Finanzamt (Insolvenztabelle)

  • Folgender Fall bereitet mir derzeit Kopfzerbrechen, vielleicht kennt jemand die Konstellation? :

    Mai 2007: es ergehen Steuerbescheide gegen unseren (späteren) Schuldner, der Schuldner legt fristgerecht Einspruch ein

    Okt 2008: Das Insolvenzverfahren wird eröffnet

    Februar 2009: es ergeht (negative) Einspruchsentscheidung gegen den Schuldner

    März 2009: Schuldner klagt ohne unser Wissen gegen den Einspruchsbescheid.


    Frage:
    Welche Wirkung hat die Klage des Schuldners, die ja im eröffneten Verfahren ohne Mitwirkung des IV erfolgte. Ist der Einspruchsbescheid jetzt bestandskräftig geworden? Oder konnte der überhaupt wirksam nach Verfahrenseröffnung ergehen?

  • Der Schuldner ist steuerverfahrensrechtlich nicht handlungsfähig. Das Einspruchsverfahren ist analog § 240 ZPO unterbrochen. Einspruchsentscheidung gegenüber dem Schuldner ist unwirksam. Die Klage des Schuldners ist unzulässig.

    Wieso kommt die Problematik denn jetzt nach drei Jahren erst hoch?
    Hat das FA nicht zur Tabelle angemeldet? Sind die über das IV nicht informiert worden?

  • Der Schuldner ist steuerverfahrensrechtlich nicht handlungsfähig. Das Einspruchsverfahren ist analog § 240 ZPO unterbrochen. Einspruchsentscheidung gegenüber dem Schuldner ist unwirksam. Die Klage des Schuldners ist unzulässig.

    Wieso kommt die Problematik denn jetzt nach drei Jahren erst hoch?
    Hat das FA nicht zur Tabelle angemeldet? Sind die über das IV nicht informiert worden?

    Das ist ja der Witz. FA hat brav angemeldet, von dem eingelegten Einspruch und/oder der Klage war aber nie die Rede, weder FA noch Schuldner hat davon was mitgeteilt. Wir haben ganz normal die Tabellenprüfung durchgezogen, die Forderung bestritten und jetzt Schlusbericht eingereicht. Und nu kommt das FA mit einem Aktenzeichen des Finanzgerichts und verlangt unter Hinweis auf 189 II, den auf den bestrittenen Teil der Forderung entfallenden Anteil zurückzuhalten.

  • Die vor Insolvenzeröffnung durch Bescheid festgesetzte Steuerforderung ist "tituliert" auch wenn der Bescheid wg Einspruchs nicht bestandskräftig wurde, dh wenn der IV bestreitet gilt § 179 Abs. 2 InsO (BFHE 212, 11 - VII R 11/05; Uhlenbruck § 179 Rdnr. 23). Der Widerspruch wäre durch den IV zu verfolgen gewesen, hier durch Aufnahme des Einspruchsverfahrens.

    Verfolgt der IV seinen Widerspruch nicht, kann das FA keinen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO erlassen. Es muß vielmehr seinerseits das Einspruchsverfahren aufnehmen und ggü dem IV eine Einspruchsentscheidung erlassen (BFHE 209, 23 - VII R 63/03; Uhlenbruck § 185 Rdnr. 10-12). Der IV muß dann seinen Widerspruch zurücknehmen oder gegen die Einspruchsentscheidung klagen. Läßt der IV die Einspruchsentscheidung bestandskräftig werden, ohne aber von sich aus seinen Widerspruch zurückzunehmen, ist die Tabelle auf Antrag des FA durch das Insolvenzgericht zu berichtigen. Denn die gegenüber dem IV ergangene und bestandskräftig gewordene Einspruchsentscheidung entspricht einem Feststellungsbescheid (so wohl BFH aaO).

    (Vgl. ergänzend BFHE 228, 134 - VII R 48/07: war der Steuerbescheid schon bestandskräftig, bestreitet der IV aber trotzdem, dann ist Feststellungsbescheid möglich.)

    So hätte es laufen sollen. Ist es aber nicht. Und nun?

    Jedenfalls hat der IV die bestrittene titulierte Forderung ins Verteilungsverzeichnis aufzunehmen. Unklar aber, ob Auszahlung oder Zurückbehaltung. Dazu hM: wegen § 179 Abs. 2 InsO kommt es auf eine Anzeige nach § 189 Abs. 2 InsO nicht an; wenn der Bestreitende spätestens bis zum Tag der Verteilung die Verfolgung des Widerspruchs nachweist Zurückbehaltung, ansonsten ist auszuzahlen (Uhlenbruck § 189 Rdnr. 14; MüKo § 189 Rdnr. 10; HambKo § 189 Rdnr. 2; N/R § 189 Rdnr. 18; K/P/B § 189 Rdnr. 3).

  • Klasse dargelegt von Zonk !.
    Kleiner Schönheitsfehler: wurde die Forderung seitens des Finanzamtes nicht als tituliert in die Prüfugnsverhandlung eingeführt - unter Vorlage des Titels im Original - ist da nix zurückzuhalten bei der Verteilung. Regelmäßig legen die FA aber den Bescheid bei; dann hätte dies in der Prüfungsverhandlung auch als titulierte Forderung seitens des Gerichts bemerkt werden müssen.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Klasse dargelegt von Zonk !. Kleiner Schönheitsfehler: wurde die Forderung seitens des Finanzamtes nicht als tituliert in die Prüfugnsverhandlung eingeführt - unter Vorlage des Titels im Original - ist da nix zurückzuhalten bei der Verteilung. Regelmäßig legen die FA aber den Bescheid bei; dann hätte dies in der Prüfungsverhandlung auch als titulierte Forderung seitens des Gerichts bemerkt werden müssen.


    hier legt das FA i.d.R. nix bei. Bei der tabellarischen Aufstellung wird lediglich der Stand des Festsetzungsverfahrens mitgeteilt.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Klasse dargelegt von Zonk !. Kleiner Schönheitsfehler: wurde die Forderung seitens des Finanzamtes nicht als tituliert in die Prüfugnsverhandlung eingeführt - unter Vorlage des Titels im Original - ist da nix zurückzuhalten bei der Verteilung. Regelmäßig legen die FA aber den Bescheid bei; dann hätte dies in der Prüfungsverhandlung auch als titulierte Forderung seitens des Gerichts bemerkt werden müssen.


    hier legt das FA i.d.R. nix bei. Bei der tabellarischen Aufstellung wird lediglich der Stand des Festsetzungsverfahrens mitgeteilt.

    So halten es auch unsere Finanzämter, die kommen mit einer tabellarischen Aufstellung und erwarten dann, dass man das alles anerkennt. Allerdings fordern wir dann immer die Bescheide an. Die kamen hier aber auch nicht.

  • dann wäre die Forderung - da nicht tituliert - nicht im Schlussverzeichnis aufzuführe, soweit sie bestritten ist....

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    :daumenrau


  • So halten es auch unsere Finanzämter, die kommen mit einer tabellarischen Aufstellung und erwarten dann, dass man das alles anerkennt. Allerdings fordern wir dann immer die Bescheide an. Die kamen hier aber auch nicht.


    Wenn die es nicht einmal schaffen, die Bescheide vorzulegen, dann bleibt es eben bei § 179 Abs. 1 InsO (BGH IX ZR 95/04 Rdnr. 13; Uhlenbruck § 179 Rdnr. 24).
    Dann gilt auch § 189 Abs. 1 InsO und das heißt hier ja wohl: dumm gelaufen, du bist leider raus.
    Kann vorkommen, wenn man nicht drauf achtet, an wen man seine Einspruchsentscheide zustellt.

    (Und dann noch drei Jahre munter einen Rechtsstreit führt, ohne auf die Idee zu kommen, daß der Insolvenzverwalter irgendwie auch etwas damit zu tun haben könnte. Offenbar hat ja weder das FA noch der Schuldneranwalt das Insolvenzverfahren auch nur erwähnt, denn sonst hätte das Gericht ja höflich auf die Unzulässigkeit der Klage hingewiesen...)

  • @ zonk: jetzt sind wir uns einig :D

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  • So halten es auch unsere Finanzämter, die kommen mit einer tabellarischen Aufstellung und erwarten dann, dass man das alles anerkennt. Allerdings fordern wir dann immer die Bescheide an. Die kamen hier aber auch nicht.


    Wenn die es nicht einmal schaffen, die Bescheide vorzulegen, dann bleibt es eben bei § 179 Abs. 1 InsO (BGH IX ZR 95/04 Rdnr. 13; Uhlenbruck § 179 Rdnr. 24).
    Dann gilt auch § 189 Abs. 1 InsO und das heißt hier ja wohl: dumm gelaufen, du bist leider raus.
    Kann vorkommen, wenn man nicht drauf achtet, an wen man seine Einspruchsentscheide zustellt.

    (Und dann noch drei Jahre munter einen Rechtsstreit führt, ohne auf die Idee zu kommen, daß der Insolvenzverwalter irgendwie auch etwas damit zu tun haben könnte. Offenbar hat ja weder das FA noch der Schuldneranwalt das Insolvenzverfahren auch nur erwähnt, denn sonst hätte das Gericht ja höflich auf die Unzulässigkeit der Klage hingewiesen...)

    Jetzt muss ich nochmal hierdrauf zurückkommen:
    Kann man die fehlende Prozessführungsbefugnis des ohne unser Wissen klagenden Anwalts eigentlich heilen, indem man sich an die Klage 'dranhängt' bzw. Sie im Nachhinein 'genehmigt' o.ä.? Meine bescheidenen Kenntnisse in Prozesssachen sind hier leider extrem überfordert.

  • Das Verfahren selbst aufnehmen .. ??, soweit es die Aktivmasse betrifft !. Bei Passivsachen wäre es ja insolvenzzweckwidrig.

    Wieso, wenn ich Forderungen des Finanzamtes prüfe und dort noch die Möglichkeit des Einspruchs/Klage ergibt, kann dann der Verw. nicht auch das Einspruchs-/Klageverfahren durchführen?

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