Verfügungsbeschränkungen im Grundbuch

  • Hier

    http://www.dnoti.de/DOC/2010/10w641_10.pdf

    ist eine interessante Entscheidung des OLG Nürnberg, die nach meiner Ansicht einigen Diskussionsbedarf auslöst:


    OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.7.2010, Az. 10 W 641/10

    GBO §§ 20, 29, 52; GBV §§ 9, 10; InvG § 31
    Die sachenrechtliche Verfügungsbefugnis einer anderen Person als des Eigentümers kann im Grundbuch nicht positiv verlautbart werden.

    Beschluss

    1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen die Ablehnung der Eintragung ihrer
    Verfügungsberechtigung in den Grundbuchblättern Nürnberg ... und ... sowie ... Bl. ... wird
    zurückgewiesen.
    2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.798.000,- € festgesetzt.
    3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    I.
    Die Beteiligten zu 1) und 2) haben zur Urkunde des Notars ... S., vom 15.12.2009,
    Urkundenrollen Nr. ... einen Anleger- und Einbringungsvertrag geschlossen. Dieser betrifft unter anderem die im Rubrum bezeichneten Grundstücke. § 2 des Anleger- und Einbringungsvertrags hat folgenden Wortlaut:

    ... „erklären hiermit ausdrücklich die in der Anlage 2 zum Anleger- und Einbringungsvertrag („Abgestimmter Wortlaut der Bewilligungserklärungen“) wiedergebenen
    Eintragungsbewilligungen und -anträge in Bezug auf den gesamten einzubringenden
    Grundbesitz. Dem jeweiligen Grundbuchamt ist eine auszugsweise Ausfertigung gegenwärtiger Urkunde, beinhaltend die Eintragungsbewilligung sowie einen Auszug aus dem Verzeichnis der
    einzubringenden Immobilien, vorzulegen. Zugleich mit dem Eintragungsantrag ist dem Grundbuchamt der Antrag des Treuhänders nach § 70 VAG auf Löschung eines eingetragenen Treuhänder-Sperrvermerks vorzulegen.“

    Die Anlage 2 zum notariellen Vertrag enthält folgende Erklärungen:

    „Die unterzeichnende Eigentümerin ... hat das in der Anlage aufgeführte Grundeigentum in das
    Sondervermögen ... als Sacheinlage eingebracht. Das Grundeigentum verbleibt gemäß § 30 Abs. 1 InvG im Eigentum der ... weil für das Sondervermögen gemäß § 91 Abs. 3 InvG mit
    Zustimmung der ... von den Bestimmungen des § 75 InvG abgewichen wurde. Die Verfügungsbefugnis über das Grundeigentum ist damit gemäß § 31 Abs. 1 InvG auf die ...
    übergegangen, die gemäß § 26 Abs. 3 und 4 InvG nur mit Zustimmung der Depotbank für das
    Sondervermögen verfügen kann. Wir, die ... und die ... bewilligen und beantragen daher in Abt. II bei dem jeweiligen Grundstück/Wohnungseigentum/Teileigentum/Erbbaurecht im Grundbuch einzutragen:
    1. Gemäß § 31 Abs. 1 InvG ist die ... mit Sitz in ... verfügungsberechtigt.
    2. Verfügungen bedürfen der Zustimmung der jeweiligen Depotbank für das Sondervermögen
    ...“

    Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 30.12.2009 baten die Beteiligten unter Vorlage einer
    auszugsweisen Ausfertigung des notariellen Vertrags beim Amtsgericht Nürnberg um Vollzug
    der Eintragungsanträge. Das Grundbuchamt trug im Grundbuch lediglich ein, dass zur
    Verfügung über die Grundstücke die Zustimmung der jeweiligen Depotbank erforderlich sei (Nr.
    2 der Bewilligungserklärungen). Eine Eintragung der Beteiligten zu 2) als Verfügungsberechtigte
    (Nr. 1 der Bewilligungserklärungen) lehnte es mit Verfügung vom 16.02.2010 ab, da die Eintragung einer positiven Verfügungsbefugnis rechtlich nicht zulässig sei.

    Gegen diese durch Anheften an die Eintragungsmitteilung bekanntgegebene Verfügung richtet
    sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 22.03.2010, der das Amtsgericht mit Beschluss
    vom 29.03.2010 nicht abgeholfen hat. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, ihre sich aus materiellem Recht (§ 31 Abs. 1 InvG) ergebende ausschließliche Verfügungsbefugnis müsse im
    Grundbuch verlautbart werden, da sie diese ansonsten im Grundbuchverkehr nicht nachweisen
    könne und sie darüber hinaus vor unbefugten Verfügungen der eingetragenen Eigentümerin zu
    schützen sei.

    Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 16.02.2010, den Beschluss vom
    29.03.2010 sowie die Schriftsätze vom 30.12.2009, 22.02.2010, 22.03.2010 und 21.04.2010
    Bezug genommen.

    II.
    Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist nicht begründet, denn das Grundbuchamt hat die Verlautbarung einer Verfügungsbefugnis der Beschwerdeführerin zu Recht abgelehnt.
    Es ist zwar davon auszugehen, dass es im vorliegenden Fall wegen der Vorschriften des InvG zu
    einer Aufspaltung von Rechtsträgerschaft und sachenrechtlicher Verfügungsbefugnis gekommen ist (vgl. hierzu näher den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beschluss des Landgerichts
    Berlin vom 10.12.2009). Nach den bisher bestehenden Vorschriften des formellen
    Grundbuchrechts ist jedoch für die positive Eintragung einer vom Eigentum abweichenden
    Verfügungsbefugnis kein Raum. Einzutragen sind nach der Grundbuchverfügung in der ersten
    Abteilung des Grundbuchs der Eigentümer (§ 9 GBV) und in der zweiten Abteilung Lasten und
    Beschränkungen (§ 10 GBV). Die Eintragung der Verfügungsbefugnis einer bestimmten Person
    ist nicht vorgesehen, wie auch § 52 GBO und § 32 InsO zeigen, die zwar die Eintragung der
    Verfügungsbeschränkung im Grundbuch vorsehen, nicht aber die konkrete Angabe des
    Testamentsvollstreckers oder des Insolvenzverwalters. Angesichte dessen käme lediglich - wie
    im Nichtabhilfebeschluss vom 29.03.2010 zutreffend ausgeführt wird - eine Eintragung
    dahingehend in Betracht, dass der Beteiligten zu 1) zugunsten der Beteiligten zu 2) verboten ist, Verfügungen über den Grundbesitz zu treffen. Die positive Verlautbarung einer
    Verfügungsbefugnis in der (für Lasten und Beschränkungen vorgesehenen) Abteilung II des
    Grundbuchs würde das Grundbuch unübersichtlich machen und zu Unklarheit führen. Einem
    etwa bestehenden Bedürfnis, die vom Eigentum abgespaltene Verfügungsbefugnis für den
    Rechtsverkehr deutlich zu machen, kann nicht durch möglicherweise Missverständnisse
    auslösende richterliche Rechtsschöpfung, sondern nur durch eine generelle gesetzliche Regelung Rechnung getragen werden.

    Im Übrigen erscheint es nicht möglich, eine Verfügungsbefugnis allein aufgrund der
    Eintragungsbewilligung des Eigentümers im Grundbuch einzutragen. Die durch Rechtsgeschäft
    bewirkte Abspaltung der Verfügungsbefugnis des Eigentümers ist vergleichbar der Übertragung des Eigentums durch Auflassung. Die Verlautbarung einer materiellrechtlich nicht bestehenden
    Verfügungsbefugnis im Grundbuch könnte zu gutgläubigem Erwerb führen. Es spricht daher
    alles dafür, in einem Fall der vorliegenden Art § 20 GBO analog anzuwenden und einen
    Nachweis für den Übergang der Verfügungsbefugnis in der Form des § 29 GBO zu verlangen.
    An einem solchen Nachweis fehlt es hier. Trotz Hinweis auf die Problematik mit Verfügung vom
    06.04.2010 hat die Beschwerdeführerin den notariellen Vertrag vom 15.12.2009 nur
    auszugsweise vorgelegt; die zur Abspaltung der Verfügungsbefugnis führenden Passagen sind in der Vertragsausfertigung nicht enthalten, weshalb die von der Beteiligten zu 2) in Anspruch
    genommene Verfügungsbefugnis in der erforderlichen Form nicht nachgewiesen ist. Der Inhalt
    der Anlage 2 zum notariellen Vertrag hat keine hinreichende Aussagekraft, zumal dort die
    betroffenen Grundstücke nicht eindeutig bezeichnet sind. Letztlich liegen damit nur unbelegte
    Erklärungen der Beteiligten vor.

    III.
    Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da sich die Kostenfolge aus dem Gesetz ergibt.
    Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer
    einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, da es anders lautende Entscheidungen von
    Instanzgerichten gibt und eine höchstrichterliche Entscheidung nicht vorliegt (§ 78 Abs. 2 Nr. 2
    GBO).

  • Ich hätte wohl auch so wie das GBA dort gehandelt (es sei denn, das Forum hätte mich von einer anderen Sichtweise überzeugen können ;)).

    Für mich ist der Fall ähnlich mit einer Testamentsvollstreckung. Auch dort wird aber nur eingetragen, dass TV angeordnet ist und nicht, wer zum TV bestellt und somit verfügungsberechtigt ist.

    Auch im Falle der Insolvenz wird nur die Tatsache der laufenden Inso eingetragen, nicht aber, wer als Insolvenzverwalter nun für den Schuldner=Eigentümer handeln kann.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Die Entscheidung überzeugt mich nicht, jedenfalls nicht vollständig.

    Unzutreffend ist die Aussage, dass es keinen Fall gibt, bei welchem der von der Verfügungsbeschränkung Begünstigte in persona im Grundbuch eingetragen wird. Der klassische Fall ist nämlich die mit einer Nacherbfolgenanordnung verbundene Verfügungsbeschränkung, die nicht nur als solche im Grundbuch verlautbart wird, sondern auch die Person der Nacherben. Das OLG hätte angesichts des von ihm erwähnten § 52 GBO also nur den Blick etwas nach vorne schweifen lassen müssen, um auch die Vorschrift des § 51 GBO zu "entdecken". Gleichwohl halte ich die Entscheidung in diesem Punkt für zutreffend. Es ist nicht Aufgabe des Grundbuchs, zu verlautbaren, wer die Verfügungsbefugnis innehat, zumal eine entsprechende positive Eintragung des Verfügungsberechtigten nicht an der Vermutung des § 891 Abs.1 BGB teilnähme (Staudinger/Gursky § 891 Rn.15). Der Verfügungsberechtigte muss seine Rechtsstellung vielmehr nachweisen. Die Eintragung der Nacherben ist hier ein Sonderfall, weil die Eintragung eines Nacherbenvermerks ohne Benennung der Nacherben nicht denkbar ist.

    Wenn ein außerhalb des Grundbuchs eintretendes Ereignis zum Verlust der Verfügungsbefugnis des Eigentümers führt, wird das Grundbuch durch die Nichtverlautbarung der betreffenden Verfügungsbeschränkung unrichtig. Es muss demzufolge eine Möglichkeit geben, diese Verfügungsbeschränkung auch im Wege der Grundbuchberichtigung im Grundbuch -negativ- zu verlautbaren. So sieht es auch das OLG Nürnberg.

    Unzutreffend ist allerdings, dass das OLG zum Nachweis des Bestehens der Verfügungsbeschränkung eine analoge Anwendung des § 20 GBO bemühen will. Die Eintragung der Verfügungsbeschränkung fällt als Grundbuchberichtigung unter § 22 GBO und da die Existenz der Verfügungsbeschränkung im Berichtigungsbewilligungswege nicht plausibel dargelegt werden kann, verbleibt insoweit nur der Unrichtigkeitsnachweis. Dieser ist aber bereits nach § 22 GBO erforderlich, sodass es eines -im übrigen systemwidrigen- Rückgriffs auf § 20 GBO nicht bedarf.

  • Inzwischen hat hier ja der BGH entschieden (Az.: V ZB 200/10). Allerdings soll danach auch der Name der Depotbank ins Grundbuch einzutragen sein.

    Ich wüsste gerne, wie das andernorts gehandhabt wird, ich bin eigentlich der Meinung, dass der Name der Bank nicht einzutragen ist, genau wie beim TV-Vermerk und beim Treuhändersperrvermerk. Tragt ihr jetzt wg. der BGH-Entscheidung alle den Namen der Bank mit ein oder gibt es (noch) Gegenmeinungen?

    Wäre für Rückmeldungen dankbar. Ich habe den Zustimmungsvorbehalt eingetragen ohne Nennung des Namens der Bank und jetzt einen Antrag vorliegen, den Namen nachzutragen.

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