Rechtsnachfolgewirkung zulasten des Insolvenzverwalters

  • Der Gl. G erwirkte Jahre vor Insolvenzeröffnung gegen S ein rechtskr. Zahlungsurteil auf Grund einer schuldrechtlichen Anspruchsgrundlage. Die titulierte Forderung ist ordnungsgemäß als Insolvenzforderung angemeldet.

    In den Gründen des damaligen Urteils finden sich u. a. auch Ausführungen zur dinglichen Rechtslage an einem Gegenstand X, der hiernach G gehöre. Diese Ausführungen wirkten sich damals indirekt in geringem Umfang auf die Höhe der im Urteil zugesprochenen Forderung aus. Diese Ausführungen sind nach materiellem Recht aus dem simplen Grund falsch, weil sich das erkennende Gericht auf eine Fundstelle in einem Kommentar berief, wo genau das Gegenteil steht: Der Richter hatte das Wort "nicht" übersehen.

    Bekanntlich nimmt nicht jede Nebenbemerkung im Urteil an dessen Rechtskraft teil. Bei der betreffenden (falschen) Äußerung über die dingl. Rechtslage am Gegenstand X im Rahmen der rein schuldrechtlich geführten und gewonnenen Zahlungsklage des G mag man dies bezweifeln. Wir unterstellen aber rein hypothetisch, die Rechtskraft erfasse auch jene Nebenbemerkung in den Urteilsgründen.

    Nun meine Frage zur Rechtskraftwirkung in der Insolvenz (auf der Grundlage der eben gemachten Hypothese):

    S ist in der Insolvenz. Der Gegenstand X ist in der Masse. G möchte ihn aussondern mit der Begründung, die Rechtskraft des Urteils wirke in Ansehung der o. g. (vermutlich bei redlicher Herangehensweise auch von G. als materiell-rechtlich falsch erkannten) Bemerkung über die dingliche Rechtslage auch gegen den heutigen Insolvenzverwalter.

    Was meint das Forum?

  • Wenn überhaupt, kann doch das Urteil nur eine Aussage getroffen haben, wie die rechtlichen Beziehungen zum Zeitpunkt der Urteilsfindung sich verhielten.

    Das muss ja nicht heissen, dass zwischendurch keine Änderungen eingetreten sind.

    Und - da bin ich mir jedoch noch unsicher - wirken Urteile prinzipiell ja nur "inter partes", also zwischen den Parteien des Rechtsstreeit. Eine zwingende umittelbare Bindung des IV aus dem Urteil sehe ich auch deshalb kritisch...

  • Das Urteil muss doch nur nach § 727 ZPO auf den IV umgeschrieben werden, oder steh ich auf der Leitung?

    Da das Urteil auf einen hier nicht interessierenden Zahlungsanspruch lautet (diese Titelforderung ist zur Insolvenz angemeldet), beantwortet die eher formale Klauselfrage des § 727 ZPO den Fall wohl nicht.

    Wie sich die materielle Rechtslage verhält kann ich leider nicht sagen.

    Die mat. Rechtslage ist nach dem Sachverhalt # 1 (jedenfalls für mich) eindeutig: Der Gegenstand X gehört nicht dem G., aber es steht (falsch) im rechtskräftigen Urteil drin.

  • Ich halte eine Rechtskrafterstreckung praktisch für problematisch. Was vor Insolvenz ein Herausgabeanspruch ist, muss nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zwingend ein Aussonderungsrecht begründen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Vielleicht zur Ergänzung, was die materielle Rechtslage betrifft:

    Mit der Übernahme seines Amtes tritt der Insolvenzverwalter in die Rechte und Pflichten des Schuldners ein. Er kann deshalb grundsätzlich für die Masse nicht mehr und keine anderen Rechte beanspruchen, als dem Schuldner zustehen (BGHZ 24, 18 = NJW 1957, 791; BGHZ 44, 1 = NJW 1965, 1585; BGHZ 56, 228 = NJW 1971, 1750; BGHZ 106, 169 = NJW 1989, 580).

    Nach materiellem Recht gehört der Gegenstand dem X, befindet sich also mit Recht in der Masse.

    Die Frage ist somit rein prozessualer Natur (Rechtskraft), da in einer Nebenbemerkung eines rechtskräftigen Zahlungstitels (rechtlich falsch) das Gegenteil steht, nämlich der Gegenstand X gehöre dem G.

  • Bekanntlich nimmt nicht jede Nebenbemerkung im Urteil an dessen Rechtskraft teil. Bei der betreffenden (falschen) Äußerung über die dingl. Rechtslage am Gegenstand X im Rahmen der rein schuldrechtlich geführten und gewonnenen Zahlungsklage des G mag man dies bezweifeln. Wir unterstellen aber rein hypothetisch, die Rechtskraft erfasse auch jene Nebenbemerkung in den Urteilsgründen.
    Nun meine Frage zur Rechtskraftwirkung in der Insolvenz (auf der Grundlage der eben gemachten Hypothese):


    Warum sollte ich mir durch eine solche "hypothetische Unterstellung" ein Problem machen, wo keins ist? Grundsätzlich ist der IV an das gebunden, was ggü dem Schuldner rechtskräftig feststeht. Da aber das angebliche Eigentum des G grade nicht rechtskräftig festgestellt ist, interessiert das Urteil den IV nicht. Der G muß sein Eigentum nachweisen (§ 1006 BGB gilt), und irgendeine noch dazu offensichtlich irrige Obiterbemerkung ist dabei m.E. nichtmal ein Indiz.

  • hm, also mein Rosenberg/Schwab befindet sich so irgendwo in den 2 Regalmetern im unbeheizten Flur meines Domizils... daher mal aus der Hüfte geschossen:

    sofern der Tenor lediglich den Zahlungsausspruch enthält, kein Thema, was da sonst in den Gründen steht = sonstwo vorbei; ist jedoch lt. Tenor die Klage in dem Umfange abgewiesen worden, als dass ein dem Kläger gehöriger Gegenstand der Klageforderdung gegenzurechnen ist, wäre in eine weitere Prüfung einzutreten. (dies einmal unabhängig davon, dass auch mit einer solchen Tenorierung eine Herausgabepflicht nicht besteht). Scheint aber auch ein vermurxter Zivilprozess gewesen zu sein, na ja, richtig antragen können auch nicht alle (insbses. im Rahmen von Hilfsanträgen :D)
    M.E. ist hier eine Tatbestandswirkung i.S. einer "Ausurteilung" in Bezug auf die "Eigentumslage" nicht haltbar.
    Von Belang ist jedoch, ob die tatbestandlichen Feststellungen das Vorbringen des Betreffenden gegenüber dem Insolvenzverwalter stützen. Allerdings ist dies nur von Belang im Hinblick darauf, dass der Verwalter sich bei glasklarer Rechtslage weigern würde, auszusondern.
    Im hier geschilderten Fall hat offenbar das Gericht seinerzeit jedoch den Tatbestand wohl richtig erkannt, jedoch die falsche rechtliche Wertung vorgenommen. Dies kann ohnehin nicht den Insolvenzverwalter binden. Also mit beiden Argumentationstsrängen: der Gläubiger kann diesbezüglich nix mit dem Urteil erreichen.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

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