§ 850c IV ZPO: rückwirkende Anordnung möglich?

  • Hallo! Ich habe mal wieder ein Problem mit einem Antrag nach § 850c IV ZPO: Das Verfahren befindet sich in der WVP. Der TR beantragt nach § 850c IV ZPO, dass ein Kind des Sch. in einem Zeitraum in der Vergangenheit als UHB unberücksichtigt bleibt (für einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten). Anscheinend hat der TR erst nachträglich erfahren, dass der Sohn des Sch. in diesem Zeitraum über eigene Einkünfte verfügte. Geht das? Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass Beschlüsse nach § 850 ff. immer erst ab Antragstellung wirksam werden können. Ich habe dazu aber leider in der Literatur nichts gefunden.

  • ich finde da auf die Schnelle auch nichts, aber was wäre denn die Konsequenz, nachdem der Arbeitgeber das Gehalt ausgezahlt und der Schuldner ausgegeben hat ?

    ich habe hier IX ZB 249/08, bei welcher ausgeführt ist, dass keine Rückwirkung bestimmt wurde, obwohl beantragt...

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  • Ein bißchen was steht im Stöber: Forderungspfändung unter Rn. 1073. Danach kann für noch nicht ausbezahltes Arbeitseinkommen rückwirkend angeordnet werden. Ansonsten ist der Drittschuldner aber vor einer rückwirkenden Entscheidung geschützt. Ist ja auch richtig so. Der kann ja nicht einfach etwas ohne Rechtsgrund einbehalten.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Moin, ich glaube eine Rückwirkung geht ausnahmsweise doch. M.E. stehts versteckt im Zöller. Wenn ich mich nicht irre. Die Fundstelle wird morgen gleich nach Dienstbeginn nachgliefert;)

  • nun sei mal dahingestellt, was in vermeintlich schlauen Kommentaren steht:
    Pfändgungs- bzw. Insolvenzbeschlag wird durch die Entscheidung nach § 850c IV ZPO konkretisiert. Die Wirkung der Entscheidung kann nur auf noch nicht ausgezahltes AE eintreten. Grund: vorher war es so, wie es war; jetzt wird konkretisiert, wär hätte die Konkretisierung vorausschauen können.... (hauptschülerlogik !)
    Juristisch: die Pfändungs- bwz. Insolvenzbeschlagswirkung wird ausgedehnt. Dies ist konstitutiv und kann vor Erlass nicht zurückwirken (Juristenlogik).
    Was folgt daraus: Hauptschule und Jura: gleiches Ergebnis !

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
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    :daumenrau

  • Wie Def. schreibt, ist eine Rückwirkende Anordnung nur dann und dafür sinnvoll, wenn das Arbeitseinkommen noch nicht (vollständig) ausgezahlt ist. Insbesondere dann, wenn aufgrund des Antrages eine einstweilige Einstellung angeordnet wurde.

    Eine Rückwirkung vor den Antrag ist schon gar nicht möglich.

    Hatten wir hier auch schon mal und ich habe in #2 einige Entscheidungen angegeben.

    Für den Arbeitgeber stellt sich natürlich dabei noch die Frage, wie zu verfahren ist, wenn er Arbeitseinkommen für die Zeit vor der Wirksamkeit der Anordnung nachzahlt.

    Hier will der TH aber scheinbar den Schuldner zur Kasse bitten und ihm vielleicht notfalls mit § 295 InsO drohen :confused:

  • In einem alten Zöller (24. Aufl., 2004) steht in Rn. 16: Der Beschluss muss ersehen lassen, ob ihm Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Pfübs oder auf einen anderen Zeitpunkt zukommen soll. Den Drittschuldner berührt das allerdings nicht, soweit er schon gezahlt hat.
    Lt. OLG Köln, Rpfl. 1998, S. 419 darf eine Rückwirkung nicht für solche Zeiträume festgestellt werden, für die feststeht, dass der DS bereits gezahlt hat.
    Die Entscheidung des OLG Köln macht in der ZV durchaus Sinn. Hat der DS noch nichts bezahlt, kann die Höhe des pfändbaren Betrages noch geändert werden. Hat der DS schon bezahlt ist eine Rückwirkung unzulässig. Aber auf ein Insolvenzverfahren bezogen passt das nicht. Ich gehe stark davon aus, dass der Arbeitgeber bereits an den Sch. ausgezahlt hat. Der Tr hat den Antrag gestellt, weil er nachträglich erfahren hat, dass ein UHB eigene Einkünfte hatte. Der Tr will damit anscheinend erreichen, dass der Sch. den Differenzbetrag nachträglich zahlt. Ist da zulässig? Wenn ich mir die von LFDC zitierte BGH-Entscheidung ansehe, denke ich, dass es nicht zulässig ist. Hier wird zunächst nicht gerügt, dass in der Vorinstanz ein Beschluss nach § 850c IV mit Wirkung erst ab Antragstellung erlassen worden ist. Außerdem heißt es an anderer Stelle (Rn. 16), dass "ein verspätet erwirkter Beschluss nach § 850c IV" kein Versagungsgrund darstellt. Wenn der BGH der Ansicht wäre, dass eine Rückwirkung möglich wäre, hätte er an dieser Stelle anders argumentiert. Auch mit § 295 kann dem Schuldner nicht gedroht werden, weil sich aus der zuvor zitierten BGH-Entscheidung ergibt, dass das Verschweigen von Einkünften eines Unterhaltsberechtigten kein Versagungsgrund ist. Ich werde daher zunächst dem Tr mitteilen, dass ich eine Rückwirkung als nicht zulässig erachte. Vielen Dank für eure Hilfe!

  • Die Vermutung lag nahe, ich wollte sie nur nicht laut aussprechen. So´n bissi "Dudu" wirkt manchmal Wunder.

    Außerdem hat der Schuldner etwas verschwiegen und das ist allemal ein böses "Dudu" wert! Da wären nämlich sich drei Monate früher Beträge an die Masse zu zahlen gewesen, wenn der TH das früher gewusst hätte.

  • Dann hätte ich jetzt auch mal eine Frage:

    Reicht es zu, wenn ich einen Antrag stelle, dass der Unterhaltsberechtigte ganz bzw. teilweise unberücksichtigt bleibt. Oder kann das Gericht verlangen, dass ich den genauen Umfang der Nichtberücksichtigung (ein Drittel / ein Halb) angebe?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • @Jamie

    Jetzt übertreib mal nicht so :D

    Wenn es nur ein Gelegenheitsjob ist, dann dürfte es wohl kaum drei Monate vorher bekannt gewesen sein. Es ist auch nicht erkennbar was Sohneman verdient hat, vielleicht ist es ja wirklich nur ein Ferienjob bis zum Beginn der Studiums gewesen, bei dem der "Kleine" sich ein paar Euros verdient hat.

    Nicht immer gleich alle Schuldner schuldig sprechen, dass sie was verheimlicht haben sollen.

    @ Gegs

    Die Auskunft gibt § 850c Abs. 4 ZPO ...so kann das Vollstreckungsgericht nach billigem Ermessen ....

  • @ Coverna:

    Nicht so auf der armen Jamie rumhacken. Ohne das man es will, radikalisiert man in dem Job. Es mag sein, dass es nicht mehr unredliche Schuldner gibt als redliche Insolvenzschuldner. Aber die Unredlichen bleiben bei einem haften. Wenn man - wie ich - den Job erst mal 8 Jahre macht, verliert man das Vertrauen in die Menschheit.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • @ Coverna:

    Nicht so auf der armen Jamie rumhacken.



    ;)
    Ich gehe schlicht davon aus, dass der Verwalter gute Gründe hat, den Antrag rückwirkend zu stellen. Auf sowas kommt man nämlich erst, wenn der Kragen geplatzt ist.

  • Ich habe nicht und wollte nicht auf einem rumhacken, deswegen auch der hier :D.

    Natürlich gibt es für viele Dinge gute Gründe, für andere halt eben auch nur einfache Erklärungen.

    Es ist weder das eine noch das andere bekannt. Deswegen war auch meine Frage nach der Höhe des Einkommes um das es hier geht. Vielleicht erkennt man dann auch den Umfang des Verschweigens.....

  • @ Coverna:

    Nicht so auf der armen Jamie rumhacken. Ohne das man es will, radikalisiert man in dem Job. Es mag sein, dass es nicht mehr unredliche Schuldner gibt als redliche Insolvenzschuldner. Aber die Unredlichen bleiben bei einem haften. Wenn man - wie ich - den Job erst mal 8 Jahre macht, verliert man das Vertrauen in die Menschheit.


    eine verdammt starke Äußerung !
    Eine zunehmende Rigidität stell ich auch bei mir fest. Beim "Gerichtsmenschen" führt dies dann schon zur Ambivalenz. Letztere darf in der Rechtsanwendung nur jurisitsch begründet gelöst werden. Der Rest bleibt aber bei einem selber.....
    Den VerwalteInnen, die auch noch eine Ambivalenz wahrnehmen: meine Hochachtung !

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Ich hab ja schon - bevor ich in die Inso-SB wechselte - 14 Jahre in einer Kanzlei gearbeitet, die zwei Insolvenzverwalter "beherbergte" und hab als Rechtsanwaltsfachangestellte den Forderungseinzug für die Massen mitgemacht.

    Und "meine" Verwalterin war echt ein harter Hund, hat jeden Schuldner als persönlichen Feind betrachtet. Selbst in der WVP wurden alle drei Monate die Akten vorgelegt und die Schuldner aufgefordert, Einkommensnachweise rüberzuschieben (ohne Überwachungsauftrag). Und wenn die Belege nicht binnen 14 Tagen da waren, gab es die Info ans Gericht.

    Wenn der zuständige Inso-SB wegen Arbeitsüberlastung es nicht schaffte, das Mahnschreiben rechtzeitig vorzubereiten, hat sie es abdiktiert und ich durfte es dann vom Band tippen.

    Ich musste wirklich erstmal begreifen, dass das alles nicht notwendig ist und hier zurückfahren. Ich dachte, das wäre ein Muss, jetzt weiß ich: Die Frau hatte einfach Hass aufgebaut in all den Jahren ihrer Verwaltertätigkeit - auf sämtliche Schuldner, warum auch immer.

    Ich bin im Nachhinein wirklich entsetzt darüber, was da abging, ohne dass es erforderlich war.

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