Rechtsprechungshinweise Fächerübergreifende Themen

  • Die richterliche Hinweispflicht soll den Beteiligten Schutz und Hilfestellung geben, ohne deren Eigenverantwortung zu beseitigen. Inhalt und Umfang der richterlichen Hinweispflicht hängen von der Sach- und Rechtslage des einzelnen Falles sowie von der Mitwirkung und den individuellen Möglichkeiten der Beteiligten ab. Ist ein Kläger rechtskundig vertreten, bedarf es eines richterlichen Hinweises regelmäßig in solchen Fällen nicht, in denen der Prozessgegner bereits auf die gegen die Erfolgsaussichten sprechenden Gesichtspunkte hingewiesen hat. Denn bei einer solchen Sachlage muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass das Gericht den Hinweisen des Prozessgegners folgt.

    BFH, Beschluss vom 14.2.2012, X S 1/12

  • ZPO § 519

    Die beglaubigte Abschrift einer Berufungsbegründungsschrift ersetzt die Urschrift, wenn der Beglaubigungsvermerk von dem Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers handschriftlich vollzogen ist. Die Rechtswirkungen der Einreichung der Urschrift eines bestimmenden Schriftsatzes treten auch dann ein, wenn eine von dem Prozessbevollmächtigten handschriftliche beglaubigte Abschrift fristgemäß bei Gericht eingegangen ist.

    BGH, Beschluss vom 26. März 2012 - II ZB 23/11

  • BVerfG zur ordnungsgemäßen Besetzung des 2. BGH-Strafsenats

    Im Februar hatte der 2. Strafsenat des BGH unter dem Vorsitz von Dr. Ernemann zwei Revisionen verworfen. Die hiergegen eingelegten Verfassungsbeschwerden blieben ohne Erfolg wie am Mittwoch (13.06.2012) bekannt wurde. Die Verurteilten hatten die ordnungsgemäße Besetzung des Senats gerügt. Ernemann führt neben dem 2. auch den 4. Strafsenat.

    Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) führt die Überbeanspruchung eines Richters - unabhängig davon, ob eine solche tatsächlich vorliegt - grundsätzlich nicht zu einem Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Von der Gewähr eines unabhängigen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei die dem Richter selbst garantierte richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 GG zu unterscheiden. Diese räume ihm ein Abwehrrecht gegen eine überfordernde Einflussnahme bei der Zuweisung des Arbeitspensums ein.

    Er sei nicht verpflichtet, sämtliche ihm nach dem Geschäftsverteilungsplan übertragenen Aufgaben in vollem Umfang sofort zu erledigen. Vielmehr könne er nach sachlichen Kriterien Angelegenheiten zurückstellen, soweit deren Erledigung ein durchschnittliches Arbeitspensum übersteige. Ob ein Richter dies tue, sei diesem überlassen (Beschl. v. 23.05.2012, Az. 2 BvR 610/12 u. 2 BvR 625/12).

    Seit dem ruhestandsbedingten Ausscheiden der früheren Vorsitzenden des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) ist die Stelle aufgrund des bisher nicht abgeschlossenen Verfahrens über die Wiederbesetzung vakant. Im Rahmen der Geschäftsverteilung für das Jahr 2012 wies das Präsidium des BGH dem Vorsitzenden des 4. Strafsenats zusätzlich den Vorsitz des 2. Strafsenats zu.

    Die Beschwerdeführer waren der Ansicht, die richterliche Unabhängigkeit Ernemanns sei nicht gewährleistet, weil dieser mit einem Doppelvorsitz überlastet und daher nicht mehr in der Lage sei, die ihm überantwortete Aufgabe verantwortungsvoll wahrzunehmen. Dies sahen die Karlsruher Richter anders und nahmen die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an.

    wer nicht mit der zeit geht, der muss mit der zeit gehen

  • Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist kein Raum, wenn der Antragsteller die Wirksamkeit der Zustellung bestreitet, die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde gemäß § 37 Abs. 1 StPO in Verb. mit §§ 415, 418 ZPO aber nicht entkräftet hat.

    OLG Köln, Beschluss vom 26.10.2011, 2 Ws 670/11




    http://dejure.org/dienste/vernet…2%20Ws%20670/11
    Die Beweiswirkung eines anwaltlichen Empfangsbekenntnisses entfällt, wenn sein Inhalt vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben richtig sein können. Der Gegenbeweis ist nicht schon geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist.


    BGH, Beschluss vom 19. April 2012 – IX ZB 303/11

    http://dejure.org/dienste/vernet…2%20Ws%20670/11


  • ZPO § 184 Abs. 1 Satz 1


    a) Wird eine Vorschrift über das Verfahren bei Zustellungen verletzt, ist die Zustellung nur dann unwirksam, wenn der Zweck der verletzten Verfahrensvorschrift dies erfordert.

    b) Bei der Anordnung an die im Ausland ansässige Partei durch den Vorsitzenden des zuständigen Spruchkörpers, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen, ist dies grundsätzlich nicht der Fall.

    BGH, Urteil vom 26. Juni 2012 - VI ZR 241/11

  • Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax soll die Überprüfung des Sendeberichts anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle auch sicherstellen, dass der Schriftsatz tatsächlich übermittelt worden ist.

    BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 - VI ZB 54/11


  • ZPO § 185 Nr. 1

    1. Im Erkenntnisverfahren darf eine öffentliche Zustellung nur angeordnet werden, wenn die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht dargelegt hat.

    2. Allein die ergebnislose Anfrage beim Einwohnermeldeamt und dem Zustellungspostamt des letzten Wohnsitzes des Zustellungsadressaten genügt hierfür in der Regel nicht.

    BGH, Urteil vom 4. Juli 2012 – XII ZR 94/10

  • ZPO § 184 Abs. 2 Satz 4

    Die Wirksamkeit des Zustellungsvermerks nach § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist nicht daran gebunden, dass derselbe Urkundsbeamte, der dem Gerichtswachtmeister das zuzustellende Schriftstück zum Zwecke der Aufgabe zur Post zugeleitet hat, auch den Vermerk beurkundet, dass das Schriftstück vom Gerichtswachtmeister zur Post aufgegeben worden ist.

    BGH, Urteil vom 18. September 2012 - VI ZR 225/11

  • LS
    1. Ein Postfach ist jedenfalls dann eine ähnliche Vorrichtung i.S.v. § 180 S. 1 ZPO, wenn eine Wohnanschrift desjenigen, dem zugestellt werden soll, unbekannt oder nicht vorhanden ist [Rn. 9].

    2. Ein Zustellungsvertreter darf nicht bestellt werden, wenn dem Vollstreckungsgericht die Postfachadresse desjenigen, dem zugestellt werden soll, bekannt ist. Dennoch erfolgte Zustellungen an den Zustellungsvertreter sind unwirksam [Rn. 7].

    BGH, Beschl. v. 14.06.2012 – V ZB 182/11

    WM 2012, 1497 = GuT 2012, 271 = NJW-RR 2012, 1012 = MDR 2012, 1055 = DGVZ 2012, 184 = FamRZ 2012, 1379 = ZfIR 2012, 661 = Prozessrecht aktiv 2012, 151 = FoVo 2012, 167 = juris (KORE 313932012)

  • Für eine wirksame Zustellung per Aufgabe zur Post ist es erforderlich, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk des Wachtmeisters, dass die von der Geschäftsstelle erhaltene Briefsendung beim Postamt aufgegeben worden ist, durch seine Unterschrift beurkundet. Nur der vom Urkundsbeamten unterzeichnete Vermerk ersetzt die Zustellungsurkunde gemäß § 182 ZPO.

    BGH, Urteil vom 25.09.2012, VI ZR 382/11

  • Keine Internetrecherche vor öffentlicher Zustellung erforderlich

    Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 10.01.2013, 25 K 1040/11

    Rdnr. 27:
    "Die vom Kläger benannte und von der Beklagten im Jahre 2010 auch durchgeführte Internet-Recherche über die Eingabe von Namen/Daten in Suchmaschinen kann zwar zu Anhaltspunkten über einen Aufenthaltsort einer Person führen, der sodann über weitere Ermittlungen etwa bei staatlichen Stellen im In- und Ausland auf Richtigkeit bzw. Aktualität abgeprüft werden müsste. Wegen der Vielzahl von Internet-Suchmaschinen-Ergebnissen und der unkalkulierbaren Dauer ihrer Auswertungen gehört diese Recherche aber nicht zum unerlässlichen Ermittlungsstandard; im Einzelfall unvorhersehbare Erfolge bei dieser Rechercheform können deshalb nicht nachträglich zu Lasten der Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung und damit zugunsten eines pflichtwidrig "abgetauchten" Darlehensnehmers gewertet werden."

    gefunden bei RA Ferner

  • Die Gestaltung der Homepage des Sachverständigen kann geeignet sein, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu rechtfertigen.

    Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 24. Januar 2013 – 4 W 645/12

  • Eine blinde oder sehbehinderte Person hat keinen Anspruch aus § 191a GVG, § 4 Abs. 1 ZMV auf Zugänglichmachung der Dokumente des gerichtlichen Verfahrens auch in einer für sie wahrnehmbaren Form, wenn sie in dem Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten wird und der Streitstoff so übersichtlich ist, dass er ihr durch den Rechtsanwalt gut vermittelbar ist.

    BGH, Beschluss vom 10.01.2013, I ZB 70/12

    openJur 2013, 5882

  • ZPO § 185 Nr. 1

    Im Erkenntnisverfahren darf eine öffentliche Zustellung nur angeordnet werden, wenn die begünstigte Partei alle der Sache nach geeigneten und ihr zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um eine öffentliche Zustellung zu vermeiden, und ihre ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht dargelegt hat (im Anschluss an BGH, Urteil vom 4. Juli 2012 - XII ZR 94/10, FamRZ 2012, 1376).

    BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 74/12

  • Zur Wahrung der Berufungsbegründungsfrist bei Übermittlung per Telefax, wenn nicht klar ist, ob das Fax rechtzeitig und vollständig innerhalb der Frist eingegangen ist.

    BAG, Urteil vom 13.12.2012, 6 AZR 303/12

  • Die Verbindung eines telefonischen rechtlichen Hinweises gemäß § 139 ZPO mit einem Vergleichsvorschlag rechtfertigt nicht die Besorgnis einer Befangenheit.

    OLG Bremen, Beschluss vom 19.11.2012, 1 U 35/12

  • Zum verspäteten Eingang eines Faxes:

    OLG Koblenz, Beschluss vom 15.04.2013, 12 U 1437/12

    Aus den Gründen:

    "Entscheidend ist damit, ob der fristgebundene Berufungsbegründungsschriftsatz bis zum Ablauf des letzten Tages der Begründungsfrist eingegangen ist (vgl. BGH NJW 2007, 2045). Das Telefax der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der dreiseitigen Berufungsbegründungsschrift ging jedoch frühestens am Folgetag, dem 26.02.2013 um 00.00 Uhr und 0 Sekunden bei Gericht vollständig ein und ist damit - um eine Sekunde - verspätet. "

    http://www.kanzlei-blaufelder.com/eine-sekunde-zu-spat-ludwigsburg/

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