Alkohol im Betreuungsverfahren

  • Hallo,

    mich beschäftigt gerade ein Fall, in dem mir mal wieder eine Rechnungslegung ohne Belege vorgelegt wurde. Nach Mahnung legt mir nun die Betreuerin einige Einkaufsbelege vor und schreibt dazu, sie gibt einem Herrn XYZ jeden monat einen größeren betrag, damit der für den Betroffenen einkaufen gehe. Sie prüft dann die Quittungen.
    Ich habe mir die Quittungen durchgesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass immer größere Mengen Alkohol besorgt werden.
    Das letzte Gutachten (ca. 5 Jahre alt), spricht davon, dass der Betroffene eine Alkoholsucht hat, bereits Leberschäden vorhanden sind und der Betroffene eine Krankheit hat, wodurch er nicht erkennt, dass er alkoholsüchtig ist (die Unterscheidung zwischen Sucht und Abhängigkeit wird im Gutachten getroffen).
    In den vergangenen Rechnungslegung wird immer nur das Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass der Betroffenen immer noch trinke. In der jetzigen Rechnungslegung wird die Krankheit nicht mehr angesprochen, obwohl klar vorhanden. Dem Betroffenen wird gleichzeitig kein Geld zur Verfügung gestellt, da dieses dann schnell verschwinden würde. Ein Einwilligungsvorbehalt ist nicht angeordnet.

    Meine Frage ist jetzt folgende:
    Darf/muss ich etwas sagen, wenn einem offensichtlich Kranken auch noch Alkohol besorgt wird? Sollte der Betreuer im Rahmen der Gesundheitsfürsorge nicht dafür sorgen, dass sich der Konsum zumindest verringert? Wie würdet ihr euch in diesem Fall verhalten?

    Ich weis, dass ein jeder ein Recht hat, sich selbst totzusaufen, sein Geld zu verprassen und sonstwas anzustellen. Aber soll man ihn dabei unterstützen?

  • Schwierig, da die Betreuerin das Konsumieren von Alkohol weder kontrollieren kann noch darf. Das Beschaffen von Alkohol durch Dritte oder die Aushändigung von Geld kann und sollte durch den Betreuer kontrolliert werden. Das Gericht könnte z.B. der Betreuerin aufgeben, zu prüfen, inwieweit die Verwahrensweise dem Wohl des Betreuten entspricht, und welche Alternativen möglich sind.

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • Franziska, eine solche Weisung ist im Gesetz nicht vorgesehen und auch nicht mittels Zwangsgeld durchsetzbar.
    Vergiss lieber diesen Denkansatz.
    Es ist auch Sache des Betreuers und nicht die des Gerichts, Einzelheiten der Betreuungsführung zu durchdenken.

  • Wenn ich mir nun aber §1901 Abs. 4 BGB anschaue. Eine Alkoholsucht lässt sich meiner Meinung nach als Krankheit einordnen. Dort steht, dass der Betreuer dazu beizutragen hat, dass eine Krankheit gebessert, verhindert oder beseitigt wird. Ist dies dann nicht die Aufgabe und Pflicht des Betreuers? Ist die Verletzung dieser Pflicht dann nicht eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von §1837 Abs. 2 BGB?
    Oder bin ich hier schon lange im Kreis der "Geeignetheit des Betreuuers" und verwechsle da was?

  • Wenn dies aber gegen den Willen des Betreuten geschieht. Kann der Betreuer eine medizinische Maßnahme, welche der Betreute erkennbar nicht will, "anordnen".

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ich möchte auch garnicht, dass der Betroffene eine Entziehungskur macht oder Medizin nimmt. Das wurde in der Vergangenheit schon versucht. Ich stelle mir lediglich die Frage, ob es in Ordnung ist, den Betroffenen auch noch mit Alkohol zu versorgen.

    Wie gesagt, ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn der Betroffene selbst (was er kann) loszieht und sich besinnunglos trinkt. Das ist sein gutes Recht, auch wenn er sich dabei gesundheitlich wohl schwer schädigt.

  • ... Das ist sein gutes Recht, auch wenn er sich dabei gesundheitlich wohl schwer schädigt.

    Wenn genau das! sein Recht ist, kann doch die Unterstützung des Betreuers bei der Wahrnehmung dieses Rechts, nicht rechts-/bzw. pflichtwidrig sein?

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich hätte an dieser Stelle unterschieden in Selbst- und Fremdschädigung.

    Das Gutachten habe ich zurzeit nicht zur Hand, meine mich aber zu erinnern, dass der Unterschied zwischen Sucht und Abhängigkeit bei Menge und Verhalten gezogen wurde (bei der Sucht mehr Menge und weniger Einsicht).

    Wenn nun die Alkoholsucht nicht als Krankheit zählt, zählen dann wenigstens die Folgeerscheinungen (Leberschäden und psychische Auswirkungen) als Krankheit?

  • Ich finde das nicht so eindeutig. Nur weil man sich selbst umbringen darf dürfen andere dabei ja auch nicht aktiv mithelfen.......
    Das ist also m.E. keine schlüssige Argumentation.

  • Spannende Frage: Wie verhält sich eine Betreuerin eines suchtmittelmissbrauchenden Betreuten richtig?
    1.) Sie kauft dem Betreuten die Droge - geht nicht. 
    2.) Sie gibt dem Betroffenen das Geld in die Hand, obwohl sie weiß, dass er davon Drogen kauft - unproblematisch?
    3.) Der Betreute kann/will sein Geld nicht selbst verwalten. Sie gibt auf Wunsch des Betroffenen einem Dritten das Geld des Betreuten, weil der Betroffene wünscht, dass der für den Betreuten einkauft, und von dem sie weiß, dass der dem Betreuten die Droge kauft - problematisch?
    4.) Der Betreute kann sein Geld nicht selbst verwalten. Betreuerin gibt auf eigenen Entschluss einem Dritten Geld des Betroffenen, der für den Betreuten einkauft, und von dem sie weiß, dass der dem Betreuten auch die Droge kauft - problematisch?
    5.) Sie kauft selbst für den Betreuten ein - gehört nicht zu ihren Aufgaben, wird eine Berufsbetreuerin tunlichst unterlassen.

    Gerade bei den Varianten 3.) und 4.) wird für die Betreuerin immer das Problem sein, dass sie keinen findet, der eher im Sinne des Betroffenen mit dem Geld umgeht.

    Ich erdreiste mir nicht, hier irgendeine Aussage zu treffen, wie man einen Alkoholkranken vom Trinken wegbekommt. Auch ein Betreuer wird mit dieser Aufgabe überfordert sein.

  • Spannende Frage: Wie verhält sich eine Betreuerin eines suchtmittelmissbrauchenden Betreuten richtig?
    1.) Sie kauft dem Betreuten die Droge - geht nicht. 
    2.) Sie gibt dem Betroffenen das Geld in die Hand, obwohl sie weiß, dass er davon Drogen kauft - unproblematisch?
    3.) Der Betreute kann/will sein Geld nicht selbst verwalten. Sie gibt auf Wunsch des Betroffenen einem Dritten das Geld des Betreuten, weil der Betroffene wünscht, dass der für den Betreuten einkauft, und von dem sie weiß, dass der dem Betreuten die Droge kauft - problematisch?
    4.) Der Betreute kann sein Geld nicht selbst verwalten. Betreuerin gibt auf eigenen Entschluss einem Dritten Geld des Betroffenen, der für den Betreuten einkauft, und von dem sie weiß, dass der dem Betreuten auch die Droge kauft - problematisch?
    5.) Sie kauft selbst für den Betreuten ein - gehört nicht zu ihren Aufgaben, wird eine Berufsbetreuerin tunlichst unterlassen.

    Gerade bei den Varianten 3.) und 4.) wird für die Betreuerin immer das Problem sein, dass sie keinen findet, der eher im Sinne des Betroffenen mit dem Geld umgeht.

    Ich erdreiste mir nicht, hier irgendeine Aussage zu treffen, wie man einen Alkoholkranken vom Trinken wegbekommt. Auch ein Betreuer wird mit dieser Aufgabe überfordert sein.

    Das fasst es ziemlich gut zusammen.

  • Es wird jeder Fachmann bestätigen, dass ein Suchtkranker nur dann von seiner Sucht wegkommt, wenn er innerlich bereit ist, daran zu arbeiten, also über die Einsicht in dass "Muss" verfügt.
    Zwang (Zuteilung des Lebensbedarfes in Naturalien, Entzug von Bargeld) hat noch nie den wünschenswerten Erfolg gebracht. Plötzlicher Entzug kann das sogar zu erheblichen gesundheitlichen Folgen (cold turkey) führen.
    Auch ist es bisher jedem Drogenabhängigen gelungen, an seine Mittelchen zu kommen. In der Pinte einen Deckel lassen, eine Flasche Schnaps im Supermarkt zu klauen, ist kein allzu großes Problem.

    Ein Betreuer ist da letztendlich hilflos. Er kann nur zu psychologischen Mitteln - gutes Zureden, Überzeugungsarbeit - greifen. Auch dürfte es auch bei Drogenabhängigen menschenunwürdig sein, wie ein Kleinkind behandelt zu werden.

  • Auch ist es bisher jedem Drogenabhängigen gelungen, an seine Mittelchen zu kommen. In der Pinte einen Deckel lassen, eine Flasche Schnaps im Supermarkt zu klauen, ist kein allzu großes Problem.


    Der Ausdruck "Pinte" für Krug/Lokal war mir fremd.
    Ansonsten muss ich mich Dir anschließen: ohne den eigenen Entschluss, von der Droge zu lassen, ist keine Befreiung von der Sucht möglich.
    Man könnte sogar auf die Idee kommen, dass ein Betreuungsverfahren kontraproduktiv sein kann. Für die Einsicht, dass man Hilfe braucht, dass man im Würgegriff einer Sucht ist, muss man wohl ganz unten angelangt sein. Und ein allzu gut meinender Betreuer versucht, dass es trotz der Sucht immer noch weitergeht. Heißt das dann, dass der Leidensdruck für den Betroffenen gar nicht groß genug wird? Oder schwindet mit Voranschreiten der Sucht jede Einsichtsfähigkeit, bis es schließlich vollends egal ist, ob man obdachlos unter der Brücke ist und in seinen Exkrementen aufwacht?

    Ich hoffe, es gibt für Betreuer Schulungen zum Thema "Umgang mit Suchtkranken". Wenn ich so in meine Betreuungsakten schaue, ist die Gruppe der süchtigen Betreuten fast größer als die Gruppe der Alten.

  • Pinte, Kneipe sind hier geläufige Begriffe. Lokal auch, aber nur auf gehobene Institutionen anwendbar. "Krug" ist mir total fremd. Also: 1 : 1:D

  • Meine Kunden stammen seit 12 Jahren überwiegend aus dem Suchtbereich. Einsicht in Therapie lässt sich nicht erzwingen und die Gelder die wir für unsere Kunden verwalten sind letztendlich deren Gelder. Einen EiWi zu bekommen damit jemand keinen Alkohol kauft halte ich für ausgeschlossen (Stichwort: Recht auf Krankheit)

    Als Betreuer kann ich höchstens mittels der Geldzuteilung versuchen sanft zu steuern, wobei es bei den älteren/alten Alkis vordringlich oft darum geht sie wenigstens auf einem sozialverträglichen Level zu halten. Am Trinkverhalten einer 81 jährigen Frau kann keiner mehr etwas ändern. Mit dem gezielten Einkauf von Alkoholika kann ich aber Exzesse verhindern, unerwünschte Gesellschaft, die Kumpane vom "Büdchen" die sich dann noch mit in der Wohnung breit machen, wenigstens weitgehend ausschlissen.

    Ein Suchtverhalten durch ein Verbot Alkohol zu besorgen "kalt austrocknen" zu wollen wäre in meinen Augen grob fahrlässig, der Betreute würde damit grosser körperlicher Gefahr ausgesetzt. Kein Arzt der Welt würde im Zusammenhang mit Sucht eine Therapie "verordnen", das kann nie funktionieren bzw. wäre absolut kontraproduktiv. Threapie kann immer nur im Rahmen von Einsicht Erfolg haben.

    Betreuern von Suchtkranken bleibt nur abzuwägen, wo liegt das kleinere Übel- solange bis der Klient sich vielleicht doch selbst umentscheidet und sein Problem angehen möchte. So schwer es fallen mag einzusehen, aber: nicht alles lässt sich heilen. Manchmal gibt es keine Heilung.

    Was den "allzugut" meinenden Betreuer betrifft, auch das ist tatsächlich ein schmaler Grat. Was hier als "ganz unten" beschrieben ist, ist noch lange nicht das tatsächliche unten . Viel schlimmer ist es wenn die Folgeerscheinungen der Sucht, offene Beine usw. z.B. nicht mehr behandelt werden können weil kein Arzt oder keine KV mehr da ist und übers Saufen verbaselt wurde. Ich sehe es insofern als meine Pflicht dafür zu sorgen, dass -egal wie gross das Elend ist- keine Türen zugeschlagen sind. Ich halte sie offen, durchgehen muss der Betreute dann aber selbst.

    Danke schön übrigens, dass wir Betreuer uns an diesem Forum auch beteiligen dürfen. Es ist überaus hilfreich.

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