Enterbung - Nachrücken von Abkömmlingen

  • Hallo,

    ich habe folgenden Fall:

    Erblasser bestimmt in seinem handschriftlichen Testament eine Aids-Stiftung und eine Krebs-Stiftung zu seinen Erben.
    Ausdrücklich und namentlich enterbt werden seine Nichten.

    Nachdem sich zwei Aids-Stiftungen um das Erbe stritten entschied das OLG Celle: Die Erbeinsetzung ist unwirksam , da der Erblasser gegen die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Er habe mit seiner Formulierung die Bestimmung nicht selbst getroffen sondern anderen überlasssen. Es tritt gesetzliche Erbfolge ein unter Ausschluss der enterbten Nichten.

    Nun tauchen hier die Nichten auf und möchten für ihre minderjährigen Kinder einen Erbscheinsantrag stellen.

    Die Frage ist, ob sich die Enterbung in diesem Fall auch auf die Abkömmlinge erstreckt. Nach dem Wortlaut meiner OLG Entscheidung nicht. Allerdings denke ich nicht, dass das dem Erblasserwillen entspricht.

    Da ich ein etwas ungutes Gefühl habe, wollte ich mal horchen, ob jemand etwas dazu sagen kann.

    Vielen Dank schonmal.

  • Die Frage ist doch schon, ob nicht auch mit dem Wegfall der Einsetzung der Stiftungen zugleich auch der Enterbungsgrund für die Nichten weggefallen ist. Dazu muss man eine ergänzende Auslegung vornehmen, die wir hier ohne genauen Wortlaut des Testaments und Kenntnis der sonstigen Umstände nicht machen können.

    Ich gebe mal folgendes Beispiel für das was ich meine. Der Erblasser schreibt:

    "Weil ich weiß, dass meine Nichten genügend Geld haben und ich gerne etwas Sinnvolles mit meinem Nachlass machen möchte, enterbe ich meine Nichten und vererbe ich mein Vermögen an N.N....."

    Wenn nun also die gewünschte Erbfolge, nämlich dass N.N. der Erbe wird, nicht eintritt, kann man nicht automatisch sagen, dass die Nichten weiterhin enterbt bleiben sollen. Verständlich ausgedrückt?

    Wir bräuchten also m.E. unbedingt den genauen Wortlaut um eine Auslegung vornehmen zu können. Auch was die evtl. Erstreckung der Enterbung auf die Abkömmlinge der Nichten betrifft. Ohne Wortlaut ist das hier Kaffeesatzleserei....

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Na klar, hier der genaue Wortlaut:

    "Hiermit enterbe ich nach meinem Tod meine Nichten X und Y von meinem Haus, Grundstück, 2 Garagen sowie Auto soweit vorhanden und allem Barvermögen das ich besitze. Alle meine Hinterlassenschaften sollen je zur Hälfte an eine Aids-Stiftung und eine Krebs-Stiftung gehen."

  • Na klar, hier der genaue Wortlaut:

    "Hiermit enterbe ich nach meinem Tod meine Nichten X und Y von meinem Haus, Grundstück, 2 Garagen sowie Auto soweit vorhanden und allem Barvermögen das ich besitze. Alle meine Hinterlassenschaften sollen je zur Hälfte an eine Aids-Stiftung und eine Krebs-Stiftung gehen."




    Tja, dann stellt sich doch wirklich die Frage, ob der Erblasser gewollt hätte, dass -wenn er gewusst hätte, dass die Erbeinsetzung nicht geht- dann trotzdem seine Nichten nichts bekommen und er stattdessen lieber sehr weit verwandte Personen oder den Fiskus anstelle seiner Nichten (oder deren Kindern) als Erben gesehen hätte. Aus der Lebenserfahrung heraus: Nein. Wohl eher nicht.

    Das Testament ist nach meiner bescheidenen Ansicht durch den Wegfall der Erbeinsetzung insgesamt in sich zusammengebrochen und inhaltsleer geworden. Es greift also m.E. die normale gesetzliche Erbfolge.

    Wie hat denn das OLG begründet, dass die Nichten auch weiterhin enterbt bleiben sollen? Haben die sich (vmtl.) im Wesentlichen nur mit der Wirksamkeit der Erbeinsetzung befasst und wahrscheinlich keine ergänzende Testamentsauslegung bzgl. der von mir aufgeworfenen (und sich aufdrängenden Frage) vorgenommen. Oder?

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  • Ich glaube nicht, dass man die ausdrückliche Enterbung der Nichten einfach so unter den Tisch fallen lassen kann. Würden diese Erbscheinsantrag zu ihren Gunsten stellen wären die mdj Kinder zumindest am Verfahren zu beteiligen, ein Verfahrenspfleger wäre zu bestellen und der würde dann dem ESA widersprechen.

    Gibt es neben den Nichten X und Y denn noch weitere Erben II. Ordnung oder wären die beiden die einzigen?

  • Ich sage ja auch nicht "einfach so". Ich sage, dass man sehr genau ergründen muss, warum der Erblasser die Enterbung niedergeschrieben hat, statt nicht einfach nur eine Erbeinsetzung vorzunehmen.

    Manche Menschen meinen, sie müßten zuerst ihre Erben ausdrücklich enterben um dann eine wirksame Erbeinsetzung vornehmen zu können. Nicht jedem Menschen ist bekannt, dass man einen Erben auch einfach nur so benennen kann.

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