• Die Erblasserin war verheiratet, es sind ein Sohn und eine Tochter vorhanden.
    Nach dem Tode wurde hier ein privatschriftliches Ehegattentestament mit wechselseitiger Erbeinsetzung vorgelegt. Als Schlusserben sind die Abkömmlinge des Sohnes eingesetzt. Leider ist dieses Testament nur in Kopie vorhanden, Pech gehabt.
    Der Sohn hat die Erbschaft ausgeschlagen, für sich und (zusammen mit seiner Ehefrau) auch für sine minderjährige Tochter (sein einziges Kind).
    Der Ehemann der Erblasserin hat dann über einen Notar einen Erbschein beantragt, der ihn selbst, die Tochter und die Enkelin als Erben ausweist. Ich habe ihn auf die Ausschlagung für die Enkelin hingewiesen und um einen neuen Antrag gebeten, soweit kein Problem.
    Nun bekomme ich heute eine Anfechtungserklärung des Sohnes auf den Tisch. Es sei zwischen ihm und seiner Schwester abgesprochen gewesen, dass beide ausschlagen, damit der Vater Alleinerbe wird, er habe darauf vertraut, dass auch seine Schwester ausschlagen würde, was diese jedoch nicht getan hat.

    Da der Ausschlagende sich über die unmittelbaren Folgen der Ausschlagung im Klaren war, würde ich von einem unbeachtlichen Motivirrtum ausgehen.
    Ich bin mir aber nicht ganz sicher, hätte also gerne Eure Meinungen dazu.

  • Sehe ich genau so, 119 I BGB liegt nicht vor, er wollte ausschlagen und war sich der Wirkung der Ausschlagung auch bewußt. 119 II BGB schon mal gar nicht, da er sich ja über nicht üebr eien verkehrswesentliche Sache im Irrtum befunden hat. Er beruft sich auf die " Einstellung zum Erbfall" und auf die Wandlung dieer Einstellung, das würde ich als klassischen Motivirrtum auch ansehen und ist damit unbeachtlich, da gar kein Bezug zur vermögensrechtlichen Seite des Nachlasses. Man könnte noch darüber nachdenken, ob die Höhe des durch die Ausschlagung der Erbstellung entstehenden Pflichtteilsanspruchs dann ein Anfechtungsgrund sein könnte. Aber dazu hat er ja nichts gesagt....Und ich meine, dass die Höhe des Pflichtteils nichts mit dem Wert des Nachlasses zu tun hat. Die Anfechtungserklärung dürfte damit wirkungslos sein.

  • Frage vorab: Testament liegt in Kopie vor ... nur wo ist das Original?

    Die Wirkung der Ausschlagung muss ihm bekannt sein, nämlich dass Sohnemann wenn er ausschlägt sich aus der Erbfolge entfernt. Belanglos ist hier ja auch die fehlerhafte Annahme, wem der freiwerdende Erbteil infolge der Ausschlagung zufällt.

    Bzgl. des Wertes des Pflichtteils überlegungen anzustellen und vielleicht so dann zu einem Anfechtungsgrund wg. Irrtum zu kommen sind überflüssig, da der Sohn nicht durch Vfg. von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, sondern sich ja selbst rausgeschossen hat. Ihm steht kein Pflichtteil zu, also auch kein Irrtum bei dessen Wert möglich.

    Eher würde mir hier die arglistige Täuschung ins Auge springen. Hierzu ist jedoch, zumindest nach überfliegen von Pal § 123 RN 3 eine Täuschungshandlung erforderlich. Lediglich die Zusicherung der Schwester sie wird auch ausschlagen würde mir hier als "Täuschungshandlung" nicht reichen.

    Im Übrigen ist die Annahme, der Ehemann wäre Alleinerbe nach Ausschlagung der beiden Kinder incl. deren Abkömmlinge sowieso erstmal nicht uneingeschränkt richtig, da dann zuerst die II. Ordnung zum Zuge käme, gefolgt von den Großeltern der Erblasserin.

  • Frage vorab: Testament liegt in Kopie vor ... nur wo ist das Original?



    Das ist eine gute Frage. Das Original ist offenbar nicht auffindbar. In der Akte ist zunächst ein Telefonvermerk: Der Ehemann hat dem Notar nach dem Tode der EL ein Originaltestament übergeben, dieser sagt nun, es wäre nur eine Kopie und will es nicht weiterleiten. Die Kollegin (ich habe das Verfahren erst später übernommen) hat daraufhin mit dem Notar telefoniert, der ihr mitteilte, dass er von dem Ehemann das Originaltestament angefordert hbe, dieses aber offenbar nicht mehr vorliege. Er reicht dann die Kopie hier ein (Dass es tatsächlich eine Kopie ist, ist offensichtlich).
    Das Testament ist aus 2001, vermutlich ist das Original verlorengegangen.

    Die weiteren Verwandtschaftsverhältnisse sind mir nicht bekannt, ob es Erben der 2. Ordnung gibt kann ich daher nicht sagen (Großeltern sind aufgrund des Alters der EL eher unwahrscheinlich). Das dürfte allerdings für die Frage, ob ein Anfechtungsgrund vorliegt, nicht von Bedeutung sein, daher bin ich in der Sachverhaltsdarstellung nicht näher darauf eingegangen.

  • Jup stimmt, die weiteren Verwandtschaftsverhältnisses spielen für den Sohn keine Rolle, nur hätte die Tochter incl. Abk. auch ausgeschlagen läge auch kein Anfechtungsgrund vor nur weil die Kinder dachten Vater sei nun Alleinerbe.

    Im Erbscheinsantrag berufen sich die Beteiligten auf gesetzl. Erbfolge. Deswegen sollte zumindest kurz darauf eingegangen werden, was mit dem Testament geschehen ist. Antragsteller muss ja eh versichern, dass seines Wissens nach ein Testament der Erblasserin nicht vorhanden ist.

  • Antragsteller muss ja eh versichern, dass seines Wissens nach ein Testament der Erblasserin nicht vorhanden ist.



    Tja, und darin sehe ich ein Problem. Die Versicherung liegt schon vor. Andererseits weiß der Antragsteller positiv, dass ein Testament vorhanden ist (oder sein sollte), er hat es schliesslich mit unterschrieben.
    Die Erblasserin kann es auch nicht ohne sein Wissen widerrufen haben, da die gegenseitige Einsetzung wechselbezüglich ist. Damit müsste das Testament sogar noch wirksam sein (wo immer es sich auch befinden mag). Unabhängig von der Frage, ob der Sohn die Ausschlagung wirksam angefochten hat, habe ich im Moment Zweifel, ob ich überhaupt einen ES nach gesetzlicher Erbfolge erteilen kann.

  • Das sehe ich genauso.

    Dass ein in Kopie vorliegendes Testament nicht im Original aufgefunden werden kann, bedeutet nicht, dass es wirksam widerrufen wurde (was man beim einseitigen Testament noch vermuten könnte). Denn beim gemeinschaftlichen Testament besteht die Besonderheit, dass es nur von beiden Ehegatten gemeinsam wirksam widerrufen werden kann. Wenn der überlebende Ehegatte mittels eidesstattlicher Versicherung vortragen würde, dass er an einer solchen Widerrufshandlung zu Lebzeiten der Erblasserin nicht beteiligt oder mit ihr einverstanden war, dann sehe ich vom Grundsatz her kein Problem, einen Erbschein aufgrund des in Kopie vorliegenden Testaments über das Alleinerbrecht des Ehemannes zu erteilen (die Testamentskopie muss dann aber natürlich auch förmlich eröffnet werden). Wenn sich die Tochter querstellt, muss eben förmlich entschieden und ggf. der Instanzenweg beschritten werden.

    Damit löst sich das Ausschlagungsproblem von selbst. Die Ausschlagungen des Sohnes und der Enkelin gehen nämlich von vorneherein ins Leere, weil die Ausschlagenden überhaupt nicht zu Erben berufen sind.

    Diese Lösung wäre mir persönlich am sympathischsten.

    Dass der Ehemann einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge beantragt hat, muss nichts besagen. Dies beruht wahrscheinlich darauf, dass ihn der Notar (nicht unbedingt zutreffend) darüber belehrt hat, dass er aus dem verschwundenen Testament erbrechtlich keinen Honig saugen kann. Dies erklärt auch die objektiv unrichtige eidesstattliche Versicherung des Ehemannes, die lediglich auf einem Rechtsirrtum und nicht auf böser Absicht (geschweige denn auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit) beruht.

    Also:

    Neuer Erbscheinsantrag mit neuer eV und Rücknahme des bisherigen "rechtsirrtümlichen" Erbscheinsantrags.


  • Also:

    Neuer Erbscheinsantrag mit neuer eV und Rücknahme des bisherigen "rechtsirrtümlichen" Erbscheinsantrags.



    Diese Lösung ist mir auch am sympathischsten.
    Gibt es Rechtsprechung dazu, einen Erbschein aufgrund gewillkürter Erbfolge nach Verlust der Urschrift der Vfg. zu erteilen? Mir kommt das irgendwie bekannt vor, aber ich bin nicht ganz sicher.

  • BayObLG FamRZ 1993, 117 sowie Palandt/Edenhofer § 2255 RdNr.12 m.w.N.

    Das NachlG kann im Hinblick auf den Nichtwiderruf eines im Original nicht mehr auffindbaren Testaments nach § 2358 Abs.1 BGB auch in das förmliche Beweisverfahren übergehen (BayObLG FamRZ 1986, 1043; BayObLG FamRZ 1992, 1323; OLG Köln NJW-RR 1993, 970). Dort kann der Ehemann seine Angaben ggf. auch beeiden (falls er dies als Antragsteller kann, was ich aus dem Stegreif nicht beurteilen kann).

    Ich sehe eine solche Verfahrensweise im Interesse des Ehemannes der Erblasserin durchaus als erfolgversprechend an.

  • Ich gehe auch vom Erfolg aus. Der Ehemann wird sicher nicht widersprechen und der Sohn hat bereits gezeigt, dass er sich ebenfalls nach dem ursprünglichen Erblasserwillen richten will, indem er zunächst ausgeschlagen hat.
    Nur bei der Tochter bin ich nicht sicher, aber wenn die widerspricht, endet meine Zuständigkeit und die Richterin bekommt die Akte.
    Ich werde morgen dann mit beiden Notaren telefonieren, um die Sache zu klären.

    Ein ganz grosses :dankescho für die Hilfe.

  • (...)(die Testamentskopie muss dann aber natürlich auch förmlich eröffnet werden). (...)



    Ist da mein Kenntnisstand überolt?:gruebel:
    Nach KG JW 19,586 ist grundsätzlich die Urschrift, im Verlustfall eine möglicherweise vorhandene beglaubigte Abschrift, nicht aber eine einfache Abschrift zu eröffnen. Dürfte auch für eine Kopie gelten!? Nach der gleichen Entscheidung hindert die unterbliebene Eröffnung dann aber nicht die Erbscheinserteilung bei Nachweis von Form und Inhalt des verlorenen Testaments.

  • Wenn eine Erbscheinserteilung auf einer Kopie eines nicht mehr auffindbaren Testaments beruht, ist die Kopie (anstelle der Urschrift) zu eröffnen. Denn wie sollte eine Erbscheinserteilung nach testamentarischer Erbfolge ohne Eröffnung des "dazugehörigen" Testaments stattfinden können? Wenn das Original vorhanden wäre, müsste es ja auch eröffnet werden. Soll sich der Testamentserbe in den genannten Fällen denn die Eröffnungsgebühr ersparen können? Das kann kaum zutreffend sein.

  • Zur Wirksamkeit einer Testamentskopie siehe auch Beschluss des BayObLG vom 19. 1. 2001 - IZ BR 126/00 -
    Ich würde im vorliegenden Fall eine Erbscheinserteilung nach gewillkürter Erbfolge vornehmen und - wie bereits in den Vorthreads ausgeführt - die Ausschlagungen "links"liegenlassen.
    Da im vorliegenden Fall die Kopie zur Erscheinserteilung ausreicht, hätte ich auch keine Bedenken, diese Kopie formgerecht zu eröffnen.

  • Wenn eine Erbscheinserteilung auf einer Kopie eines nicht mehr auffindbaren Testaments beruht, ist die Kopie (anstelle der Urschrift) zu eröffnen. Denn wie sollte eine Erbscheinserteilung nach testamentarischer Erbfolge ohne Eröffnung des "dazugehörigen" Testaments stattfinden können? Wenn das Original vorhanden wäre, müsste es ja auch eröffnet werden. Soll sich der Testamentserbe in den genannten Fällen denn die Eröffnungsgebühr ersparen können? Das kann kaum zutreffend sein.



    Obwohl das kein besonders starkes Argument ist, hast Du wohl recht. Aber auch laut Palandt unterbleibt unter Berufung auf die zitierte Entscheidung die Eröffnung einer einfachen Abschrift.

  • KG JW 1919, 586:

    Eine einfache Abschrift eines verloren gegangenen Testaments kann nicht eröffnet, wohl aber kann aufgrund jener ein Erbschein erteilt werden.

    Hierzu Anmerkung von Herzfelder (a.a.O.):

    "Der Entscheidung ist nur bedingt beizupflichten. Es kann m.E. allerdings nicht bezweifelt werden, dass nur das Testament selbst nach dem Gesetz zu eröffnen ist und dass eine Abschrift des Testaments (und zwar auch eine beglaubigte) nicht als "das Testament" erachtet werden kann. Eine andere Frage aber ist es, ob nicht zweckmäßig auch der etwa vorhandene "Ersatz" des Testaments, nämlich seine Abschrift in Ermangelung des Originaltestaments oder wegen zu großer Schwierigkeit seiner Beschaffung, aber eben nur als Ersatz und im Bewußtsein, dass es sich nur um eine Abschrift handelt, zur Eröffnung gelangen soll, obwohl sie nicht vorgeschrieben ist und nicht als Eröffnung des Testaments im eigentlichen Sinne des Gesetzes gelten kann. Diese Frage ist aus praktischen Gründen sicherlich zu bejahen, schon weil dann, wenn alle Beteiligten die Übereinstimmung der Abschrift mit der Urschrift anerkennen, hier wirklich eine rechtlich bedeutsame Ersatzeröffnung des Testaments gegeben ist."

    Meines Erachtens ist die Entscheidung des KG nicht zutreffend, weil die Frage, ob ein Testament wirksam ist, nichts mit der Frage zu tun hat, ob es zu eröffnen ist. Aus eben diesem Grund müssen auch eindeutig unwirksame (z.B. maschinenschriftliche) Testamente eröffnet werden (was niemand bezweifelt).



  • Da bin ich ausnahmsweise anderer Meinung. Es geht hier gar nicht um die Frage der Wirksamkeit. Ungültige Testamente, wie maschinenschriftliche, sind deshalb zu eröffnen, weil es immerhin Testamente sind.
    Die Abschrift eines Testaments ist eben kein Testament so wie die Kopie einer Urkunde keine Urkunde ist. Wenn neben der Urschrift Abschriften eingereicht werden, eröffnest Du die ja auch nicht.
    Mit der oben zitierten Anmerkung von Herzfelder kann ich mich allerdings anfreunden.

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