Auskunftsrecht gem. § 1686 BGB auch gegenüber Ergänzungspfleger?

  • Der 13jährige J. lebt bei seinen Großeltern. Der vorher alleinsorgeberechtigten Kindesmutter sind das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Regelung von schulischen Angelegenheiten entzogen worden. Hierfür wurde ein Ergänzungspfleger bestellt. Die Pflegschaft läuft seit November 2009.

    Der Ergänzungspfleger hat die Kindesmutter von der Teilnahme am Elternsprechtag der Schule ausgeschlossen und die Elternvertreter der Klasse angewiesen, sie nicht über Elternabende etc. zu informieren.

    Die Kindesmutter hat derzeit kein Umgangsrecht mit ihrem Kind.

    Die Kindesmutter hat jetzt beantragt, den Ergänzungspfleger zu verpflichten, ihr in regelmäßigen Abständen (mindestens vierteljährlich) Informationen über die gesundheitliche, persönlich und schulische Entwicklung des Kindes zu erteilen.

    Die Richterin ist der Auffassung, dass in diesem Fall § 1686 BGB entsprechend gilt, da der Ergänzungspfleger für den ihm übertragenen Bereich die Funktion eines Elternteils ausübt.. Ich bin da eher skeptisch, aber sie hat mir den Fall „aufgedrückt“. Ich will auch nicht über Zuständigkeiten streiten, da die Richterin und ich glauben, dass die Kindesmutter ein Recht auf diese Auskunft hat und wir irgendeine praktikable Lösung finden müssen.

    Im Verlauf der Pflegschaft sind schon einige Konflikte zwischen Ergänzungspfleger, Kind oder Großeltern aufgetreten, die aber gelöst werden konnten. Der Ergänzungspfleger kann gelegentlich ein recht ruppiges Verhalten an den Tag legen. Ich muss also damit rechnen, dass er sich stur stellt.

    Wie bekomme ich denn hier „die Kuh vom Eis“? Gilt § 1686 BGB auch gegenüber dem Pfleger? Kann ich den Pfleger gemäß §§ 1915, 1837 Abs. 2 S. 1 BGB verpflichten, der Kindesmutter Auskunft zu erteilen? Habt Ihr noch andere Ideen, wie die Kindesmutter die gewünschte Auskunft erhalten kann?

    Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, entsteht Verwaltung.


    (Oliver Hassenkamp)


  • § 1915 BGB verweist für den Bereich der Pflegschaft auf die Vorschriften über die Vormundschaft.
    Da steht nichts über ein "Muss" von Auskünften gegenüber den Eltern. Auf die anderen Vorschriften des 4. Buches wird nicht verwiesen.

    Da der § 1686 BGB Tummelplatz für Rosenkriege getrennt lebender Eltern ist, sollte man "obstate principiis" brüllen, falls eine entsprechende Anwendung für Pfleger/Vormünder anrollt.

  • Im Verlauf der Pflegschaft sind schon einige Konflikte zwischen Ergänzungspfleger, Kind oder Großeltern aufgetreten, die aber gelöst werden konnten. Der Ergänzungspfleger kann gelegentlich ein recht ruppiges Verhalten an den Tag legen. Ich muss also damit rechnen, dass er sich stur stellt.


    Der Pfleger ist stur , aber die bisherigen Konflikt konnten gelöst werden. Hast du ihn zu dem jetzigen Thema schon mal eingeladen und mit ihm gesprochen? Vielleicht löst sich das Problem ja ganz unkompliziert.
    Er sollte der Mutter in bestimmten Abständen einen schriftlichen Bericht zukommen lassen. Den Anspruch hat sie schon, denke ich. Der Pfleger braucht ja nicht den persönlichen Kontakt zur Mutter suchen, aber er wird schon einsehen, dass er sie auf dem Laufenden bezüglich ihres Kindes halten sollte. Was will er dagegen sagen?

  • Hast du ihn zu dem jetzigen Thema schon mal eingeladen und mit ihm gesprochen? Vielleicht löst sich das Problem ja ganz unkompliziert.


    Das hatte ich als ersten Schritt vor. Ich hoffe, dass ich ihn in einem persönlichen Gespräch überzeugen kann. Ich brauche aber für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass er sich stur stellt, etwas Rüstzeug, damit ich ihm sozusagen die Pistole auf die Brust setzen kann. Bis jetzt ist mir nämlich nichts eingefallen, womit ich ihn tatsächlich dazu zwingen könnte, der Mutter Auskunft zu erteilen. Ich kann der Mutter auch nicht ohne weiteres die Berichte des Pflegers schicken (was die Richterin vorgeschlagen hatte), weil da zwar das Gewünschte steht, aber leider auch Dinge (z. B. persönliche Einschätzungen), die die Mutter sicher nicht erfahren sollte.

    Mir (und auch der Richterin) ist jedenfalls wichtig, dass die Mutter Auskunft erhält. Sie hat zwar "einen Knall", wie die Richterin es ausdrückte. Sie hat aber nichts getan, was es rechtfertigen würde, sie komplett aus dem Leben ihres Sohnes auszuschließen.

    Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, entsteht Verwaltung.


    (Oliver Hassenkamp)


  • Auskunft hat immer ein wenig den touch von "Rechenschaft ablegen", und das muss der EPfleger gegenüber der Mutter nicht, sondern nur bei Beendigung der Pflegschaft gegenüber dem Kind.
    Da diese Rechenschaft (das ist mehr als Rechnungslegung) erst nach Beendigung abzulegen ist, kommt der Dreh, dass der Pfleger während der Pflegschaft dem Kind , vertreten durch die Mutter, gegenüber zur Auskunft/Rechenschaft verpflichtet ist, auch nicht zum Tragen.

    Ich weiß auch nicht, was das bringen soll. Die KM hat sich doch durch ihr Verhalten disqualifiziert. Ihr ist doch die ES nicht ohne Grund in Teilen entzogen worden. Plötzlich kommt sie mit Tränendrüse und sonst noch was. Bei mir führe sie platt.

  • Ich weiß auch nicht, was das bringen soll. Die KM hat sich doch durch ihr Verhalten disqualifiziert. Ihr ist doch die ES nicht ohne Grund in Teilen entzogen worden. Plötzlich kommt sie mit Tränendrüse und sonst noch was. Bei mir führe sie platt.

    Wie ich bereits oben geschrieben habe, liegt gerade kein schwerwiegender Grund vor, die Mutter aus dem Leben ihres Sohnes auszuschließen. Nach § 1686 BGB hat ja auch ein Elternteil, der nicht einmal ein Umgangsrecht hat, ein Recht auf Auskunft, sofern es nicht ausdrücklich dem Kindeswohl schadet. Ich wüsste nicht, warum das für die Mutter hier nicht gelten soll, nur weil das Kind bei Pflege(groß)eltern lebt statt beim anderen Elternteil.

    Nach Aktenlage verlangt die Kindesmutter auch nicht deshalb Auskunft, um mit dem Ergänzungspfleger zu "stänkern" (wie es bei getrennt lebenden Eltern gelegentlich vorkommt), sondern aus ernsthaftem Interesse an ihrem Sohn.

    Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, entsteht Verwaltung.


    (Oliver Hassenkamp)


  • § 1686 BGB gibt einen Anspruch, den ich im Verhältnis Pfleger/Vormund zu den Eltern nicht sehe, nicht sehen kann. Warum wohl hat der Gesetzgeber diese Vorschrift nicht in § 1915 BGB einbezogen? Um sie durch die Hintertür analog oder entsprechend oder sonstwie anwenden zu lassen?

    Da der Pfleger das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde, vorher natürlich der Mutter entzogen worden sein, muss da allerhand im Argen gelegen haben. Und jetzt kommst du mit "die Mutter aus dem Leben des Sohnes ausschließen". Vielleicht hat sie ihn vorher misshandelt, vernachlässigt oder sonst etwas, was gerade dafür spricht, den Kontakt zu unterbinden?

  • Wenn das Ergebnis sowieso schon vorgegeben ist, daß die Mutter irgendwelche Informationen erhalten soll, kannst Du ihr doch die Berichte schicken, in denen die nicht kindbezogenen Passagen herauskopiert sind.

    Allerdings frage ich mich, was das für persönliche Einschätzungen sein sollen, die der Mutter um jeden Preis vorenthalten werden sollen? Da hier immer von "dem" Ergänzungspfleger die Rede ist, nehme ich an, daß es sich um einen berufsmäßigen Vertreter seiner Zunft handelt. Von daher ist das Kind noch ein paar Jahre bares Geld für ihn wert, so daß man nicht unberücksichtigt lassen sollte, daß er ein gewisses Eigeninteresse haben dürfte, sein Wirken noch als für lange Zeit erforderlich und die Mutter in schlechtem Lichte erscheinen zu lassen.

  • nehme ich an, daß es sich um einen berufsmäßigen Vertreter seiner Zunft handelt. Von daher ist das Kind noch ein paar Jahre bares Geld für ihn wert, so daß man nicht unberücksichtigt lassen sollte, daß er ein gewisses Eigeninteresse haben dürfte, sein Wirken noch als für lange Zeit erforderlich und die Mutter in schlechtem Lichte erscheinen zu lassen.



    Also das Eigeninteresse ist das Letzte, was ich in meine Überlegungen einbeziehe.
    Und das "Schlechtmachen" der Mutter zu unterstellen, ist wohl ein schlechter Witz. Der Pfleger ist doch installiert, weil die Mutter offensichtlich ihre Aufgaben nicht erfüllt hat bzw. ihren Pflichten grob zuwider gehandelt hat.
    Ich bitte die thread-Starterin, zur Verdeutlichung der Hintergründe mal zu schildern, warum der Pfleger bestellt wurde. Der Beschluss ist doch in den Akten. Damit wird der Einzelfall doch klarer.

    Im übrigen reden wir ganz abstrakt über den angeblichen Auskunftsanspruch.

  • Ich teile die Auffassung der Richterin. Die Kindesmutter gehört den Grunde nach zu den Umgangsberechtigten nach § 1684 BGB. Hiernach kann der andere Elternteil oder, wie hier, jeder Dritte durch Gebote und Verbote durch das FamG zu Handlungen oder Unterlassungen verpflichtet werden.

    Ergänzend hierzu steht § 1686 BGB, welcher dem berechtigten Elternteil einen neben dem Umgangsrecht stehenden Auskunftsanspruch einräumt. Der Auskunftsanspruch besteht nicht nur bei Ausschluss/Einschränkung des Umgangsrechts, sondern steht kumulativ neben ihm, vgl. Palandt, § 1686 Rdn. 1.

    Erst Recht muss ein Auskunftsanspruch bestehen, wenn dem Grunde nach ein Umgangsrecht besteht.

    Zur Durchsetzung muss bei verfassungsgemäßer Auslegung des Art. 6 GG der Auskunftsanspruch jeden treffen, welcher insoweit Träger der elterlichen Verantwortung ist und das Sorgerecht trägt. Da dies hier der Ergänzungspfleger ist, trifft ihn die Verpflichtung.

    § 1686 BGB ist daher analog anzuwenden. Wenn man dem nicht folgt, führt dies zwangsläufig zum Ausschluss des verfassungsrechtlich geschützten Elternrechts, da keine weitere anspruchsverpflichtete Person vorhanden ist und auch sonst niemand umfassend Auskunft gegen kann.

    Eine Einsicht in die Gerichtsakten kommt in Betracht, ersetzt den Anspruch aber nicht, da diese nicht sämtlich in Betracht kommenden Angaben enthalten, z.B. Fotos des Kindes.

    Das Verfahren ist nicht Teil des Pflegschaftsverfahrens, daher bedarf es keiner Verweisungsnorm, es ist neu einzutragen. Soweit in der Rspr. § 1686 BGB auf Nichteltern nicht angewandt wurde, dann nur deswegen, weil diese kein Umgangsrecht (mehr) hatten, z.B. Mutter nach der Adoption.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich möchte mich dem Vorbeitrag voll anschließen und der Kindesmutter doch ein gewisses Recht - auf Grundlage ihres grundsätzlichen Umgangsrechts - auf Auskunft zubilligen.

    Nur mal so ein Beispiel aus meiner Arbeit, um der Argumentation von Gänseblümchen ("selber Schuld ....") mal etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen:

    Ich hatte mal einen Fall: Vater missbrauchte Kinder, wurde zu 4 Jahren Haft verurteilt. Stellte aus der JVA heraus den Antrag auf Auskunft durch die Kindesmutter. Nach langem Hin und Her habe ich zunächst beim ersten Mal stattgegeben, bei verstärkten Forderungen (Vorlage von Bildern der Kinder) dann aber abgelehnt. Vater hat sich gegen meine Entscheidung beschwert und vom OLG Recht bekommen - nix war da mit "Selber Schuld an der misslichen Lage". Die Rechte der leiblichen Eltern auf Umgang, ersatzweise aber zumindest auf Auskunft, werden in unserem Rechtsstaat wohl sehr hoch eingestuft.

    Ich würde dem E-Pfleger entsprechende Empfehlungen geben, aber auch den Hinweis, dass ihn uU bei einem gerichtlichen Verfahren hierzu Kosten treffen könnten, die er dann wohl persönlich zu verantworten und nicht erstattet verlangen könnte.

  • Die Mehrheit scheint hat für einen Auskunftsanspruch zu plädieren. Dem kann ich mich nach wie vor nicht anschließen.

  • Ich bitte die thread-Starterin, zur Verdeutlichung der Hintergründe mal zu schildern, warum der Pfleger bestellt wurde. Der Beschluss ist doch in den Akten. Damit wird der Einzelfall doch klarer.


    Ich hatte angenommen, dass bereits aus meinen Beiträgen #5 und #7 hervorgeht, dass die Mutter dem Kind nicht schlimmes „angetan“ hat, aber nun gut:

    Der Fall ist etwas kompliziert. Die Mutter musste das Kind wegen einer schweren Erkrankung bei den Großeltern unterbringen. Zwischen der Kindesmutter und den Großeltern schwelt ein langandauernder Familienkonflikt (besonders in Erziehungsfragen), was dazu geführt hat, dass das Kind sich während des Aufenthalts bei den Großeltern auf deren Seite gestellt hat und nicht mehr zur Mutter zurückkehren möchte. Es lehnt sie ab und lässt sich von ihr nichts mehr sagen. Laut Gutachter ist die Mutter fähig, das Kind zu erziehen und zu versorgen. Sie ist jedoch aufgrund der äußerst schwierigen Familiensituation damit zur Zeit überfordert und wie gelähmt, was laut Gutachter auch vielen anderen Eltern in der gleichen Situation so gehen würde. Der Pfleger wurde also eingesetzt, um den Zündstoff aus besonders konfliktbeladenen Bereichen zwischen Großeltern und Kindesmutter zu nehmen.

    Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, entsteht Verwaltung.


    (Oliver Hassenkamp)


  • @ beldel, Wobder und Andy.K:

    Vielen Dank für Eure bisherigen Anregungen. Ich werde also gemäß § 1686 BGB verfahren und den Ergänzungspfleger auf die durch die Verfassung gesicherten Rechte der Mutter hinweisen.

    Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, entsteht Verwaltung.


    (Oliver Hassenkamp)


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