Rechtsprechungshinweise Fächerübergreifende Themen

  • ZPO § 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4, § 233 B

    a)
    Der Schriftzug eines Rechtsanwalts am Ende einer Berufungsschrift erfüllt dieAnforderungen an die nach § 130 Nr. 6 ZPO zu leistende Unterschrift nur, wenn er erkennen lässt, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen (st. Rspr.; beispielsweise BGH, Beschluss vom 28.September 1998- II ZB 19/98, NJW 1999, 60).


    b)
    Ist der diesen Anforderungen nicht entsprechende Schriftzug so oder geringfügig abweichend von den Gerichten längere Zeit ohne Beanstandung als formgültige Unterschrift hingenommen worden, kann der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass er den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO entspricht. Wird der Schriftzug vom Berufungsgericht in einem solchen Fall nicht als Unterschrift anerkannt, ist dem Berufungskläger in der Regel wegen Versäumung der Berufungsfrist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

    BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - VII ZB 43/12

  • ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 2

    Ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich, sondern kann nur aufgrund des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.

    BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - VII ZB 32/12

  • Verletzt ein Sachverständiger schuldhaft die ihm obliegende Anzeigepflicht der erheblichen Überschreitung des Vorschusses nach § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO, so kann die Vergütung des Sachverständigen gekürzt werden.
    Die Vergütung beschränkt sich in diesen Fällen jedoch nicht auf den eingezahlten Vorschuss; vielmehr ist eine Überschreitung des Kostenvorschusses in Höhe von 20% (zzgl. MwSt.) noch tolerabel.

    LG Osnabrück 3. Zivilkammer, Beschluss vom 13.02.2013, 3 OH 72/11

    § 407a Abs 3 S 2 ZPO

  • Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Geht eine Sendung verloren oder wird sie verspätet ausgeliefert, darf dies der Partei nicht als Verschulden angerechnet werden. Weitere Vorkehrungen muss die Partei nicht ergreifen. Insbesondere ist sie nicht gehalten, Schriftsätze zusätzlich zu der rechtzeitigen Aufgabe zur Post auch per Telefax an das Gericht zu übersenden.

    BGH, Beschluss vom 19.06.2013, V ZB 226/12

  • Tatsächlicher Zugang eines zuzustellenden Schriftstücks bei Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften - Fallgruppenbezogene Auslegung von § 189 ZPO - Vorlage an den Großen Senat

    Leitsätze

    Dem Großen Senat des BFH wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

    Ist im Fall einer zulässigen Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten, die gegen zwingende Zustellungsvorschriften verstößt, weil der Zusteller entgegen § 180 Satz 3 ZPO auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung nicht vermerkt hat, das zuzustellende Schriftstück i.S. von § 189 ZPO bereits in dem Zeitpunkt dem Empfänger tatsächlich zugegangen und gilt deshalb als zugestellt, in dem nach dem gewöhnlichen Geschehensablauf mit einer Entnahme des Schriftstücks aus dem Briefkasten und der Kenntnisnahme gerechnet werden kann, auch wenn der Empfänger das Schriftstück erst später in die Hand bekommt?

    BFH, Beschluss vom 07.02.2013, VIII R 2/09

    gefunden bei rechtslupe.de

  • Zum nicht fristwahrenden Eingang von Schriftsätzen, die (in NRW) per EGVP an das Gericht geschickt woren sind.

    OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.07.2013, VI-U (Kart) 48/12

    siehe auch
    http://www.internet-law.de/2013/09/in-nrw…einreichen.html


  • Die eine öffentliche Zustellung beantragende Partei muss alle im bisherigen Lebenskreis des Beklagten – des Zustellungsempfängers – aufscheinenden Möglichkeiten einer Klärung seines derzeitigen Aufenthaltes nutzen. Sie muss alles das tun, was eine verständige, an der wirtschaftlich sinnvollen Durchsetzung berechtigter Ansprüche interessierte Partei tun würde, gäbe es die Möglichkeit öffentlicher Zustellung nicht.


    OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.04.2013, 15 W 27/13

    NJW 2013, 2913

  • LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.4.2013, 9 Sa 92/12


    “Das Zustellungsdatum ist der Tag, an dem der Anwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und dieses empfangsbereit entgegengenommen hat (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003 – VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460). Damit ist die Zustellung als Übergabe im Sinne von § 166 Absatz 1 ZPO bewirkt. Der Tag der Zustellung ist aber nicht schon der frühere Tag, der bei Eingang in der Kanzlei von einem Büromitarbeiter vermerkt worden ist. Auszustellen ist das Empfangsbekenntnis somit auf diesen Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Anwalt.”

  • BGH, Beschluss vom 25.9.2013 - AnwZ (Brfg) 51/12

    "Unrichtige Entscheidungen oder vermeintlich unrichtige Entscheidungen sind grundsätzlich ungeeignet, die Ablehnung wegen Befangenheit zu rechtfertigen. Denn sie zwingen nicht zu dem Schluss, dass der Richter, der sich im Rahmen seiner Befugnisse hält und das Recht in vertretbarer Weise anwendet, gegenüber einer Partei unsachlich, parteilich eingestellt ist. Das Ablehnungsverfahren darf nicht dazu dienen, richterliche Entscheidungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Erscheint die Rechtsanwendung des Richters vertretbar, so scheidet Ablehnung aus, falls nicht weitere Umstände auf eine parteiliche Einstellung schließen lassen. Gerechtfertigt ist die Ablehnung jedoch dann, wenn die richterliche Entscheidung oder Handlung so grob fehlerhaft ist, dass sie als Willkür erscheint (BGH, Beschluss vom 7. März 2012 - AnwZ (B) 13/10, juris Rn. 7 m.w.N.)."

  • Wenn ein Richter in eigener Sache Mandant des Prozessbevollmächtigten einer Partei ist, ist gegen ihn die Besorgnis der Befangenheit objektiv gerechtfertigt.

    KG Berlin, Beschl. vom 30.10.2013, Az. 23 U 121/13


    http://dejure.org/dienste/vernet…23%20U%20121/13

  • Ein Rechtsmittelführer darf davon ausgehen, dass sein Brief den Empfänger innerhalb der von der Post angegebenen normalen Postlaufzeit erreicht; das ist der dem Tag der Aufgabe zur Post folgende Tag.
    Denn die "normale" Postlaufzeit bestimmt sich nach den veröffentlichten Angaben der Deutschen Post AG. Auf deren Internetseite heißt es dazu: "Für die Zustellung "gilt die Laufzeitvorgabe E+1 (1 Tag nach Einlieferung)".


    OLG Oldenburg (Oldenburg) 1. Strafsenat, Beschluss vom 16.09.2013, 1 Ws 547/13

  • ZPO § 233 Fd

    1. Ein Rechtsanwalt muss durch organisatorische Anordnungen sicherstellen, dass bei dem Versand von Schriftsätzen per Fax nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer erfasst werden.

    2. Die Kontrolle darf sich nicht darauf beschränken, die in dem Sendebericht enthaltene Faxnummer mit der zuvor aufgeschriebenen zu vergleichen; vielmehr muss der Abgleich stets anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden.

    BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - V ZB 154/12

  • ZPO § 170 Abs. 1

    Die unter Verstoß gegen § 170 Abs. 1 ZPO erfolgte Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an eine aus dem zuzustellenden Titel nicht erkennbar prozessunfähige Partei setzt die Einspruchsfrist in Gang (Bestätigung von BGH, Urteile vom 25. März 1988 - V ZR 1/87, BGHZ 104, 109; vom 19. März 2008 - VIII ZR 68/07, BGHZ 176, 74 Rn. 9).

    ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2

    Der prozessunfähigen Partei, die den Nichtigkeitsgrund der mangelhaften Vertretung geltend macht, kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte den Verfahrensmangel durch ein Rechtsmittel geltend machen müssen. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Partei von vornherein von einem Rechtsmittel abgesehen oder ob sie ein zunächst eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 5. Mai 1982 - IVb ZR 707/80, BGHZ 84, 24, 27).

    BGH, Urteil vom 15. Januar 2014 - VIII ZR 100/13

    http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/zus…itsklage-372092

    1. (...)
    2. Bei Einlegung von Verfassungsbeschwerden hat regelmäßig die erforderliche Sorgfalt erfüllt, wer einen über die zu erwartende Übermittlungsdauer der zu faxenden Schriftsätze samt Anlagen hinausgehenden Sicherheitszuschlag von 20 Minuten einkalkuliert. Dieser Sicherheitszuschlag gilt auch für die Faxübersendung nach Wochenenden oder gesetzlichen Feiertagen.


    BVerfG, 1 BvR 1656/09 vom 15.1.2014

  • BFH, Beschluss vom 10.3.2014, X B 230/12
    Wiedereinsetzung bei Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist: Verschulden bei überlanger Dauer der Telefaxübermittlung - zu Unrecht erlassenes Prozessurteil

    Rdnr. 9 und 10


    "Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft einen Prozessbevollmächtigten kein Verschulden an dem verspäteten Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes, wenn die Telefaxübermittlung --etwa wegen technischer Störungen am Empfangsgerät oder wegen Leitungsstörungen-- einen Zeitraum beansprucht, mit dem er nicht rechnen musste (Beschluss vom 10. Juli 2012 VIII ZB 15/12, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 267, m.w.N.).



    Im Streitfall ist nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers von einem solchen Fall auszugehen. Denn sein Vortrag, er habe um 23:50 Uhr mit der Übermittlung seiner Beschwerdebegründung begonnen, deckt sich mit dem Aufdruck seines Faxgeräts auf Seite 1 des klägerischen Schriftsatzes. Um 23:54 Uhr, also vier Minuten später, wurde Seite 7 der Beschwerdebegründung übermittelt. Für die Übermittlung der restlichen acht Seiten der Beschwerdeschrift vor 0 Uhr verblieben somit noch knappe sechs Minuten, die --so der Schriftsatz weiter so zügig übermittelt worden wäre-- ausgereicht hätten. Seite 8 der Beschwerdeschrift erreichte den BFH allerdings erst um 23:57 Uhr und Seite 9 wurde um 00:02 Uhr, also bereits am 28. Dezember 2012, übermittelt. Mit Übertragungsdauern von mehreren Minuten je Seite (zwischen der Übertragung der Seite 14 und der Seite 15 liegen fünf Minuten, obwohl die Seite 15 nur zur Hälfte beschrieben ist) musste der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht rechnen, sondern durfte darauf vertrauen, dass die Beschwerdebegründung innerhalb der üblichen Übertragungsdauer an den BFH übermittelt wird. An der möglicherweise auf Leitungsstörungen beruhenden längeren Übertragungsdauer bei der Übermittlung des Schriftsatzes vom 27. Dezember 2012 trifft ihn daher kein ihm zuzurechnendes Verschulden. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass das gesamte Dokument beim Faxgerät des BFH um 0:28 Uhr eingegangen ist, das Faxgerät des Prozessbevollmächtigten des Klägers es aber bereits um 0:27 Uhr, also eine Minute früher, gesendet hat. Berücksichtigt man diese Übertragungszeit bei dem Gesamtdokument, ist nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerdebegründung bei einer normalen Übertragungsdauer noch vor 24 Uhr beim BFH eingegangen wäre."
  • Präjudizien im deutschen Recht?
    Oder weiß ein OLG-Richter nicht mehr, dass das "GrundbuchAMT" kein Amt, sondern ein Gericht ist?

    OLG Hamm vom 12.11.2013 (15 W 43/13):

    "1) Eine Abschichtungsvereinbarung von Miterben bedarf nicht der notariellen Beurkundung.
    2) Die Grundbuchpraxis hat der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu folgen."

    Begründung zum Leitsatz 2:
    "... Mögen im wissenschaftlichen Diskurs gegen die genannte Grundsatzentscheidung des BGH auch beachtliche Argumente vorgetragen werden (etwa in dem vom Grundbuchamt herangezogenen Handbuch zum Grundbuchrecht von Schöner/ Stöber, 15. Aufl., Rdnr. 976b), so muss die Rechtsprechung darauf bedacht sein, die höchstrichterliche Entscheidung in der alltäglichen Praxis der Grundbuchämter umzusetzen, um im Interesse der Urkundsbeteiligten und der Beratungs- und Beurkundungspraxis der Notare eine einheitliche, inhaltlich verlässliche Handhabung der Grundbuchämter zu gewährleisten und gleichzeitig eine Verunsicherung zu vermeiden, die dadurch entsteht, dass ein einzelner Entscheidungsträger bei der alltäglichen Grundbuchpraxis seiner abweichenden persönlichen Auffassung den Vorrang einräumt und dadurch ein Rechtsmittel auslöst, das zu einer erheblichen Verzögerung der Erledigung des sachlichen Vorgangs führt."

  • BGH, Beschluss vom 19.2.2014, I ZB 70/12

    Eine blinden oder sehbehinderte Person kann gemäß § 191a Abs. 1 Satz 1 GVG nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 GVG verlangen, dass ihr die für sie bestimmten gerichtlichen Dokumente auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren erforderlich ist. Dieser Anspruch kann aber ausgeschlossen sein, wenn es der berechtigten Person aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten und ihrer technischen Möglichkeiten möglich und zumutbar ist, sich die fraglichen Dokumente selbst zugänglich zu machen. Ein Anspruch auf Zugänglichmachung von Dokumenten kann ferner bei einer anwaltlichen Vertretung der berechtigten Person ausgeschlossen sein, soweit gewährleistet ist, dass der anwaltliche Vertreter der berechtigten Person die in den Dokumenten enthaltenen Informationen so zu vermitteln vermag, dass eine zusätzliche Übermittlung der Dokumente durch das Gericht in einer für die berechtigte Person wahrnehmbaren Form zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren nicht erforderlich ist.

    http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/kei…28Rechtslupe%29

  • Zur Mitwirkungspflicht bei Zustellung einer einstweiligen Verfügung von Anwalt zu Anwalt, wenn der Mandant die Anweisung gegeben hat, die Zustellung nicht entgegenzunehmen.

    AnwG Düsseldorf, Urteil vom 17.03.2014, 3 EV 546/12

    http://www.zpoblog.de/keine-mitwirku…walt-zu-anwalt/

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!