Testamentsvollstreckung § 1638 BGB

  • Hallo alle zusammen.
    Habe bereits mehrfach die vorhandenen Beiträge zum Thema der Testamentsvollstreckung studiert. Da jeder Sachverhalt anders ist bin ich immer noch am grübeln.
    Mein vorliegender Sachverhalt gestaltet sich so, dass das minderjährige Kind mittels Testament ein Grundstück erhält. Laut Testament wird das Grundstück als Vermächtnis dem Kind angedacht. Das Vermächtnis lautet: "Das Kind erhält das Anwesen in ... Der Testamentsvollstrecker hat auch die Aufgabe den vermachten Grundbesitz bis zum 27. Lebensjahr von dem Kind für dieses zu verwalten." Einen konkreten Ausschluss des Erblassers, dass die Eltern von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen sein sollen gibt es nicht.
    Die Eltern des Kindes haben das Vermächtnis angenommen.
    Der Testamentsvollstrecker hat in einer notariellen Urkunde das Vermächtnis erfüllt und dem Kind das Grundstück übertragen.

    Geht man nun über 1638 I BGB komme ich zu dem Schluss, dass wegen der Verwaltungsanordnung für den Testamentsvollstrecker die Eltern von der Vertretung des Kindes betreffen des Nachlassgegenstandes von der Vermögenssorge ausgeschlossen sind.
    Die Eltern sind sowohl von der Verwaltungsbefugnis als auch jeglicher Verfügung über den Nachlass von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen.

    Meine Frage ist nun, ob der Erblasser zweifelsfrei erklären muß, dass die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen sein sollen oder genügt es, wenn der Erblasser den Testamentsvollstrecker mit der Verwaltung des Nachlassgegenstandes beauflagt.

    Hier kommt nun erschwerend dazu, dass das Finanzamt im Zuge der Erfüllung des Vermächtnisses Erbschaftssteuer von mehr als 50.000 € verlangt. Diesen Betrag können weder die Eltern noch das Kind aufbringen. Folge, es muß eine Hypothek bestellt werden.
    Ich neige dazu in dem Vermächtnis einen Vertretungsausschluss für die Eltern zu sehen und denke daran nunmehr einen Ergänzungspfleger zu bestellen, welcher die Rechte des Kindes vertritt, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind.

  • Nach meiner Ansicht müssen die Eltern weder an der Darlehensaufnahme noch an der Grundpfandrechtsbestellung mitwirken: § 2223 BGB i.V.m. § 2211 Abs.1 BGB (für die Bestellung des Grundpfandrechts) bzw. i.V.m. §§ 2209 Abs.1 S.2, 2207 S.1 BGB (für die Darlehensaufnahme).

    Eine völlig andere Frage ist, ob man aufgrund eines Vertretungsausschlusses i.S. des § 1638 BGB insgesamt einen Ergänzungspfleger für die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des minderjährigen Vermächtnisnehmers im Verhältnis zum Testamentsvollstrecker bestellen muss. Das hätte dann aber schon nach dem Erbfall erfolgen müssen und nicht erst jetzt.

  • Irgendwie bist du auf dem falschen Pfad.

    Du führst aus,dass der Erblasser einen Testamentsvollstrecker ernannt hat. Deshalb ist § 1638 BGB nicht einschlägig, der Erblasser hat nicht die Eltern von der Verwaltung des Vermächtnisses ausgeschlossen, sondern sich des
    (Nachlass-)Institutes "Testamentsvollstrecker" bedient.
    Für den gelten §§ 2197 ff BGB.
    Da hast du dich als F-Gericht überhaupt nicht reinzuhängen, weshalb deine Frage schon im Ansatz falsch ist. Auch das Nachlassgericht ist nicht Aufsichtsorgan.

    Ansonsten wie Cromwells Ausführungen in Abs. 1.

    Einen Ausschluss nach § 1638 BGB kannst du nicht konstruieren. TV ist vorrangiges Institut. Deshalb auch kein Pfleger.
    Dass der Minderjährige einen Anspruch aus § 2218 BGB hat, ist klar. Den machen seine gesetzlichen Vertreter (= die Eltern) geltend. Insoweit sind sie nicht durch die Anordnung der TV beschränkt worden.

  • Danke für Eure Antworten.
    Für den Erbfall selbst habe ich keinen Pfleger bestellt.
    Tatsächlich habe ich für die Bestellung des Grundpfandrechts beide Vorgänge mit einander verknüpft. Und daher stammt auch meine Schieflage.
    Für die Bestellung des Grundpfandrechts werde ich nach Cromwell Abs. 1 vorgehen.
    Danke Euch Beiden nochmals.

  • Hinsichtlich der generellen Frage zur Bestellung eines Ergänzungspflegers bei Testamentsvollstreckung aufgrund § 1638 BGB, finde ich, die Antwort nicht so eindeutig.

    Grudsätzlich sehe ich das so wie Gänseblümchen. Das NL-Gericht und das F-Gericht haben den TV nicht zu kontrollieren.
    Aber die Frage ist doch -siehe Cromwell- , ob durch die Einsetzung eines TV nicht die Voraussetzungen des § 1638 BGB geschaffen werden und konkludent eine Beschränkung der Vermögenssorge zu sehen ist? Und wenn ja, ob die Eltern trotz dieser Beschränkung die Vermögenssorge/Kontrollrechte (denn sie wären dann die Einzigen) bzgl. der Erbmasse wahrnehmen können.

    Und hier streiten sich die Geister. Die Einen sehen es streng und sagen eindeutig ja zum Pfleger und die Anderen wollen hierzu noch eine ausdrückliche Anordnung des Erblassers.

    In beiden Fällen, wäre aber eine Ergänzungspflegerbestellung für den Teil des ererbten Vermögens/Kontrollrechte nach §§ 2203 BGB die Folge.
    Und hierzu ist zu sagen, dass dann weder das Nachlass- bzw. das Familiengericht sondern der Ergänzungspfleger im Rahmen der Pflegschaft anstelle der Eltern die Kontrolle des TV übernehmen würde.

  • Entschuldigung, aber was soll der Pfleger? Er soll doch dann - folge ich der Argumentation - im Rahmen des § 1638 BGB das Grundstück verwalten. Aber dafür haben wir doch den TV, der wird sich bedanken, wenn in seine Rechte eingegriffen wird.

    Die Kontroll- und Auskunftsrechte des Kindes werden durch die Eltern wahrgenommen. Dieser Ausfluss aus § 1629 I BGB kann kein Erblasser dieser Welt per letztwilliger Verfügung aushebeln.

  • Hier geht es um eine Grundsatzfrage...

    Der Pfleger greift natürlich nicht in die Rechte des TV ein. Der TV bekleidet sein Amt selbständig und eigenverantwortlich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften.

    Laut Palandt-Kommentar zum § 1638 BGB haben die Eltern jedoch beim Verwaltungsausschluss kein Recht auf
    a) Beantragung der Entlassung des TV
    b) Beantragung des Erbscheins
    c) Auskunft über den Bestand des erlangten Vermögens

    ... das wäre dann eine Vertretungslücke im Sinne von § 1909 BGB und Aufgabe des Pflegers.

  • Aber es ist doch nicht ein Ausschluss nach § 1638 BGB, sondern ein nachlassrechtlicher. Der TV hat nichts mit § 1638 BGB zu tun, auch wenn die Wirkungen ähnlich sind.

    Die Eltern sind natürlich von der Vertretung bezüglich des Grundstückes ausgeschlossen, nicht aber von den Kontroll- und Auskunftsrechten des Kindes, das halte ich für ein aliud.

    Die Eltern haben ja schließlich auch wegen § 1649 BGB ein eigenes Auskunftsrecht über die Einkünfte des Kindes und deren Verwendung, was erhebliche Bedeutung im Rahmen des § 1602 II BGB hat.

  • Ich halte die Verknüpfung von §§ 2197 ff. mit § 1638 BGB für nicht all zu abwegig.
    Ich denke hier hat man klar zu trennen. Sicherlich hat das nachlassrechtliche Institut des TV nichts mit dem § 1638 BGB zu tun. Und ja, der TV ist kraft seines Amtes Verwalter des Nachlasses und schließt somit im Bezug auf die Verwaltertätigkeit den Rest aus (?Rechtsgedanke des § 1638 I 2. Alt. BGB).

    Nun gibt es ja aber auch den Fall, dass der Erblasser einen TV bestellt nicht nur des verwaltens Willen sondern auch um bewusst die KM, KV oder beide bzw. denjenigen, welcher die elterliche Sorge inne hat (z.B. bei getrennten Eltern und Erbe soll das Kind werden) vom Erbe fern zu halten bis der Erbe rechtlich selbständig ist. Wie soll er das realisieren, wenn nicht auch durch Anordnung der Testamenstvollstreckung?

    Da der TV nicht Vertreter des Erben ist, wäre das dann der gesetzliche Vertreter, welcher nun aber mehr oder weniger bewusst durch die Anodnung der Testamentsvollstreckung von der Verwaltung bzw. "Vertretung" hinsichtlich des Nachlassgegenstandes ausgeschlossen wurde. Hier wurde ja ein Dritter als Verwalter bestimmt bzw. eingesetzt. Und hier sind wir beim Ansatz von § 1638 BGB. der Erblasser bestimmt durch letzwillige Verfügung (Testament) das Person X das Erbe verwaltet und nicht die Eltern (? = Beschränkung der VermSorge durch TV ?).

    Wie bereits gesagt, gehen hier die Meinungen auseinander. Nimmt man allerdings z.B. die Fällen der alleinerziehenden verbitterten Kindesmutter und das vom KV-Erbe "reich" gewordene Kind, dann hat der (ebenfalls verbitterte) KV bei Anordnung der TV garantiert den Ausschluss der KM gewollt. Und dann kommt man an § 1638 BGB nicht vorbei.

    Aber wo zieht man die Grenze? Das ist schwierig und macht die Sache nicht einfacher. Hierzu ist bisher in Literatur und Rechtssprechung einfach alles zu schwammig.

    Im übrigen hat das OLG Brandenburg (2010) wie folgt entscheiden:
    Fall: KM und KV sind getrennt, KV verstirbt und die Tochter ist Alleinerbin (Grundstücke, Firma, diverse Geldanlagen), TV wurde angeordnet, es wurde damals kein Pfleger eingesetzt

    Der TV handelte kraft seines Amtes jahrelang ohne "Kontrolle" bzw. mit Einverständnis der KM. Jedoch nachträglich gesehen nicht zum Wohle des Kindes. Die KM wusste nicht was der TV konkret tat. Sie sollte Auskunft und Rechnungslegung verlangen. Das tat sie nicht. Der Rpfl. wollte der KM die VermSorge entziehen, um weiteres schädliches Handeln zu unterbinden und um Auskunft zu erhalten.

    Das OLG entschied, dass die KM von Beginn an keine VermSorge bzgl. des Erbes hatte und von der Vertretung ausgeschlossen ist. Es hätte von Anfang an ein Ergänzungspfleger bestellt werden müssen... so das OLG Brandenburg.

    Und das finde ich genau betrachtet richtig.

    Folgt man der Ansicht, dass der § 1638 BGB völlig außen vor ist, hätte die KM (in den beschriebenen Fällen) auch ohne weiteres die Möglichkeit den vom Erblasser eingesetzten TV z.B. mittels Entlassungsanträgen beim NL-Gericht zu nerven bis der sein Amt niederlegt und der vom Erblasser gewählte TV wäre durch einen anderen zu ersetzten usw.

    Also ich finde es gibt den ein oder anderen Ansatzpunkt den § 1638 BGB nicht einfach so beiseite zu legen und zum Wohle des Kindesvermögens im Einzelfall (und bei Berücksichtigung der heutigen doch oft vorkommenden schwierigen Familienkonstellationen) über die Frage einer Ergänzungspflegerbestellung nachzudenken.

  • Also ich bleibe grundsätzlich bei meiner Meinung wegen BGH Beschluss vom 05.03.2008 – XII ZB 2/07FamRZ 2008, 1156. Da wird zwar ein anderer Sachverhalt abgekartet, aber grundsätzlich scheint der BGH eine Abneigung gegen den EPfleger zu haben, wenn der Vater TV ist.
    Da sehe ich nicht ein, dass ein EPfleger ran muss, wenn beide Elternteile auf der Matte stehen, den fremden TV im Namen des Kindes zu kontrollieren, Palandt hin, Palandt her.

  • Richtig, es war ein anderer Sachverhalt, und zwar derjenige, dass der Vater zum TV ernannt wurde und es nun darum ging, ob zum Zwecke der Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Kindes gegenüber dem TV wegen Interessenkollision ein Ergänzungspfleger zu bestellen war. Mit § 1638 BGB hatte der vom BGH entschiedene Fall somit nichts zu tun, denn wenn eine Anordnung nach § 1638 BGB vorgelegen hätte, wäre natürlich auch dort ein Ergänzuungspfleger zu bestellen gewesen und auf die vom BGH entschiedene Frage wäre es gar nicht angekommen (und die Sache auch erst gar nicht zum BGH gelangt).

    Im vorliegenden Fall geht es dagegen darum, ob eine Anordnung nach § 1638 BGB vorliegt (bzw. sie im Wege der Auslegung der Anordnung der TV entnommen werden kann), wobei TV und Eltern von vorneherein personenverschieden sind. Es gibt demnach nur zwei Möglichkeiten: Entweder eine solche Anordnung liegt vor, dann ist eine Ergänzungspflegschaft anzuordnen, oder sie liegt nicht vor, dann ist eben keine anzuordnen.

    Für die Frage, wer bei Darlehensaufnahme und Grundschuldbestellung zu handeln hat, ist das aber ohne Belang (siehe # 2 Absatz 1).

  • Qualitativ sehe ich keinen Unterschied zwischen gesetzlichem Vertretungsausschluss und dem durch TV-Einsetzung gewillkürten (wie hier propagiert). Im ersteren Fall hat der BGH die Notwendigkeit des EPflegers grundsätzlich verneint. Im zweiten Fall ist mir nicht vermittelbar, warum da etwas anderes gelten soll.

  • Cromwell, der TV ist in beiden Fällen bestellt worden, in dem in #1 skizzierten, aber auch in dem in der BGH-Entscheidung vorgestellten Fall.

    Obwohl im BGH-Fall der Vater als Mitinhaber der elterlichen Sorge sich selbst als TV kontrolliert, hat der BGH keinen Handlungsbedarf im Sinne der Bestellung eines EPflegers gesehen. Glaubst du wirklich, der hätte sich nur auf den Vertretungsausschluss wg. Selbstkontrolle gestürzt, sie verneint, und die oben vorgestellte Problematik des § 1638 BGB nicht gesehen?

  • Die zitierte BGH-Entscheidung trifft doch super die hier diskutierte Problematik...
    Cromwell ... ich geb dir recht ... bzgl. des KV in Position des TV stellt sich die Frage des § 1638 BGB gar nicht ... denn hier hat der Erblasser ja gerade nicht den Ausschluss von § 1638 BGB im Auge.

    Bzgl. der KM sagt der BGH aber eindeutig, dass diese durch die Anordnung der TV nach § 1638 BGB von der Vertretung des Ererbten ausgeschlossen ist. Und das trifft doch genau das Problem. Der BGH sieht mit der Anordnung der TV auch die Anordnung nach § 1638 BGB, wenn nicht gerade ein sorgeberechtigter Elternteil bzw, sogar beide als TV eingesetzt sind.

    So sollte im Falle des BGH wohl der KV als TV ohne Berücksichtigung von § 1638 BGB handeln können und die KM durch den TV nach § 1638 BGB von der Vertretung ausgeschlossen sein. Und somit sind die Voraussetzungen des § 1909 BGB nicht gegeben.

    Hab ich jedoch nur einen Sorgeberechtigen bzw. sind beide Elternteile durch die Anordnung der TV nach § 1638 BGB ausgeschlossen, greift § 1909 BGB und wir brauchen einen Ergänzungspfleger.

    Und genau das geht auch aus der zitierten BGH-Entscheidung hervor. Mehr Klarheit geht ja nun wirklich nicht.

  • Im BGH-Fall war der Ausschluss der Mutter nach § 1638 BGB explizit angeordnet. Sie war also nicht "durch" die Anordnung der TV ausgeschlossen, sondern kraft ausdrücklicher Verfügung des Erblassers. Aus der Entscheidung des BGH lässt sich somit nicht ableiten, dass in der Anordnung einer TV gleichzeitig im Wege der Auslegung auch ein Ausschluss nach § 1638 BGB zu sehen wäre. Das muss vielmehr im Einzelfall geprüft werden.

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