Reisekosten Pflichtverteidiger

  • Hallo,
    Hab bei der Suche nichts passendes gefunden:

    Einem am Prozessort wohnenden Sünder wird ein auswärtiger Pflichtverteidiger bestellt.

    Dieser macht bei der Pflichtverteidigerabrechnung u.a. Reisekosten + Tagegeld für eine Besprechung mit seinem Mandanten an dessen Wohnort geltend :gruebel:
    Bekommt er die? Oder nur in Höhe der Kosten, die entstanden wären, wenn der Mandant zum RA reist?

    Danke!

    Die Wahrheit geht manchmal unter, aber sie ertrinkt nicht.
    (Ungarisches Sprichwort)

  • Der Pflichtverteidiger kriegt seine Reisekosten immer.
    Wenn einer bestellt wird, wird von einem schwerwiegenderen Vergehen ausgegangen, so dass immer eine direkte (persönliche) Besprechung mit dem Mandanten für notwendig erachtet wird.
    Wer zu wem reist ist egal, die Kosten sind zu erstatten.

    Wenn der Mandant z.B. einsitzt, muss auch der Verteidiger hinreisen, somit wäre das für diesen eine Bevorzugung, da er höhere Fahrtkosten geltend machen könnte...

  • Sehe ich nicht so. Sofern der Mandant nicht inhaftiertt war, würde ich mal nachfragen, weshalb der Mandant nicht den Verteidiger aufgesucht hat. Dieses wäre für die Staatskasse kostenlos. Siehe auch die Kommentierungen zu VV 7003 (Erstattung nur, wenn Reise erforderlich war). Bei einer Behinderung o. ä. hätte ich keine Probleme mit der Festsetzung, ansonsten schon.

  • Danke schon mal
    -besonders für den Hinweis auf die Kommentierung :)-

    Ich sehe das auch nicht so, dass der beigeordnete RA seine Reisekosten immer bekommt, deshalb frage ich ja hier ;)

    Bei einer Fahrt zu JVA und zum Termin hab ich auch kein Problem.

    Hier war der Mandant aber nicht behindert oder sonstwie reiseunfähig. Es handelt sich um einen 17-Jährigen, der keinen FS hat. Vielleicht hatten Mami und Papi keine Lust ihn zu fahren und auf ÖPNV hatte er keine Lust.

    Ich nehme mal an, der RA war wegen einer anderen Sache am Gerichtsort und ist anschließend einfach bei ihm vorbeigefahren, damit der arme Junge die weite Reise (ca. 1,5 Stunden) mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht antreten muss. Nachweisen kann ich das natürlich nicht.

    Ich finde, dass die Reise des RA hier nicht notwendig war, weil es dem Jungen durchaus zuzumuten ist, zum RA zu reisen. Oder sehe ich das falsch?

    Würde mich über weitere Meinungen freuen.

    Die Wahrheit geht manchmal unter, aber sie ertrinkt nicht.
    (Ungarisches Sprichwort)

  • Ich nehme mal an, der RA war wegen einer anderen Sache am Gerichtsort und ist anschließend einfach bei ihm vorbeigefahren, damit der arme Junge die weite Reise (ca. 1,5 Stunden) mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht antreten muss.



    Ich nehme mal an, dass der RA tatsächlich nicht zu seinem Mandanten gefahren ist, sondern dieser zu ihm. Aber die Kosten für eine Tagesfahrkarte für Bus oder Bahn sind sicherlich um einiges geringer als es rein rechnerisch die Fahrtkosten des Anwalts wären. Und deshalb gibt der RA an, er wäre zu dem Mandanten gefahren. Mit dem Hinweis auf die fehlende Notwendigkeit würde ich deshalb die vom RA geltend gemachten Reisekosten absetzen.

  • Ich nehme mal an, dass der RA tatsächlich nicht zu seinem Mandanten gefahren ist, sondern dieser zu ihm. Aber die Kosten für eine Tagesfahrkarte für Bus oder Bahn sind sicherlich um einiges geringer als es rein rechnerisch die Fahrtkosten des Anwalts wären. Und deshalb gibt der RA an, er wäre zu dem Mandanten gefahren.


    :eek:
    Du unterstellst dem Anwalt also, ohne Kenntnis des Sachverhaltes, versuchten Abrechnungsbetrug gegenüber der Staatskasse?

  • Interessant ist auch noch die Frage, warum ein auswärtiger RA beigeordnet wurde, wenn der Angeschuldigte am Gerichtsort wohnt :gruebel:

    Gabs bei der Beiordnung wenigstens eine Einschränkung ("zu den Bedingungen eines am Prozeßort tätigen RA")? Falls nicht, sind die Kosten m.E. in Höhe der Reisekosten des Mandanten zum RA zu erstatten, alles was darüber hinausgeht ist Privatvergnügen und kann nicht zu Lasten der Staatskasse gehen.

  • Interessant ist auch noch die Frage, warum ein auswärtiger RA beigeordnet wurde, wenn der Angeschuldigte am Gerichtsort wohnt :gruebel:

    Gabs bei der Beiordnung wenigstens eine Einschränkung ("zu den Bedingungen eines am Prozeßort tätigen RA")? Falls nicht, sind die Kosten m.E. in Höhe der Reisekosten des Mandanten zum RA zu erstatten, alles was darüber hinausgeht ist Privatvergnügen und kann nicht zu Lasten der Staatskasse gehen.

    Öhm, das § 142 StPO geändert wurde, weißt Du aber schon? Nix mehr mit "möglichst aus dem Gerichtsbezirk"... Siehe u. a. dort und dort.

    Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Versagers. (Oscar Wilde)

  • Die Prüfung, von wo ein RA beigeordnet wird, muss trotzdem noch durchgeführt werden. Und wenn der Mandant am Gerichtsort wohnt, muss es schon erhebliche Gründe geben, einen auswärtigen RA beizuordnen. Zumindest verstehe ich das so - und viele der Richter hier am LG zum Glück auch, weshalb es die Einschränkung hier noch gibt.

  • Interessant ist auch noch die Frage, warum ein auswärtiger RA beigeordnet wurde, wenn der Angeschuldigte am Gerichtsort wohnt :gruebel:

    Gabs bei der Beiordnung wenigstens eine Einschränkung ("zu den Bedingungen eines am Prozeßort tätigen RA")? Falls nicht, sind die Kosten m.E. in Höhe der Reisekosten des Mandanten zum RA zu erstatten, alles was darüber hinausgeht ist Privatvergnügen und kann nicht zu Lasten der Staatskasse gehen.


    Die Reisekosten des Mandanten können nicht im Rahmen der Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung erstattet werden.

  • Der Anwalt wurde vom Mandanten benannt und ohne weitere Nachfrage oder Einschränkung bestellt - aber das nur nebenbei...

    Hab gerade nochmal gegrübelt :gruebel: und dabei bemerkt, dass ich wohl einiges bei der Fragestellung durcheinandergewürfelt hab :oops:.

    Das mit den Kosten des Mandanten kann mir doch in dem Fall eigentlich Wurscht sein :confused:

    Es geht hier um die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung, nicht um eine Festsetzung gg. die Staatskasse nach Freispruch. In die Pflichtverteidigervergütung fließen doch keine Reisekosten des Mandanten ein :oops:.

    Damit ist die einzige Frage die sich stellt:
    war die Reise notwendig oder nicht und dann gibts Geld dafür oder nicht - oder hab ich jetzt schon wieder einen Denkfehler?

    Ich werde den RA jetzt mal anschreiben - mal sehen, wie er die Notwendigkeit seiner Reise begründet.

    Falls noch jemand was hierzu beizutragen hat - nur zu :)
    und ein herzliches DANKE an alle fürs mitgrübeln!

    Die Wahrheit geht manchmal unter, aber sie ertrinkt nicht.
    (Ungarisches Sprichwort)

  • Damit ist die einzige Frage die sich stellt:
    war die Reise notwendig oder nicht und dann gibts Geld dafür oder nicht - oder hab ich jetzt schon wieder einen Denkfehler?

    Ich werde den RA jetzt mal anschreiben - mal sehen, wie er die Notwendigkeit seiner Reise begründet.


    Völlig richtig! Ich sehe die Notwendigkeit nur bei einer Reiseunfähigkeit des Mandanten.

  • Hab jetzt die Antwort vom RA:

    Er reiste zum Mandanten, da er von einer möglicherweise notwendigen Tatortbesichtigung zur Klärung des Tatgeschehens ausging. Tatort befindet sich im Wohnort des Mandanten.

    Bin danach schon geneigt, die Kosten zu erstatten :gruebel:

    Die Wahrheit geht manchmal unter, aber sie ertrinkt nicht.
    (Ungarisches Sprichwort)

  • :gruebel: Wie nun, reiste der RA an den Tatort, um diesen zu besichtigen und weil er schon mal am gleichen Ort war, was keine Mehrkosten verursacht hat, hat er auch mit dem Mandanten gesprochen? Ansonsten hätte er über den Tatort mit dem Mandanten auch in seiner Kanzlei reden können.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Nein,
    er nahm Akteneinsicht, fand die Zeugenaussagen sehr widersprüchlich (sind sie wirklich) und entschied dann, zur Besprechung zum Mandanten zu fahren, mit diesem nach einem Gespräch dann zum Tatort, um diesen zu besichtigen zwecks Aufklärung der Widersprüche.
    Der Mandant hat ihn dann wohl auch so hinreichend aufgeklärt und die Reise zum Tatort gab es nicht.

    Die Wahrheit geht manchmal unter, aber sie ertrinkt nicht.
    (Ungarisches Sprichwort)

  • Hallo,man muss m.E. auseinanderhalten (vgl. dazu demnächst auch Volpert in Burhoff(Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2011, Teil A: Auslagen aus derStaatskasse [§ 46], Rn. 173 ff.):

    1.Ob die Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwalts als Verteidiger erforderlichist/war, wird/wurde vom Gericht bereits bei der Bestellung gem. § 142 StPO geprüft.Bestellt das Gericht einen auswärtigen Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger, istdie Notwendigkeit im Festsetzungsverfahren nicht mehr zu prüfen und sind dahergrds. auch die Mehrkosten erstattungsfähig, die dadurch entstehen, dass derbestellte Verteidiger seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht am Gerichtsorthat (BVerfG, NJW 2001, 1269 = StV 2001, 241 = BRAGOreport 2001, 60; OLGDüsseldorf, StV 1998, 91 = NStZ 1997, 605 = AGS 1998, 88; LG Magdeburg, StraFo2008, 131; Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Teil 19 Rn. 115). DieReisekosten sind dann i.S.v. § 46 Abs. 1 zur sachgemäßen Durchführung derAngelegenheit erforderlich. Die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen richtetsich nach Nr. 7003 – 7006 VV RVG.

    2.Zur Erforderlichkeit von Reisekosten verweise ich u.a. auf KG, RVGreport 2008,302 = RVGprofessionell 2008, 171 = StRR 2008, 398 (müsste auch auf meiner HPbei § 46 RVG stehen). Ich meine, dass hier die Reisekosten schon erforderlich waren(Gespräch mit dem Mandanten und Tatortbesichtigung) Im Übrigen: Ex ante Prüfung(OLG Düsseldorf, StRR 2007, 199 = AGS 2007, 243 für Kopien).

  • Hallo,man muss m.E. auseinanderhalten (vgl. dazu demnächst auch Volpert in Burhoff(Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2011, Teil A: Auslagen aus derStaatskasse [§ 46], Rn. 173 ff.):

    1.Ob die Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwalts als Verteidiger erforderlichist/war, wird/wurde vom Gericht bereits bei der Bestellung gem. § 142 StPO geprüft.Bestellt das Gericht einen auswärtigen Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger, istdie Notwendigkeit im Festsetzungsverfahren nicht mehr zu prüfen und sind dahergrds. auch die Mehrkosten erstattungsfähig, die dadurch entstehen, dass derbestellte Verteidiger seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei nicht am Gerichtsorthat (BVerfG, NJW 2001, 1269 = StV 2001, 241 = BRAGOreport 2001, 60; OLGDüsseldorf, StV 1998, 91 = NStZ 1997, 605 = AGS 1998, 88; LG Magdeburg, StraFo2008, 131; Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Teil 19 Rn. 115). DieReisekosten sind dann i.S.v. § 46 Abs. 1 zur sachgemäßen Durchführung derAngelegenheit erforderlich. Die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen richtetsich nach Nr. 7003 – 7006 VV RVG.

    2.Zur Erforderlichkeit von Reisekosten verweise ich u.a. auf KG, RVGreport 2008,302 = RVGprofessionell 2008, 171 = StRR 2008, 398 (müsste auch auf meiner HPbei § 46 RVG stehen). Ich meine, dass hier die Reisekosten schon erforderlich waren(Gespräch mit dem Mandanten und Tatortbesichtigung) Im Übrigen: Ex ante Prüfung(OLG Düsseldorf, StRR 2007, 199 = AGS 2007, 243 für Kopien).

    Besten Dank auch von mir nochmal.:)

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