Antrag nach § 850 h ZPO

  • Mir liegt ein Antrag nach § 850 h ZPO vor, dass die Lohnsteuerklasse der Schuldnerin fiktiv nach IV anstatt V berechnet werden soll für den Pfändungsbetrag.
    Schuldner Netto ca. 700, SK V und Ehemann Netto ca. 2000 €, SK III
    bereits schon Jahre vor der Pfändung der Fall gewesen.
    Habe jetzt folgende Entscheidung gelesen:

    BGH Beschluss vom 04.10.2005 - VII ZB 26/05 -
    ZPO § 850 h
    a) Hat der Schuldner vor der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gewählt, so kann er bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags schon im Jahre der Pfändung so behandelt werden, als sei sein Arbeitseinkommen gemäß der günstigeren Lohnsteuerklasse zu versteuern.
    b) Wählt der Schuldner nach der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse oder behält er diese für das folgende Kalenderjahr bei, so gilt dies auch ohne Gläubigerbenachteiligungsabsicht schon dann, wenn für diese Wahl objektiv kein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist.

    Für das laufende Kalenderjahr würde ich es auf jeden Fall verneinen in meinem Fall, da keine Gläubigerbenachteiligung bzw. ein sachlicher Grund besteht für die Entscheidung der Steuerklasse.
    Verstehe jetzt b) der Entsch. nich ganz. Hier ist ja ohne Gläubigerbenachteiligung eine Fiktive Berechnung möglich. Kann ich hier auch argumentieren, dass ein sachlicher Grund besteht bei der Shculdnerin und auch für das folgende Kalenderjahr die fiktive Berechnung der Steuerklasse IV verneinen?

    Gruß

  • Wo ist denn die Gläubigerbenachteiligung, wenn die Steuerklassenwahl schon lange vorher so war.

    Außerdem dürfte diese Steuerklassenwahl für die Eheleute grundsätzlich die günstigere Wahl sein. Von dem Schuldner kann meiner Meinung nach nicht verlangt werden, dass das Ehepaar eine insgesamt ungünstigere Wahl trifft, nur damit der Gläubiger etwas bekommt.

  • Also die Gläubigerbenachteilung sehe ich auch nicht. Wie ist es denn mit dem sachlichen Grund. Die hat der Schuldner doch wenn die Einkommen weit auseinanderfallen, oder? Und dieser besteht ja auch noch für die fortlaufende Pfändung, oder nicht?

  • In der WVP eines Schuldners wünscht sich der TH auf Grund der o.a. Entscheidung, dass der Schuldner von IV nach III wechselt.

    Ich bin etwas irritiert - ich kenne keine Entscheidung, die den Wechsel von IV nach III fordert oder eine fiktive Abrechnunbg des Drittschuldners nach III anordnet.

    Die Eheleute sind seit Jahren mit IV/IV erwerbstätig; der TH hat im Insoverfahren den Ehepartner auf Basis einer Vereinbarung bei der Ermittlung des pfändbaren Betrages unberücksichtigt gelassen.

    Gibt es Fundstellen, die einen Wechsel von IV nach III als Erwerbsobbliegenheit im Insolvenzrecht oder eine fiktive Berechnung durch den Drittschuldner nch 850h für
    möglich halten?

  • Auch hier meine Frage nach der Benachteiligungsabsicht, wenn die Steuerklassen schon Jahre vorher so gewählt wurden?

    BFH Urteil vom 27.07.2011 - VI R 9/11 -:

    Das Recht zur Wahl der Lohnsteuerklasse geht im Insolvenzverfahren nicht auf den Insolvenzverwalter über. Es bleibt beim Insolvenzschuldner.

    LG Dortmund Beschluss vom 23.03.2010 - 9 T 106/10 -:

    Die Wahl einer für den Schuldner günstigeren Steuerklasse ist dann berechtigt, wenn hierfür ein sachlicher Grund vorliegt. § 850h ZPO findet dann keine Anwendung.

  • LG Dortmund ist hilfreich - DANKE.

    Aber da geht es ja auch um V vom Schuldner gewählt und IV vom TH gewünscht.

    Die gewünschte StKl III "zu Lasten" der Einkünfte des Ehegatten zu beanspruchen, finde ich zusätzlich bemerkenswert und nicht richtungsweisend - echt nur blöd, sich an die Überschrift oder Tenor zu lesen, günstig/ungünstig zu verstehen und dann loszulaufen und sich was zu wünschen.

  • Guten Morgen :)

    Ich habe nun auch einen solchen Fall vorliegen.

    Gepfändet ist das Arbeitseinkommen des Ehemannes. Dieser verdient Brutto wohl etwa 1.600,00 €, seine Ehefrau wohl etwa 1.500,00 €. Der Schuldner hat hier die Steuerklasse V und seine Ehefrau die Steuerklasse III. Der Gläubiger beantragt nun, anzuordnen, dass der Schuldner bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens fiktiv nach Steuerklasse IV veranlagt werden soll.
    Das ist auch alles soweit einleuchtend. Momentan zahlen die beiden zusammengenommen wohl etwa 350,00 € Steuern monatlich, bei der Steuerklassenwahl IV/IV seien es wohl nur etwa 240,00 €.
    Grundsätzlich hätte ich dem Antrag so stattgeben wollen, da der sachliche Grund für die Steuerklassenwahl zu fehlen schien. Um Art. 103 GG aber nicht zu verletzen, habe ich den Schuldner angehört. Dieser trägt nun vor, die Steuerklassenwahl sei so erfolgt, weil sein Arbeitgeber ihm dies im Hinblick auf Rentenanwartschaften so geraten habe. Die "Familiengesamtrente" falle so später größer aus als bei einer anderen Steuerklassenverteilung.
    Der Gläubiger streitet dies ab. Und ich habe von Rentenanwartschaften leider so wenig Ahnung, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wem ich hier glauben kann/darf/soll/muss. :oops:

    Habt ihr eine Idee, wie ich hier weiterkommen kann? Ich darf die Anordnung ja nicht treffen, wenn es für das Ehepaar tatsächlich einen sachlichen Grund für die Steuerklassenwahl gab. Wie überprüfe ich das? Es steht ja quasi Aussage gegen Aussage.... :gruebel:

    Dankeschön und einen guten Wochenstart! :)

    Liebe Grüße
    Lynn

  • Laut SV hatte der Sch. die zu ändernden Steuerklassen bereits vor der Pfändung so gewählt. Ich sehe das so, dass für eine Entscheidung des VollstrG allenfalls dann Raum ist, wenn der Sch. NACH der Pfändung die Steuerklasse ändert, s. auch LG Münster, Beschluss v. 29.01.2003, Az. 5 T 1191/02.

    Ansonsten finde ich die Ausführungen zu dieser Problematik bei Stöber überzeugend, der in der mir vorliegenden 14. Auflage zu dem Schluss kommt, dass es irgendeiner Entscheidung des VollstrG gar nicht bedarf (Rn 1134 a, b).

    Ich würde den Antrag des Gläubigers daher zurückweisen.

  • Selbst bei einer nachteiligen Änderung der Steuerklassenwahl NACH Pfändung frage ich mich, was damit eigentlich sachlich das VG zu tun haben könnte;
    ich sehe da im § 850h ZPO (eigentlich einer klassischen prozessgerichtlichen Vorschrift in ihren umzusetzenden Wirkungen im Streitfalle) jedenfalls kein - irgendwelchen Parteien eröffnetes - Antragsrecht vor dem VG, ihr ?

    Aber ist ja nur der Wortlaut, zumindest der 7. Senat scheint das ja - vor neun Jahren - anders gesehen zu haben.

  • Guten Morgen,

    entschuldigt, der Sachverhalt war dann wohl doch noch nicht ganz vollständig. Also. Der Schuldner hat während des laufenden Vollstreckungsverfahrens eine Gehaltserhöhung bekommen und daraufhin den Steuerklassenwechsel vorgenommen, weil ihm das im Hinblick auf die Rentenanwartschaften so geraten worden war.
    Auf den ersten Blick sieht es also so aus als sei das nur erfolgt, um dem Gläubiger das Geld vorzuenthalten. Sollte aber doch ein objektiver Grund gegeben sein (die Rentenanwartschaften), müsste ich den Antrag wohl tatsächlich zurückweisen. Andernfalls wäre ihm stattzugeben. Zumindest ist das das, was ich der BGH-Entscheidung entnehme, auf die sich auch der Gläubiger mit seinem Antrag stützt.

    Dein Einwand, zsesar, ist aber auch nicht von der Hand zu weisen und ich werde mir das in dem Hinblick noch einmal anschauen. Dafür spräche in meinen Augen, dass ich eben gerade an einem Punkt angekommen bin, an dem ich tatsächlich eine Art Beweiserhebung machen müsste.

    Danke! :)

  • Die Lohnsteuerklassen heißen Lohnsteuerklasse weil sie nur mit der Lohnsteuer zu tun haben. Das sich die Steuerklasse auf die Höhe der Rente auswirkt halte ich für ausgeschlossen, da sich die Beiträge zur Rentenversicherungen auf das rentenversicherungspflichtige Brutto beziehen und das ändert sich durch die Steuerklassen ja nicht.

    Bei Steuerklassenkombi 3/5 ist die monatliche Steuerbelastung für die Ehegatten circa 301,91 Euro (Kirchensteuerhöhe für Süddeutschland), bei Steuerklassenkombi 4/4 wäre die Steuerbelastung für die Ehegatten nur 236,59 Euro.

    Solange der, der 1.600 Euro verdient in Steuerklasse 5 ist, hat er ein Netto von 912,99 Euro. Würde er in Steuerklasse 4 wechseln, betrüge das Netto 1.097,32 Euro.

    Die Frage ist halt, wurde die Steuerklasse nur zur Gläubigerbenachteiligung gewählt oder nicht.

    Steuerrechtlich gibt es keine Handhabe für die Änderung der Steuerklasse, da der Steuerpflichtige auch nachteilige Steuerklassen wählen darf.

  • Vielen vielen Dank! Wenn sich die Rente nur nach dem Brutto bemisst, dann hat die Steuerklasse ja tatsächlich auch nicht mittelbar Einfluss darauf. Das war mir aber nicht klar, weil ich mich nie mit dem Thema Rente auseinandersetzen musste :oops:

    Dann werde ich wohl mal entscheiden :)

  • "Der Arbeitgeber habe dem Schuldner geraten ... "

    Wird der Drittschuldner nun eigentlich im "Verfahren vor dem VG" beteiligt ?

    Ich würde den Antrag vor dem VG als unzulässig zurückweisen, auch wenn es mich nur interessiert, was das LG dazu sagt. Wenn es meint, dass die sachliche Zuständigkeit des VG tatsächlich die zutreffende wäre, mag zur Entscheidung in der Sache selbst halt zurückverwiesen werden.

    Ich sehe im § 850h ZPO immer noch kein gesetzlich vertextes Antragsrecht à la: "Auf Antrag des Gläubigers kann das VG eine anderweitige Steuerklasse zur Berechnung des unpfändbaren Einkommensteils anordnen, wenn ..."

    ihr ?

    Einmal editiert, zuletzt von zsesar (22. Oktober 2014 um 21:52)

  • @ Meandor :zustimm:

    Eine Änderung der Lohnsteuerklasse durch das VG ist nicht möglich. Zuständig für eine tatsächliche Änderung der LSTKlasse bleibt weiterhin das Finanzamt und der Schuldner hat sich hierzu des Antragsformulars „Steuerklassenwechsel“ zu bedienen. Die Webseite des BMF http://www.bundesfinanzministerium.de/ wird im Internet als Fundstelle für das entsprechende Formular zur Änderung der Steuerklasse 2014 bzw. Wechsel der Steuerklasse 2014 empfohlen (siehe angehängte Datei).

    Zulässig ist nach der Rechtsprechung des BGH lediglich (analog § 850 h ZPO) insoweit eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts, als die Berechnung des Arbeitseinkommen des Schuldners zur Ermittlung des pfändbaren Betrages so vorzunehmen ist, als hätte der Schuldner statt (der z.B. eingetragenen) Lohnsteuerklasse V die fiktive Lohnsteuerklasse z.B. III oder IV.
    Es erfolgt also keine tatsächliche Änderung der vom Schuldner gewählten Lohnsteuerklasse. Der Drittschuldner hat die Lohnsteuer also trotz der Anordnung des Vollstreckungsgerichts weiterhin nach der „eingetragenen“ Lohnsteuerklasse zu berechnen und an das Finanzamt abzuführen. Die Anordnung des VG dient demnach rein rechnerischen Zwecken zur Ermittlung des pfändbaren Betrages zur Berichtigung/Beseitiggung der höheren Steuerlast aus der vom Schuldner gewählten (für die Gläubiger) ungünstigeren Lohnsteuerklasse, was zu einem höheren Nettoeinkommen und damit zu einem höheren pfändbaren Betrag führen soll.

  • Es war - zumindest bei mir - auch nie die Rede von einem tatsächlichen Steuerklassenwechsel. In meinem Post in #7 spreche ich ausdrücklich von "fiktiv". Mir selbst war nur vor allem nicht klar, ob die Rente sich nach Brutto oder Netto bemisst (bei letzterem hätte die Wahl der Steuerklasse ja doch Auswirkungen). Ich habe in der freien Wirtschaft lediglich gejobbt und bin dann nach Schulabschluss direkt in den Staatsdienst gegangen. Meine diesbezügliche Frage konnte aber ja geklärt werden :)

    Und der Arbeitgeber wurde an dem Verfahren nicht beteiligt. Der Schuldner hat in seiner Stellungnahme angegeben den Rat seines Arbeitgebers erhalten zu haben. :)

    Womit ich mich bislang nicht auseinandergesetzt habe, ist jedoch die von zsesar aufgeworfene Frage, ob der § 850 h ZPO eigentlich tatsächlich Raum für eine Auslegung wie die des BGH bietet.

  • Ich habe #7 schon richtig gelesen. Mein Hinweis bezog sich auch nicht darauf.
    Aus den Erfahrungen in der Vergangenheit weiß ich aber, dass vielfach gerade dieses Problem nicht bekannt war und diesbezügliche Anträge zurückgewiesen wurden, weil der/die Rpfl meinte, für eine "Änderung" der LSTKlasse sei nicht das VG sondern das Finanzamt (oder die Gemeinde/ Stadtverwaltung) zuständig. Dies zeigt auch die Vielzahl der Beschwerdeentscheidungen auf:
    OLG Köln v. 3.1.00, 2 W 164/99; LG Duisburg v. 5.2.02, 7 T 3/02; LG Stuttgart v. 7.12.00, 10 T 394/00; LG München I v. 24.06.05, 20 T 6649/05; LG Frankf./Oder v. 15.3.05, 19 T 87/05; OLG Zweibrücken v. 10.03.88, 3 W 48/88; LG Mainz v. 13.08.04, 3 T 1243/02; LG Göttingen v. 24.01.06, 5 T 208/05; LG Berlin v. 304.04.04, 81 T 124/04; LG Krefeld v. 17.06.02, 6 T 160/02; LG Köln v. 29.09.95, 19 T 217/95; LG Frankf./M. v. 19.02.01, 2/13 T 245/00; LG Nürnb.-Fürth v. 27.07.01, 16 T 5466/01; LG Stuttgart v. 16.08.00, 19 T 315/00.

  • Hab nach etwas Recherche jetzt folgendes wieder ausgegraben:

    1. Hat der Schuldner vor der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gewählt, so kann er bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags schon im Jahre der Pfändung so behandelt werden, als sein Arbeitseinkommen gemäß der günstigeren Lohnsteuerklasse zu versteuern.


    2. Wählt der Schuldner nach der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse oder behält er diese für das folgende Kalenderjahr bei, so gilt dies auch ohne Gläubigerbenachteiligungsabsicht schon dann, wenn für diese Wahl objektiv kein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist.


    (BGH, Beschluss vom 04. Oktober 2005 – VII ZB 26/05 –, juris)

    Als wesentlichen Grund für die Entscheidung gibt der BGH an:

    Eine solche Manipulation kann auch gegeben sein, wenn der Schuldner durch Wahl einer für ihn ungünstigen Steuerklasse ohne sachlichen Grund sein zur Auszahlung kommendes und der Pfändung unterliegendes Nettoarbeitseinkommen verkürzt. In entsprechender Anwendung des § 850 h ZPO kommt in einem solchen Fall eine Anordnung dahingehend in Betracht, dass der Arbeitgeber bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts das sich unter Berücksichtigung der günstigeren Steuerklasse ergebende Nettoeinkommen zugrunde zu legen hat (Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 850 h Rdn. 11).

  • Mal ganz grundsätzlich zum § 850 h ZPO:

    Die Ausgangskonstellation ist doch folgende:

    Der Gläubiger hat eine Pfändung der Gehaltsansprüche gegen den Arbeitgeber/Dienstberechtigten (= Drittschuldner) seines Schuldners ausgebracht. Der Drittschuldner zahlt nach Ansicht des Gläubigers zu wenig (aus welchen Gründen auch immer, z.B. weil, wie hier zuletzt, der Schuldner eine taktische Wahl der Steuerklasse vorgenommen hatte.)
    Nun muss sich also der Gläubiger mit dem Drittschuldner auseinandersetzen, ob die vom Drittschuldner abgeführten (oder nicht abgeführten) Zahlungen ausreichend sind, oder eine höhere Zahlung erfolgen müsste.

    Dann hat der Gläubiger zunächst eine Pfändung des ihm vermeintlich zustehenden verschleierten oder verschobenen Anspruchs herbeizuführen. Dazu reicht m.E. die plausible Behauptung, dass eine solches verschleiertes oder verschobenes Arbeitseinkommen vorliegt, so wie ja auch sonst die Behauptung ausreicht, dass Ansprüche bestehen würden. Diese Pfändung ist dann dem Schuldner und dem Drittschuldner zuzustellen. Meist wird der Drittschuldner dann nicht bezahlen, da er ja seine Zahlungen und seine Berechnung an den Schuldner für zutreffend hält.

    Nun folgt die eigentliche Auseinandersetzung zwischen dem Gläubiger und dem Drittschuldner, die aber in Klageform vor den Streitgerichten ausgetragen werden muss. Dementsprechend stammen auch die Entscheidungen des BGH und des BAG zu § 850h ZPO, die mir bekannt sind, aus solchen streitigen Verfahren, weil eben nachträglich festgestellt wird, dass der Arbeitgeber/Dienstberechtigte X hätte an den Gläubiger abführen müssen statt nur Y (oder auch nicht). Auch die Kommentare sehen dies so (z.B. Beck-OK/Riedel, Rz. 19 zu § 850h ZPO; BGH, Urteil vom 15.11.1990 - IX ZR 17/90).

    Ich sehe also noch nicht ganz, was ihr als Vollstreckungsgericht mit der Prüfung zu tun hättet, außer ganz am Anfang auf die plausible Behauptung des Gläubigers hin den entsprechenden PfÜB zu erlassen. Nur wenn die Behauptung des Gläubigers nach der Rechtslage ausgeschlossen ist (d.h. auch bei allen Unwägbarkeiten im Tatsächlichen), dann wäre m.E. eine Ablehnung von Euch gefragt. Das wird aber kaum mal der Fall sein, denn aus welchen subjektiven Motiven heraus ein Schuldner z.B. seine Steuerklassenwahl getätigt hat oder aufrecht erhält, das könnt ihr im Vollstreckungsverfahren doch nicht feststellen.

    Nachtrag:
    Ich räume ein, dass BGH VII ZB 26/05 zunächst gegen diese Auffassung zu sprechen scheint, aber doch nur, weil die Ausgangsgerichte hier quasi die rechtliche Unmöglichkeit des geltend gemachen Anspruchs postuliert haben und der BGH sich dann eben dazu geäußert hat, an der grundsätzlichen Konstellation ändert das doch nichts - oder verstehe ich Eure Prüfungspflichten bei Erlass eines PfüB jetzt grundsätzlich falsch?

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasH (24. Oktober 2014 um 14:37) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Selbst bei einer nachteiligen Änderung der Steuerklassenwahl NACH Pfändung frage ich mich, was damit eigentlich sachlich das VG zu tun haben könnte;
    ich sehe da im § 850h ZPO (eigentlich einer klassischen prozessgerichtlichen Vorschrift in ihren umzusetzenden Wirkungen im Streitfalle) jedenfalls kein - irgendwelchen Parteien eröffnetes - Antragsrecht vor dem VG, ihr ?

    Aber ist ja nur der Wortlaut, zumindest der 7. Senat scheint das ja - vor neun Jahren - anders gesehen zu haben.


    Zur Frage der sachlichen Zuständigkeit hat der IX. Senat das in einem ggf. vergleichbaren SV auch anders entschieden als sieben Jahre zuvor der VII. Senat.

    http://lexetius.com/2012,5999

  • Lieber AndreasH,

    obwohl mir Deine Rechtsansichten bisher immer einleuchtend waren, kann ich mich in diesem speziellen Fall Deinen Ausführungen leider nicht anschließen.

    In den üblichen Fällen des § 850 h ZPO, also bei Lohnschiebung oder Lohnverschleierung ist der DS an den Gläubigerbenachteiligungsabsichten/-handlungen selbst aktiv beteiligt, so dass es nur recht und billig ist, wenn er notfalls verklagt wird.

    Anders verhält es sich aber bei der vom Arbeitnehmer, dem Schuldner, missbräuchlich gewählten Lohnsteuerklasse.
    Hierauf hat der DS keine Einflussmöglichkeit und er muss das Arbeitseinkommen des Schuldners gemäß den steuerrechtlichen Vorschriften nach der ihm vorliegenden Lohnsteuerklasse abrechnen und an das Finanzamt abführen, ob ihm dies nun passt oder nicht.

    Mit der Auferlegung von Prüfungs- oder Entscheidungspflichten, ob die von den Eheleuten gemeinsam gewählte Lohnsteuerklassenkombination ohne sachlichen Grund und in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gewählt wurde, oder ob für die Wahl einer ungünstigen Lohnsteuerklassenkombination ein nachvollziehbarer Grund vorliegt, wäre der Drittschuldner überfordert. Das gehört sicherlich auch nicht zu seinen Arbeitgeber-/Drittschulderpflichten.

    Er hätte daher zu einer Klage auch keinen Grund/Anlass gegeben, selbst wenn ihn der Gläubiger evtl. vorher auffordert, mit einer anderen als der vorliegenden LSTKlasse abzurechnen.

    Egal, ob der DS dann vor dem Arbeitsgericht obsiegte oder unterläge, bliebe er im ersten Rechtszug wegen § 12a ArbGG dann auch noch auf den Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes sitzen, oder soll er gar Versäumnisurteil ergehen lassen?

    Zuständig für die Entscheidung ist das Vollstreckungsgericht deswegen, weil es sich hier um eine klarstellende Entscheidung nach Erlass des Pfändungsbeschlusses handelt, ähnlich wie bei den Unklarheiten, ob eine bestimmte Einnahme des Schuldners zum Arbeitseinkommen zählt, oder bei Streit darüber, ob für einen bestimmten Angehörigen des Schuldners ein Freibetrag zu berücksichtigen ist oder außer Betracht bleiben muss. Auch in solchen Fällen hat das Vollstreckungsgericht eine klarstellende Entscheidung zu treffen. Sie ist ergänzende Maßnahme der Zwangsvollstreckung (BGH NJW 2006, 777; Stöber Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 928, 929). Die Zulässigkeit derartiger Entscheidungen durch das Vollstreckungsgericht ist herrschende Rechtsansicht.

    Einmal editiert, zuletzt von ZVR (24. Oktober 2014 um 19:50)

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