Rechtsprechungshinweise Fächerübergreifende Themen

  • Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, wenn aus ihr - insgesamt oder bezogen auf einzelne prozessuale Ansprüche - nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Der "fehlenden" Begründung gleichzusetzen ist der Fall, dass zwar Gründe vorhanden sind, diese aber unverständlich und verworren oder aber sachlich inhaltslos sind und sich auf leere Redensarten oder einfach auf die Wiedergabe des Gesetzestextes beschränken.

    BGH, 12.3.2015, IX ZR 5/13

  • Zustellungsfiktion bei Nichtabholung eines durch Einschreiben mit Rückschein zuzustellenden Schriftstückes

    Die Verweigerung der Entgegennahme durch Nichtabholung der Sendung in der gesetzten Frist führt nicht zur Fiktion der Zustellung. Wird das Schriftstück trotz Benachrichtigung nicht abgeholt, führt dies zur Rücksendung des Briefes als unzustellbar. Trotz Annahmeverweigerung kommt die Zustellfiktion des § 179 S. 3 ZPO im Fall der Zustellung gemäß § 175 ZPO nicht in Betracht, die Norm ist bei einer Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein grundsätzlich nicht anwendbar.

    LG Rostock, Beschluss vom 17.12.2014, 13 Qs 227/14 (72)

    § 37 Abs 1 StPO, § 175 ZPO, § 179 S 3 ZPO

  • Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährleistet das Recht der Verfahrensbeteiligten, vor einer gerichtlichen Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Auf einen Gesichtspunkt, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht, darf das Gericht ohne vorherigen Hinweis oder Erörterung mit den Parteien nicht abstellen. Das Gericht ist nach Art. 103 Abs. 1 GG allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, vor einer Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Die Partei hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst. (aus Rdnr. 2)

    BGH, Beschluss vom 18.12.2014, I ZR 228/12

  • ZPO § 50; FamFG § 394 Abs. 1

    Die Löschung einer vermögenslosen GmbH nach § 394 Abs. 1 FamFG hat zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Nur wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig.

    Dabei sind wertlose Forderungen nicht als verwertbares Vermögen anzusehen.


    BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - VII ZB 53/13

    http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/loe…ehigkeit-395809

  • An die Unterschrift des Urkundsbeamten sind dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze durch Rechtsanwälte. Für eine Unterschrift ist erforderlich, aber auch genügend ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist.

    BGH, 7.5.2015 - IV ZB 32/14

  • BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.3.2015, VI R 6/14

    Keine Steuerfreiheit freiwilliger Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit

    1. Freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit sind keine Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG, sondern steuerpflichtiger Arbeitslohn.

    2. Die rechtliche Ausgestaltung des Notarberufs schließt es aus, freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretung als Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG anzusehen. Es liegt insbesondere kein Kunden- oder kundenähnliches Verhältnis vor, wie es der Begriff des Trinkgelds, der auch § 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, voraussetzt.

    3. Notarassessoren gehören nicht zu der typischen Berufsgruppe, in der Arbeitnehmertrinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen.

    http://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechts…90&pos=0&anz=81

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • [h=1]OLG Karlsruhe Beschluß vom 5.1.2015, 9 W 45/14[/h]Ablehnung eines Sachverständigen: Besorgnis der Befangenheit bei unterlassener Offenlegung recherchierter Informationen im Gutachten

    Leitsätze


    1. Verwertet der Sachverständige von ihm selbst durch Internet-Recherchen beschaffte Informationen zum Nachteil einer Partei, ohne seine Recherchen und die dabei gewonnenen Informationen im schriftlichen Gutachten offen zu legen, kann dies eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.

    2. Ob bei verständiger Würdigung aus der Sicht der Partei eine parteiliche Tendenz des Sachverständigen zu befürchten ist, hängt von einer Gesamtschau sämtlicher Umstände ab. Waren die vom Sachverständigen zunächst nicht offen gelegten Informationen für die Abfassung des Gutachtens eher nebensächlich, kann dies gegen eine Besorgnis der Befangenheit sprechen.


    http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/int…ngenheit-396725

  • BFH, Beschluss vom 14.4.2015, IV B 115/13

    Zur dauerhaften Sicherung gerichtlicher Internetrecherchen

    Aus den Gründen:

    "In dem angefochtenen Urteil verweist das FG wegen der Herkunft verschiedener tatsächlicher Feststellungen auf Internet-Recherchen, die es selbst vorgenommen hat. Ausdrucke dieser Recherchen befinden sich jedoch nicht in den vorgelegten Akten des FG. Das FG gibt in seinen Entscheidungsgründen lediglich Webseiten des Internet an, um die Herkunft der angenommenen Tatsachen zu erläutern; zum Teil wird auch auf die Angabe der Webseite verzichtet.

    Ein Verweis auf Webseiten des Internet führt jedoch nicht dazu, dass deren Inhalt zum Inhalt der Gerichtsakte werden könnte. Hierzu hätte es einer dauerhaften Sicherung des jeweils in Bezug genommenen Inhalts der betroffenen Webseite bedurft, insbesondere durch ihren Ausdruck (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2006 I B 165/05, BFH/NV 2007, 52, unter II.3.). Angesichts des steten Wandels des Informationsangebots des Internet kann eine Verweisung auf eine Webseite grundsätzlich nicht die erforderliche Gewähr dafür bieten, dass eine dort durch das FG abgerufene Datei auch noch später diesen Inhalt hat (vgl. auch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. August 2003 I ZB 26/01, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2004, 77, unter III.2.b bb).

    Es kann offen bleiben, ob der fehlende Ausdruck der Webseite und ihre Beifügung zur Gerichtsakte dadurch geheilt wurde, dass das FG den Inhalt der auf der Webseite enthaltenen Namen der Kläger auf der Zieleinfahrtsliste einer Oldtimer-Rallye in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung wörtlich festgehalten und ihn so zum Aktenbestandteil gemacht hat. Denn nach dem oben Ausgeführten ist die eigenhändige Benutzung des Oldtimer-PKW durch die Kläger nicht erforderlich, um persönliche Gründe für die Inkaufnahme eines Verlustes aus dem Leasing eines Oldtimer-PKW anzunehmen."

  • BVerfG, 30.6.15, - 2 BvR 433/15 -

    Rn 9:

    a) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218 <220>; 72, 119 <121>; stRspr). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen jedoch nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 47, 182 <189>; 86, 133 <145 f.>).

  • OLG Saarbrücken Urteil vom 18.12.2012, 4 U 310/11 (NJW-RR 2013, 679)

    Öffentliche Zustellung: Wirkung einer unvollständigen Angabe des Geschäftssitzes einer juristischen Person im Handelsregister

    Leitsätze

    1. Die unvollständige Angabe des Geschäftssitzes einer juristischen Person im Handelsregister steht der Anwendung des § 185 Nr. 2 ZPO jedenfalls dann nicht entgegen, wenn das Gericht den erfolglosen Versuch unternommen hat, unter der im Gewerberegister vollständig und zutreffend angegebenen Geschäftsadresse zuzustellen.

    2. Eine Zustellung ist bereits dann nicht möglich, wenn die Zustellung im Geschäftslokal mangels entsprechender Empfangseinrichtungen erfolglos geblieben ist. Darauf, ob sich eine zustellungsberechtigte Person gelegentlich in den nunmehr von einer anderen Gesellschaft als Geschäftslokal genutzten Räumen aufgehalten haben mag, kommt es nicht an.

    3. Das Gericht ist nicht gehalten, vor der öffentlichen Zustellung eine Zustellung im Ausland zu bewirken.

  • Gerichtsvollzieherkosten: Kostenansatz wegen persönlicher Zustellung einer Ladung trotz beantragter Zustellung per Post

    Leitsätze

    Die Gläubigeranweisung im Vollstreckkungsauftrag, alle erforderlichen Zustellungen durch Aufgabe zur Post zu erledigen, kann sich nach der Gesetzesterminologie (§§ 183, 184 ZPO) nur auf Auslandszustellungen beziehen und ist deshalb bei einer im Inland durchzuführenden Zustellung unbeachtlich.

    Die Wahl zwischen der Zustellung durch ihn selbst (§§ 192, 193 ZPO) oder durch die Post (§§ 192, 194 ZPO) trifft der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei der ihm obliegenden Ermessensausübung darf er auf allgemeine Erwägungen und generelle Erfahrungswerte zurückgreifen, er ist nicht auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beschränkt.

    OLG Stuttgart Beschluß vom 23.2.2015, 8 W 75/15 (NJW 2015, 2513)

  • Zur Befangenheit eines Richters der Rechtsmittelinstanz, der die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit einer Richterin, die an der vorinstanzlichen Entscheidung mitgewirkt hat, den Verfahrensbeteiligten nicht angezeigt hat.

    OVG Bremen, Beschluss vom 12.5.2015 – 2 B 40/15

    NJW 2015, 2828

  • FamFG §§ 14 Abs. 2, 64 Abs. 2; ZPO § 130 a

    Eine Beschwerdeschrift ist in schriftlicher Form eingereicht, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der als Anhang einer elektronischen Nachricht übermittelten, die vollständige Beschwerdeschrift enthaltenden PDF-Datei vorliegt. Ist die Datei durch Einscannen eines von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes hergestellt, ist auch dem Unterschriftserfordernis des § 64 Abs. 2 Satz 4 genügt (im Anschluss an BGH Beschluss vom 15. Juli 2008 X ZB 8/08 - NJW 2008, 2649).

    BGH, Beschluss vom 18. März 2015 - XII ZB 424/14

    FGPrax 2015, 142

  • Zempel: Gerichtliche Protokollierung an Stelle notarieller Beurkundung – Möglichkeiten und Grenzen

    NJW 2015, 2859

    (u.a. mit Formulierungsbeispiel für eine Haftungsfreistellung des Gerichts durch die Beteiligten)

  • Bundesgerichtshof, 13.8.2015 – I ZB 76/14

    aus Rn. 14:

    Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt deshalb allenfalls in Betracht, wenn im Einzelfall besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt, wenn das Gericht den Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, aus ihm jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die Partei geltend gemacht hat.


    http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/rec…gerichts-399297

  • ZPO § 233, § 236 Abs. 2 Satz 1, §§ 294, 520


    http://dejure.org/gesetze/ZPO/520.html

    a) Ist ein fristgebundener Schriftsatz (hier: Berufungsbegründung) verloren gegangen, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits dann zu gewähren, wenn die Partei auf der Grundlage einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe zur Post glaubhaft macht, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten eingetreten ist.


    b) Den Verlust des Schriftstücks auf dem Postweg kann die Partei regelmäßig nicht anders glaubhaft machen als durch die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe zur Post.


    BGH, Beschluss vom 10. 9. 2015 - III ZB 56/14

    http://www.rechtslupe.de/zivilrecht/der…riftsatz-399948

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