Anordnung Schiffsversteigerungsverfahren

  • Heute morgen bekomme ich einen Antrag auf Anordnung einer Zwangsversteigerung eines Schiffes (samt sämtlicher Vollstreckungsunterlagen) gefaxt. Natürlich alles eilig, weil bekannt wurde, dass das Schiff heute in X-Stadt am Y-Fluss einlaufen (oder zumindest vorbeifahren soll). Meine bisherigen Ermittlungen (bin speziell bzgl. Schiffsversteigerungen kaum bewandert) haben zu dem folgenden Ergebnis geführt: da der Vollstreckungstitel bisher nur gefaxt wurde (vollstreckbare Ausfertigung soll über Nacht per Expresspost wohl morgen eintreffen) ist ja keine Anordnung bisher möglich, auch wenn es dem Gläubigervertreter nicht passt (anwaltliche Versicherung an Eides statt, dass Titel unterwegs ist unter Hinweis auf BGH-Entscheidung des 5. Zivilsenats - VZB 124/09, wonach der Titel im Versteigerungsverfahren nicht ständig vorliegen muss). Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, ob eine Anordnung bzw. Beschlagnahme des Schiffes überhaupt möglich wäre: lt. Stöber, ZVG, 19. Auflage, RNr. 3.5 zu § 162 ZVG ist die Anordnung einer Zwangsversteigerung eines Schiffes, wenn es sich auf der Reise befindet und nicht in einem Hafen liegt, nicht möglich: § 482 HGB. Stöber unterscheidet hierbei selber nicht zwischen einem Binnen- und einem See-Schiff, wohl aber anscheinend das HGB: § 482 ist Teil des Abschnitts Seerecht....Leider finde ich auf die Schnelle keine weiteren Kommentierungen hierzu.

    Nach meinen Ermittlungen (nicht der des Gläubigers) soll das Schiff aber nicht hier im Binnen-Hafen anlegen, sondern durchreisen. Sollte also morgen noch rechtzeitig der Titel vorliegen, könnte ich dann noch das Binnenschiff beschlagnahmen, sofern es dann noch im Zuständigkeitsbereich meines AG-Bezirks fährt ?

  • Die von Dir bei Stöber vermißte Unterscheidung ist auch Mohrbutter/Drischler und Jaeckel/Güthe nicht zu entnehmen.
    Rellermeyer in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer nimmt sie jedoch vor und führt insoweit aus: "Für die Anwendung von Seeschiffahrtsrecht (5. Buch HGB) oder Binnenschiffahrtsrecht (BinSchG) ist die Unterscheidung von Seeschiffen und Binnenschiffen maßgeblich." (Nr. 4 zu § 162) ... "Als außerhalb des ZVG geregelte Besonderheit gilt für Seeschiffe § 482 HGB." (Nr. 48 ebd.)

  • Bang-Johansen: Was dann für mich bedeutet, ich dürfte (vorausgesetzt, der Titel liegt dann formgerecht vor) das Schiff "entern", sofern es sich dann noch in meinem AG-Bezirk befindet. Da muss ich dann wohl morgen die hiesige Wasserschutzpolizei damit beauftragen, nach dem Schiff zu fahnden. Oder müsste ich selbst dann noch die Versteigerung anordnen, wenn das Schiff im Zeitpunkt des Vorliegens des Titels bereits im Nachbar-AG-Bezirk ist?

  • Ich denke nicht. Wenn das Schiff in Deinem AG-Bezirk ist bist Du zustäncig, wenn nicht, dann nicht.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Bist Du überhaupt örtlich zuständig?
    Meines Wissens haben einige Bundesländer von der Konzentrationsermächtigung Gebrauch gemacht und haben eine ausschließliche Zuständigkeit (z. B. Amtsgericht am Sitz des Schiffsregisters) festgelegt.

    Auf Reise befindliche Schiffe können m. E. nicht beschlagnahmt werden.
    Erst wenn sie sich in einem Hafen befinden, können sie durch den Gerichtsvollzieher "an die Kette gelegt" und danach bewacht werden.
    Dass Schiffe zivilrechtlich geentert werden dürfen, wäre mir neu.

    Eine regelrechte Fahndung nach dem Schiff halte ich im Rahmen des Parteiprozesses mangels Amtsermittlungsgrundsatzes für verfehlt.

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

  • Bist Du überhaupt örtlich zuständig?
    Meines Wissens haben einige Bundesländer von der Konzentrationsermächtigung Gebrauch gemacht und haben eine ausschließliche Zuständigkeit (z. B. Amtsgericht am Sitz des Schiffsregisters) festgelegt.



    Nein, eine Zuständigkeitskonzentration gibt es hier nicht. Solange das Schiff in "meinem" Bezirk ist, bin ich (leider) zuständig.

    Da ich aktuell den "Stand"ort des Schiffes nicht kenne, andererseits mittlerweile der Titel vorliegt, habe ich jetzt mal den Anordnungsbeschluss erlassen. Sollte sich herausstellen, dass der Gerichtsvollzieher im Bezirk das Schiff nicht (mehr) auffindet, hebe ich mangels Zuständigkeit wieder auf.

    "Eine regelrechte Fahndung nach dem Schiff halte ich im Rahmen des Parteiprozesses mangels Amtsermittlungsgrundsatzes für verfehlt. "
    Der Gläubigervertreter bringt aber durchaus zum Ausdruck, dass ich insofern tätig werden müsste. Er geht sogar noch weiter und lässt zwischen den Zeilen durchblicken, ich möge doch über die Wasserschutzpolizei vor Ort erreichen, dass das Schiff den hiesigen Hafen ansteuert, obwohl zu diesem Zeitpunkt mangels Vorliegen des Titels noch gar keine Anordnung der Zwangsversteigerung möglich ist. Die Nichanordnung der Zwangsversteigerung wegen Nichtvorliegen des vollstreckbaren Titels (ich hatte ja gestern sämtliche Unterlagen nur in Fax-Form) hält er für eine bloße Formalie, mit der Folge, dass eine Zwangsversteigerung von Schiffen von vornherein aussichtslos wäre...

  • So - das Vorliegen der Original-VU zur Einleitung einer Vollstreckungsmaßnahme ist nur eine Formalie - :gruebel:

    Ob du tatsächlich über die Polizei das Schiff in einen bestimmten Hafen dirigieren lassen kannst zwecks Beschlagnahme - ich weiß nicht.

  • Spannende Sache :)

    Mangels Zuständigkeit habe ich ein solches Verfahren in der Praxis noch nicht gehabt und würde ggfs. mal einen Kollegen der hier konzentriert zuständigen Vollstreckungsgerichte anrufen.

    Allerdings liebe ich ja Gläubiger, die nachweislich in Ermangelung eigener Sachkenntnis auch noch Druck ausüben wollen.

    Ich kann mir nicht ersthaft vorstellen, dass es rechtens sein soll, mit Hilfe der Wasserschutzpolizei in diesem Verfahren den Schiffsführer zu zwingen, einen Hafen anzulaufen, um eine zivilrechtliche Vollstreckung durchzuführen.
    Wurde eigentlich im Rahmen von § 17 Abs. 2 ZVG eine Urkunde vorgelegt (Zeugnis des Schiffsregisters), aus der sich ergibt, dass der Vollstreckungsschuldner überhaupt Eigentümer des Kahns ist?

    Na ja, mittlerweile ist ja schon Nachmittag und das Böötchen wird bestimmt schon außerhalb Deines Zuständigkeitsbereiches sein. :D
    Wenn keiner weiß, wo sich das Schiff befindet, wie soll der GV es dann an die Kette legen?.
    Im Ergebnis tippe ich mal auf einen Beschluss gem. § 28 Abs. 2 ZVG.

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

  • Ja, die Sache entwickelt sich zum Krimi.
    Aktueller Stand der Dinge ist, dass das Schiff wohl tatsächlich gestern noch im Hafen X-Stadt lag und heute morgen den Hafen verlassen hat. Der Original-Titel ist aber erst gegen ca. 9.30 Uhr hier eingegangen. Unmittelbar darauf hab ich dann den Anordnungsbeschluss erlassen und die Gerichtsvollzieher mit der Beschlagnahme beauftragt. Da das Schiff aber schon unterwegs war, haben die natürlich nichts mehr ausgerichtet. Auf die Reaktion des Gläubigervertreters bin ich jetzt mal gespannt. Er wollte mich eigentlich in diesen Minuten zurückrufen.




    PS: den Schiffsregisterauszug hab ich immerhin formgerecht vorliegen gehabt.

  • So, hab jetzt den Anwalt des Gläubigers mit dem derzeitigen Sachstand konfrontiert. Auf die Möglichkeit, das Verfahren hier wegen Unzuständigkeit aufzuheben und ein neues Verfahren beim nächstmöglichen Amtsgericht zu beantragen, wollte er nicht eingehen, weil er sich sicher ist, dass das Schiff in ein paar Tagen zurückkommt. Da stellt sich natürlich für mich die Frage der "weiteren" Zuständigkeit. Hebe ich meinen ursprünglich rechtmäßigen (weil Zuständigkeit gegeben) Anordnungs-Beschluss nicht auf, bin aber in der Zwischenzeit unzuständig und das Schiff kehrt in meinen AG-Bezirk zurück: kann ich sich dann der Gläubiger auf den ursprünglichen Anordnungsbeschluss berufen, mit Blick auf die nun wieder gegebene Zuständigkeit, oder wäre dann ein erneuter Anordnungsbeschluss zu erlassen? Problematisch wäre ein neuer Beschluss dann, wenn das Schiff jetzt ausgerechnet am Samstag/Sonntag wieder hier auftaucht und niemand da ist, der einen neuen Beschluss machen würde...

  • Habe von der Schiffsversteigerung noch weniger Ahnung als Du, aber kannst Du den einmal erlassenen Beschluss einfach wieder aufheben, dazu müsste doch eine Erinnerung/Beschwerde des Schuldners vorliegen - oder ? Vielleicht war es ja in der Sekunde der Unterschrift bzw. bei Herausgabe des Beschlusses an den GVZ auch noch da, dann wäre er doch auch vom zuständigen Gericht erlassen. Muss sich der GV nur ans Ufer legen und warten ...
    Bin ich froh, dass auf unserem Flüsschen nur Kajaks fahren können!

  • Es müsste doch festzustellen sein, wann das Schiff den Hafen verlassen hat.

    Wenn dies vor Erlass des Anordnungsbeschlusses erfolgt ist, dann Aufhebung des Verfahrens.

    Wenn das Schiff bei Erlass noch im Hafen war, dann bleibt die Zuständigkeit bestehen und Du müsstest wohl das Schiff im nächsten Hafen, den es anläuft und von dem Du erfährst, an die Kette legen lassen.

  • Und es bleibt spannend....

    Das Schiff war bei Erlass des Anordnungsbeschlusses schon weg.

    Aktuell liegt es nach Auskunft der zuständigen Wasserschutzpolizei Z-Stadt im Hafen von Z-Stadt mit Weiterfahrverbot wegen fehlendem Ankers. Dortige Aufenthaltsdauer unbekannt. Ziel der Fahrt: A-Stadt.
    Gläubigervertreter hat hiervon Kenntnis, denkt aber gleichwohl nicht daran, Antrag auf Anordnung in Z-Stadt bzw. A-Stadt zu stellen, weil das Schiff nach seinen Erfahrungen ja wieder zu mir nach X-Stadt zurückkommt. Da soll ihm dann "aufgelauert" werden... Keine Ahnung, ob das rechtlich so einwandfrei ist.

  • Wir haben in Hamburg die Zuständigkeitskonzentration beim AG HH-Mitte. Da ich dort nich arbeite habe ich leider auch kaum Ahnung von dieser Materie. Ich könnte aber bei Bedarf Kontakt mit einem zuständigen kollegen herstellen. Bitte in diesem Fall PN mit dienstl. Tel.Nr.
    In Stöber heißt es zu § 163 ZVG: Der AO ist in Ordnung wenn das Schiff vor seinem Erlass in den Bezirk des Gerichts eingelaufen und bis zum Erlass des Beschlusses nicht wieder ausgelaufen ist. Alle späteren Änderungen sind ohne Bedeutung.
    Nach Deinem letzten Posting ist das Schiff vor Erlass der AO bereits wieder ausgelaufen und nicht mehr in Deinem Gerichtsbezirk (?), das hätte dann die Aufhebung des Beschlusses nach § 28 ZVG zur Folge.
    Da alle Kommentare die Zuständigkeit darauf abstellen, wo sich das Schiff befindet, nicht wo es liegt, sollte eventuell doch ein "Entern" möglich sein, aber das kann ich nicht sicher sagen.

  • Die offenbar mangelhafte örtliche Zuständigkeit ist doch aber nicht von Amts wegen zu beachten sondern führt lediglich auf entsprechende Rüge zur Nichtigkeit und Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme.

    Allerdings kann man auch schlecht das Schiff versteigern, wenn es nicht da und an die Kette gelegt worden ist ... ?

  • Ich habe keine Ahnung, finde den Thread aber saugeil :)
    (es war immer mein größter Horror, morgens ins Büro zu kommen und den Antrag auf Versteigerung eines Schiffes vorzufinden, ist aber glücklicherweise nie passiert).

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Ich habe keine Ahnung, finde den Thread aber saugeil :)



    :wechlach:
    Schön formuliert, und sehr zutreffend!
    Zum Glück gibt es auch hier keine Schiffe (nein, das ist keine Schadenfreude! Wenn man Zeit dafür hat, sind knifflige Fälle durchaus reizvoll. Ich bin sehr gespannt, wie das Ding ausgeht).

  • Die offenbar mangelhafte örtliche Zuständigkeit ist doch aber nicht von Amts wegen zu beachten sondern führt lediglich auf entsprechende Rüge zur Nichtigkeit und Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme.



    Vorsicht:
    Die Unzuständigkeit ist zumindest nach Stöber nicht heilbarer Zuschlagsversagungsgrund.
    Sobald der (unheilbare) Verfahrensmangel festgestellt wird, ist das von einem unzuständigen Gericht angeordnete Verfahren daher ggfs. nach Anhörung von Amts wegen aufzuheben.

    Fahrende Schiffe sollte man ziehen lassen und nicht entern :strecker
    (Das ist meine rein auf theoretischen Üerlegungen gründende Meinung). Andernfalls ist irgendwann jeder mal zuständig (soweit das Vollstreckungsgericht an einem beschiffbaren Fluss liegt).

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)


  • Da alle Kommentare die Zuständigkeit darauf abstellen, wo sich das Schiff befindet, nicht wo es liegt, sollte eventuell doch ein "Entern" möglich sein, aber das kann ich nicht sicher sagen.



    Alle Kommentare ohne Stöber höchstens.

    Stöber meint in RN 3.5 zu § 162, dass die Zwangsversteigerung nicht angeordnet werden darf, wenn sich das Schiff auf Reise befindet.
    Ist - wie von mir weiter oben bereits begründet - m. E. auch logisch.

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

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