Ausschlagung: Fristwahrung durch Abgabe einer notariellen Urkunde am Wohnsitzgericht

  • Folgendes Problem ist aufgetaucht:
    Am Wohnsitzgericht des Ausschlagenden geht dieser zum Notar der die Ausschlagung beurkundet. Es ist der letzte Tag der Frist. Der Notar schickt nach Beurkundung unter Hinweis auf § 344 Abs. 7 FamFG den Ausschlagenden an das Wohnsitzgericht um die Urkunde dort abzugeben. Damit sei die Frist gewahrt.

    Frage: Ist in § 344 Abs. 7 auch der Fall gemeint, dass eine vom Notar beurkundete Ausschlagungserklärung beim Nachlassgericht des Wohnsitzes des Ausschlagenden nur abgegeben wird, oder bezieht sich § 344 Abs. 7 nur darauf , dass diese Erkläörung vor dem Nachlassgericht beurkundet ( also protokolliert) werden muss.

  • M.E. ist die Abgabe der Ausschlagungserklärung im Sinne von § 1945 BGB fristwahrend (dort steht in öff. begl. Form), wenn an dem für den Wohnsitz des Aussschlagenden gelegenen AG die Erklärung "abgegeben" wird, weil dieses Gericht eben zust. ist. Es kann dann keine Rolle mehr spielen, wann die dort beurk. Erklärung bei dem für den Erbfall zust. Gericht eingeht und wer oder wo die Berukundung gemacht oder sie stattgefunden hat.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ein Blick in den Keidel unter § 344 FamFG Rd-Nr. 44 ff (habe ich jetzt gerade mal noch nachgelesen) bestätigt übrigens meine Bauchmeinung :)

    Liegt dir der Kommentar nicht vor?

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  • Anderer Ansicht ist Bestelmeyer Rpfleger 2010, 635, 627 Fn.19 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 16/6308, S. 390 und BR-Drucks. 309/07 S. 41), wo jeweils ausdrücklich von der "Aufnahme" der Erbausschlagungserklärung durch das Wohnsitzgericht die Rede ist. Eine notarielle Erbausschlagung wird aber nicht gerichtlich "aufgenommen".



    Kann ja sein, aber wenn das Gesetz insoweit eine klare Aussage trifft, bringt diese Auslegung nur weitere Rechtsunsicherheit. Ich bleibe bei meiner oben geäußerten Auffassung.

  • Anderer Ansicht ist Bestelmeyer Rpfleger 2010, 635, 627 Fn.19 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 16/6308, S. 390 und BR-Drucks. 309/07 S. 41), wo jeweils ausdrücklich von der "Aufnahme" der Erbausschlagungserklärung durch das Wohnsitzgericht die Rede ist. Eine notarielle Erbausschlagung wird aber nicht gerichtlich "aufgenommen".



    Kann ja sein, aber wenn das Gesetz insoweit eine klare Aussage trifft, bringt diese Auslegung nur weitere Rechtsunsicherheit. Ich bleibe bei meiner oben geäußerten Auffassung.



    Das kommt darauf an, wie man den Begriff der "Entgegennahme" interpretiert. Indem Du von einer "klaren Aussage" des Gesetzes sprichst, unterstellst Du aber bereits eine bestimmte Interpretation dieses Begriffs.


  • Das kommt darauf an, wie man den Begriff der "Entgegennahme" interpretiert. Indem Du von einer "klaren Aussage" des Gesetzes sprichst, unterstellst Du aber bereits eine bestimmte Interpretation dieses Begriffs.



    Das ist richtig:

    Entgegenahme ist für mich um einiges weitreichender als Aufnahme:

    Aufnahme = Beurkundung

    Entgegennahme = 1. Beurkundung durch Notar und Entgegennahme
    2. Beurkundung durch Gericht und Entgegennahme

    Und wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich auf die Aufnahme verweist, sondern die Entgegennahme erklärt, hat er sich für den meiner Meinung nach besseren Weg und großzügigeren Weg entschieden.
    Zu theoretisch sollten wir Rechtspfleger schon nicht sein.

  • Der Gesetzgeber hat sich diesbezüglich geäußert.

    In den Gesetzesmaterialien (BR-Drucks. 309/07, S. 41, inhaltsgleich in BT-Drucks. 16/6308 S. 390) heißt es hierzu:

    „Die Erklärung über die Ausschlagung einer Erbschaft kann gemäß § 1945 Abs. 1 BGB nur von einem Notar, von dem örtlich zuständigen Nachlassgericht oder gemäß den §§ 156, 157 Abs. 1 GVG von dem vom örtlich zuständigen Nachlassgericht ersuchten Gericht aufgenommen werden. Für die Anfechtungserklärung gilt dies nach § 1955 BGB sinngemäß. Oftmals nehmen örtlich unzuständige Nachlassgerichte die Ausschlagungs- bzw. Anfechtungserklärung ohne Kenntnis über das Vorliegen eines mündlichen oder schriftlichen Ersuchens des örtlich zuständigen Nachlassgerichts auf, wenn der Ausschlagende bzw. Anfechtende seinen Wohnsitz innerhalb des eigenen Gerichtsbezirks hat. Teilweise werden jedoch von einigen für die Nachlassangelegenheit örtlich zuständigen Gerichten die Niederschriften der örtlich unzuständigen Nachlassgerichte über die Aufnahme der Erklärungen nicht anerkannt, wenn zuvor nicht ein ausdrückliches Ersuchen um Amtshilfe ergangen ist. Diese Verfahrensweise einiger Nachlassgerichte macht einerseits eine erneute Ausschlagungs- bzw. Anfechtungserklärung erforderlich. Andererseits kann unter Umständen sogar der Ablauf der in den §§ 1944, 1954 Abs. 1 und 2 BGB gesetzlich geregelten Ausschlagungs- bzw. Anfechtungsfrist von sechs Wochen eintreten, so dass nicht nur eine erneute Erklärung des Ausschlagenden oder Anfechtenden erforderlich wird, sondern auch das Fristversäumnis angefochten werden muss. Diese Unsicherheiten werden vermieden, indem eine Niederschrift der Ausschlagungs- bzw. Anfechtungserklärung vor dem örtlich zuständigen Wohnsitzgericht auch ohne ausdrückliches Ersuchen wirksam ist.“

    Hieraus (= aus den unterstrichenen Passagen) ergibt sich nach meiner Ansicht eindeutig, dass § 344 Abs.7 FamFG nur die örtliche Beurkundungszuständigkeit betrifft, nicht jedoch die Zuständigkeit für die Entgegennahme von Erbausschlagungen, die von einem Notar öffentlich beglaubigt wurden. Für notarielle Ausschlagungserklärungen bleibt es daher dabei, dass diese weiterhin nur beim für die Abwicklung des Nachlassverfahrens örtlich zuständigen Nachlassgericht fristwahrend eingehen können. Hierfür spricht auch § 344 Abs.7 S.2 FamFG, weil es sich bei der dort genannten "Niederschrift" nur um eine solche handeln kann, die vom Gericht der besonderen Zuständkeit selbst aufgenommen wurde.

  • Warum sollte der Gesetzgeber dem Nachlassgericht am Wohnsitz des Ausschlagenden nur eine "Beurkundungszuständigkeit" gegeben haben, wenn ich doch bei jedem Gericht, auch einem unzuständigen AG, etwas wirksam zu Protokoll erklären kann und es dann dort ggf. nich fristgerecht weitergeleitet wird. Ging es nur darum, eine Möglichkeit zu geben, die Frist zu wahren, wenn zwischen Beurkundung und Weiterleitung nicht mehr genügend Zeit liegt?

    Ich denke schon, dass man im Sinne von § 1945 BGB als Nachlassgericht für die Erbausschlagung auch das am Wohnsitz des Ausschlagenden belegene AG vollständig als zuständiges Nachlassgericht einrichten wollte. Daher auch folgerichtig, dass eben dieses Gericht dann auch die Kosten für die Ausschlagung erheben soll (was ja auch schon heiße Diskussionen hervorgebracht hat)

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  • Ich könnte ja gut damit leben, dass wir auch die Notarurkunden hier annehmen und zum Nachlassgericht weiterleiten.
    Nur sind wir im Zweifel nicht die letzte Instanz, die darüber zu entscheiden hat.
    Bei meinen bisherigen Telefonaten mit den Notaren konnte ich diese immer recht schnell davon überzeugen, dass es sinnvoller ist, die Erklärung direkt an das Nachlassgericht zu senden. Sollte es tatsächlich mal der letzte Tag sein, darf der Notar seine Mandanten auch gerne zu mir schicken (am besten vorher telefonisch angekündigt).

    Zum Sachverhalt:

    1. Wenn der Notar den Mandaten eh mit der Urkunde zum Gericht schickt, warum macht er das dann nicht gleich ohne die Urkunde aufzunehmen.
    2. Ich als Wohnsitzgericht hätte vom Ausschlagenden die Erklärung nochmals aufgenommen. Sicher ist sicher. Falls weitere Kosten anfallen sollten, wären mir die zusätzlichen 10 EUR lieber als hunderte oder tausende Euro Schulden.
  • Was der Gesetzgeber hätte tun sollen und was er letztlich getan hat, sind leider oft zwei verschiedene Dinge.

    Die "vollumfängliche" Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts führt im Übrigen zu dem vom HansOLG Hamburg (Rpfleger 2010, 373) befürworteten Absurdum, dass es auch für die Kostenbewertung der Ausschlagung zuständig ist, ohne den Wert des Nachlasses zu kennen und ohne beurteilen zu können, ob die Gebühr für die Entgegennahme als gebührenfreies Nebengeschäft außer Ansatz bleibt, weil vom Nachlassgericht ein Erbschein über die durch die Erbausschlagung modifizierte Erbfolge erteilt wird.

  • Um Kosten in FGG-Sachen zu erheben, muss man den Geschäftswert ja nicht unbedingt selbst schon wissen, sondern kann ihn sich von dem Kostenschuldner "angeben" lassen.

    Oft weiß ja auch das eigentlich zust. Nachlassgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers nichts von dem Wert. Wenn da einfach so eine Ausschlagung von den Kindern hereinschneit, dann muss man ja auch nach dem Nachlasswert fragen. Grundlage für die Kostenerhebung in Ausschlagungen ist doch fast immer irgendeine Erklärung einer Person, die halt ungefähre Angaben zum Nachlass macht. Darauf muss man in den meisten Fällen ganz einfach vertrauen.

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    2 Mal editiert, zuletzt von TL (21. Juni 2011 um 16:09)

  • Hab mit der SuFu nicht so ganz das Passende gefunden und hänge mich Mal hier dran.


    Erblasserin verstirt am 25.06.2012. Tochter schlägt am 23.11.2012 die Erbschaft bei einem Notar aus. Kein Hinweis, seit wann Kenntnis besteht.

    I.
    Ich komme als Tochter al gesetzliche Erbin in Betracht.

    II:
    Ich, XY, schlage hiermit die Erbschancht AB aus allen möglichen Berufungsgründen und ohne jede bedingung aus.

    III.
    Ich beauftrage den Notar, diese Erklärung dem zuständigen NLG zuzuleiten. Ich bitte um eine beglaubigte Kopie.

    ....

    Hat der Notar nicht die Pflicht über die Fristen aufzuklären und etwas über die Kenntnis des Anfalls der Erbschaft in die Urkunde mit aufzunehmen? Ich finde das total dünne. Wenn die 6 Wochen bereits für die I. Ordnung abgelaufen sind, dann muss doch dazu etwas vorgetragen werden oder nicht?
    Würdet ihr den Notar anschreiben? Oder die Tochter?

    Ich ärgere mich ständig über solche Urkunden. Und über solche wo nichts weiter zu den Verwandstchaft verhältnissen steht. (übrigens auch oftmals von Rpfl.-Kollegen aufgenommen)

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Aber hätte er nicht etwas in der Urkunde dazu sagen müssen, wenn die Frist längst abgelaufen ist?

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Ich finde schon, dass er was dazu hätte sagen müssen. Ich nehm zumindest irgendwas auf - selbst wenn es definitiv nichts bringt. Oder wenigstens hilfsweise Anfechtung der Annahme. Es kann doch wirklich nicht sein, dass er das nicht gesehen hat.

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Das finde ich auch. Er hätte entweder angeben müssen, dass sie erst seit..... (weniger als 6 Wochen) Kenntnis hat oder ggfls. gleich eine Anfechtung mit aufnehmen müssen. M.E. hat ein Notar eine Aufklärung-/Beratungs-/Hinweispflicht?

    Esra 7, Vers 25
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