§ 850f ZPO bei Lohnabtretung

  • In einem eröffneten Insolvenzverfahren hat der Schuldner seinen pfändbaren Lohn wirksam abgetreten. Er hat beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Erhöhung der Pfändungsfreigrenze nach § 850f ZPO gestellt. Nach dem Beschluss des BGH vom 28.06.2003, IXa ZB 51/93 ist für die Erhöhung nach § 850f ZPO bei einer Lohnabtretung allerdings das Prozessgericht zuständig. Als Begründung wird aufgeführt, dass dem Vollstreckungsgericht kein überprüfbarer Titel vorliegt. Die Entscheidung wurde aber nicht in einem Insolvenzverfahren getroffen. Sie klärt nur die Frage, ob das Vollstreckungs- oder das Prozessgericht zuständig ist.Eine Entscheidung des AG Göttingen vom 19.06.2003 (ZinsO 2003, Seite 625) spricht sich in Insolvenzverfahren für die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts aus (allerdings mit merkwürdiger Begründung).Soll ich mir es einfach machen und unter Bezugnahme auf BGH den Antrag wegen Unzuständigkeit zurückweisen? Ich finde, das Insolvenzgericht könnte wegen vorhandener Sachnähe doch zuständig sein (da der Insolvenzverwalter die pfändbaren Beträge zunächst einzieht und abzgl. Feststellungskosten an den Abtretungsgläubiger weiterleitet). Andererseits würde dann das Insolvenzgericht in die Rechte der Abtretungsgläubiger eingreifen.Hat schon mal jemand sich darüber Gedanken gemacht?Vielen Dank im Voraus!

  • ja, der BGH hat sich hier schon mal Gedanken gemacht und ist unter IX ZR 202/06 zu einem Ergebnis gekommen, dass das Insolvenzgericht zuständig ist.

    Hier ging es zwar um einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan, dies dürfte jedoch nicht relevant sein.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • @LfdC: Ich glaube, die von Dir erwähnte Entscheidung passt nicht, weil es hier um die im Schuldenbereinigungsplan ausgesprochene Abtretung geht.Hier hat ja das Insolvenzgericht sozusagen den Titel geschaffen (Schuldenbereinigungsplan) und darin die Abtretung ausgesprochen.

  • BGH IXa ZB 194/ 03:

    Zitat

    Meinungsverschiedenheiten darüber, ob und in welchem Umfang eine der Parteien Rechte aus der Vereinbarung gegen den anderen herleiten kann, sind ein Streitstoff, der typischerweise in den Zuständigkeitsbereich des Prozeßgerichts gehört (vgl. BGH, Beschl. v. 28. Mai 2003 - IXa ZB 51/ 03, Rpfleger 2003, 516; OLG Köln NJW-RR 1998, 1689; a. A. MünchKomm-ZPO/ Smid, aaO Rn. 18; Stein/ Jonas/ Brehm, aaO Rn. 44; Wieczorek/ Schütze/ Lüke, aaO Rn. 36). Das Vollstreckungsgericht hat dagegen von einem ihm vorgelegten Vollstreckungstitel auszugehen; eine inhaltliche Prüfungskompetenz kommt ihm nicht zu. Demgemäß hat das Vollstreckungsgericht auch nicht zu entscheiden, zu wessen Lasten im Falle mehrerer Abtretungen an unterschiedliche Gläubiger der pfändungsfreie Betrag geht

    Ich sehe den Schwerpunkt der Begründung bei der inhaltlichen Auslegung über die Reichweite der Abtretungserklärung und nicht darin, dass im Insoverfahren auch kein Titel als Grundlage der Zwangsvollstreckung erforderlich ist.
    Es ist nicht die Aufgabe des Vollstreckungsgerichts den Willen der Parteien zu ermitteln, und etwas anderes als ein VG sind wir nach § 36 InsO kraft besonderer Zuweisung als Insogericht nicht.

    Das mag ja anders sein, wenn es um die Auslegung eines Vergleiches geht, der auch ein vollstreckbarer Titel ist und im Schuldenregulierungsverfahren zustande gekommen ist, aber nicht bei einer Abtretungserklärung, die nicht in einem Zwangsvollstreckungsverfahren abgegeben wurde - und die Entscheidung müsste doch auch ohne ein anhängiges Insoverfahren getroffen werden

  • Wenn es keine Abtretung gäbe wäre das IG doch auch zuständig sowohl im eröffneten Verfahren als auch für die Laufzeit der Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO zu entscheiden.

    Man könnte doch für das Insolvenzverfahren entscheiden und der Abtretungsgläubiger akzeptiert die Erhöhung auch für seine Abtretung.

  • Also ich würde bei Vorliegen einer Abtretung keine Entscheidung treffen als Insolvenzgericht. M. E. geht es hier um den Umfang der Abtretung, daher Prozessgericht. Dass ein Insolvenzverfahren vorliegt, ändern hieran nichts. Für eine Entscheidung über eine Erhöhung im Insolvenzverfahren fehlt m. E. während der Laufzeit der Abtretung das Rechtschutzbedürfnis, da keine
    Pfändung greift.

    Für den Fall der Zusammenrechnung herrscht hier die Meinung, dass sich eine Anordnung des Insolvenzgerichts nicht auf die Abtretung auswirkt d.h. besteht eine Abtretung, die die Zusammenrechnung nicht umfasst, gibts die sich durch die Zusammenrechnung ergebenenden pfändbaren Beträge zur Masse. Bei einem Streit ob die Abtretung die Zusammenrechnung umfasst oder nicht, würd ich auch ans Prozessgericht verweisen. Deshalb auch bei einer Erhöhung.

    „Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß.“ (Georg Simmel)

  • Ist natürlich grundsätzlich richtig, aber was ist , wenn der Gläubiger morgen auf die Rechte aus der Abtretung verzichtet oder die Forderung voll befriedigt wurde?


  • Man könnte doch für das Insolvenzverfahren entscheiden und der Abtretungsgläubiger akzeptiert die Erhöhung auch für seine Abtretung.

    Ich treffe bei § 850f ZPO aber immer eine Einzelfallentscheidung, bei der stets auch das Gl-Interesse abzuwägen ist, im Insoverfahren dann das Interesse der Gl-Gesamtschaft, das muss ja nicht identisch sein mit evtl überwiegenden Belangen des/ der Zessionare. Und warum sollte ich zu diesem Zeitpunkt schon eine Entscheidung fällen, die in 2 Jahren vllt schon ganz anders zu treffen wäre?

    Ist natürlich grundsätzlich richtig, aber was ist , wenn der Gläubiger morgen auf die Rechte aus der Abtretung verzichtet oder die Forderung voll befriedigt wurde?

    Verstehe das Problem jetzt nicht, wenn der Zessionar verzichtet oder sich die Abtretung erledigt hat, wird an die Masse oder den TH in der WVP abgeführt (falls nicht zunächst ein weiterer, nachrangiger Zessionar zum Zuge kommt). Und dann könnte der Schuldner auch beim IG einen Antrag nach § 36 InsO i.V.m. § 850f ZPO stellen.

    Es ist doch rechtssystematisch so, dass der Zessionar in seinem Absonderungsrecht nur durch § 114 InsO beschränkt wird. Hätte man das IG ermächtigen wollen, sich in das Vertragsverhältnis zulasten einer der Parteien einzumischen, hätte z.B. in § 114 auch auf § 36 InsO verwiesen werden können. So ist der Umfang der Abtretung m.E. eine private Angelegenheit, die das IG während der 2jährigen Laufzeit nichts angeht bzw. solange der Gl. sein Absonderungsrecht geltend macht.

    Wenn es keine Abtretung gäbe wäre das IG doch auch zuständig sowohl im eröffneten Verfahren als auch für die Laufzeit der Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO zu entscheiden.


    Etwas anderes ist es, wenn aufgrund einer staatlichen Zwangsvollstreckungsmaßnahme, wozu ich auch das Insolvenzverfahren und die für das RSB-Verf. abgegebene Abtretungserklärung an TH zähle (und dann wohl wegen der Regelungslücke lt. BGH der Vergleich im Schuldenregulierungsverfahren), auf das Schuldnereinkommen für die Gläubiger Zugriff genommen wird. Für den Fall sind zur Erweiterung oder Einschränkung des Pfändungsfreibetrages die §§ 850ff ZPO gesetzlich vorgesehen. Bei einer Abtretung kann man nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass diese ebenfalls Anwendung finden sollten s. die zit. BGH-Entscheidungen. Das wäre dann ggfls. vom PG zu entscheiden, falls sich Zessionar und Zedent oder Drittschuldner nicht einigen können.

  • sehe es in ständiger Rechtsanwendung wie Delphina5. Ich entscheide nicht über die Auslegung von Abtretungen. Genausowenig ordnete ich insolvenzgerichtlich an, dass Raumsicherungsverträge wg. mangelnder Bestimmtheit unwirksam sind...... (nur mal so zur Verdeutlichung).

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Genausowenig ordnete ich insolvenzgerichtlich an, dass Raumsicherungsverträge wg. mangelnder Bestimmtheit unwirksam sind......

    Welcher hasenfüßige Verwalter stellt denn solche Anträge :eek:.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Vielen Dank für die vielen Antworten! Ich werde jetzt die Schuldnerseite an das Prozessgericht verweisen und nötigenfalls eine rechtsmittelfähige Entscheidung dahingehend treffen, dass das Insolvenzgericht nicht zuständig ist. Wenn man dieser Rechtsauffassung folgt, heißt das im Ergebnis, dass der Verwalter die nach § 850c ZPO pfändbaren Beträge einziehen muss und nach Abzug der Feststellungskosten an den Zessionar wieder auskehrt. Will der Schuldner die Höhe des unpfändbaren Betrages abgeändert haben, muss er dies vor dem Prozessgericht erwirken. Den Titel vom Prozessgericht muss er dann dem Verwalter vorlegen, damit dieser dann entsprechend verfahren kann.

  • Ich hänge mich hier mal dran, da ich einen ähnlichen Fall habe.

    850-f-Beschluss gefertigt.
    Aus dem Schlussbericht ergibt sich, dass die Lohnansprüche abgetreten sind.
    Ich habe daher den 850-f-Beschluss aufgehoben, da ich die Meinung vertreten habe, wenn die Ansprüche rechtsgeschäftlich abgetreten sind, ich als Insolvenzgericht keine derartige Entscheidung treffen kann.

    Sofortige Beschwerde vom Schuldner.
    Die Bezüge sind nicht abgetreten, da Drittschuldner Abtretungen ausschließt.
    (Telefonat mit IV-Büro: Stimmt so, hat man dort übersehen.)
    Beschluss wäre also von mir wieder "aufleben zu lassen".

    Soweit so schlecht.

    Schuldner legt mir jedoch auch noch einen Beschluss des LG Bonn vor (6 T 115/09), wonach das Insolvenzgricht auch dann zuständig ist, wenn eine Lohnabtretung vorliegt.
    http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bonn/…ss20090529.html

    Seht ihr das auch so??

    VG
    Dollinger

  • Ich finde die Entscheidung des Gerichts absolut konsequent. Nach § 35 Abs. 1 InsO gehört alles in die Masse, was der Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens hat und während des Verfahrens dazu erwirbt (so weit es nach § 36 Abs. 1 InsO nicht unpfändbar ist).

    Während der ersten zwei Jahre ab Eröffnung ist eine vorher getätigte Abtretung noch wirksam. Damit erhält der Abtretungsgläubiger einen zeitlich begrenzten Vorteil, die pfändbaren Beträge, die eigentlich zur Masse gehören, einzuziehen. Das ändert aber meiner Meinung nach nichts daran, dass ab Eröffnung das Insolvenzgericht für die Feststellungen nach § 36 Abs. 4 InsO zuständig ist.

  • Es spricht hier doch alles dafür, eine AO nach § 850f ZPO zu erlassen, weil das AE gerade nicht wirksam abgetreten ist und an die Masse abzuführen ist, dafür braucht man die LG-Entscheidung doch gar nicht - oder verstehe ich den SV gerade falsch?

    Du hast recht, dafür bräuchte ich die Entscheidung nciht.
    Aber unabhängig vom Fall: Das LG Bonn sagt, wir seien IMMER zuständig, egal, ob wirksam abgetreten ist oder nicht.
    Kann das richtig sein?

  • Das hat doch längst der BGH entschieden, dass das Prozessgericht zuständig ist (BGH IXa ZB 51/03). Und daran halte ich mich.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Das hat doch längst der BGH entschieden, dass das Prozessgericht zuständig ist (BGH IXa ZB 51/03). Und daran halte ich mich.

    Aber das kann man doch nicht mit dem Fall hier vergleichen, hier ist doch schon das Insolvenzverfahren eröffnet und mit der Begründung vom BGH wird man hier nicht agieren können. Oder kannst Du eine größere Sachnähe in diesem Fall abweisen?

  • Es war doch jetzt die Frage, wie es unabhängig von dem Fall ist, sprich, die Abtretung ist noch wirksam und somit gehen die Beträge an den Abtretungsgläubiger. Und dann ist das Prozessgericht zuständig. Ich als Insogericht habe doch keine größere Sachnähe als das Vollstreckungsgericht in normalen Zwangsvollstreckungen?!

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Doch, weil auch der Abtretungsgläubiger einen Anspruch auf die Beträge hat, die in die Masse fallen würden, wenn es die Abtretung nicht geben würde. Die Abtretung und die Insolvenz sind in diesem Fall eng verbunden.

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