Rechtskraft einer Genehmigung

  • Nachstehende Entscheidung ist zwar zum Nachlassrecht ergangen, hat aber die gleiche Bedeutung für das Betreuungsrecht:

    OLG Hamm, 7.9.2010 - 15 W 111/10
    FamFG §§ 41 Abs. 3, 63 Abs. 3, 276, 340 Abs. 1

    Rechtskraft nachlassgerichtlicher Genehmigung bei fehlender formeller Beteiligung eines materiell Betroffenen (Verfahrenspfleger für die unbekannten Erben)

    1) Im Verfahren zur nachlassgerichtlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäfts des Nachlasspflegers muss den unbekannten Erben ein Verfahrenspfleger bestellt werden.
    2) Die Versäumung der ordnungsgemäßen Beteiligung der unbekannten Erben durch Bestellung eines Verfahrenspflegers hindert den Eintritt der formellen Rechtskraft der erteilten Genehmigung im Anschluss an deren Zustellung an den Nachlasspfleger nicht.


    Aus den Gründen zur Fristberechnung:

    Der Genehmigungsbeschluss vom 16.10.2009 ist am selben Tag zugestellt worden und daher mit Ablauf des 30.10.2009 rechtskräftig geworden. Der Genehmigungsbeschluss vom 26.11.2009 ist am 27.11.2009 zugestellt worden und daher mit Ablauf des 11.12.2009 rechtskräftig geworden.

    Frage: Stimmt diese Fristberechnung ?

  • Entscheidung hier:

    http://www.dnoti.de/DOC/2010/15w111_10.pdf

    Gründe:

    I.

    Als Eigentümer des im Rubrum genannten Grundbesitzes ist der am 15.11.2008 verstorbene G im Grundbuch eingetragen. Für dessen unbekannte Erben wurde der Beteiligte zu 1) zum Nachlasspfleger bestellt; sein Wirkungskreis umfasst die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses.

    Durch notariellen Vertrag vom 08.10.2009 (UR-Nr. ##1/2009 des Notars J) verkaufte der Beteiligte zu 1) den Grundbesitz an den Beteiligten zu 2); in § 9 des Kaufvertrags bewilligte der Beteiligte zu 1) und beantragte der Beteiligte zu 2) die Eintragung einer Erwerbsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 2). Durch Beschluss vom 16.10.2009 genehmigte das Nachlassgericht die in der vorgenannten Urkunde enthaltenen Erklärungen des Beteiligten zu 1). Mit Schreiben vom 19.10.2009 beantragte der Notar die Eintragung der Erwerbsvormerkung.

    Unter Berufung auf eine ihm in § 7 des Kaufvertrags erteilte Belastungsvollmacht bestellte der Beteiligte zu 2) durch notarielle Urkunde vom 13.11.2009 (UR-Nr. ##2/2009 des Notars J) an dem Kaufobjekt eine Grundschuld mit dinglicher Zwangsvollstreckungsunterwerfung. Mit Schreiben vom 16.11.2009 beantragte der Notar die Eintragung der Grundschuld. Aufgrund einer Zwischenverfügung des Grundbuchamtes stimmte der Beteiligte zu 1) durch notariell beglaubigte Erklärung vom 24.11.2009 (UR-Nr. ##3/2009 des Notars J = Bl. 50 der Akte 15 VI 293/08 AG Bad Oeynhausen) der Grundschuldbestellung zu. Die Erklärungen des Beteiligten zu 1) in der Urkunde vom 24.11.2009 wurden durch Beschluss vom 26.11.2009 nachlassgerichtlich genehmigt.

    Die Genehmigungsbeschlüsse des Nachlassgerichts sind mit Rechtskraftvermerken versehen.

    Durch Zwischenverfügung vom 20.01.2010 hat das Grundbuchamt in der Sache zuletzt noch beanstandet, dass das Nachlassgericht im nachlassgerichtlichen Genehmigungsverfahren keinen Verfahrenspfleger für die unbekannten Erben bestellt hat; die nachlassgerichtlichen Genehmigungen seien deshalb entgegen den erteilten Rechtskraftbescheinigungen noch nicht rechtskräftig. Hiergegen wenden sich die Beteiligten mit ihrer Beschwerde.

    II.

    Die Beschwerde ist nach den §§ 71 ff. GBO zulässig und begründet.

    Die Beanstandung des Grundbuchamtes in der Zwischenverfügung vom 20.01.2010 ist im Ergebnis nicht berechtigt.

    Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Grundbuchamtes, dass die nachlassgerichtlichen Genehmigungsbeschlüsse nach §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1, 1915 Abs. 1 S. 1, 1962 BGB erst mit ihrer Rechtskraft wirksam werden (§§ 40 Abs. 2, 45 FamFG).

    Richtig ist auch, dass das nachlassgerichtliche Genehmigungsverfahren verfahrensfehlerhaft war, weil das Nachlassgericht für die unbekannten Erben einen Verfahrenspfleger hätte bestellen müssen. Gemäß § 41 Abs. 3 FamFG ist ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, bekannt zu geben. Dieses sind hier die unbekannten Erben. Deshalb muss das Nachlassgericht für diese gemäß §§ 340 Nr. 1, 276 Abs. 1, S. 1 FamFG einen Verfahrenspfleger bestellen und auch ihm den Genehmigungsbeschluss bekannt geben (Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 1960, Rz. 14; Zimmermann in Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 345, Rz. 83; derselbe, Die Nachlasspflegschaft, 2. Aufl., Rz. 520 und 526; derselbe, Das neue FamFG, Rz. 666; derselbe, ZEV 2009, 53, 57; derselbe, Rpfleger 2009, 437, 440; Heinemann, DNotZ 2009, 6, 17/26; a.A. Münchener Kommentar zum BGB/Leipold, 5. Aufl. § 1960, Fußnote 3 zu Rz. 103, 104). Der Nachlasspfleger kann im Genehmigungsverfahren die Interessen der unbekannten Erben nicht wahrnehmen; die Regelung des § 41 Abs. 3 FamFG beruht gerade darauf, dass der um Genehmigung nachsuchende Vertreter das rechtliche Gehör für den Vertretenen nicht vermitteln kann, weil es um die Überprüfung seines eigenen Handelns geht und deshalb die erforderliche Objektivität nicht gewährleistet ist (BT-Drucksache 16/6308, S. 197 unter Hinweis auf BVerfGE 101, 397, 406; Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 41, Rz. 4; Palandt/ Edenhofer a.a.O.; vgl. auch KG, NJW-RR 2010, 1087 ff. = FamRZ 2010, 1171 ff.).

    Entgegen der Ansicht des Grundbuchamtes verhinderte der von dem Nachlassgericht begangene Verfahrensverstoß aber nicht den Eintritt der Rechtskraft der Genehmigungsbeschlüsse. Materiell Betroffene, die am erstinstanzlichen Verfahren nicht formell beteiligt worden sind, können nur solange fristgemäß Beschwerde einlegen, bis die Frist für den letzten tatsächlich Beteiligten abgelaufen ist; damit tritt im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit die Rechtskraft der Entscheidung mit Ablauf der Rechtsmittelfrist für den letzten der im erstinstanzlichen Verfahren hinzugezogenen Beteiligten ein (BT-Drucksache 16/9733, S. 289; Sternal in Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 63, Rz. 44; Unger in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, § 63, Rz. 20; Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl., § 63, Rz. 6; Koritz in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., Bd. 4, § 63 FamFG, Rz. 7; a.A. Abramenko in Prütting/Helms, FamFG, § 63, Rz. 7). An dem nachlassgerichtlichen Genehmigungsverfahren war hier nur der Beteiligte zu 1), vertreten durch den bevollmächtigten Notar, formell beteiligt. Die Beschwerdefrist betrug gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 FamFG zwei Wochen ab der schriftlichen Bekanntgabe der Beschlüsse. Der Genehmigungsbeschluss vom 16.10.2009 ist dem Notar am selben Tag zugestellt worden und daher mit Ablauf des 30.10.2009 rechtskräftig geworden. Der Genehmigungsbeschluss vom 26.11.2009 ist dem Notar am 27.11.2009 zugestellt worden und daher mit Ablauf des 11.12.2009 rechtskräftig geworden.

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    Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich.

    Zum einen fehlt schon jede Auseinandersetzung mit der Frage, ob statt eines Verfahrenspflegers wegen der gebotenen Vertretung durch einen gesetzlichen Vertreter nach bürgerlichem Recht nicht ein Ergänzungspfleger hätte bestellt werden müssen, was bekanntlich vom Kammergericht und vom OLG Oldenburg in Familiensachen bejaht wird. Zum anderen wurde bei der Rechtskraftfrage übersehen, dass der Nachlasspfleger bei der anregungsgemäßen Erteilung der Genehmigung für sein eigenes Vertreterhandeln überhaupt nicht beschwert ist.

    Alles in allem demnach eine sehr bedenkliche Entscheidung.

  • Ich schließe mich Cromwell an.

    Aber nochmals:
    Aus den Gründen zur Fristenberechnung:
    Der Genehmigungsbeschluss vom 16.10.2009 ist am selben Tag zugestellt worden und daher mit Ablauf des 30.10.2009 rechtskräftig geworden. Der Genehmigungsbeschluss vom 26.11.2009 ist am 27.11.2009 zugestellt worden und daher mit Ablauf des 11.12.2009 rechtskräftig geworden.
    Frage: Stimmt diese Fristenberechnung ?

  • Nach meiner Ansicht sind die Fristen zutreffend berechnet.

    Die beiden Bekanntgabezeitpunkte fielen jeweils auf einen Freitag. Damit begann die Frist am jeweils darauffolgenden Samstag um 0.00 Uhr und sie endete jeweils zwei Wochen danach am Freitag, 24.00 Uhr. Das waren der 30.10. bei der ersten und der 11.12. bei der zweiten Genehmigung (§ 63 Abs.3 S.1 FamFG, § 16 Abs.2 FamFG, § 222 Abs.1 ZPO, §§ 187 Abs.1, 188 Abs.2 Alt.1 BGB).

  • Dann hättest Du jeweils eine Frist von zwei Wochen und einem Tag und Du wärst bei Fristende darüber hinaus jeweils an einem Samstag.

    Wenn die Frist jeweils am Samstag, 0.00 Uhr, beginnt und am übernächsten Freitag um 24.00 Uhr endet, dann sind das genau zwei Wochen. 30.10. und 11.12. stimmt also.

    Dass der Nachlasspfleger kein Rechtsschutzinteresse für ein Beschwerderecht hat, folgt im übrigen daraus, dass er von der rechtskräftigen Genehmigung keinen Gebrauch i.S. des § 1829 Abs.1 S.2 BGB machen muss (Keidel/Meyer-Holz § 59 Rn.45).

  • vgl. o.a. Entscheidung: Der Genehmigungsbeschluss vom 16.10.2009 ist am selben Tag zugestellt worden und daher mit Ablauf des 30.10.2009 rechtskräftig geworden.

    Was steht dann im Rechtskraftzeugnis ?
    Rechtskräftig seit Ablauf des 30.10.2009 ? Ist das nicht der 31.10. 00Uhr ?

  • Zum anderen wurde bei der Rechtskraftfrage übersehen, dass der Nachlasspfleger bei der anregungsgemäßen Erteilung der Genehmigung für sein eigenes Vertreterhandeln überhaupt nicht beschwert ist.



    Heißt das, dass die Rechtsmittelfrist für den nicht beschwerten Beteiligten nicht abzuwarten sei?

    Dem ist meines Wissen nicht so. Bei der Frage der Erteilung des Rechtskraftzeugnisses kommt es allein darauf an, ob für einen Beteiligten ein RM statthaft ist. Ob dies im übrigen zulässig ist, die Beschwerdesumme erreicht oder es hätte zugelassen werden müssen, was nicht erfolgt ist, ist unerheblich. Auch in offensichtlichen unzulässigen Fällen ist für den Beteiligten , für welchen ein RM statthaft ist, die RM-frist abzuwarten. Erst dann tritt RK ein.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Zum anderen wurde bei der Rechtskraftfrage übersehen, dass der Nachlasspfleger bei der anregungsgemäßen Erteilung der Genehmigung für sein eigenes Vertreterhandeln überhaupt nicht beschwert ist.



    Heißt das, dass die Rechtsmittelfrist für den nicht beschwerten Beteiligten nicht abzuwarten sei?

    Dem ist meines Wissen nicht so. Bei der Frage der Erteilung des Rechtskraftzeugnisses kommt es allein darauf an, ob für einen Beteiligten ein RM statthaft ist. Ob dies im übrigen zulässig ist, die Beschwerdesumme erreicht oder es hätte zugelassen werden müssen, was nicht erfolgt ist, ist unerheblich. Auch in offensichtlichen unzulässigen Fällen ist für den Beteiligten , für welchen ein RM statthaft ist, die RM-frist abzuwarten. Erst dann tritt RK ein.




    Dem stimme ich zu.

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