Lesen der Threads in diesem Forum (und z. B. der Studienpläne Theorie http://www.hwr-berlin.de/fileadmin/down…pfl_theorie.pdf und Praxis http://www.hwr-berlin.de/fileadmin/down…rpfl_praxis.pdf) wird mir nämlich schon ein bisschen Angst und Bange vor den Anforderungen…
    Vielleicht kann mir diese Frage ja sogar jemand beantworten, der sein Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin absolviert hat, denn dort würde auch ich mein Studium durchführen.


    Wie beim Fußball der Pokal, so hat auch das Rechtspflegerstudium seine eigenen Regeln.
    Es ist so, dass du innerhalb einer kurzen Zeit viel an Wissen erlernst, dir viele Methodiken erarbeiten musst und in der Lage sein musst, um die Ecke zu denken und auch ein gewisses Basiswissen auf Abruf bereitzuhalten.
    Entscheidungsfreudigkeit ist da - auch schon im Studium - definitiv vonnöten. Ich weiß nicht, inwieweit diese Aspekte schon in deiner jetzigen Ausbildung mit reinspielen, aber ein Zuckerschlecken ist das Rpfl-Studium definitiv nicht.

    Spaß an Gesetzen bringt da viel. Ich habe mit einem Komilitonen auch ein paar juristische Begriffe karikiert ("Ausschlagung" und "Auslegung" sind beispielsweise zwei Sachen, die man überwiegend mit Teppichen macht und eine Hypothek ist eine Diskothek in der Unterwelt) und schwierige Sachverhalte gebastelt, weil wir Spaß am Lösen hatten. Liegt allerdings beiweitem nicht jedem.

    Zitat

    Wie sieht es dann im Arbeitsleben aus? Ich lese hier sehr häufig von Publikumsverkehr und Verhandlungen. Ist es also tatsächlich so, dass ich permanent mit Bürgern zu tun habe, die fuchsteufelswild ins Gericht kommen und von mir irgendwelche Lösungen erwarten? Wie hoch ist insgesamt das Konfliktpotential? Wie häufig muss ich Verhandlungen führen und wie laufen diese ab?


    Wie von den Vorrednern schon mitgeteilt: Das kommt ganz auf dein Pensum an.
    Wenn du nur Grundbuch oder Register machst, hast du tatsächlich nur Akten, ab und an einen Anruf von nem Notariat oder einen Notar, der mal persönlich vorbeischaut. Publikumstechnisch, vor allem mit Konfliktpotential, läuft da gar nichts.
    Auf der Rechtsantragstelle (bzw. in Familien- oder Beratungshilfesachen) sieht es da schon ganz anders aus. Du kommst da deutlich häufiger mit dem Schlag von Leuten in Kontakt, die ein Anspruchsdenken haben, das vom Gesetz nicht erfüllt werden kann. Teilt man ihnen das mit, werden sie auch recht emotional oder einfach wütend. Da muss man lernen mit umzugehen, zumal beiweitem nicht alle Rechtssuchenden so sind.
    Wichtig ist, dass du ein dickes Fell hast, außerdem Rückgrat - und auch zu deinen Entscheidungen stehst. Ein Nein ist ein Nein, war ein Nein und bleibt ein Nein, sofern nicht etwas vorgetragen wird, das den Sachverhalt komplett umkrempelt.

    Zitat

    Dann habe ich in einem Thread hier gelesen, dass man sich den Tagesablauf ungefähr so vorstellen muss, dass man morgens um halb acht ins Büro kommt, Akten bearbeitet, zwischendurch kurz zur Service-Einheit, um neue Akten zu holen, wieder Akten bearbeitet, Mittagessen, Aktenbearbeitung, vielleicht nochmal zur Service-Einheit, Akten, Feierabend.
    Ist das wirklich so? Oder gestaltet sich der Alltag doch abwechslungsreicher?

    Schließe mich den Vorschreibern an:
    Als Zwangsversteigerungsrechtspfleger hältst du Termine ab, ebenso in der Insolvenzabteilung. Als Familien- oder Betreuungsrechtspfleger fährt man zu Anhörungen auch mal raus.
    Es hängt davon ab, in welches Aufgabengebiet du eingewiesen wirst bzw. was dir nach Geschäftsverteilungsplan zugeordnet wird.

    Zitat

    Wie häufig wird man innerhalb des Gerichts versetzt? Habe hier schon oft gelesen, dass manche quasi vierteljährlich den Bereich wechseln. Empfinden diejenigen das als gut oder als schlecht? Wie geht es denen, die seit Jahren den selben Arbeitsplatz besetzen? Ist das langweilig oder besser, da man dadurch eingearbeitet und dementsprechend routiniert ist?
    Habe ich dabei ein Mitspracherecht oder bin ich meinem Dienstherrn dann „auf Gedeih und Verderb“ ausgeliefert? Die gleiche Frage stellt sich mir im Zusammenhang mit Versetzungen innerhalb des Bundeslandes.


    Am Gericht selbst habe ich bislang noch von keiner unfreiwilligen Versetzung gehört. Es kann definitiv vorkommen, keine Frage. Gerade bei kleinen Gerichten ist das jedoch (sofern nicht das ganze Personal durcheinandergeworfen werden muss) eher die Ausnahme.
    Ich bearbeite mein jetziges Pensum seit ca. 9 Monaten und bin zufrieden damit. Ich habe den Eindruck, mit einigem (aber beiweitem nicht mit allem) routiniert umzugehen und würde zumindest derzeit nicht unbedingt tauschen wollen. Ist aber auch eine Einstellungssache - manche Menschen sind Gewohnheitstiere, manche lieben einfach die Abwechslung.

    Mit den meisten Geschäftsleitern kann man da auch reden ;)

    Zitat

    Wie universell einsetzbar ist das im Studium erlangte Wissen? Da die Länder Berlin und Brandenburg keine Übernahmegarantie nach dem Studium geben, ist es ja durchaus möglich, dass ich mich danach nach etwas anderem umschauen muss. Habe ich dann mit dieser Ausbildung überhaupt reelle Chancen, auf dem freien Arbeitsmarkt oder in anderen Behörden etwas zu finden? Wenn ja, welche beruflichen Alternativen kämen da in Frage?


    Insbesondere Banken, Notariate, Inso-Verwalter und Anwaltskanzlei würden dich mit Handkuss aufnehmen - jedenfalls hat das eine ehemalige Komilitonin erzählt, die nach dem Studium bei einer Inso-Verwalter-Kanzlei angefangen hat. Wieviel da tatsächlich dran ist, kann ich leider nicht beurteilen.


    Nu haste ja schon einiges an Antworten ;)

  • Hallöle!

    Erst einmal vielen Dank für die ausführlichen Antworten; mit solch einer Resonanz hatte ich nicht gerechnet! :wow

    Hi, werde bestimmt nicht zu allen Fragen antworten können.
    Aber zunächst eine Gegenfrage: im Bereich der Kommunen war der Aufstieg stets durchlässiger als bei der Justiz. Die Beförderungsmöglichkeiten exorbitant. Ob das heute noch so ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Vor einigen Jahren ist eine Kollegin gewechselt, die war nach drei Monaten schon befördert, ich hab noch gut 2 Jahre warten dürfen.[...]

    Ich hoffe, ich habe die Frage richtig verstanden und beantworte sie auch auf die Gefahr hin, dass was ganz anderes gemeint war... :D

    Es geht mir nicht so sehr um die Beförderungsmöglichkeiten, sondern vorrangig darum, einen Beruf auszuüben, der mir einerseits richtig viel Spaß macht und der mich andererseits auch fordert.
    Üblicherweise werden Verwaltungsfachangestellte (im Folgenden "VeFa") für Stellen gesucht, bei denen es entweder um Aufgaben im Finanzbereich (Kämmerei, Lohnbuchhaltung, Zuwendungen usw.), was ich zwar kann (auch dank meiner kaufmännischen Erstausbildung), mir aber überhaupt keinen Spaß macht, oder um einfache bis mittlere Büro-/Sekretariatstätigkeiten geht, bei welchen ich mich auf lange Sicht jedoch unterfordert sehe.
    Weiterhin möchte ich mit meiner Arbeit etwas bewegen und bewirken können, was ich meiner Meinung nach als frisch ausgebildete VeFa nicht unbedingt können werde. Die Stellen, bei denen man als VeFa etwas "reißen" kann, sind oftmals Stellen, die mit E9 oder höher bewertet sind und grundsätzlich einen Fachhochschulabschluss (oder höher) voraussetzen - Stellen im gehobenen Dienst also. Meine Ausbildung ist jedoch auf der Ebene des mittleren Dienstes, sodass ich für die interessanten Stellen (jetzt zumindest noch) nicht in Frage komme.
    Wie ich in meinem ersten Posting schon schrieb, bin ich nicht mehr ganz so jung und habe schon ein halbwegs bewegtes und für mich wenig zufriedenstellendes Berufsleben hinter mir. Deshalb bin ich jetzt bestrebt, schnellstmöglich das Bestmögliche zu erreichen, was als VeFa nicht so einfach möglich ist.

    [...]Was den Einsatz nach der Ausbildung betrifft: Sachgebiet ist bedarfsabhängig; Einsatzort ist bezirgsabhängig.[...]

    Mmh... eventuell ist das jetzt eine ganz blöde Frage, aber was genau ist mit bezirksabhängig gemeint? :oops: :gruebel::oops:

    [...]Ich dacht auch dass ich das mit links machen würde und ja schon nen kleinen Vorsprung hätte. Pustekuchen![...]

    Dass das ganze sicher kein Zuckerschlecken wird, ist mir durchaus bewusst. Habe mir die Studienpläne durchgelesen und das ist ja das, was ich in meiner jetztigen Ausbildung lerne hoch 15. :schock:
    Trotzdem hoffe ich natürlich, dass mir meine Vorkenntnisse, was z. B. Urteils- bzw. Gutachtenstil, Gesetze lesen, Tatbestände erkennen, subsumieren usw. usf. angeht, zumindest den Einstieg in das Studium erleichtern.
    Oder kann ich das dann alles vergessen, weil ich bisher ja immer aus der Sicht einer Behörde(nmitarbeiterin) gehandelt habe und in der Rechtspflegerausbildung dann plötzlich aus Sicht der Rechtsprechung?

    [...]Und dann gibt es auch mal Besprechungen mit Kollegen, Pläuschchen bei den Service-Einheiten (mit denen man sich immer gut stellen muss, sonst können die einem den Arbeitsalltag zur Hölle machen),[...]

    Ich sehe mich selbst als ziemlich teamfähigen Menschen, der mit (fast) allen anderen sehr gut auskommt. Da mache ich mir also wenig Sorgen. :)
    Aber... was genau macht so eine Serviceeinheit eigentlich? Inwieweit ist man als Rechtspfleger von ihr abhängig und was erwartet diese wiederum vom Rechtspfleger?

    [...]Mir haben schon mehrere Volljuristen gesagt, dass sie hohen Respekt vor den Anfordungen ans Studium haben[...]


    Eine ähnliche Aussage haben zwei meiner Dozenten gemacht, die auch beide Jura studiert haben. Eine davon meinte: "Wer den Rechtspfleger schafft, schafft auch das Jurastudium."
    Das hat mich einerseits verunsichert, weil daraus ja hervorgeht, dass die Anforderungen wirklich enorm sein müssen, andererseits hat es meinen Willen, das zu schaffen, verstärkt, weil ich denke, dass diese Ausbildung dann eine wäre, auf die man oder vielmehr ich wirklich stolz sein kann.

    [...]Das kommt erstmal darauf an, ob du überhaupt in dem OLG Bezirk eingestellt wirst, in dem dein Wohnort liegt.[...]

    Also, mein Wohnort zum Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns wäre Strausberg, also im Land Brandenburg. Das einstellende OLG wäre in Brandenburg a. d. Havel.
    Es wäre also durchaus möglich, dass ich dann sowohl im Praktikum als auch im späteren Berufsleben irgendwo im Land Brandenburg an ein Gericht käme?

    [...]Das sind im ersten Studienabschnitt jeweils 6 Klausuren zweimal. Im 2. Abschnitt (Praxis) steht eine Hausarbeit an. Im 3. Abschnitt werden am Ende 9 Klausuren innerhalb von ca. 4 Wochen geschrieben. Und im 4. sind es nochmal 8 innerhalb von 2,5 Wochen[...]

    Gibt es auch so etwas wie Referate?
    Wie gestaltet sich der Unterricht an der HWR? Wie groß sind die Klassen und wie ist die gesamte Atmosphäre?

    Nu haste ja schon einiges an Antworten ;)

    Ja, und zwar viel mehr und informativere als ich erwartet hatte!

    Möchte mich nochmals ausdrücklich bei allen Antwortern bedanken... obwohl sich aus den Antworten zwar wieder neue Fragen ergeben haben, wächst mein inneres Gefühl, dass dieser Beruf wirklich endlich der Richtige sein könnte!

    Allen einen schönen Abend!

    Die auf weitere Antworten hoffende Justinia! :)

  • Mmh... eventuell ist das jetzt eine ganz blöde Frage, aber was genau ist mit bezirksabhängig gemeint?


    Du wirst über ein OLG eingestellt. Sofern Du nach dem Vorbereitungsdienst nicht direkt dort anfängst (kommt selten vor), landest Du zunächst bei einem Amts- oder Landgericht innerhalb des OLG-Bezirks. Mit Wechseln (Versetzungen oder Abordnungen) innerhalb eines LG-Bezirks musst Du im Laufe Deines Berufslebens rechnen. Über den LG-Bezirk hinaus ist seltener, kommt aber vor. Für einen OLG-Wechsel braucht man gewöhnlich einen Tauschpartner (Es gibt auch Ausnahmen, wenn das Ministerium findet, ein OLG habe zu viele Rechtspfleger).

  • Trotzdem hoffe ich natürlich, dass mir meine Vorkenntnisse, was z. B. Urteils- bzw. Gutachtenstil, Gesetze lesen, Tatbestände erkennen, subsumieren usw. usf. angeht, zumindest den Einstieg in das Studium erleichtern.
    Oder kann ich das dann alles vergessen, weil ich bisher ja immer aus der Sicht einer Behörde(nmitarbeiterin) gehandelt habe und in der Rechtspflegerausbildung dann plötzlich aus Sicht der Rechtsprechung?


    Ich weiß nicht, ob sich die "Behördengutachten" von den Ausbildungsgutachten unterscheiden.
    Fakt ist: Du bekommst einen Sachverhalt vorgelegt und musst ihn juristisch einschätzen. Im BGB prüfst du, ob ein Anspruch begründet ist, eine Bürgschaft wirksam entstanden ist, eine Briefhypothek wirksam abgetreten wurde pp., während du im Grundbuchrecht und Registerrecht die einzelnen Eintragungsvoraussetzungen abhandeln musst.
    Es ist aber auf jeden Fall ein Vorteil, wenn du mit dem Gutachtenstil vertraut bist und subsumieren kannst!

    Aber... was genau macht so eine Serviceeinheit eigentlich? Inwieweit ist man als Rechtspfleger von ihr abhängig und was erwartet diese wiederum vom Rechtspfleger?


    Wie sagte meine Kollegin neulich?
    "Die Serviceeinheit sind Rechtspfleger, Richter und Geschäftsstelle/Kanzlei" - von daher bezieh ich mich nur auf die Geschäftsstelle/Kanzlei ;)
    Die sind quasi deine "rechte Hand". Sie legen dir Akten vor, führen die Schriftsätze aus, die du verfügst, notieren die Fristen, führen also die Akten im Prinzip.
    Wenn man eine funktionierende Geschäftsstelle hat und sich mit ihr gut versteht, fällt ihr auch auf, wenn du gravierende Fehler machen solltest oder hält Rücksprache, wenn ihr was spanisch vorkommt.
    Ohne ein Miteinander kommt man dann nicht weiter, denn so sehr wie die Geschäftsstelle dir helfen kann, kann sie dich auch auflaufen lassen. Dann werden Fristen viel zu spät gezogen oder offensichtlich falsche Schriftsätze (Kostenfestsetzungsbeschluss über 0,00 €) ohne vorheriges Nachfragen rausgeschickt...

    Die gegenseitige Erwartungshaltung kann man wohl am besten so beschreiben:

    Erwartungen des Rechtspflegers: Rechtzeitig Fristen ziehen, Schreibaufträge zügig ausführen, Akten vorlegen, eigenständige Tätigkeit der Geschäftsstelle

    Erwartungen der Geschäftsstelle: Auch mal unterstützend tätig werden bei Problemen, für die der Rpfl nicht zuständig ist; Arbeitsaufwand nach Möglichkeit gering halten (EDV-Programme nutzen)

    Ich verstehe mich mit meinen Geschäftsstellen sehr gut und es läuft alles reibungslos :)

  • Du schreibst, dass du bereits ein bewegtes Ausbildung/Berufsleben hinter dir hast. Frag als erstes nach, bis zu welchem Alter du dann überhaupt noch genommen wirst. Die Einstellungsgrenze ist da länderspezifisch wohl unterschiedlich.

    Wenn du über Brandenburg eingestellt werden solltest (z.Zt. wird fast gar nicht ausgebildet :(), dann würdest du die theoretische Ausbildung in Berlin machen, die praktische an Gerichten in Brb.
    Bereits da kann es vorkommen, dass du mehr oder weniger durchs Land reist. Als fertiger Rpfl kann es dann sein, dass du im Heimatgebiet bleibst, muss aber nicht sein.

    Bewirbst du dich direkt in Berlin und wirst dort genommen, bleibst du in Berlin.

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