Ermittlung des pfändb. Betrages nach den Grundsätzen der Billigkeit im RSB-Verfahren

  • Ich habe mal wieder mal ein Problem aus der Praxis eines Drittschuldners.

    Wir als Rentenversicherungsträgers haben eine Witwenrentenabfindung nach § 107 SGB VI festgestellt. Dabei handelt es sich um eine einmalige Sozialleistung. Die Schuldnerin befindet such derzeit in der Wohlverhaltensphase.

    Es stellt sich für uns nun die Frage, ob diese Witwenrentenabfindung unter das Abtretungsgebot nach § 287 Abs. 2 S. 1 InsO fällt.
    Nach dem Wortlaut des § 287 Abs. 2 S. 1 InsO sind nur Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge abzutreten. Die Witwenrentenabfindung wird aber gerade nicht als wiederkehrende Leistung gezahlt und zählt daher nicht zu den laufenden Geldleistungen.

    Wie seht ihr das? Kann ich die Witwenrentenabfindung an die Schuldnerin auszahlen?
    .

  • Schau mal in BGH IX ZR 139/99. Abfindungen sind im Grundsatz wie laufendes Einkommen zu behandeln.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Mit dem Urteil habe ich so meine Schwierigkeiten, schließlich handelt es sich bei der Witwenrentenabfindung um eine einmalige Sozialleistung und nicht um eine anlässlich der Beendigung eines Arbeitsvertrages gezahlte Abfindung.

  • Danke für den Hinweis. Sehr aufschlussreich. Allerdings bin ich anderer Meinung.

    Die sozialrechtliche Unterscheidung zwischen der Übertragung von Ansprüchen auf einmalige Geldleistungen und von Ansprüchen auf laufende Geldleistungen wird durch die für das Sozialrecht bestehenden Vorschriften der §§ 53, 54 SGB I in die insolvenzrechtlichen Regelungen übertragen, denn nur Forderungen auf laufende Bezüge, die an die Stelle der
    Dienstbezüge treten, werden von der Abtretungserklärung erfasst. Für die Ansprüche auf
    Sozialleistungen ist aufgrund ihres besonderen Sicherungsziels und der für sie geltenden speziellen Abtretungsregelung eine eigenständige Beurteilung erforderlich, da die Abtretung von Sozialleistungen nach § 53 SGB I und nicht nach § 400 BGB zu bemessen ist (FK, Ahrens, § 287 Rz 36). Dies bedeutet, dass für die Frage, welche Geldleistungen einmaligen oder laufenden Charakter haben, § 53 Abs. 3 SGB I heranzuziehen ist. Laufende
    Geldleistungen betreffen danach alle Ansprüche, die auf wiederkehrende Zahlungen gerichtet sind und regelmäßig durch einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gewährt werden. Die Witwerrentenabfindung nach § 107 SGB VI wird geradenicht als regelmäßig wiederkehrende Leistung gezahlt und zählt daher

    nicht zu den laufenden Geldleistungen.
    Selbst wenn man argumentieren würde, dass ausgehend von dem Monatsbetrag derAbfindung ein pfändbarer Anteil zu bestimmen sei, ergäbe sich dadurch kein pfändbarerBetrag. Die Abfindungen in Höhe ihres monatlichen Anteils sind regelmäßig nicht höher als der nach der Tabelle zu § 850c ZPO unpfändbare Betrag.
    Auch die Obliegenheit des Schuldners nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, Vermögen zur Hälftean den Treuhänder herauszugeben, betrifft nur Vermögen, dass von Todes wegen geerbt wurde und erfasst nicht die Witwerrentenabfindung.
    Die Vorschriften der §§ 287 Abs. 2, 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO regeln abschließend die Einkommen und Vermögen, die der Schuldner während der Wohlverhaltensphase abzutreten bzw. herauszugeben hat.
    Die Witwerrentenabfindung wird von keiner der beiden Vorschriften erfasst und ist daher m. E. an den Berechtigten auszuzahlen.

  • Danke für den Hinweis. Sehr aufschlussreich. Allerdings bin ich anderer Meinung.

    Die sozialrechtliche Unterscheidung zwischen der Übertragung von Ansprüchen auf einmalige Geldleistungen und von Ansprüchen auf laufende Geldleistungen wird durch die für das Sozialrecht bestehenden Vorschriften der §§ 53, 54 SGB I in die insolvenzrechtlichen Regelungen übertragen, denn nur Forderungen auf laufende Bezüge, die an die Stelle der
    Dienstbezüge treten, werden von der Abtretungserklärung erfasst. Für die Ansprüche auf
    Sozialleistungen ist aufgrund ihres besonderen Sicherungsziels und der für sie geltenden speziellen Abtretungsregelung eine eigenständige Beurteilung erforderlich, da die Abtretung von Sozialleistungen nach § 53 SGB I und nicht nach § 400 BGB zu bemessen ist (FK, Ahrens, § 287 Rz 36). Dies bedeutet, dass für die Frage, welche Geldleistungen einmaligen oder laufenden Charakter haben, § 53 Abs. 3 SGB I heranzuziehen ist. Laufende

    Geldleistungen betreffen danach alle Ansprüche, die auf wiederkehrende Zahlungen gerichtet sind und regelmäßig durch einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gewährt werden. Die Witwerrentenabfindung nach § 107 SGB VI wird geradenicht als regelmäßig wiederkehrende Leistung gezahlt und zählt daher

    nicht zu den laufenden Geldleistungen.

    Selbst wenn man argumentieren würde, dass ausgehend von dem Monatsbetrag derAbfindung ein pfändbarer Anteil zu bestimmen sei, ergäbe sich dadurch kein pfändbarerBetrag. Die Abfindungen in Höhe ihres monatlichen Anteils sind regelmäßig nicht höher als der nach der Tabelle zu § 850c ZPO unpfändbare Betrag.
    Auch die Obliegenheit des Schuldners nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, Vermögen zur Hälftean den Treuhänder herauszugeben, betrifft nur Vermögen, dass von Todes wegen geerbt wurde und erfasst nicht die Witwerrentenabfindung.
    Die Vorschriften der §§ 287 Abs. 2, 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO regeln abschließend die Einkommen und Vermögen, die der Schuldner während der Wohlverhaltensphase abzutreten bzw. herauszugeben hat.
    Die Witwerrentenabfindung wird von keiner der beiden Vorschriften erfasst und ist daher m. E. an den Berechtigten auszuzahlen.



    Das wie ist ja dann eine andere Sache (wie schon rainer--> 850i ZPO). Aber ich meine auch, dass das "ob" sehr eindeutig ist...

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  • Ich glaub, ich brauch ne Brille. :D



    Ich bin schon Brillenträger :wechlach:

    Ich denke aber immer noch, dass es sich bei der Witwenrentenabfindung nicht um eine Abfindung i. S. d. BGH-Urteils handelt. Es ist eine Sozialleistung und hat einen ganz anderen Charakter als eine Abfindung wegen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.:gruebel:

    Na ja, seis drum....mal sehen, ob der Schuldner sich beschwert, wenn wir die Abfindung an den TH auszahlen.

  • Hm,
    also mir kommen da schon etwas Zweifel daran, dass diese Abfindung der Abtretungserklärung unterfällt.
    Hier sollte mal auf die Rechtsnatur der Abfindung geschaut werden (hab grad keinen entsprechenden Kommentar zum SGB VI zur Hand).
    Mit einer Auszahlung - egal an wen - wäre ich erstmal vorsichtig.
    Grund: unterfällt es der Abfindung, wäre eine Auszahlung an die Schuldnerin fatal. Unterfällt die Abfindung nicht der Abtretung, wäre eine Auszahlung an den Treuhänder auch nicht so günstig.
    Gleiches dann, wenn er der Abtretung unterfiele, aber ein Antrag nach § 850i eröffnet wäre (oki, dass der Anspruch in diesem Falle durch Leistung untergegangen ist, ist eine andere Baustelle - die sich m.E. umschiffen lässt.)
    Das Prob wäre dann, dass m.E. nur ein bereichungsrechtlicher Anspruch gegen "die Masse" bestünde. Dieser geht aber den Kosten und ggfls. anderen nicht im Verfahren erfüllten Masseschuldansprüchen nach.
    Möglicherweise wäre es vorliegend angeraten, der Schuldnerin die Abfindungshöhe mitzuteilen und dass beabsichtigt ist, diese dem Treuhänder zur Auszahlung zu bringen, da davon ausgegangen wird, dass sie der Abtretung unterfällt. Reagiert die Schuldnerin nicht binnen angemessener Frist, sollte dies risikomindernd sein.
    Oder man stellt sich auf den Standpunkt: ich weiß nicht, wo es hin soll und hinterlegt :D

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau



  • Aber es ist doch die Wohlverhaltensperiode, oder?! Nur dann gilt doch die Abtretungserklärung. Und dann gibt es doch keine Masseverbindlichkeiten etc.?

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  • Also...ich habe noch einen Lösungsansatz: ;)

    Nach § 292 Abs. 1 S. 3 InsO gilt § 36 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 InsO enstprechend. D.h. die Vorschriften der ZPO. die den Umfang der Pfändbarkeit des Arbeitseinkommens bestimmen, gelten auch in der Wohlverhaltensphase. § 36 Abs. 1 S. 2 verweist auch auf § 850i ZPO. Zu den Vorschriften, die von § 850i ZPO erfasst werden, zählt auch § 54 SGB I. Folglich zählen einmalige Sozialleistungen, wie z.B. eine Witwenrentenabfindung oder auch eine Beitragserstattung (§ 210 SGB VI) nur dann zum pfänbaren Einkommen, wenn es der Billigkeit entspricht. Für diese Prüfung ist dann das Insolvenzgericht zuständig (§ 36 Abs. 4 S. 1 InsO).

  • Mosser: bezüglich etwaig bisher gestundeter - und aus der Landeskasse auch verauslagter - Kosten bis Ende Hauptverfahren schon; desweiteren hat der BGH in der Entscheidung zur vorzeitigen Erteilung der RSB die vorzugsweise Berücksichtigung sonstiger Masseverbindlichkeiten auch für die Rest- WVP klargestellt (zurecht ! hab ich stets - aber wie so oft bis dahin als Mini :D - Meinung vertreten)

    @ Schnuffi: da gingen meine Gedanken hin. Nur als Drittschuldner biste nicht antragsbefugt. Du kannst nur leisten oder hinterlegen (oder einvernehmlich die Leistung erstmal zurückhalten).

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  • [QUOTE=Defaitist;658103
    @ Schnuffi: da gingen meine Gedanken hin. Nur als Drittschuldner biste nicht antragsbefugt. Du kannst nur leisten oder hinterlegen (oder einvernehmlich die Leistung erstmal zurückhalten).[/QUOTE]

    Ja, hört sich gut an --- werde die Witwenrentenabfindung einbehalten, bis eine Entscheidung des Insolvenzgerichtes vorliegt.

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