Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • OLG München: Schlussurteil vom 05.10.2010 - 5 U 4438/09

    1. Zur Phoenix-Insolvenz; hier: zur Anfechtbarkeit der von der Schuldnerin an den Handelsvertreter bezahlten Bestandsprovisionen.

    2. Der Handelsvertreter, der gemäß vertraglicher Vereinbarung der Schuldnerin Kunden zugeführt hat, hat gegen diese auch dann einen rechtswirksamen Provisionsanspruch, wenn das von der Schuldnerin betriebene Anlagemodell - vom Kunden und dem Handelsvertreter unerkannt - wegen Betreibens eines "Schneeballsystems" sittenwidrig ist und ein wirksamer Anlagevertrag daher nicht zustande gekommen ist.

    3. Die Handelsvertreterprovision stellt, auch soweit es sich dabei nicht um die Abschlussprovision, sondern um die Bestandsprovision handelt, eine entgeltliche Leistung für die vom Handelsvertreter erbrachte Gegenleistung der Kundenwerbung und Kundenpflege dar.

    4. Gemäß § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO i. V. m. § 818 Abs. 3 BGB ist der Handelsvertreter zur Herausgabe der rechtsgrundlos erlangten Provisionszahlung oder zum entsprechenden Wertersatz, § 818 Abs. 2 BGB, nicht verpflichtet, wenn die Provisionszahlungen die Lebensgrundlage des Handelsvertreters dargestellt haben und die Beträge restlos für die laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht worden sind.

    5. Die für den rechtsgrundlos Bereicherten einer Gehalts- oder Unterhaltszahlung anerkannten Beweiserleichterungen sind auch auf die bereicherungsrechtliche Rückforderung der Handelsvertreterprovision anzuwenden.

  • a) Verfügt ein Insolvenzgläubiger zur Sicherung seiner Forderung über eine Gesamtgrundschuld, für die massefremde Grundstücke mithaften und die zugleich auch Forderungen gegen Dritte sichert, so genügt für einen Verzicht auf das Absonderungsrecht, dass er im Umfang der Anmeldung als Insolvenzforderung auf den schuldrechtlichen Sicherungsanspruch aus einer Zweckvereinbarung mit den Sicherungsgebern verzichtet.
    b) Als Verzicht auf das Absonderungsrecht für eine Insolvenzforderung genügt auch sonst jede Erklärung, die verhindert, dass das Absonderungsgut verwertet und die gesicherte Insolvenzforderung trotzdem in voller Höhe bei der Verteilung der Masse berücksichtigt wird. Zu diesem Zweck muss nicht notwendig über das zur abgesonderten Befriedigung berechtigende Grundpfandrecht verfügt werden. Nur wenn dies geschieht, bedarf die Erklärung des Insolvenzgläubigers der grundbuchmäßigen Form.

    BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 61/09 -

  • a) Zur Frage der konkludenten Genehmigung einer Einzugsermächtigungslastschrift (im Anschluss an das Senatsurteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07, WM 2010, 1546, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

    b) Die Tatsache, dass ein Schuldner in Kenntnis einer Belastungsbuchung aus einer Einzugsermächtigung sein Konto über einen Monat weiternutzt, ohne der Abbuchung zu widersprechen, enthält als schlichte Ausübung der Weisungsrechte aus dem Girovertrag für sich keinen zusätzlichen Erklärungswert; die kontoführende Bank kann daraus ohne Hinzutreten weiterer Umstände auch bei einem Ge-schäftskonto nicht die Billigung der Lastschriftbuchung durch den Kontoinhaber entnehmen.

    c) Jedenfalls im unternehmerischen Geschäftsverkehr kann die Tatsache, dass ein Kontoinhaber in Kenntnis erfolgter Abbuchungen durch konkrete Einzahlungen oder Überweisungen zeitnah erst eine ausreichende Kontodeckung für weitere Dispositionen sicherstellt, im Einzelfall für eine konkludente Genehmigung bereits gebuchter Lastschriften sprechen.

    BGH, Urteil vom 23. November 2010 - XI ZR 370/08 -

  • OLG Dresden, Beschluss vom 26.05.2010, Az. 17 W 491/10, Rpfleger 2011, 27:


    1. Ist über das Vermögen des Grundstückseigentümers ein englisches Insolvenzverfahren eröffnet worden, hat das Grundbuchamt, wenn ihm jeweils ein formell ordnungsgemäßes Ersuchen des eingeschalteten deutschen Insolvenzgerichts vorliegt, weder im Zuge der Eintragung noch der späteren Löschung des Insolvenzvermerks zu prüfen, ob die ersuchte Eintragung kollisions- und insolvenzrechtlich richtig ist.


    2. Dementsprechend kann der Insolvenzverwalter, der Löschung und zugrunde liegendes Ersuchen für falsch hält, weil das Insolvenzverfahren in Wahrheit nicht aufgehoben, sondern dem Insolvenzschuldner lediglich Restschuldbefreiung erteilt worden sei und dies keien Auswirkungen auf die Beschränkung der Verfügungsbefugnis habe, nicht die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung erreichen. 

  • BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - IX ZB 63/09 -



    Im Regelinsolvenzverfahren kann die Versagung der Restschuldbefreiung wegen der Verletzung einer Auskunftspflicht unverhältnismäßig sein, wenn der Schuldner die gebotene Auskunft von sich aus nachgeholt hat, bevor der Sachverhalt aufgedeckt und ein hierauf gestützter Versagungsantrag gestellt worden ist.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • LG Saarbrücken: Beschluss vom 05.01.2011 - 5 T 555/10

    1. Die Kostenerstattungsforderung aus einem Kostenfestbeschluss, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzschuldner ergangen ist, stellt jedenfalls dann keine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO dar, wenn auch die Kostengrundentscheidung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens datiert.

    2. Der Widerspruch gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 900 Abs. 4 ZPO) kann nicht darauf gestützt werden, während der Wohlverhaltensphase (§ 287 Abs. 2 InsO) sei die Zwangsvollstreckung aus einem solchen Kostenfestbeschluss durch § 294 Abs. 1 InsO untersagt.

  • LAG Köln: Beschluss vom 09.12.2010 - 1 Ta 341/10

    1. An einen Treuhänder zum Zwecke der Restschuldbefreiung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO abgetretene Bezüge mindern die finanzielle Leistungsfähigkeit, so dass die abgeführten Beträge i. S. v. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO vom Einkommen abziehbar sind, sofern nicht besondere Umstände entgegenstehen.

    2. Notwendige und angemessene krankheitsbedingte Aufwendungen, die nicht von der Krankenkasse getragen werden, stellen i. d. R. eine besondere Belastung dar, die i. S. v. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr.: 4 ZPO zu einer Abzugsfähigkeit führt.

  • OLG München, Beschluss vom 14.09.2010, Az. 34 Wx 72/10:


    Das Wohnungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit fällt, sofern keine Ausübungsgestattung über den Kreis der nach § 1093 Abs.2 BGB berechtigten Personen vorliegt, nicht in die Insolvenzmasse. Demgemäß ist auch der Insolvenzverwalter nicht befugt, über ein zugunsten des Schuldners im Grundbuch eingetragenes Wohnungsrecht zu verfügen.


  • 1. Bestimmungen der Insolvenzordnung über die Erteilung von Auskünften (§§ 97, 101 InsO) sind - ebensowenig wie § 242 BGB - keine "Regelungen in anderen Rechtsvorschriften" im Sinne von § 1 Abs. 3 IFG, die dem Informationsfreiheitsgesetz vorgehen.

    2. Der Ausschluss des Anspruchs auf Informationszugang gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG setzt nachteilige Auswirkungen auf ein laufendes Gerichtsverfahren voraus. Die Erstreckung der Vorschrift in entsprechender Anwendung auf das bevorstehende Gerichtsverfahren scheidet aus.

    BVerwG, Beschl. v. 9. 11. 2010 - 7 B 43.10

  • Ob gegen den aus einer Anregung des Insolvenzverwalters ergangenen Beschluss des Insolvenzgerichts der Rechtsbehelf der Erinnerung des Sonderinsolvenzverwalters statthaft ist, muss das Insolvenzgericht in eigener Zuständigkeit prüfen.

    LG Göttingen, Beschl. v. 8. 11. 2010 - 10 T 90/10

  • Hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzschuldner eine gewerbliche Tätigkeit durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermöglicht, fällt ein durch diese Tätigkeit erworbener Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse und kann vom FA mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden verrechnet werden.

    BFH, Beschl. v. 1. 9. 2010 - VII R 35/08

  • Das wegen Nichtzahlung der in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung nach § 323 BGB ausgeübte Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass zum Zahlungstermin (Ende des Arbeitsverhältnisses) das Insolvenzantragsverfahren eingeleitet ist. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann nicht wirksam seine Zustimmung zur Auszahlung der Abfindung verweigern, nachdem der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag bereits erfüllt hat.

    LAG Düsseldorf, Urt. v. 28. 4. 2010 - 12 Sa 206/10

  • 1. Betriebsratsmitglieder haben auch im Restmandat keinen Anspruch auf Vergütung ihrer Betriebsratstätigkeit. Für die nach der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse zur Erfüllung ihrer Betriebsratsaufgaben geleisteten Freizeitopfer können sie kein Entgelt verlangen. § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG kommt weder unmittelbar noch analog zur Anwendung.

    2. Die Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat endet durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht. § 24 Nr. 3 BetrVG findet auf den Betriebsrat im Restmandat keine Anwendung.

    3. Nach § 21b BetrVG bleibt ein Betriebsrat im Falle der Stilllegung so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungsund Mitbestimmungsrechte erforderlich ist. Das Restmandat ist von den Betriebsratsmitgliedern wahrzunehmen, die zum Zeitpunkt des Untergangs des Betriebs in einem Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber standen. Nach der Begründung des Restmandats endet die Mitgliedschaft nicht mehr durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. § 24 Nr. 3 BetrVG findet im Restmandat selbst dann keine Anwendung, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses keine Folge der Betriebsstilllegung ist.

    4. Nimmt ein Betriebsratsmitglied sein nach § 37 Abs. 1 BetrVG unentgeltliches Ehrenamt nach einer Stilllegung des Betriebs und Beendigung des Arbeitsverhältnisses im restmandatierten Betriebsrat wahr, kommt eine Befreiung von der dem Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsleistung bei Fortzahlung des Entgelts oder ein Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 2, 3 BetrVG nicht mehr in Betracht. Das Betriebsratsmitglied kann in diesem Fall keine Vergütung für das mit der Betriebsratstätigkeit verbundene Freizeitopfer verlangen. Ein anderes Ergebnis widerspräche dem Ehrenamtsprinzip.

    5. Nicht entschieden ist, ob das Mitglied eines restmandatierten Betriebsrats einen Ausgleich für Vermögenseinbußen verlangen kann, die dadurch entstehen, dass es sich von einem neuen Arbeitgeber unbezahlt für Tätigkeiten im restmandatierten Betriebsrat freistellen lässt.

    BAG, Urt. v. 5. 5. 2010 - 7 AZR 728/08

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