Kneipe fortführen

  • Wie halten es denn die hier versammelten Verwalter/SB mit Kleinstunternehmern, meistens Wirte mit ner Zapfanlage und Bulettenverkauf, die es mit der Buchhaltung nicht so genau nehmen. Wir haben hier so einen Kandidaten, der seit vier Jahren (!) keine Buchhaltung führt, keine Steuern zahlt usw.

    Verlässliche Zahlen über Einnahmen und Ausgaben kann man also nicht bekommen, eine grobe, 'über den Daumen'-Kalkulation ergibt aber, dass durchaus Überschüsse von 1,5 T€ monatlich rauskommen können. Aber es hängt halt von der Mitarbeit des Wirtes ab, und um das zu kontrollieren, müsste man sich eigentlich neben ihn in die Kneipe stellen.

    Gebt ihr solche Kandidaten sofort frei ?

  • Gebt ihr solche Kandidaten sofort frei ?

    Was sonst.

    Theoretisch: weiterführen...

    Ich würde das aber auch immer weiterführen. Alleine aus dem Grund, dass keine Buchführung vorhanden ist. Da muss man von dem "Über-den Daumen-gepeilten" noch Steuern usw. abführen (denn die werden ja meist bei diesen Buden nicht ordentlich berücksichtigen). Das Haftungsrirko wäre mir viel zu hoch...

  • Man könnte ggf. zu der Auffassung gelangen, dass die nicht genau abschätzbaren Zuflüsse aus der Tätigkeit die mutmaßlichen Risiken für die Masse (Einhaltung von Verträgen mit Brauereien, Unterhalt Schuldner, Miete, steuerliche Verpflichtungen, Kosten der Buchführung) nicht aufwiegen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Genau wie die anderen Verwalter. Ist der Überschuss (von dem theoretisch der Schuldner noch seinen unpfändbaren Teil zu bekommen hat) und die Zuverlässigkeit des Schuldners gering, dann gebe ich sofort frei. In diesem Fall kann ich nämlich die Haftungsrisiken für die Masse (und für den Verwalter) nicht sicher einschätzen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • ist der Überschuss von 1,5 TEUR gerechnet mit oder ohne Vergütung für die Mitarbeit des Schuldners ? Bist Du Dir da auch sicher, dass da alles mit verwurstet ist. Vielleicht willst Du ja jetzt, wo es warm ist, noch einen Tisch vor die Tür stellen, was dann sicher mal einer Sondergenehmigung bedarf, mit entsprechenden Kosten, oder ähnlich...

    Wahrscheinlich lebt und stirbt die Kneipe wohlmöglich noch daran, dass Dein Schuldner ein stadtbekanntes Original ist, der die Bude im Alleinbetrieb führt.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • ist der Überschuss von 1,5 TEUR gerechnet mit oder ohne Vergütung für die Mitarbeit des Schuldners ? Bist Du Dir da auch sicher, dass da alles mit verwurstet ist. Vielleicht willst Du ja jetzt, wo es warm ist, noch einen Tisch vor die Tür stellen, was dann sicher mal einer Sondergenehmigung bedarf, mit entsprechenden Kosten, oder ähnlich...

    Wahrscheinlich lebt und stirbt die Kneipe wohlmöglich noch daran, dass Dein Schuldner ein stadtbekanntes Original ist, der die Bude im Alleinbetrieb führt.

    In manchen Monaten sind die 1500 nach Abzug der Vergütung des Schuldners, in anderen kommt aber weniger rum. Sind halt tausend Unbekannte, mit denen man kalkulieren muss.

    Letztendlich hat man bei solchen Läden ja immer ein ungutes Gefühl, denn faktisch kontrollieren kannst Du das Tagesgeschäft nicht, es sei denn, Du stellst Dich mit hintern Tresen. Daher wird wohl auf eine Freigabe hinauslaufen.

  • [...] es sei denn, Du stellst Dich mit hintern Tresen.

    Das wäre doch mal eine Begründung für einen Betriebsfortführungszuschlag. :wechlach:

    Zitat von Vergütungsantrag

    Ich habe mich erheblich mit der Schankwirtschaft des Schuldners befaßt. Ich habe diese jeden Abend aufgesucht und die Übereinstimmung von Kasse und Warenbestand mit der Buchhaltung einer intensiven Überprüfung unterzogen. Um mich von der Zuverlässigkeit des Schuldners zu überzeugen, habe ich stichprobenartig Getränke konsumiert, die ich mir selbst eingeschenkt habe. Ich habe dann darauf geachtet, ob der Schuldner auf meinem Deckel einen Strich gemacht hat.

  • ja ja, der neue 35 Inso.... hm, das ist so ein Teil alla ichsche binne voll de beste pizzabäcker, aber küche iste zu heiße...
    Irgendwie gab es mal den 157 InsO (hab jetzt nicht nachgeguckt, ob der schon wieder wech ist....).
    Also die Situ der Verfahrenseröffnung eines laufenden Unternehmens sollte den Verwalter nicht unvermittelt treffen (Gerichte, die da kein Gutachten einholen - allein schon wg. der anzunehmenden sonstigen Masseverbindlichkeiten in spe - arbeitet nicht lege artis. Für den Fall, dass das Verfahren über Kostenstundung eröffnet wurde, muss sich das Gericht bzw. der Gutachter fragen, ob bei Aufrechterhaltung der Selbständigkeit eine wirtschaftlich sinnvolle Prognose gegeben ist. Ist sie dies nicht, wäre der Stundungsantrag zurückzuweisen; ist eine sinnvollve wirtschaftiche Prognose gegeben, ist bis zum Berichtstermin fortzuführen.
    Diese "die Angst des Tormanns vor'm Elfmeter" - Regelung gehört in die Tonne !

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • das ist so ein Teil alla ichsche binne voll de beste pizzabäcker, aber küche iste zu heiße...


    Um mal in dem Bild zu bleiben ... der Pizzabäcker darf sich an den thermischen Eigenschaften seines Pizzaofens nicht groß stören, sonst hat er seinen Beruf verfehlt, das ist schon richtig. Aber auch der beste Pizzabäcker darf und muß die Erfüllung gewisser Voraussetzungen sicherstellen, bevor er losbackt. Kriegt er nämlich nur Mehl mit Würmern drin und faulige Tomaten als Zutaten, wird er daraus auch keine Pizza mehr gerollt bekommen, die Def mit Genuß verspeisen würde. Und wenn der Gast sich dann mit Magenkrämpfen am Boden windet, wird man dem besten Pizzabäcker von seiten des Gesundheitsamts ganz zurecht vorhalten, er habe doch sehen müssen, daß die Tomaten faulig waren...

  • ja ja, der neue 35 Inso.... hm, das ist so ein Teil alla ichsche binne voll de beste pizzabäcker, aber küche iste zu heiße...
    Irgendwie gab es mal den 157 InsO (hab jetzt nicht nachgeguckt, ob der schon wieder wech ist....).
    Also die Situ der Verfahrenseröffnung eines laufenden Unternehmens sollte den Verwalter nicht unvermittelt treffen (Gerichte, die da kein Gutachten einholen - allein schon wg. der anzunehmenden sonstigen Masseverbindlichkeiten in spe - arbeitet nicht lege artis. Für den Fall, dass das Verfahren über Kostenstundung eröffnet wurde, muss sich das Gericht bzw. der Gutachter fragen, ob bei Aufrechterhaltung der Selbständigkeit eine wirtschaftlich sinnvolle Prognose gegeben ist. Ist sie dies nicht, wäre der Stundungsantrag zurückzuweisen; ist eine sinnvollve wirtschaftiche Prognose gegeben, ist bis zum Berichtstermin fortzuführen.
    Diese "die Angst des Tormanns vor'm Elfmeter" - Regelung gehört in die Tonne !

    Diese Meinung, die ich - glaube ich - von Dir schon einmal hier gelesen habe, teile ich nicht. Die Freigabe hat m.E. nichts mit irgendwelchen Verwalterängsten zu tun sondern ist einfach ein vernünftiges Mittel, um unsinnige selbständige Tätigkeiten zu behandeln.

    Ich bin aber der Meinung, dass eine Freigabe ordentlich begründet werden muss. Letztendlich muss man genau darstellen, wie die Ertragslage aussieht, wie sie sich entwickeln könnte (Prognose) etc. Wenn dabei nur Minus oder Minimalbeträge rauskommen, ist 35 Abs. 2 m.E. eine sinnvolle Sache.

    Gegenüber den Gläubigern gehört so etwas jedoch gut begründet. Deswegen ja auch meine Frage.

  • ja ja, der neue 35 Inso.... hm, das ist so ein Teil alla ichsche binne voll de beste pizzabäcker, aber küche iste zu heiße...
    Irgendwie gab es mal den 157 InsO (hab jetzt nicht nachgeguckt, ob der schon wieder wech ist....).
    Also die Situ der Verfahrenseröffnung eines laufenden Unternehmens sollte den Verwalter nicht unvermittelt treffen (Gerichte, die da kein Gutachten einholen - allein schon wg. der anzunehmenden sonstigen Masseverbindlichkeiten in spe - arbeitet nicht lege artis. Für den Fall, dass das Verfahren über Kostenstundung eröffnet wurde, muss sich das Gericht bzw. der Gutachter fragen, ob bei Aufrechterhaltung der Selbständigkeit eine wirtschaftlich sinnvolle Prognose gegeben ist. Ist sie dies nicht, wäre der Stundungsantrag zurückzuweisen; ist eine sinnvollve wirtschaftiche Prognose gegeben, ist bis zum Berichtstermin fortzuführen.
    Diese "die Angst des Tormanns vor'm Elfmeter" - Regelung gehört in die Tonne !

    Diese Meinung, die ich - glaube ich - von Dir schon einmal hier gelesen habe, teile ich nicht. Die Freigabe hat m.E. nichts mit irgendwelchen Verwalterängsten zu tun sondern ist einfach ein vernünftiges Mittel, um unsinnige selbständige Tätigkeiten zu behandeln.

    Ich bin aber der Meinung, dass eine Freigabe ordentlich begründet werden muss. Letztendlich muss man genau darstellen, wie die Ertragslage aussieht, wie sie sich entwickeln könnte (Prognose) etc. Wenn dabei nur Minus oder Minimalbeträge rauskommen, ist 35 Abs. 2 m.E. eine sinnvolle Sache.

    Gegenüber den Gläubigern gehört so etwas jedoch gut begründet. Deswegen ja auch meine Frage.

    Ich stimme Dir zu, dass man natürlich nicht blindlings alles freigibt, sobald das Wort "Selbständigkeit" während des eröffneten Verfahrens irgenwo auftaucht. Aber mit den Argumenten hier kann man das doch ohne weiteres gut begründen. Alternativ könntet Ihr das natürlich während der EM noch fortführen, wenn der Schuldner die Spiele überträgt.:D

    Abgesehen davon: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein Gläubiger wegen einer angeblich zu Unrecht erfolgten Freigabe aktiv wird?

  • Zitat

    Ich stimme Dir zu, dass man natürlich nicht blindlings alles freigibt, sobald das Wort "Selbständigkeit" während des eröffneten Verfahrens irgenwo auftaucht. Aber mit den Argumenten hier kann man das doch ohne weiteres gut begründen. Alternativ könntet Ihr das natürlich während der EM noch fortführen, wenn der Schuldner die Spiele überträgt.:D

    Abgesehen davon: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein Gläubiger wegen einer angeblich zu Unrecht erfolgten Freigabe aktiv wird?


    Die Gefahr ist natürlich gering, aber man muss es ja nicht provozieren. Auch gegenüber dem Insolvenzgericht möchen wir nicht als die dastehen, die mit Freigaben zu locker umgehen.

    Aber im hier gemeinten Fall gibt es wirklich genügend gute Argumente.

  • Fehlende Buchhaltung ist DAS Killerargument gegen eine Fortführung:

    1. Es fehlt jegliche Kalkulationsgrundlage.
    2. Der Laden läuft schon seit Jahren nicht (sonst wäre Geld für einen Buchhalter da gewesen). Wieso sollte er künftig laufen (Prinzip Hoffnung?)
    3. Der Schuldner kümmert sich nicht. Selten, weil er nicht will. Meistens, weil er überfordert ist.
    4. Der Schuldner hat ein dickes Fell (bekommen) - Wie sonst hält er die Kommunikation mit dem Finanzamt aus, die seit Jahren auf Zahlen warten? Warum sollte das gegenüber einem Verwalter nun anders sein?


    In solchen Fällen kann der Verwalter davon ausgehen, dass er mit einem solchen Laden oft genauso viel Arbeit an den Hacken hat wie mit der Fortführung eines organisierten 10-Mann-Betriebs, der zudem noch besser kontrollierbar ist. Allein die Erstellung einer Liquiditätsplanung, die man zur haftungsfreien Verwaltung vorweisen können sollte, ist ohne Buchhaltung ein riesiger Aufwand.

    Seit der BGH mit seiner Februar-Entscheidung zu 35/2 die Möglichkeit klar gestellt hat, dass man sich solcher unkontrollierbaren Risiken per sofort und vollständig (durch Freigabe) entledigen kann, muss man m.E. eher gut begründen, wenn man -auch nur zeitweise- einen solchen Betrieb fortführt. Kein Gläubiger käme auf die Idee, die ihm zustehende Masse mit Risiken für einen unkontrollierbar vor sich hin wurschtelnden Schuldner zu belasten.

    Und schließlich: Denk mal Monate und Jahre weiter. Du führst fort. Wie willst Du das Verfahren beenden? Freigabe geht dann -wahrscheinlich- nicht mehr. Verkauf? Kannst Du das, wenn wegen § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbare Gegenstände des Schuldners, der weiter machen will, betroffen sind? Also bliebe eine Überleitung an den Schuldner mit zahlreichen Abgrenzungsproblemen. Fragt sich, woher der Kredit bekommen soll, um die Investitionen, die er wohl vornehmen muss, zu bezahlen, denn kostenlos soll er einen laufenden Laden ja nicht kriegen?

    Im Ergebnis kann man nur fortführen, wenn absehbar ist, dass Überschüsse aus dem laufenden Betrieb entstehen, die so hoch sind, dass sie nicht nur die erhöhten Verfahrenskosten sicher decken, sondern auch noch die zu verteilende Masse erhöhen. Und wenn der Schuldner willens und in der Lage ist, den Betrieb so fortzuführen.

  • [
    ...
    Auch gegenüber dem Insolvenzgericht möchen wir nicht als die dastehen, die mit Freigaben zu locker umgehen.
    ...

    Keine Angst, bei diesen kleinen Selbständigen ist eine Freigabe das Beste, was dem Gericht passieren kann. Ansonsten läuft es meist auf ordnerlange Rechnungslegungen, erboste Massegläubiger und Streit über das Geld, das dem Schuldner zusteht hinaus - und das dafür, dass mit Hängen und Würgen die Kosten gedeckt sind - wenn überhaupt...

    Eigentlich sollte als Argument "Iss ne Kneipe..." reichen. M.E. hat man nur eine halbwegs geringe Chance, wenn der Schuldner entweder einen RSB-Antrag gestellt hat, da man so einen gewissen Druck aufbauen kann, oder es gab Sonderfaktoren und der Schuldner will vielleicht einen Traditionsbetrieb unbedingt erhalten und legt sich entsprechend ins Zeug.
    Bei der normalen "Wer-nichts-wird-wird-Wirt" Klientel ist eine Fortführung im Insolvenzverfahren ein - nett ausgedrückt - mutiges Unterfangen, zumal man in einer Kneipe keinerlei Kontrolle über Umsatz, Wareneinsatz und Entnahmen hat.


  • Bei der normalen "Wer-nichts-wird-wird-Wirt" Klientel ist eine Fortführung im Insolvenzverfahren ein - nett ausgedrückt - mutiges Unterfangen, zumal man in einer Kneipe keinerlei Kontrolle über Umsatz, Wareneinsatz und Entnahmen hat.

    Dies ist ein unvollständiges Zitat:

    Wer nichts wird wird Wirt, wer garnichts wird wird Schankwirt.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich sag meinen Schuldnern ja auch, dass sie am besten den Laden dicht machen und froh sein können, wenn keine vbuH dabei ist. Aber nein, die meisten wollen lieber weiterführen und rauschen ins nächste Chaos...

  • Ich rede mir da auch immer den Mund fusselig; wobei ich manchmal auch Fälle habe, da ist der Insolvenzschuldner dank guter Berater und eigener Intuition schon auf dem richtigen Weg, muss sich aber von den alten Problemen befreien.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Fehlende Buchhaltung ist DAS Killerargument gegen eine Fortführung:

    Seit der BGH mit seiner Februar-Entscheidung zu 35/2 die Möglichkeit klar gestellt hat, dass man sich solcher unkontrollierbaren Risiken per sofort und vollständig (durch Freigabe) entledigen kann, muss man m.E. eher gut begründen, wenn man -auch nur zeitweise- einen solchen Betrieb fortführt.

    Gibt's da eine Fundstelle?

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