§ 765a ZPO, substantiierter Vortrag bzgl. einer angeblichen Suizidalität

  • Hi,

    eine Schuldnerin beantragt beim Kollegen per 28.3.11 Vollstreckungsschutz für die am 30.3.11 bevorstehende Zwangsräumung.
    Sie sei stark selbstmordgefährdet, ärztliche Atteste Fehlanzeige. Auf gerichtliche Aufforderung wird als substantiierter Vortrag die eidesstattliche Versicherung ihrer Nachbarin (keine Ärztin) mit folgendem Inhalt vorgelegt: Fr. X ist meine Freundin, sie bewohnt die zu räumende Wohnung seit 25 Jahren. Fr. X hat mir gesagt, dass sie sich lieder selbst tötet als die Wohnung zu verlassen. Ich mache mir Sorgen um Fr. X und bitte um Aussetzung der Vollstreckung.
    Damit will der Anwalt der Schuldnerin nun, dass das Gericht in eine Beweisaufnahme mit einholung eines Sachverständigengutachtens über den Gesundheitszustand seiner Mandantin eintritt.

    Der Kollege ist -wie ich auch- nach Aktenstudium der Ansicht, dass zu einer angeblichen Selbstmordgefährdung nicht substantiiert genug vorgetragen wird. Er will zurückweisen.

    Wie seht Ihr die Sache?



  • Ich sehe erstmal eins und zwar : Frist versäumt!
    Des Weiteren reicht der Vortrag nicht aus. Da könnte ja jeder kommen und sich als Arzt aufspielen und der Schuldnerin sonst was bescheinigen. Würde vlt. zur Sicherheit der Betreuungsabteilung Abschriften geben.

    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit,

    aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher -Albert Einstein-

  • Wenn ich mir den dritten Absatz durchlese, dann könnten die Gründe für den Schutzantrag auch später entstanden sein. Ich wäre mit Suizidanträge extrem vorsichtig. Zugegeben, der Zeitraum ist schon etwas eng, aber ich würde wahrscheinlich einstellen, aber dann das volle Programm durchziehen.

  • Wenn ich mir den dritten Absatz durchlese, dann könnten die Gründe für den Schutzantrag auch später entstanden sein. Ich wäre mit Suizidanträge extrem vorsichtig. Zugegeben, der Zeitraum ist schon etwas eng, aber ich würde wahrscheinlich einstellen, aber dann das volle Programm durchziehen.



    :confused: wie, sie wird erst zwei Tage vor der Räumung suizidgefährdet :gruebel: na das klingt doch extrem seltsam . . . halte ich für eine blanke Schutzbehauptung . . .

    ich hatte mal vor Jahren so einen (zulässigen) Antrag, habe zurückgewiesen zumal mir der GV bestätigte, dass das völlig vermüllte Objekt nicht bewohnbar ist (Sohn wohnte schon in einem Wohnwagen im Garten) . . . die Dame hat sich nicht das geringste angetan und auch bei der Räumung selbst gab's keine Probleme . . . aber sind natürlich alles Einzelfälle ;)

  • In K-Sachen haben wir das Problem ja auch hin und wieder - und dazu hat der BGH so einige schöne Entscheidungen getroffen - zuletzt Beschluss vom 17.02.2011 - V ZB 205/10 -. Nur wegen eines fehlenden Attests kann der Antrag danach nicht zurückgewiesen werden. Ob das gleichermaßen für Räumungsschutz gilt, weiß ich nicht.

  • Hallo Vollstrecker, da kann man ja "fast dran fühlen" wie ernst es hier wirklich mit der Suizuidgefahr steht. Umsomehr der Antrag von einem Anwalt verfasst wurde. Hätte die Frau wirklich ein Problem (mit Suizid) würde sie überall (ggf. zu dir) hinlaufen, aber nicht zu einem Anwalt.
    Und übrigens, wenn wirklich eine Gefahr bestehen würde, könnte man auch zu einem Notartz gehen und sich ne Bescheinigung abholen. Wurde höchstwahrscheinlich auch versucht, jedoch mit wenig Erfolg. Mein Tip: Lass so etwas nicht einreisen. Wenn sich das rumspricht, dass man mit nem "Attest" seiner Freundin einen Vollstreckungsaufschub bekommt wirst du dich künftig vor solchen Anträgen nicht mehr retten können.

  • Es mag zwar grundsätzlich durchaus denkbar sein, daß die Schuldnerin gewisse Selbstmordgedanken hegt. Aber glaubhaft sind sie hier nicht vorgetragen - Freundin die sie seit 25 Jahren kennt.... darauf würde ich eine einstweilige Einstellung nicht stützen. Primär auch unter dem Aspekt der Verfristung wäre der Antrag m.E. zurückzuweisen.

  • Also ich bin da auch sehr streng geworden. Bei mir werden oft Suizidgründe angegeben. Es ist in den seltensten Fällen so, dass sich die Partei aufgrund der Suizidgefährdung bislang in ärztliche Behandlung begeben hat. Ohne entsprechenden Therapienachweis oder ärztliches Attest lehne ich ab. Spätestens die Gegenseite, die dann Rechtsmittel einlegen wird, wird das fehlende oder nicht ausreichende Attest monieren. Wie will man denn dann entscheiden?
    Es ist jetzt natürlich keine kategorische Ablehnung und natürlich eine Einzelfallentscheidung.
    Im vorliegenden Fall fehlen mir tatsächlich die entsprechenden Ansatzpunkte, um den Hang zum Suizid zu bekräftigen. In der Regel sagen die meisten Schuldner: "lieber bin ich tod als dass ich mich räumen lasse."

  • Es errfordert auch der Entscheidung des BGH -V ZB 205/10- schlüssigen, subhstantiierten Sachvortrag des Schuldners. Substantiierter, schlüssiger Sachvortrag wird regelmäßig wohl erst in der Vorlage eines ärztlichen Attestes zu sehen sein. Denn Aussagen wie etwa: "Dann bringe ich mich um." sind leider schon fast an der Tagesordnung. Etwas mehr als die bloße Aussage des Schuldners und die Bestätigung einer mit ihm befreundeten Person wird man für substantiierten, schlüssigen Sachvortrag brauchen. Zumal wie auch der 5. Zivilsenat des BGH (Beschluss vom 16.12.2010 -V ZB 215/09- nicht wie ursprünglich angegeben V ZB 215/10 [Sorry]) erkannt hat, derartige Einwendungen auch vorgespielt sein können, um unberechtigt Vollstreckungsschutz zu erlangen . Es ist dem Vollstreckungsgericht dann auch unbenommen, die maßgeblichen Umstände "tatrichterlich " zu würdigen und ggf. den Antrag zurückzuweisen.

    Im Übrigen wurde noch von der Schuldnerin über ihren Anwalt nach Rücksprache mit dem zuständigen Kollegen ein ärztliches Attest vorgelegt, wonach eine hohe Suizidgefahr vorliegen soll, so dass einstweilen eingestellt wurde und ein fachärztliche Begutachtung angeordnet wurde. Ferner wurde Mietzahlung und deren Nachweis zur Auflage gemacht

    3 Mal editiert, zuletzt von Der Vollstrecker (30. März 2011 um 13:27) aus folgendem Grund: Ergänzung/Nachtrag/Berichtigung

  • Richtig, Antrag ist wegen § 765a III ZPO unzulässig . . . da kann es dahinstehen, ob er begründet ist ;)



    Nach einer Ansicht in der Literatur kann bei behaupteter Suizidgefahr nicht auf das Fristversäumnis abgestellt werden, siehe Musielak/Lackmann ZPO 7. Aufl. § 765a Rn. 20.:confused: Wäre mir daher zu gefährlich bloß auf das Fristversäumnis abzustellen:gruebel:

  • Die Vorschrift der verspäteten Antragsstellung wird bei schwerer Gesundheitsgefährdung und auch bei Selbstmordgefahr nicht angewendet (u. a. Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 765a Rdn. 20).

    Daher würde ich eine Ablehnung nicht hierauf stützen.

    Ob ausreichend schlüssiger Sachvortrag geleistet wurde, darüber mag ich nicht urteilen. Allerdings kann die Einstellung der Zwangsvollstreckung mit Auflagen z. L. des Schuldners verbunden werden. Hier wäre z. B. denbkbar, die Inanspruchnahme fachlicher Hilfe bis hin zur stationären Behandlung, zur Auflage zu machen. Jedoch besteht nach derzeitiger Rechtslage keine Möglichkeit, die Einhaltung der Auflagen zu erzwingen (NJW 2006, 874, 876).

  • Auflagen kann man nicht erzwingen, man kann aber geeignete Massnahmen ergreifen, z. B.:

    - Anregung einer Betreuung
    - Verständigung Jugendamt, falls Kinder vorhanden sind
    - Führerscheinstelle
    (für weitere Vorschläge bin ich aufgeschlossen)

    In Bayern haben wir das bayerische Unterbringungsgesetz, das ich zu gerne mal testen würde. Wie schon gesagt, mit Suizid verstehe ich keinen Spass mehr, zumal ich in dieser Beziehung schon oft genug verscheissert worden bin.

  • Wenn ich mir den dritten Absatz durchlese, dann könnten die Gründe für den Schutzantrag auch später entstanden sein. Ich wäre mit Suizidanträge extrem vorsichtig. Zugegeben, der Zeitraum ist schon etwas eng, aber ich würde wahrscheinlich einstellen, aber dann das volle Programm durchziehen.


    Ein fachärztliches Gutachten muss vorgelegt werden. Durchschrift an Vormundschaftsgericht, ob die was einrichten wollen. Die Frist wäre mir auch nicht so wichtig.

  • Um überhaupt, auch eine Einstellung selbst unter Auflagen zu rechtfertigen, bedarf es schlüssigen, substantiierten Sachvortrags. Dann ist in eine Beweisaufnahme einzutreten. Einschaltung des Betreuungsgerichts, sozialpsychiatrischen Dienstes der Gemeinde etc. erfolgt auch mit entsprechendem Hinweis (auch auf die insoweit einschlägige BGH-Rechtsprechung) für den Schuldner

  • Das ist ohnehin diskussionswürdig: Leidet jemand massiv an Suizidgefahr, muss ggf. eine Vorlage an den Betreuungsrichter erfolgen, der auf Grund der möglichen massiven Selbstschädigung weitere Maßnahmen wie Unterbringung und ärztliche Behandlung denken muss. Schließlich kann ein Suizidversuch ja auch so ausgehen, dass man ihn überlebt und sich massiv dabei schädigt.


  • In Bayern haben wir das bayerische Unterbringungsgesetz, das ich zu gerne mal testen würde. Wie schon gesagt, mit Suizid verstehe ich keinen Spass mehr, zumal ich in dieser Beziehung schon oft genug verscheissert worden bin.



    Ich habe in einem Fall mal das Ordnungsamt verständigt, die prüfen bei solchen Eilfällen die Unterbringung ins Bezirkskrankenhaus. Laut Betreuungsgericht hier gehts übers Ordnungsamt schneller und Unbürokratischer... Entweder die Veranlassen aufgrund aktuter Suizidgefahr die Unterbringung oder, wenn die konkrete Suizidgefahr verneint wird, kann auch geräumt werden. Bin damit ganz gut gefahren...

  • Ein kleines Fällchen aus der Praxis:
    Hatte in einer Räumungssache von einem Schuldner ebenfalls Antrag nach § 765 a ZPO wegen angeblicher Suizidgefahr erhalten. Habe dann mal gleich das Landratsamt -Führerscheinstelle- hiervon verständigt, da ich mir selbstverständlich Sorgen um die anderen Autofahrer (also Allgemeinheit) gemacht habe. Antrag nach § 765 a ZPO wurde dann unverzüglich zurück genommen. Auch davon habe ich Führerscheinstelle verständigt.

    Aber glaubt mir, es gibt auch begründete Anträge hierzu.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!