Anwendbarkeit §§ 304 ff InsO

  • Hallo,

    ich habe folgendes Problem in meiner StB/RA Kanzlei:

    Ein Mandant von uns, inzwischen AN, war an einer GbR beteiligt. Die GbR hat ihre Geschäftstätigkeit eingestellt, gegen die Gesellschafter wurden Strafverfahren wg. Nichtanmeldung von AN und Nichabführung der SV Beiträge geführt.
    Gläubigerzahl liegt vermutlich unter 20, Verb. aus Lohn u. Geh. liegen keine vor (ausser SV-Beiträge).

    Nun meine Frage zur Vorgehensweise:

    Wäre es nicht sinnvoll, die GbR als teilrechtsfähiges Gebilde in die Regelinsolvenz zu schicken und zeitgleich für meinen Mandanten den Antrag für das Verbraucherinsolvenzverfahren zu stellen? Hat er dann eine Chance in diese Schiene zu gelangen und den Restschuldbefreiungsantrag zu stellen?
    Problematisch dürfte m.E. die strafrechtliche Relevanz der SV-Beiträge sein. Besteht generell die Möglichkeit diesen Teil der Schulden aus dem Verfahren auszuklammern mit der Folge, dass diese Verb. zivilrechtl. bestehen bleiben?

    Wie ist generell die Praxis bzgl. § 304 bei ehem. Selbständigen, wird da seitens des Rechtspfl. auch mal ein Auge zugedrückt?

    Für Infos bedanke ich mich herzlich!

    Grätsche

  • 1. Insolvenzantrag für die GbR ist natürlich möglich, allerdings rechtlich ohne Belang für die Frage, ob der Mandant selbst Insolvenzantrag stellt. Der Unterschied im Fall der Eröffnung eines GbR-Insolvenzverfahrens ist lediglich, dass die gesamtschuldnerische Haftung des Mandanten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern exklusiv vom IV der GbR geltend zu machen wäre, § 93 InsO. Kann dazu führen, dass der Mandant dann ein ruhigeres Leben hat als wenn alle Gesellschaftsgläubiger einzeln über ihn herfallen.

    2. Für den Mandanten dürfte tendenziell nicht das Verbraucher-, sondern das Regelinsolvenzverfahren anwendbar sein. Maßgeblich sind hier zwei Punkte:

    2.1. Gilt seine frühere Tätigkeit mit der GbR als "selbständige wirtschaftliche Tätigkeit" i.S.v. § 304 InsO? Meines Wissens ist die h.M. hier relativ großzügig und betrachtet z.B. auch den ehemaligen Alleingesellschafter/-geschäftsführer einer GmbH als Selbständigen im Sinne der Vorschrift. Daher im Fall wohl auch frührer Selbständigkeit zu bejahen.

    2.2. Bestehen mit der Haftung für die SV-Beiträge "Forderungen aus Arbeitsverhältnissen" i.S.v. § 304 InsO? Auch hier ist die h.M. eher großzügig und bejaht das auch wenn nur SV-Beiträge oder Lohnsteuer offen ist.

    Wenn das im Fall zuständige Gericht die beiden Punkte im Sinne der h.M. sieht, kommt der Mandant - unabhängig von der Gläubigerzahl - ins Regelinsolvenzverfahren. Das hat m.E. nur zwei potentielle Nachteile: Zum einen etwas höhere Verfahrenskosten (was den Mandanten nur bei Stundung interessieren muss), zum anderen Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter, nicht die Gläubiger. Letzteres ist ein bedenkenswerter Aspekt, wenn Anfechtungstatbestände bestehen, die der Mandant lieber unentdeckt lassen würde; dann wäre er mit dem Verbraucherinsolvenzverfahren besser bedient (s. § 313 Abs. 2 InsO = Anfechtung läuft leer). Die Vorteile des Regelinsolvenzverfahrens sind demgegenüber: (1) Kein sinnloses, zeit- und nervenraubendes Vorverfahren, (2) Kein sinnloses, zeit- und nervenraubendes Vorverfahren,(3) Kein sinnloses, zeit- und nervenraubendes Vorverfahren, (4) Möglichkeit eines Insolvenzplans in Form eines Restschuldbefreiungsplans (= Oma legt was auf den Tisch und wir kürzen das Ganze ab).

    3. Aus dem Verfahren ausklammern läßt sich garnix, und wenn der Schuldner nicht alle Gläubiger benennt, schaufelt er sich evtl. einen Restschuldbefreiungsversagungsgrund, § 290 Abs. 1 Nr. 5., 6. InsO.

    Die AN-Anteils der SV-Beiträge sind zugegebenermaßen unangenehme Schulden und die SV-Träger insoweit auch unangenehme Gläubiger, weil sie i.d.R. alle § 266a StGB schreien, im Insolvenzverfahren vorsätzliche unerlaubte Handlung geltend machen mit der Folge des § 302 Nr. 1 InsO, und hinten rum dem Schuldner sagen, er möge doch bitte (auch nach Insolvenzeröffnung noch) für Zahlung sorgen, weil sie ihm sonst ein Strafverfahren aufdrücken.

    Ist unangenehm, aber da muss der Schuldner durch.

    4. Mit Ausnahme der als Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung festgestellten Forderungen kriegt der Mandant dann aber nach sechs Jahren für alles seine Restschuldbefreiung, wenn er während des Verfahrens brav ist.

  • Tja, was soll man da bei Chick noch ergänzen: Nichts.

    Würde bei uns wohl als Regelinsolvenz laufen, da besteht aber an sich kein Wahlrecht, wenn die Voraussetzungen vorliegen, dann wird eine Regelinsolvenz durchgeführt. Hinsichtlich der Forderungen ist es eine Sache der Anmeldung. Wenn die Gläubiger einen Rechtsgrund aus vorsätzlich begangener Handlung nicht anmelden, dann wird diese Forderung auch nicht von der RSB ausgenommen.

  • @ chick: :wow Da hast du aber alles wirklich auf den Punkt gebracht! :daumenrau

    Krankenkassen sind knallhart, was die Anmeldung aus unerlaubter Handlung angeht. Und die klagen bei Widerspruch des Schuldners! Deshalb wird bei uns oftmals gar kein Widerspruch gegen die unerlaubte Handlung erhoben, wenn die Forderung als solche unstreitig ist. Bringt ja doch nix.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Hallo Chick,

    vielen Dank für die ausführliche und gut strukturierte Antwort, vielleicht kann ich mich zu gegebener Zeit mal revanchieren.

    Danke auch an die anderen.

    Gruss + schönen Tag noch.
    Grätsche

  • zu ergänzen wäre noch, dass der BGH Allein - GF/GS als Unternehmer sieht und somit werbend tätig, IX ZB 55/04.

    Unabhängig von der Sperre des §93 InsO für Gläubiger der GbR kann weiterhin das Finanzamt Ansprüche wegen Verletzung der AO im Verfahren des Gesellschafters geltend machen, ebenso Gläubiger der , bei denen sich der Schuldner persönlich mitverpflichtet hat, was insbesondere bei Krediten und deren Absicherung die Regel sein wird.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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