Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1. Es bleibt dahingestellt, ob Gesellschafter Alt- oder Neugläubiger sind, wenn sie Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder wegen verspäteter Insolvenzantragstellung geltend machen wegen Einzahlungen nach Insolvenzreife.

    2. Auch als Neugläubiger können sie keine Ansprüche geltend machen, wenn bei einer Publikumsgesellschaft die Zahlungen eigenkapitalähnlichen Charakter hatten.

    AG Göttingen, Urt. v. 15. 9. 2010 - 21 C 21/10

  • 1. Der Ausschluss von Erziehungsurlaubszeiten von der Anwartschaftssteigerung stellt weder nach primärem europäischem Gemeinschaftsrecht noch nach deutschem Verfassungsrecht eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar.

    2. Ein Anspruch auf Berücksichtigung von Erziehungsurlaubszeiten bei der Anwartschaftsberechnung folgt auch nicht aus sekundärem europäischem Gemeinschaftsrecht oder einfachem nationalen Gesetzesrecht.

    BAG, Urt. v. 20. 4. 2010 - 3 AZR 370/08

  • 1. Das Revisionsgericht hat das tatsächliche Vorbringen einer Partei in erster Linie dem Tatbestand des Berufungsurteils zu entnehmen. Die Beweiskraft des Tatbestands und seine Bindungswirkung für das Revisionsgericht entfallen jedoch, wenn die Feststellungen unklar, lückenhaft oder widersprüchlich sind. Solche Mängel sind auch ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen.

    2. Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist für den Arbeitnehmer nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein.

    BAG, Urt. v. 13. 4. 2010 - 9 AZR 113/09

  • 1. Wird ein Arbeitnehmer über einen Betriebsübergang informiert, der entgegen der tatsächlichen Sachlage in der Vergangenheit stattgefunden haben soll, und erklärt er sein Einverständnis mit einem solchen Betriebsübergang, so geht diese Erklärung ins Leere. Sie stellt hinsichtlich eines später und anders stattgefundenen Betriebsübergangs weder einen Verzicht des Arbeitnehmers auf sein Widerspruchsrecht noch ein für die Verwirkung desselben bedeutsames Umstandsmoment dar.

    2. Dagegen stellt die Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses - im Zusammenwirken mit dem Zeitmoment - einen verwirkungsrelevanten Umstand dar. Dies gilt um so mehr, wenn zugleich ein neues Arbeitsverhältnis mit einer Drittfirma begründet und von der Betriebserwerberin eine Abfindung gezahlt wird, die den gesamten Bestand des Arbeitsverhältnisses, auch die Zeit beim Betriebsveräußerer berücksichtigt. Derartige Umstände begründen regelmäßig das Vertrauen darauf, der Arbeitnehmer werde ein etwa bestehendes Widerspruchsrecht gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin nicht mehr ausüben.

    BAG, Urt. v. 18. 3. 2010 - 8 AZR 840/08

  • 1. Für Betriebe verschiedener Rechtsträger kann kein gemeinsamer Gesamtbetriebsrat errichtet werden. Dies gilt prinzipiell auch für Gemeinschaftsbetriebe mehrerer Unternehmen.

    2. Eine Unternehmens- oder Betriebsführungsgesellschaft kann nur dann Anknüpfungspunkt für die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats sein, wenn die beteiligten Einzelunternehmen ihre Betriebe in der Weise in die Führungsgesellschaft eingebracht haben, dass diese alleinige Arbeitgeberin der Arbeitnehmer ist.

    3. Ein unter Verstoß gegen die zwingenden Organisationsvorgaben des BetrVG errichteter Gesamtbetriebsrat ist rechtlich nicht existent. Sein Handeln ist unbeachtlich; mit ihm geschlossene Betriebsvereinbarungen und Sozialpläne sind unwirksam.

    BAG, Urt. v. 17. 3. 2010 - 7 AZR 706/08

  • 1. Auch in einem in Folge Bezugs einer Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit ruhenden Arbeitsverhältnis entsteht Jahr für Jahr der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch.

    2. Dieser Urlaubsanspruch verfällt nicht mit dem Ende des Übertragungszeitraums des § 7 Abs. 3 BUrlG.

    3. Einem Abgeltungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden weiterhin wegen Erwerbsunfähigkeit nicht zur Arbeitsleistung in der Lage wäre.

    LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 29. 4. 2010 - 11 Sa 64/09

  • Entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG, Urt. v. 22.11.2005 - 1 AZR 407/04, NZA 2006, 736 = LNR 2005, 32784) ist bei der Anrechnung anderweitigen Verdienstes keine Berechnung über die gesamte Dauer des Annahmeverzugs durchzuführen, sondern eine solche nach Zeitabschnitten.

    LAG Düsseldorf, Urt. v. 6.5.2010 - 13 Sa 70/10

  • Der Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand einer Aktiengesellschaft wegen Insolvenzverschleppung ist auf Ersatz des Vertrauens-, nicht des Erfüllungsschadens gerichtet (BGH 20.10.2008 - II ZR 211/07, DB 2009, 388 = ZInsO 2009, 329 ). Deshalb kommt ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz der nicht gezahlten Nettovergütung nicht in Betracht. Auch der Anspruch aus § 628 Abs. 2 BGB ist auf das Erfüllungsinteresse gerichtet.

    LAG Hessen, Urt. v. 10. 5. 2010 - 16 Sa 1581/09

  • Bei der betrieblichen Sonderzahlung nach dem Tarifvertrag zur Absicherung eines 13. Monatseinkommens der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 12.12.1996 (TR 5/10-300a 101) handelt es sich um eine stichtagbezogene Einmalzahlung und kein aufgespartes Arbeitsentgelt für einzelne Abrechnungsperioden. Dies führt zur Qualifizierung als Masseverbindlichkeit gem. § 56 Abs. 1 Nr. 2 InsO, soweit der Stichtag (Auszahlungstag) nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung liegt.

    LAG Nürnberg, Urt. v. 3. 2. 2010 - 4 Sa 367/09

  • 1. Aus einer einzelvertraglichen Vereinbarung, die bezüglich Urlaub nur regelt, dass der Vertragspartner einen Urlaub von 30 Arbeitstagen jährlich erhält, ergibt sich keine Differenzierung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Mehrurlaub.


    2. Enthält eine arbeitsvertragliche Urlaubsregelung keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien den vertraglichen Mehrurlaub vom gesetzlichen Mindesturlaub abkoppeln wollten, verfällt auch der übergesetzliche Mehrurlaub nicht bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit am 31.3. des Folgejahres.

    LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17. 2. 2010 - 3 Sa 410/09

  • Die Gesellschafter können von dem Konkursverwalter über das Vermögen einer Per-sonenhandelsgesellschaft die Vorlage steuerlicher Jahresabschlüsse für die Kon-kursmasse verlangen. Entstehen der Konkursmasse dadurch Kosten, die sie allein in fremdem Interesse aufwenden muss, kann der Konkursverwalter hierfür Ersatz und einen entsprechenden Auslagenvorschuss fordern.
    BGB § 199 Abs. 1 Nr. 1
    Die Verjährung eines Anspruchs, dessen Erfüllung dem Schuldner vorübergehend unmöglich ist, beginnt erst mit dem Wegfall des Hindernisses.

    BGH, Urteil vom 16. September 2010 - IX ZR 121/09 -


  • mittels Lastschrift bewirkte Zahlung wird wirksam genehmigt, wenn der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter eine nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen a.F. fingierte Genehmigung des Schuldners entweder nach Ablauf der dort bestimmten Sechs-Wochen-Frist genehmigt oder ihr vor dem Ablauf der Frist zustimmt. Eine solche Erklärung ist gegenüber dem Schuldner oder der Schuldnerbank (Zahlstelle), nicht aber gegenüber dem Zahlungsempfänger abzugeben.
    b) Eine von dem Schuldner im Lastschriftweg veranlasste Zahlung gilt als genehmigt, wenn ihr der danach bestellte, mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter bis zum Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen a.F. nicht widerspricht (Aufgabe von BGHZ 174, 84, 92 ff, Rn. 21 ff im Anschluss an BGHZ 177, 69, 81 ff Rn. 30 ff).

    BGH, Urteil vom 30. September 2010 - IX ZR 178/09 -

  • Weist das Insolvenzgericht nicht in verständlicher Weise darauf hin, welche unvollständigen Erklärungen und Unterlagen zu ergänzen sind, so kommt dies einer Erteilung unerfüllbarer gerichtlicher Auflagen gleich. In diesem Fall ist die sofortige Beschwerde gegen die Mitteilung der Rücknahmefiktion gem. § INSO § 305 INSO § 305 Absatz III 2 InsO analog § INSO § 34 INSO § 34 Absatz I InsO statthaft.

    LG Bonn, Urteil vom 8. 9. 2010 - 6 T 218/10

  • 1. Zur Löschung einer Zwangshypothek auf Grund Unrichtigkeitsnachweises, die unter den Voraussetzungen des § INSO § 88 InsO erlangt worden sein soll.

    2. Beantragt der Insolvenzverwalter die Löschung einer eingetragenen Zwangshypothek, hat er mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Mitteln zu beweisen, dass die Sicherung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt wurde.

    OLG München, Beschluss vom 25. 8. 2010 - 34 Wx 68/10

  • Für den hinsichtlich der Gebührenberechnung nach § GKG § 58 GKG § 58 Absatz I GKG relevanten Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens ist bei einer Betriebsfortführung auf den Wert des Geschäfts abzustellen und nicht lediglich auf den nach Abzug der Geschäftsausgaben verbleibenden Einnahmeüberschuss.

    OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. 7. 2010 - 10 W 60/10

  • 1. Ein ordnungsgemäßer Insolvenzantrag hat die ladungsfähige Anschrift und richtige Bezeichnung des Schuldners zu enthalten.

    2. Die Anschrift ist nur dann nicht anzugeben, wenn der Aufenthalt des Schuldners allgemein unbekannt ist, was gegebenenfalls mittels Unauffindbarkeitsbescheinigung glaubhaft zu machen ist.


    LG Hamburg, Beschluss vom 8. 7. 2010 - 326 T 50/10

  • Eine allein durch die Ausnutzung besonderer Marktstärke bewirkte Zustimmung des vorläufigen Verwalters führt unter den Gesichtspunkten von Treu und Glauben nicht dazu, die Anfechtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auszuschließen. Entsprechende Tatsachen muss jedoch der Insolvenzverwalter darlegen und beweisen.

    OLG Koblenz, Urteil vom 2. 7. 2010 - 10 U 1371/09 (LG Koblenz)

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