Pfändungsschutz für Selbständige

  • Hallo, ich habe eine Frage bezügl. des § 850i ZPO:

    Wie setzt ihr das auf den Vollstreckungsgerichten um, wenn ein Selbständiger Pfändungsschutz (ob mit oder ohne P-Konto) gem. diesem Paragrafen beantragt?

    Wie berechnet Ihr den Pfändungsfreien Betrag? Welche Unterlagen benötigt Ihr hierfür?

    Danke!

  • kann man nicht verallgemeinern, da es sehr auf die Art der Selbständigkeit ankommt.
    Ohne P-Konto kann man eigentlich nur jeden Monat nachträglich einen entsprechenden Betrag festsetzen, der sich an § 850c ZPO orientiert (früher war es nur der Betrag des notwendigen Lebensunterhalts).

    Der Schuldner muss die Nachweise über die Zahlungseingänge (Rechnungen) beibringen und darlegen, dass er nicht anderweitig Gelder (aßerhalb des gepfändeten Kontos) bezogen hat.

    Wenn er ein P-Konto hat, brauche ich als Vollstreckungsgericht bei Selbständigen nicht tätig werden.

  • Doch, der ist auch bei P-Konten anzuwenden, sofern der (selbständige) Schuldner einen Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO stellt.

    Die Rechnungen alleine werden auch nicht genügen, da man ja auch seine Ausgaben berücksichtigen muss um ihm "während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde."

    Könnte mir z.B. vorstellen, dass man dies aus der Einnahme- Überschussrechnung entnimmt oder einer aktuellen BWA...

  • Doch, der steht in 850k Abs. 4 mit dabei:

    "Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag einen von den Absätzen 1, 2 Satz 1 Nr. 1 und Absatz 3 abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. Die §§ 850a, 850b, 850c, 850d Abs. 1 und 2, die §§ 850e, 850f, 850g und 850i sowie [...]"

    Dass der Erhalt des Geschäftsbetriebs nicht durch den Pfändungsschutz gewährleistet sein muss, das ist mir durchaus bewusst. Aber wie will man sich ansonsten einen pauschalen Überblick über die Einkünfte verschaffen?

  • Wer lesen kann, ist klar im Vorteil...... ist noch zu früh, für so viele Buchstaben.

    Stelle es mir aber bei sehr variierenden Einnahmen schwierig vor, einen "angemessenen" neuen Sockelbetrag nach Abs. 4 festzulegen.

    Letztlich könnte man aufgrund des Jahresabschluss vielleicht ein durchschnittliches Monatseinkommen ermitteln und dieses zugrundelegen....

  • § 850i ZPO war noch nie dazu da, dem Schuldner den Erhalt seines Geschäftsbetriebs zu gewährleisten. Die Ausgaben für gewerbliche Miete, Löhne, pp. kann man m.E. über § 850i ZPO nicht freigeben.

    Beim P-Konto sehe ich in § 850k Abs. 4 ZPO keinen Verweis auf § 850i ZPO und halte ihn daher nicht für anwendbar.



    genauso ist das.

    Ich habe auch schon diverse Anträge nach § 850i oder § 765a zurückgewiesen (z.B. Schuldner war Zahnarzt mit eigener Praxis); wir sind keine Betriebswirtschaftlicher und auch nicht dazu da, zu sichern, dass ein Gewerbebetrieb ungestört weiter arbeiten kann. Das sieht das Gesetz nicht vor und das übersteigt auch unsere eigentlichen Fähigkeiten, sofern man nicht für jeden Fall einen Gutachter bestellen will. Ich würde notfalls die 985 € freigeben (beim P-Konto ja nicht notwendig), aber nicht dafür sorgen, dass der Sebständige weiter alle Betriebsausgaben (incl. Materialeinkauf ....) bestreiten kann.

    Der § 850i ZPO ist für Leute gedacht, die unregelmäßig Einkünfte, in erster Linie Provisionen, erhalten und dieses Geld ausschließlich für ihren Lebensunterhalt benötigen. Nur diesen Sachverhalt betreffen die ganzen Fälle §§ 850 ff. ZPO.


    Letzlich könnte man aufgrund des Jahresabschluss vielleicht ein durchschnittliches Monatseinkommen ermitteln und dieses zugrundelegen....



    Kommt gar nicht in Frage, bin kein Betriebswirtschaftler. Wenn man nach den mitunter bei PKH vorgelegten Unterlagen geht, hätten die meisten als Reineinkommen gar nichts oder nur ein Minus. Und wo kein Gewinn erwirtschaftet wird, kann auch für den persönlichen Bedarf nichts entnommen werden, sodass ich ohnehin auch nichts freigeben brauche.


  • Ich habe auch schon diverse Anträge nach § 850i oder § 765a zurückgewiesen (z.B. Schuldner war Zahnarzt mit eigener Praxis); wir sind keine Betriebswirtschaftlicher und auch nicht dazu da, zu sichern, dass ein Gewerbebetrieb ungestört weiter arbeiten kann. Das sieht das Gesetz nicht vor und das übersteigt auch unsere eigentlichen Fähigkeiten, sofern man nicht für jeden Fall einen Gutachter bestellen will. Ich würde notfalls die 985 € freigeben (beim P-Konto ja nicht notwendig), aber nicht dafür sorgen, dass der Sebständige weiter alle Betriebsausgaben (incl. Materialeinkauf ....) bestreiten kann.

    Der § 850i ZPO ist für Leute gedacht, die unregelmäßig Einkünfte, in erster Linie Provisionen, erhalten und dieses Geld ausschließlich für ihren Lebensunterhalt benötigen. Nur diesen Sachverhalt betreffen die ganzen Fälle §§ 850 ff. ZPO.....



    Nein, genau das ist nicht (mehr) richtig. Der § 850i ZPO wurde im Zuge der Reform des Kontopfändungsschutzes neu gefasst.

    In der Beschlussbegründung 16/7615 des BT werden hierfür u.a. Urteile des BVG als Begründung angeführt.

    Auf Seite 11 der gleichen Drucksache findet man unter Punkt 2 die Textpassage: "[...] Hierunter fallen z.B. Vergütungsansprüche von Freiberuflern wie Ärzte, [...]."

    Einem (begründetem) Antrag des o. a. Zahnarztes wäre somit stattzugeben.

    Der § 850i ZPO ist übrigens einer der wenigen, welche vom ersten Entwurf bis hin zum endgültigen Gesetz keinen Änderungen unterworfen war.


    Kommt gar nicht in Frage, bin kein Betriebswirtschaftler. Wenn man nach den mitunter bei PKH vorgelegten Unterlagen geht, hätten die meisten als Reineinkommen gar nichts oder nur ein Minus. Und wo kein Gewinn erwirtschaftet wird, kann auch für den persönlichen Bedarf nichts entnommen werden, sodass ich ohnehin auch nichts freigeben brauche.



    Ich kann Deine ablehnende Haltung durchaus nachvollziehen. Mein erster Gedanke war auch: "Wie bitte will das Vollstreckunsgericht den Betrag ermitteln?". Wie du ausführst, sitzen bei Euch nur selten Betriebswirte... ;)

    Aber genau aus dem Grund habe ich das Thema hier auch gestartet. Denn Fakt ist, dass selbständig Tätige nunmehr ein Anrecht auf Pfändungsschutz auf ihrem Girokonto genießen.

  • Gut, ich kann dann aber keine Lösung beitragen. Ich wüsste keinesfalls, wie ich da einen pfändungsfreien Betrag ermitteln soll.

    Dann müsste ich ein Gutachten in Auftrag geben, wo ermittelt wird, dass der Schuldner monatlich im Durchschnitt xxx € für seine (alle !!) betrieblichen Ausgaben tatsächlich benötigt und im Durchschnitt yyy € einnimmt. Die Differenz ist dann das Einkommen des Schuldners, wovon er ggf. noch Vorsorge (KV, Rente) aufbringen muss, und erst ganz am Ende kann ich in die Tabelle § 850c reinschauen, was dann noch pfändbar ist. -------> Das alles geht wirklich nur über Gutachter, und selbst die (!!!) werden dafür nicht wenig Zeit brauchen. Bis dahin ist der Betrieb wohl sowieso eingestellt.

    Ich hätte ja nichts dagegen, von Vergütungsansprüchen eines Zahnarztes (der in meinem Fall gleich mal ganz verschwiegen hat, dass er ggf. auch noch Einnahmen von Privatpatienten hat), für ihren persönlichen Bedarf einschl. Unterhalt die Freibeträge festzulegen, nicht aber für ihre ganzen Betriebsausgaben einschließlich Bezahlung ihres ganzen Personals- das übersteigt ganz eindeutig unsere Möglichkeiten !!!

  • Wenn wir mal auf deinen Zahnarzt zurückkommen:

    ...so hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde....

    Lösung: Schauen, was an angestellter Zahnarzt Netto hat und diesen Betrag bei der Bemessung nach § 850c ZPO zugrundlegen.

  • Wenn du es dir so (einfach) machst, habe ich auch kein Problem. Nur dass dann der Zahnarzt seine Praxis nicht weiter betreiben kann, da es ihm nicht möglich ist, seine Betriebsausgaben incl. Personalkosten zu bestreiten.

    Dass, was du vorschlägst, wird der ZA auch gar nicht wollen: Er wollte damals, dass ihm sämtliche Einnahmen, die ihm von der kassenärztlichen Vereinigung zufließen, zur Aufrechterhaltung seiner Praxis auf dem Konto verbleiben.
    --> Und einen solchen Antrag konnte ich nur zurückweisen.

  • Hm, ja. Da würde ich Euch beiden zustimmen. In der Beschlussbegründung wird auch nie erwähnt, dass der Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten werden soll. Nur, dass der Schuldner sein Existenzminimun bzw. das seiner Familie unter Berücksichtigung der Schutzbeträge wahren kann.

  • Wenn du es dir so (einfach) machst, habe ich auch kein Problem. Nur dass dann der Zahnarzt seine Praxis nicht weiter betreiben kann, da es ihm nicht möglich ist, seine Betriebsausgaben incl. Personalkosten zu bestreiten.

    Dass, was du vorschlägst, wird der ZA auch gar nicht wollen: Er wollte damals, dass ihm sämtliche Einnahmen, die ihm von der kassenärztlichen Vereinigung zufließen, zur Aufrechterhaltung seiner Praxis auf dem Konto verbleiben.
    --> Und einen solchen Antrag konnte ich nur zurückweisen.



    mehr gibt § 850i ZPO nicht her, es wäre ja auch seltsam, wenn man andere Gläubiger (iwe Zulieferer, Versorger oder Angestellte) gegenüber dem Titelgläubiger privilegieren würde.

  • Ich muss das Thema noch mal aufwerfen.
    Ich habe eine Pfändung gegen einen Zahnarzt. Gepfändet wurde das Konto und die Zahlungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung.

    Der Schuldnervertreter beantragt nunmehr Beträge für die Fortführung des Geschäftsbetriebs und für den Selbstbehalt freizustellen.

    Zwischenverfügung, dass nur das zu bleassen ist, was dem Unterhalt des Schuldners und seinen Angehörigen dient. Somit nichts zu Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs. Schuldnervertreter teilt daraufhin mit, dass dem Schuldner dasjenige zu belassen ist, was ihm die Erzielung des Einkommens ermöglicht. Also soll ihm das belassen werden, was er zur Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit benötigt. Begründung erfolgt mit § 850f I b).
    Letztendlich ist der persönliche und der notwendige Bedarf zur Fortführung der Praxis über § 850f und § 850i ZPO freizugeben.

    Dem würde ich grundsätzlich folgen.
    Fraglich ist dann nur, was sind notwendige Kosten für die Fortführung der Zahnarztpraxis? Der Gläubigervertreter hat einige Positionen bemängelt und ausgeführt, dass der Schuldner ja auch noch Einnahmen aus privatzahnärztlichen Leistungen hat und er über weitere Vermögenswerte verfügt.

    Also: Antrag nach § 850f und § 850i ok?
    Muss ich ohne Antrag einstweilen einstellen?

  • 850i geht insoweit gar nicht, der Vorschrift ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass auch soviel freizugeben ist, dass ein vollständiger Geschäftsbetrieb weitergeführt werden kann und damit der gegenständliche Gläubiger gegenüber anderen so besser gestellt wird. (Warum soll der Zahnarzt z.B. einem Gläubiger alle Rechnungen oder etwa die Miete bezahlen können, einem pfändenden Gläubiger am Ende gar nichts ????)

    850f: Auch das würde ich nicht durchgehen und es lieber mal darauf ankommen lassen, was mein Landgericht zu dieser Frage entscheidet, da die Frage ja jederzeit wieder auf der Tagesordnung stehen kann. Und wie schon mal weiter oben gesagt: Wir sind keine Betriebswirtschaftler und können gar nicht feststellen, was der Zahnarzt tatsächlich zwingend braucht, um tatsächlich weiter seinen eigenen Verdienst zu sichern. Ohne umfangreiches Gutachten würde da gar nichts gehen. Und wie man sieht, hat der Zahnarzt auch hier, wie damals bei mir, gleich mal ganz verschwiegen, was er denn ansonsten noch für Einkünfte (Privatpatienten) hat !!!

    Wenn der Zahnarzt durch Zahlung an einen Gläubiger seinen Betrieb nicht mehr aufrecht erhalten kann, ist das nach meinem Dafürhalten eher ein Fall von Insolvenz(verschleppung).

    Diesselben Fragen müssten sich eigentlich die Sozialenbehörden (ARGEN) stellen: Wenn der ZA x Einnahmen und y Ausgaben aus seinem Betrieb erzielt und ihm dann nur noch 300 € für sich selber zum Leben verblieben, müsste er ja sein Einkommen durch Sozialleistungen aufstocken. Ich frage mich nur, wie das Sozialamt bzw. die ARGE dann sowas macht..... Hier könnte man vielleicht mit seinem weiteren Denken mal ansetzen und sich den Sozialhilfebedarf vom Amt mal (über den Schuldner) ausrechnen lassen. So geht man im Übrigen oft heran im Zusammenhang mit 850f.

  • Ich dachte in diesem Fall, dass der notwendige Selbstbehalt für den persönlichen Bedarf über § 850i festgestellt werden kann. Die Aufwendungen für die Praxis dann über § 850f.

  • Eine Freigabe allein für den persönlichen Bedarf stellt ja auch überhaupt kein Problem dar. Nur kann damit ein Geschäftsbetrieb nicht aufrecht erhalten werden.

    Mache es doch einfach so: Gib nur für den persönlichen Bedarf frei und lehne im Übrigen mangels gesetzlicher Grundlage für die Freigabe zur Aufrechterhaltung eines vollständigen Geschäftsbetriebes ab. Ich habe das mal so gemacht: Dagegen hat nur Gläubiger RM eingelegt, weil ihm selbst das für den persönlichen Bedarf zu hoch war - Landgericht hat mich gehalten. Schuldner hat leider kein RM eingelegt.

    Vielleicht klappt es ja bei dir, eine Entscheidung deines Landgerichts herbeizuführen. Wir sind schon sehr auf diese Entscheidung gespannt, die du uns hoffentlich dann postest.

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