Eröffnung InsO nach vorl. Beschluss gemäß § 850 l ZPO

  • Liebe Kollegen der InsO-Abt.,

    habe folgenden Fall:
    Schuldner hat auf der M-Abt. einen Antrag nach § 850 l ZPO (Kontofreigabe) gestellt. Ich habe am 02.08.2010 die Pfändung hinsichtl. eines Teilbetrages aufgehoben und im Übrigen die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt.
    Am gleichen Tag nachmittags (02.08.2010) wurde das InsO-Verfahren eröffnet.

    2 Fragen:
    1)
    Was passiert mit meinem vorl. Beschluss? Muss ich den ggf. aufheben?
    2)
    Wer (M- oder InsO-Abt?) entscheidet über den Antrag nach § 850 l ZPO abschließend?

    Wäre sehr dankbar für Hilfe. Habe über die Suche nichts gefunden und bin auch sonst nicht sonderlich fündig geworden.

    Manche Menschen hat der liebe Gott kurz vor Feierabend gemacht.

    (Bernd Stromberg)

  • zu 1) Nach § 88 Inso würde die Rückschlagsperre greifen, wenn die Kontopfändung innerhalb des Monats vor Eröffnung stattgefunden hat. Somit wäre der Kontopfändungsbeschluss unwirksam.

    zu 2) Nach § 36 IV 1 i.V.m. I 2 ist das Insolvenzgericht für weitere Entscheidungen nach § 850 ZPO zuständig.

  • Kleiner Nachtrag zu oben Ziffer 1: § 312 I InsO, Rückschlagsperre bis 3 Monate möglich, wenn entsprechender Sachverhalt gegeben ist.
    Pf+ÜB unwirksam, Verstrickung d. Vollstreckungsgericht nach h.M. aufzuheben.

    Falls dann eine Pfändung nicht der Rückschlagsperre unterliegt (also wirksam ist), kann m.E. der IV/TH auch noch anfechten (inkongruent) und so die Pfändung beseitigen.

    Zu Ziffer 2: Falls IV/TH Freigabe des Kontos gegenüber Bank erklärt, keine Entscheidung nach § 850 l InsO notwendig (dies ist doch Praxis). Die Bank zahlt dann an den Schuldner aus. Dann hat m.E. das Inso-Gericht nichts mehr damit zu tun.

    Allgemein: in solchen Fällen stelle ich mir immer die Frage nach dem konkreten Sachverhalt. Dann schaue ich mir die §§ 88 i.V.m. 312, 89, 114, 294 und § 36 InsO an. Dann noch Anfechtunsmöglichkeit beachten. In der Regel findet man dann eine Lösung.

    Am Rande: der neu gefasste § 36 InsO wird uns vermutlich noch beschäftigen. Da ist wohl noch nicht alles klar mit den Zuständigkeiten, oder? Bei den heutigen Gesetzesänderungen wird doch nicht mehr in die Tiefe gedacht, denn operative Hektik ersetzt geistige Windstille.
    Habe ich was in meiner -durch zu hohe Pebb§y-Pensen verursachten- operativen Hektik vegessen?

    6 Mal editiert, zuletzt von kurt (8. September 2010 um 20:27)


  • Kleiner Nachtrag zu oben Ziffer 1: § 312 I InsO, Rückschlagsperre bis 3 Monate möglich, wenn entsprechender Sachverhalt gegeben ist.
    Pf+ÜB unwirksam, Verstrickung d. Vollstreckungsgericht nach h.M. aufzuheben.

    Falls dann eine Pfändung nicht der Rückschlagsperre unterliegt (also wirksam ist), kann m.E. der IV/TH auch noch anfechten (inkongruent) und so die Pfändung beseitigen. ....



    Der Vollständigkeit halber:

    Wenn es ein IK-Verfahren ist, bedarf es erst der Beauftragung durch die GV, bevor der TH etwas anfechten kann.

    Soweit es nur um eine Pfändung und nicht um eine Befriedigung aufgrund der Pfändung im IK-Verfahren geht, ginge eine Anfechtung sowieso nicht, da bereits durch die Rückschlagsperre nach § 312 InsO und der damit verbundenen Weiterung des Zeitraumes auf drei Monate, der Zeitraum des § 131 InsO vollständig abgedeckt ist.

    Eine Anfechtung über diesen Zeitraum hinaus wäre nur nach §133 InsO möglich, der jedoch bei Pfändungen nicht Anwendung findet, da keine Rechtshandlung des Schuldners (mal von den Spezialfällen abgesehen).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Schon mal vielen Dank für die Antworten!

    Der PfüB ist aus dem Jahre 2008. Das heißt doch dann für mich, dass die Pfändung wirksam war und über den abschließenden Antrag das InsO-Gericht entscheiden muss?!

    Manche Menschen hat der liebe Gott kurz vor Feierabend gemacht.

    (Bernd Stromberg)

  • das wäre dann leider dann ein Spezialfall, wenn die Pfändung in den letzten drei Monaten vor IA werthaltig gemacht worden ist, will sagen, vorher war auf dem Konto nix drauf, dann fließt Geld. Dann greift jetzt erst die Pfändung, so dass dies im Rahmen der § 131 InsO zu prüfen wäre.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der Schuldner hat in seinem Antrag vorgetragen, dass sein Gehalt (!) bislang auf dem Konto der Ehefrau eingegangen sei. Da er aber im Juli einen Antrag auf Eröffnung des Inso-Verfahrens gestellt habe, habe er ein eigenes Konto eröffnen müssen. Und dieses "neue" Konto sei bereits von den Pfändungen betroffen.

    Ich habe vorher geguckt. Zum Zeitpunkt meiner Entscheidung war über den InsO-Antrag noch nicht entschieden.

    Manche Menschen hat der liebe Gott kurz vor Feierabend gemacht.

    (Bernd Stromberg)

  • Vom Sachverhalt her ist kein sog. P-Konto gegeben!

    Hat Schuldner wegen des Kontos mit IV/TH Verbindung aufgenommen und wurde ggf. vom TH/IV Konto frei gegeben? Falls ja, wäre Inso-Gericht nicht mehr zuständig für 850 l ZPO! Siehe oben #4. Die TH/IV prüfen in der Regel nach Inso-Eröffnung nach, ob sie Konto frei geben können (hängt von den eingegangen Beträgen und den zu erwartenden Beträgen ab).

    Siehe auch #7 wegen evtl. Anfechtung durch TH/IV! LfdC = goldrichtig, aber da gibts auch ne Entscheidung hierzu, dass Pfändung jetzt nicht greifen kann.


    Ich hatte während meiner Zeit auf Zwangsvollstreckung (war so gegen 2003) einen wunderbaren Beschluss nach § 850 k ZPO a.F. gemacht und Schuldner, Gläubiger sowie Bank zugestellt, ohne dass der Schuldner etwas von der Insolvenz gesagt hatte. Von der Insolvenz warmir als ZV-Rpfl. also nichts bekannt. Anschließend hat die Bank gesagt interessiert mich nicht, was das Vollstreckungsgericht entscheidet, da Insolvenz eröffnet. Dann hat sich noch eine Inso-Richterin telefonisch bei mir gemeldet; anschließend wurde der IV informiert. Erst als der IV dann Freigabe erklärt hatte, wurde an den Schuldner von der Bank ausgezahlt. Eine Entscheidung hat das Inso-Gericht dann nicht treffen müssen. Habe dies dann 2008 (als Inso-Rpfl) gesehen als ich diesem Schuldner die RSB erteilt habe. Theorie und Praxis sind zwei Paar Stiefel!

    9 Mal editiert, zuletzt von kurt (14. September 2010 um 07:49)

  • also ne "alt-pfändung" dann die übliche Struktur: Aufhebung der Pfändung beim Vollstreckungsgericht beantragen (hilfsweise: Suspendierung des Überweisungsbeschlusses)....
    Anfechtung hilft da nicht weiter, da damit die Pfändung ja nicht unwirksam wird.....

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Möchte hierzu noch Insbüro 12/2009 S. 447 ff. beisteuern.

    BGH, Urt. v. 20.3.03 - IX ZR 166/02, ZinsO 2003. Falls künftige Forderung gepfändet wird (künftiges Guthaben), entsteht kein Absonderungsrecht wegen § 91 Abs. 1 InsO.
    Aus den Gründen:

    "Die auch gegen die anfechtungsrechtlich selbständige (vgl. BGH, Urt. v. 21. März 2000 - IX ZR 138/99, aaO) Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 22. August 2000 gerichtete Anfechtung des Klägers greift nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO durch. Die hierdurch erlangte Sicherung ist inkongruent (siehe oben 1. a). Der Beklagte kann sie nach § 143 InsO der Anfechtung der Überweisungen nicht entgegenhalten.
    a)
    Die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der Pfändung eines künftigen Bankguthabens hängt davon ab, ob sie bereits mit ihrer Bewirkung (§ 309 Abs. 2 Satz 1 AO; § 829 Abs. 3 ZPO) als vorgenommen gilt, wie der Beklagte annimmt, oder ob § 140 Abs. 1 InsO auf die Entstehung des Guthabens abstellt. Der Bundesgerichtshof hat die anfechtungsrechtlich entscheidende Wirkung bei der Vorausabtretung, der Vorausverpfändung und der Pfändung einer künftigen Forderung nicht schon in der Verfügung, sondern erst in der Entstehung der Forderung gesehen (BGH, Urt. v. 24. Oktober 1996 - IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080, 2082 - Vorausverpfändung; v. 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96, ZIP 1997, 513, 514 - Vorausabtretung; jeweils zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO; BGHZ 135, 140, 148 - Pfändung künftiger Forderung, zu § 30 Nr. 2 KO). Denn die anfechtungsrechtlich entscheidende Gläubigerbenachteiligung kann sich nur und erst dann äußern, wenn die Forderung entstanden ist, über die der Schuldner rechtsgeschäftlich oder im Wege der Zwangsvollstreckung vorausverfügt hat. Daran hat sich unter der Geltung von § 140 Abs. 1 InsO gegenüber der älteren Rechtslage nichts geändert.
    Entsteht die im voraus abgetretene, verpfändete oder gepfändete Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so erwirbt der Gläubiger bzw. Pfandgläubiger zu Lasten der Masse nach § 91 Abs. 1 InsO kein Forderungs- und kein Absonderungsrecht mehr (vgl. BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 154/54, NJW 1955, 544 [BGH 05.01.1955 - IV ZR 154/54] und BGHZ 135, 140, 145 zu § 15 KO; MünchKomm-InsO/Ganter, vor §§ 49 bis 52 Rn. 23). Entsteht eine Forderung in anfechtbarer Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist die gläubigerbenachteiligende Wirkung einer Vorausverfügung nicht anfechtungsfest. Das gilt für Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung nicht anders als für rechtsgeschäftliche Verfügungen."

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