Aufrechnung Finanzamt

  • Hab über die SuFu nichts finden können. Steuerrechtlich bin ich ja immer noch ein Blindfisch, ich bitte also mal um Aufklärung:


    Schuldnerin hat Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt aus Umsatzsteuern 2005.

    Insolvenzverfahren wird am 23.02.2012 eröffnet.

    Am 12.03.2012 ergehen Einkommenssteuerbescheide für 2008, 2009 und 2010, die jeweils mit einem Guthaben zu Gunsten der Schuldnerin enden (insgesamt 1006,00 €).
    Am 02.03.2012 wird eine Kfz-Steuer zu Gunsten der Schuldnerin in Höhe von 23,00 € festgesetzt.

    In allen Bescheiden wird eine Verrechnung des Guthabens aus Einkommenssteuer mit den Verbindlichkeiten aus Umsatzsteuern aus 2005 vorgenommen.


    Ist das richtig? Ich gehe mal davon aus, dass das Finanzamt das darf, weil die Erstattungsansprüche bereits vor Eröffnung entstanden sind, nur eben noch nicht festgesetzt waren. Auf den Zeitpunkt des Bescheides wird es sicherlich nicht ankommen. Gibt´s da irgendwelche Entscheidungen oder irgendwas anderes schwarz auf weiß zu? Will mich ja nicht auf meine vagen Vermutungen stützen bei so viel verschwendeter Masse. :)

  • Etwas einfach ausgedrückt:

    Die Aufrechnung bringt die wechselseitigen Forderungen zu dem Zeitpunkt zum Erlöschen, zu dem sie sich erstmals aufrechenbar gegenüber standen.

    Aber da kennt sich jemand anderes besser aus....


  • Also ich würde eher sagen, dass eine Aufrechnung nicht zulässig ist, da sich die Forderungen vor Eröffnung nicht aufrechenbar gegenüberstanden. Der Erstattungsanspruch entsteht doch erst mit dem Bescheid, also nach Eröffnung?

  • Der Erstattungsanspruch entsteht doch erst mit dem Bescheid, also nach Eröffnung?


    Nö, der entsteht (insolvenzrechtlich) bereits mit der Abführung der Lohnsteuer (bzw. Zahlung der ESt-Vorausz.) im laufenden Jahr.

  • Der Erstattungsanspruch entsteht doch erst mit dem Bescheid, also nach Eröffnung?


    Nö, der entsteht (insolvenzrechtlich) bereits mit der Abführung der Lohnsteuer (bzw. Zahlung der ESt-Vorausz.) im laufenden Jahr.

    Nö, ich würde sagen, dass der Erstattungsanspruch nach Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht. Deswegen dürfen vor dem 01.01. des Folgejahres auch keine Pfändungen wirksam und Abtretungen angezeigt werden (§ 46 Abs. 2 und 6 AO).

    Die Abtretung des Erstattungsanspruch kann zwar vorher wirksam abgetreten, aber erst nach Entstehung des Anspruchs angezeigt werden. Dadurch kann das FA immer mit Gegenforderungen aufrechnen, weil es bei Entstehung des Anspruchs keine Kenntnis vor der Abtretung hatte (§ 406 BGB).

  • Nö, ich würde sagen, dass der Erstattungsanspruch nach Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht.


    Steuerverfahrensrechtlich ja. Deshalb mein Klammerzusatz (insolvenzrechtlich).
    Siehe § 95 Abs. 1 S. 1 InsO: es genügt, wenn der Anspruch vor Eröffnung als aufschiebend bedingter entstanden war.

  • Wann der Anspruch auf Steuererstattung entsteht, richtet sich nach dem Steuerrecht und kann keine andere Betrachtung erlauben, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

  • Ob und wie ein Steueranspruch im IV verfolgt werden kann, richtet sich allein nach Insolvenzrecht. Also auch die Frage, ob er aufgerechnet werden kann.

    Bei Steuervorauszahlungen erlangt der Steuerpflichtige mit der Zahlung einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung, daß die Steuerschuld am Ende des VZ geringer ist als die Vorauszahlungen (stRspr von BFH und BGH).

  • Ob und wie ein Steueranspruch im IV verfolgt werden kann, richtet sich allein nach Insolvenzrecht. Also auch die Frage, ob er aufgerechnet werden kann.

    Bei Steuervorauszahlungen erlangt der Steuerpflichtige mit der Zahlung einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung, daß die Steuerschuld am Ende des VZ geringer ist als die Vorauszahlungen (stRspr von BFH und BGH).

    Hm, das Thema ist ja offenbar umstrittener, als ich dachte. Gibt es einen Tip bzgl. hierzu ergangener BFH/BGH-Entscheidungen?

  • Grundsatz AEAO zu § 38 - Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis: 1. Der Steueranspruch entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Tatbestand verwirklicht wird, an den das Gesetz eine bestimmte Leistungspflicht knüpft, soweit nicht im Gesetz eine abweichende Regelung getroffen worden ist (z.B. § 36 Abs. 1 EStG, § 30 KStG, § 13 Abs. 1 UStG, § 18 GewStG, § 9 Abs. 2 GrStG, § 9 ErbStG). Das gilt nicht nur für den Steueranspruch, sondern auch für den Steuervergütungsanspruch und den Steuererstattungsanspruch (z.B. zur Lohnsteuer vgl. zu § 46, Nr. 1). Der auf einem Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG beruhende Erstattungsanspruch entsteht erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Verlust entstanden ist (BFH-Urteil vom 6.6.2000 - VII R 104/98 - BStBl II, S. 491). Der Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die den materiell-rechtlichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis übersteigende Leistung erbracht wurde oder der rechtliche Grund für die Leistung entfallen ist . 2. Von der Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu unterscheiden sind - die Festsetzung durch Steuerbescheid (§§ 155 ff.), - die Fälligkeit (§ 220) sowie - die Verwirklichung im Erhebungsverfahren (§§ 218 ff.). Einkommensteuer Einkommensteuergesetz § 36 Entstehung und Tilgung der Einkommensteuer (1) Die Einkommensteuer entsteht, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Umsatzsteuer Umsatzsteuergesetz § 13 Entstehung der Steuer (1) Die Steuer entsteht 1.für Lieferungen und sonstige Leistungen a)bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist , b)bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind, Und daran ändert auch die InsO nichts :strecker

  • Zuletzt etwa hier (Rdnr. 12-13):

    [QUOTE=BFH v. 23.02.2011 - I R 20/10, BFHE 233, 114]Ob ein Erstattungsanspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) als aufschiebend bedingt für eine Aufrechnung erheblich ist, hängt nach der Rechtsprechung davon ab, ob eine Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Maßgeblich hierfür ist, wann der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis führt, verwirklicht worden ist; dann ist (dem Rechtsgedanken des § 38 InsO entsprechend) ein "begründeter Vermögensanspruch" gegen den Insolvenzgläubiger entstanden. Es muß insoweit damit ein "gesicherter Rechtsgrund" der Forderung gelegt sein (BGH IX ZR 355/98). Auf die steuerrechtliche Entstehung i.S. des § 38 AO kommt es für diesen "gesicherten Rechtsgrund" nicht an (ständige BFH-Rechtsprechung). (...)

    Insolvenzrechtlich relevant sind z.B. Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen, ohne daß es auf die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs in einem Erstattungsbescheid ankommt; sie entstehen im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, daß am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung. Damit ist nach der BFH-Rechtsprechung auch bei der Erstattung von vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geleisteten Vorauszahlungen der diesbezügliche Anspruch vor Eröffnung des Verfahrens begründet, selbst wenn die Steuer, auf die vorauszuleisten war, erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist.[/QUOTE]

  • Na suuuuuper. Ich dachte, das Thema sei durch! :teufel:

    Aber ich tendiere doch eher dazu, dass die Aufrechnungslage gegeben war. Entscheidungen würden mich auch interessieren.


    edit:
    @Zonk:
    Danke für die Entscheidung. Irgendwie haben wir alle gleichzeitig getextet, so dass sich alles überschnitt. :)

  • Wir meinen ja alle das Gleiche.


    Worauf ich hinweisen wollte ist aus dem Beitrag von Ash zitiert:

    Die Einkommensteuer entsteht, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, mit Ablauf des Veranlagungszeitraums.

    und das sieht in # 6 doch etwas anders aus....

  • Spiegelfechterei! :alarm

    Entstehung Steueranspruch --> nach Steuergesetzen
    Insolvenzrechtliche Begründung einer Steuerforderung --> Insolvenzrecht

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Ich habe gerade ein sehr passende Seminarankündigung bekommen: Trotz BFH und BMF: Keine Angst vor Steuern im Insolvenzverfahren! :D

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Und ich überlege noch, ob ich der Aufrechnung einfach mal so auf blauen Dunst widerspreche. Angemeldet haben die nämlich alles. :mad:

    Gegs:
    Falls du dahingehst, kannst du ja mal dein erworbenes Wissen weiterleiten, wenn es denn was neues gibt.

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