Rechtsprechungshinweise Zwangsversteigerung

  • 1. Zum Umfang und Schutzzweck der notariellen Belehrungspflicht bei Beurkundung eines Bauträgervertrags, wenn zum Zeitpunkt der Niederschrift ein Zwangsversteigerungsvermerk zu Lasten des Verkäufers/Bauträgers im Grundbuch eingetragen ist.

    2. Die Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks kann eine “Indizwirkung” für eine wirtschaftliche Schieflage des Bauträgers haben, auf die der Notar bei entsprechender Kenntnis besonders nachdrücklich hinzuweisen hat.

    BGH, Urteil vom 22. 7. 2010 – III ZR 293/09 (NJW 2010, 3243)


    Aus den Gründen:

    "Da der Notar nicht ohne Weiteres davon ausgehen kann, dass dem (privaten) Käufer eines Hauses oder einer Eigentumswohnung die wirtschaftliche Dimension der Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks bewusst ist, ist der Notar regelmäßig gehalten, ihn vor Abschluss finanziell riskanter Verträge auf die „faktische Warnfunktion” eines Zwangsversteigerungsvermerks hinzuweisen. Auf diese Weise wird der Kaufinteressent in die Lage versetzt, die für ihn bestehenden wirtschaftlichen Risiken (besser) abzuschätzen und gegebenenfalls weitere Erkundigungen anzustellen."
    "Nicht zu folgen ist auch der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung des Bekl., einem Hinweis auf den Vermerk und dessen wirtschaftliche Bedeutung habe die sich aus § BNOTO § 14 BNOTO § 14 Absatz I 2 BNotO ergebende Neutralitätspflicht des Notars entgegengestanden. Zwar hat sich ein Notar grundsätzlich nicht mit Bedenken gegen eine bestimmte Person als Vertragspartner zu befassen; auch muss er auf Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit eines Beteiligten, die sich aus dem Notar konkret bekannten Umständen, etwa einer Vorstrafe, ergeben könnten, nur in Ausnahmefällen aufmerksam machen, weil er anderenfalls mit solchen Hinweisen in einen Interessenkonflikt geraten würde (vgl. z.B. BGH, NJW 1967, NJW Jahr 1967 Seite 931 [NJW Jahr 1967 Seite 932]). Indes war im Streitfall der Bekl. nicht gehalten, die Kl. über die Einzelheiten der bestehenden Streitigkeiten zwischen der T-AG und der O-GmbH sowie die Ursachen der bereits mehrfach eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerke und die offenbar latent vorhandenen wirtschaftlichen Engpässe der GmbH zu informieren. Vielmehr wäre es ausreichend, aber auch erforderlich gewesen, nachdrücklich auf den Zwangsversteigerungsvermerk und die sich daraus ergebenden Indizien für etwaige bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten sowie mögliche Auswirkungen für die geplante Verwirklichung des Bauvorhabens hinzuweisen. Schutzwürdige Belange des Bauträgers wären dadurch nicht berührt worden, zumal ohnehin kein berechtigtes Interesse daran bestehen konnte, den Zwangsversteigerungsvermerk unerwähnt zu lassen (vgl. BGH, NJW-RR 1992, NJW-RR Jahr 1992 Seite 393 [NJW-RR Jahr 1992 Seite 394]; Ganter, in: Ganter/Hertel/Wöstmann, Rdnr. 1078).

    5. Weil vorliegend die notarielle Amtspflicht, über den noch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und seine Bedeutung zu belehren, auch dazu diente, den Kl. als Käufer einer noch herzustellenden Eigentumswohnung die Gelegenheit zu geben, die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Vertragspartners und damit der Durchführbarkeit des Vertrags näher zu prüfen, stellt die festgestellte Verletzung dieser Verpflichtung die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch aus § BNOTO § 19 BNOTO § 19 Absatz I BNotO dar."

  • BGH v. 7.10.10 V ZB 82/10



    Der Umstand, dass ein Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren geltend macht, dass sein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt wird, begründet - für sich genommen - keinen Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

    BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10 -


    LG Essen


    AG Essen

    edit by Kai: Bis dejure.org automatisch verlinkt, hier der Link zur Entscheidung auf der BGH-Webseite: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…z=1&Blank=1.pdf

  • 1. Der Zwangsverwalter kann seine Vergütung jeweils im Anschluss an die jährliche Rechnungslegung oder mit der Schlussrechnungslegung geltend machen.

    2. Liegt die Vergütung des Zwangsverwalters nach § 18 ZwVwV (Prozentsatz der eingezogenen Mieten/Pachten) mehr als 25 % unter der nach § 19 ZwVwV (nach Zeitaufwand) berechneten Vergütung, erhält der Zwangsverwalter die Vergütung nach § 19 ZwVwV.

    3. Wenn der Zwangsverwalter dem Gericht seine Tätigkeit konkret darlegt und der Zeitaufwand bei überschlägiger Abschätzung plausibel erscheint, kann die abgerechnete Stundenzahl festgesetzt werden, wobei auch die veröffentlichte REFA Studie als Anhaltspunkt für die Plausibilitätsbeurteilung herangezogen werden kann.

    4. Ein Unterschreiten der Mittelvergütung von 75 € muss nachvollziehbar begründet werden.

    AG Goslar, Beschl. v. 1. 4. 2010 - 11 L 5/07

  • 1. Wenn der Zwangsverwalter dem Gericht seine Tätigkeit konkret darlegt und der Zeitaufwand bei überschlägiger Abschätzung plausibel erscheint, kann die abgerechnete Stundenzahl festgesetzt werden, wobei auch die veröffentlichte REFA Studie als Anhaltspunkt für die Plausibilitätsbeurteilung herangezogen werden kann.

    2. Liegen mehrere Erhöhungskriterien im Sinne des § 18 Abs. 2 ZwVwV vor, ist die Höhe eines Stundensatzes von 85 € für eine Zwangsverwaltung schwieriger Art (85 - 95 € je Stunde) angemessen.

    AG Goslar, Beschl. v. 3. 2. 2010 - 11 L 31/05

  • BGH vom 30.09.2010, V ZB 219/09

    a) Gegen die Anordnung der Zwangsversteigerung durch das Beschwerdegericht kann der nicht angehörte Schuldner bei dem Beschwerdegericht die Vollstre-ckungserinnerung nach § 766 ZPO einlegen. Gegen die Zurückweisung der Voll-streckungserinnerung durch das Beschwerdegericht ist nach Maßgabe von § 574 ZPO die Rechtsbeschwerde statthaft.

    b) § 17 Abs. 1 Fall 2 ZVG ist auf eine erbgangsgleiche Universalsukzession entspre-chend anwendbar. Eine solche Universalsukzession liegt vor, wenn eine zwei-gliedrige Erbengemeinschaft durch Abschichtung aufgelöst wird und der Nachlass Alleineigentum eines Erben wird

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Allein daraus, dass ein Beteiligter während eines Zwangsversteigerungsverfahrens, in dem mit Zustellungen zu rechnen ist, umzieht, ohne dem Vollstreckungs-gericht eine neue Anschrift mitzuteilen oder einen Nachsendeantrag zu stellen, kann nicht geschlossen werden, dass er beabsichtigt, Zustellungen arglistig zu verhindern.

    BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 37/10

  • Sieht sich das Beschwerdegericht bei der Frage, ob die tatsächlichen Grundlagen eines Ablehnungsgrundes glaubhaft gemacht sind (§ 44 Abs. 2 ZPO), weder zur Bejahung noch zur Verneinung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit in der Lage (non liquet), führt dies nicht dazu, dass von der die Besorgnis der Befangenheit begründenden Behauptung des Ablehnenden auszugehen ist.

    BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 210/09

    In einem Befangenheitsantrag wird eine Äußerung der Rechtspflegerin zu einem § 765a ZPO-Antrag anders wiedergegeben, als diese sie in ihrer dienstlichen Äußerung darstellt.

    Das Beschwerdegericht hat den Befangenheitsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, dass es dem Schuldner nicht gelungen, die behauptete Äußerung der Rechtspflegerin glaubhaft zu machen. Der eidesstattlichen Versicherung stehe die dienstliche Äußerung der Rechtspflegerin entgegen. Da nicht festgestellt werden könne, welche Darstellung zutreffe, sei von einem "non liquid" (richtigerweise müsste es "non liquit" heißen) auszugehen, das zu Lasten des das Ablehnungsgesuch stellenden Verfahrensbeteiligten gehe.

    Der BGH hebt diese Entscheidung auf und verweist die Sache zurück an das Beschwerdegericht. Aus den Gründen:

    "Die Rechtsbeschwerde rügt im Ergebnis zu Recht, dass die Erwägung, mit der das Beschwerdegericht eine Glaubhaftmachung verneint hat, von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgeht. Denn entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts scheitert eine Glaubhaftmachung nicht schon dann, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Darstellung des Ablehnenden oder die des Abgelehnten zutrifft. Anders als in Konstellationen, in denen eine Partei den (vollen) Beweis für eine Behauptung zu erbringen hat, ist eine Glaubhaftmachung selbst bei Vorliegen vernünftiger Zweifel nicht ausgeschlossen. Nach den zu § 294 ZPO entwickelten Grundsätzen genügt zur Glaubhaftmachung ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. An die Stelle des Vollbeweises tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung. Die Behauptung ist schon dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 60/06, NJW-RR 2007, 776, 777; Stein/Jonas/ Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 294 Rn. 7; jeweils mwN). Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn bei der erforderlichen umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falles mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen (BGH, Beschluss vom 11. September 2003 - IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139, 143).

    "Der Rechtsfehler des Beschwerdegerichts führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht, damit dieses die erforderliche Würdigung nachholen kann (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das Beschwerdegericht hat daher im Einzelnen zu prüfen und zu würdigen, ob für die von dem Schuldner behauptete Äußerung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Würdigung ist zu begründen. Die angestellten Erwägungen müssen zumindest deutlich machen, dass auf der Grundlage des zutreffenden Maßstabes die wesentlichen Umstände abgewogen worden sind (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 294 Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 294 Rn. 9; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. September 2003 - IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139, 143)."

    "Sollte die von dem Beschwerdegericht nachzuholende Würdigung dazu führen, dass sich das Beschwerdegericht weder zur Bejahung noch zur Verneinung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit in der Lage sieht (non liquet), führte dies nicht dazu, dass gleichwohl von einer Glaubhaftmachung der die Besorgnis der Befangenheit begründenden Behauptung des Ablehnenden auszugehen wäre(wie hier etwa OLG Düsseldorf, MDR 2009, 404, 405; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 44 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 44 Rn. 8; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Mai 2002 - XI ZR 322/01, juris Rn. 19; Beschluss vom 13. Januar 2003 - XI ZR 357/01, WM 2003, 848, 850; OLG Düsseldorf, MDR 2009, 221, 222; Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl., § 294 Rn. 3; aA BayOblGZ 1974, 131, 137; OLG Braunschweig, OLGR 2000, 122 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rn. 10; Schneider, MDR 2000, 1304, 1305 mwN)."

    "Dass § 42 Abs. 2 ZPO nicht an die Befangenheit des Richters bzw. des Rechtspflegers (§ 10 Satz 1 RPflG) anknüpft, sondern bereits an ein Verhalten, das die Annahme der Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, bedeutet nicht, dass das dieser Bewertung zugrunde liegende Verhalten nicht mit den Mitteln der Glaubhaftmachung festgestellt werden müsste. Die Last der Glaubhaftmachung trägt nach der klaren und unzweideutigen Regelung des § 44 Abs. 2 ZPO der Ablehnende. Erweist sich der von ihm behauptete Gesche-hensablauf nicht als überwiegend wahrscheinlich, ist das Ablehnungsgesuch zurückzuweisen. Gerade eine solche Konstellation liegt jedoch vor, wenn das Gericht den widerstreitenden Mitteln der Glaubhaftmachung exakt den gleichen Beweiswert beimisst (vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO)."

    "Die Zulassung einer Ausnahme für den Sachbereich der Ablehnung von Gerichtspersonen findet im Gesetz keine Stütze. Bei der Beweiswürdigung ist der Richter grundsätzlich frei. Nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen ister an Beweisregeln gebunden (§ 286 Abs. 2 ZPO). Bei der Würdigung der Frage, ob eine Behauptung glaubhaft gemacht ist, gilt nichts anderes. Da auch diese Würdigung einen Akt wertender Erkenntnis darstellt, die sich jedenfalls in ihrem wesentlichen Kern von der Beweiswürdigung nur hinsichtlich des Beweismaßes, also von dem Grad der Überzeugungsbildung unterscheidet, kommt auch insofern der Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung zum Tragen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - IX ZB 60/06, NJW-RR 2007, 776, 777 mwN). Einen Rechtssatz dahin, dass bei divergierenden Äußerungen mit gleichem Beweiswert ausnahmsweise der dienstlichen Stellungnahme des Richters bzw. des Rechtspflegers ein geringerer Beweiswert zukommt, kennt das Gesetz nicht.

    "Dass der Ablehnende nach der klaren Gesetzeslage generell die Last der Glaubhaftmachung trägt (§ 44 Abs. 2 ZPO), ist verfassungsrechtlich unbedenklich."

    "Daher ist ein Richter von einem Verfahren auszuschließen, wenn er diesen Anforderungen nicht genügt oder durch sein Verhalten zumindest begründeten Anlass zu der Besorgnis gibt, er stehe der Sache nicht (mehr) unvoreingenommen gegenüber. Vor dem Hintergrund dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses ist es naheliegend, zumindest aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Last der Glaubhaftmachung demjenigen Verfahrensbeteiligten auferlegt, der den Richter ablehnt. Das gilt auch dann, wenn sich bei miteinander unvereinbaren Schilderungen auch bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände nicht sagen lässt, welche Version die wahrscheinlichere ist."

    "Nicht anders verhält es sich, wenn es - wie hier - um die Ablehnung einer Rechtspflegerin geht. Zwar unterfällt die Tätigkeit eines Rechtspflegers nicht dem Gewährleistungsbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Rechtspfleger sind keine Richter (vgl. nur BVerfGE 101, 397, 405; Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 111/09, WM 2010, 910, 911 mwN). Jedoch hat der Gesetzgeber in Ausübung des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraumes die Ablehnung von Rechtspflegern denselben Anforderungen unterworfen, unter denen ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann (§ 10 Satz 1 RPflG)."

  • OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. 7. 2010 - 12 U 245/09 = NJW-Spezial 2010, 705
    Der Verkehrswert eines Grundstücks wird durch unterschiedliche Faktoren bestimmt. Über diese, etwa Altlasten, muss der Versteigerungs-Rechtspfleger im Rahmen der ihm obliegenden Amtspflichten aufklären.
    Dem Ersteher steht ein Anspruch aus § BGB § 839 BGB i.V. mit Art. GG Artikel 34 GG zu, da der Rechtspfleger im Versteigerungsverfahren ihm obliegende Amtspflichten, die drittschützende Wirkung haben, verletzt hat, indem er jeden Hinweis auf eine Kontaminierung des Grundstücks unterlassen hat. Diese Unterlassung ist kausal für den Schadenseintritt: Denn kontaminierte Grundstücke haben wegen der damit verbundenen Gefahren und Kosten keinen oder nur einen geringen Wert. Sie finden zudem kaum Bietinteressenten. Der Rechtspfleger muss folglich im Versteigerungstermin aktiv über die Belastung des Grundstücks aufklären; auf das Gutachten zu verweisen oder zu hoffen, dass dieses gelesen wurde, genügt nicht. Denn der maßgebliche Verkehrswert ist nach § ZVG § 74a ZVG letztlich durch das Gericht festzustellen.

  • OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. 7. 2010 - 12 U 245/09 = NJW-Spezial 2010, 705
    Der Verkehrswert eines Grundstücks wird durch unterschiedliche Faktoren bestimmt. Über diese, etwa Altlasten, muss der Versteigerungs-Rechtspfleger im Rahmen der ihm obliegenden Amtspflichten aufklären.



    Zur Ergänzung: Die Begründung setzt nicht erst mit der Belehrung im Termin an, sondern bereits bei der Frage, ob und wieweit das Gericht Altlastenhinweisen nachgehen muss.

    "Der Amtsträger hat die Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten, d.h. er hat die ihm übertragenen Aufgaben und Befugnisse im Einklang mit dem objektiven Recht wahrzunehmen (BGH, NJW 1992, 3229). Wenn dem Vollstreckungsgericht bekannt ist, dass Altlasten oder schädliche Bodenveränderungen vorhanden sind oder sein müssen, so hat es die erforderliche Sachaufklärung vorzunehmen (Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 19. Auflage 2009, § 66, 6.2.). Es darf erforderliche Feststellungen nicht allein dem mit der Wertfeststellung beauftragten Sachverständigen überlassen. Feststellung der Tatsachengrundlage ist im zivilgerichtlichen Verfahren Aufgabe des Gerichts selbst (ebda). Hinsichtlich der Ermittlung des Verkehrswerts gem. § 74a Abs. 5 ZVG gilt, dass diese auf eine sachgerechte Bewertung des Grundstücks ausgerichtet sein muss und das Vollstreckungsgericht daher verpflichtet ist, alle den Grundstückswert beeinflussenden Umstände tatsächlicher und rechtlicher Natur sorgfältig zu ermitteln und bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen (BGH, NJW-RR 2006, 1389). Bestehen ernst zu nehmende Anhaltspunkte, dass der Boden eines verunreinigten Grundstücks verunreinigt sein könnte, ist das Gericht deshalb grundsätzlich gehalten, mit sachverständiger Hilfe zu ermitteln, ob eine Kontaminierung vorliegt und wie schwerwiegend diese gegebenenfalls ist. Es muss Verdachtsmomenten nachgehen und alle zumutbaren Erkenntnisquellen über eine etwaige Verunreinigung nutzen (ebda). Dabei gilt, dass bei bestimmten Nutzungen wie bei der Nutzung als Kfz-Reparaturwerkstatt der Altlastenverdacht dem Grundstück gewissermaßen „auf die Stirn geschrieben steht“ (ebda.).

    "Diese Pflichten sind drittschützend für den Erwerber. Der Ersteher darf, selbst wenn ihm keine Mängelgewährleistungsansprüche zustehen, in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, dass das Gericht bei der Festsetzung des Grundstückswerts, die die Grundlage für die Höhe des Gebots bildet, mit der erforderlichen Sorgfalt verfahren ist. Dementsprechend werden in den Schutzbereich der bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks bestehenden Amtspflichten neben den nach § 9 ZVG am Verfahren förmlich Beteiligten auch die Bieter und insbesondere der Meistbietende einbezogen (BGH, NVwZ-RR 2003, 401). In diesem Sinne ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass die Amtspflicht des Versteigerungsgerichts zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Zwangsversteigerungsverfahren auch den Meistbietenden schützt; dieser ist mithin „Dritter" im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB (ebda)."

    Diese Pflichten seien im vorliegenden Fall verletzt worden. Der zuständige Rechtspfleger sei dem Altlastenverdacht aus eines Schreiben des Umweltamtes des Landratsamtes in keiner Weise nachgegangen. Er habe sich weder bemüht, das in einem Schreiben der Gläubigerin ausdrücklich erwähnte Gutachten über eine Gefahrverdachtsermittlung aus dem Jahr 1998 zu besorgen, noch habe er eigene Aufklärungsmaßnahmen eingeleitet. Gerade weil schon wesentliche Gutachtensergebnisse vorgelegen hätten, sei auch nicht ansatzweise zu erkennen, dass diese Sachaufklärung zu teuer gekommen wäre, zumal in der Regel auf weitere Ermittlungen zur Bodenbeschaffenheit nicht unter Hinweis auf hohe Sachverständigenkosten verzichtet werden dürfe (ebda.). Auch bei der Wertermittlung habe sich das Amtsgericht damit begnügt, dass ein Verkehrswert unter völliger Ausklammerung der Altlastenproblematik erstellt wurde. Damit sei weder ein ordnungsgemäßes Verfahren nach § 66 ZVG noch eine ordnungsgemäße Wertermittlung nach § 74a Abs. 5 ZVG durchgeführt worden.

  • Welches das für die Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG maßgebliche Jahr der Beschlagnahme ist, bestimmt sich nach der Vorschrift des § 22 Abs. 1 ZVG; auf diese ist § 167 ZPO nicht entsprechend anwendbar.

    BGH Beschluss vom 22.07.2010, V ZB 178/09

  • Welches das für die Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG maßgebliche Jahr der Beschlagnahme ist, bestimmt sich nach der Vorschrift des § 22 Abs. 1 ZVG; auf diese ist § 167 ZPO nicht entsprechend anwendbar.

    BGH Beschluss vom 22.07.2010, V ZB 178/09


    Danke. Ich habe mich gescheut, die Entscheidung einzustellen, weil der Leitsatz in der NJW-Spezial 2010, 675 sinnentstellend war. Der lautete nämlich (siehe hier für Beck-Online-Nutzer) :
    Das Vorrecht in der Zwangsversteigerung umfasst den Zeitraum ab dem Jahr der Anordnung und die zwei vorangegangenen Jahre. Maßgeblich für die Berechnung ist der Eingang des Antrags bei Gericht.
    Erst aus der eigentlichen Entscheidung wird ersichtlich, dass "Eingang des Antrags bei Gericht" den Eingang des Eintragungsersuchens beim Grundbuchamt meint. :daumenrun

  • Heute im Rpfl.-Heft gelesen:
    OLG München, Beschluss vom 20.07.2010, Az.: 34 WX 63/10

    Im Anwendungsbereich des § 20 GBO müssen Existenz und Identität der erwerbenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie der Vertretungsberechtigung der für sie handelnden Personen in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden (...).

    Aus den Gründen:
    "Im Erwerbsfall ist dem GBA die Existenz der erwerbenden GbR, die Identität einer früher gegründeten GbR mit der erwerbenden GbR und ihre aus dem Gesellschafterbestand folgenden Vertretungsverhältnisse im Zeitpunkt des Vertreterhandelns in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO nachzuweisen (...). Daran ändert die mangelnde Registerpublizität der GbR nichts.
    ...
    Der Senat folgt nicht der Ansicht des OLG Saarbrücken (...), dass die tatsächliche Erklärung von Beteiligten bereits einen ausreichenden Nachweis dafür darstelle, eine GbR mit dem konkret bezeichneten Gesellschafterbestand sei gegründet worden und in dieser Form auch gegenwärtig noch fortbestehend. Die Beweiskraft der notariellen Urkunde umfasst nicht die inhaltliche Richtigkeit der Erklärung.
    ...
    Dass Existenz und Identität der Gesellschaft sowie die Vertretungsberechtigung der für die Gesellschaft handelnden Personen im Anwendungsbereich des § 20 GBO in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden müssen, ist demnach auch die überwiegende Ansicht in der oberlandesgerichtlichen Rechtssprechung.
    ...
    Den dortigen (BGH) Ausführungen (...) entnimmt der Senat, dass bloße Erklärungen von Beteiligten, mögen sie auch zu notarieller Urkunde abgegeben worden sein, nicht den maßgeblichen Nachweis weder als Geständniserklärung für die Existenz und Identität nach als Nachweis für die Vertretung (...) erbringen."

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • BGH: Kein Anspruch des nicht erstehenden Ehegatten auf anteilige Zahlung einer nicht valutierenden Grundschuld gegen den erstehenden Ehegatten

    Ersteigert ein Ehegatte das bis dahin gemeinsame Grundstück der Ehegatten, so kann der weichende Ehegatte vom Ersteher nicht Zahlung des hälftigen Betrags einer in das geringste Gebot fallenden, nicht mehr valutierten Grundschuld verlangen, welche die Ehegatten einem Kreditinstitut zur Sicherung eines gemeinsam aufgenommenen Darlehens eingeräumt hatten. Der weichende Ehegatte ist vielmehr darauf beschränkt, vom Ersteher die Mitwirkung bei der ("Rück-")Übertragung und Teilung der Grundschuld zu verlangen und sodann aus der ihm gebührenden Teilgrundschuld die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu begehren. Auch § 242 BGB eröffnet dem weichenden Ehegatten grundsätzlich keinen weitergehenden Zugriff auf das Vermögen des Erstehers (Fortführung des Senatsurteils vom 13. Januar 1993 - XII ZR 212/90 - FamRZ 1993, 676, 681; Abgrenzung zum Senatsurteil vom 29. November 1995 - XII ZR 140/94 - BGHR BGB § 752 Auseinandersetzung 1).

    BGH, Urteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 11/08

  • 1. Wenn der Zwangsverwalter dem Gericht seine Tätigkeit konkret darlegt und der Zeitaufwand bei überschlägiger Abschätzung plausibel erscheint, kann die abgerechnete Stundenzahl festgesetzt werden, wobei auch die veröffentlichte REFA Studie als Anhaltspunkt für die Plausibilitätsbeurteilung herangezogen werden kann.

    2. Für ein durchschnittliches Verfahren ist die Mittelvergütung mit 75,00 € angemessen.

    3. Ein schwieriges Verfahren (85,00 - 95,00 € je Stunde) ist dann anzunehmen, wenn ausschließlich oder überwiegend rechtliche oder wirtschaftliche Sachverhalte zu beurteilen und Entscheidungen zu treffen und umzusetzen sind.

    4. Ein schwieriges Verfahren ist aber auch dann anzunehmen, wenn mehrere Erhöhungskriterien im Sinne des § 18 Abs. 2 ZwVwV vorliegen. Auch dann ist ein Stundensatz von 85,00 € angemessen.

    LG Braunschweig, Beschl. v. 24. 6. 2010 - 4 T 185/10 (22)

  • 1. Auch zur Sicherung von titulierten Hausgeldforderungen, für die ein Vorrecht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG in Betracht kommt, kann eine unbedingte Zwangshypothek eingetragen werden. (amtlicher Leitsatz)
    2. Der Eintragung einer bedingten Zwangshypothek zur Sicherung von titulierten Hausgeldforderungen, für die ein Vorrecht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG in Betracht kommt, steht der grundbuchrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz entgegen. (amtlicher Leitsatz)
    Normenkette: ZPO § 866; ZPO § 867; ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 2; GBO § 16 Abs. 1

    OLG Stuttgart: Beschluss vom 04.11.2010 - 8 W 83/10

  • a) Die Zwangsverwaltung des Grundstücks einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts darf nur angeordnet werden, wenn deren Gesellschafter sämtlich aus dem Titel hervorgehen und mit den im Grundbuch eingetragenen Gesellschaftern übereinstimmen. Hinsichtlich der Gesellschafter gilt § 1148 Satz 1 BGB entsprechend.

    b) Veränderungen im Gesellschafterbestand sind durch eine Rechtsnachfolgeklausel analog § 727 ZPO nachzuweisen.

    c) Der erweiterte öffentliche Glaube des Grundbuchs nach § 899a BGB bezieht sich nur auf die Gesellschafterstellung, nicht auf die Geschäftsführungsbefugnis.

    BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 84/10 -

  • Nur für den Fall, dass sich vielleicht doch noch jemand für Gesellschaften interessiert:
    Prinz hat eine Entscheidung im GB-Forum verlinkt, die sich zum Erwerb durch Zuschlag äußert:

  • Prinz hat eine Entscheidung im GB-Forum verlinkt, die sich zum Erwerb durch Zuschlag äußert:

    Entscheidung des OLG Köln zur GbR vom 29.11.2010 -2 Wx 26/10-
    Der Erwerb von Grundeigentum durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren vollzieht sich außerhalb des Grundbuchs; die Umschreibung des Eigentums ist hier eine Berichtigung. Mithin hat das Vollstreckungsgericht vor der Erteilung des Zuschlags an eine Gesellschaft bürgerlichen rechts zu prüfen, ob sie existiert und wie sie vertreten wird.

    http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koel…ss20101129.html


    Danke für diesen Hinweis. In den Entscheidungsgründen heißt es:
    "Wenn hierbei in der Praxis der Vollstreckungsgerichte, die durch den in
    der Beschwerdeschrift ohne Nachweis genannten Einzelfall allerdings noch
    nicht belegt ist, ein anderer Maßstab angelegt werden sollte, als nach den
    §§ 20, 29 GBO im Falle der Umschreibung nach Auflassung geboten ist, mag
    auch dies Folge der Unsicherheit sein, die in der Praxis als Folge der
    oben bezeichneten Entscheidungen des II. und des V. Zivilsenats des
    Bundesgerichtshofs zur Rechts- und zur Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft
    bürgerlichen Rechts eingetreten ist, eröffnet aber nicht die Möglichkeit,
    von der Anwendung der Bestimmungen der §§ 20, 29 GBO in den von diesen
    Bestimmungen geregelten Fällen abzusehen."
    :D Da ich im ZVG einen Verweis auf §§ 20, 29 GBO in der Tat noch nicht entdeckt habe, bleibt es beim § 71 Abs. 2 ZVG.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!