Konkurrierende Anfechtungen

  • Eine kleine Delikatesse für die Anfechtungsspezialisten.

    Doppelinsolvenz von KG und Komplementärin (GmbH).
    Die GmbH gab's schon etwas länger, die KG wurde erst vor relativ kurzer Zeit gegründet.
    Die GmbH hat bei Gründung der KG einiges an fälligen Steuerschulden, die sie aus eigener Kraft nicht bezahlen kann.
    Die KG nimmt zur Finanzierung ihres neu aufzubauenden Betriebs ein Darlehen auf.
    Die Darlehensvaluta wird per Scheck ausgezahlt.
    Den Scheck nimmt der Steuerberater in Empfang.
    Da die KG noch kein Konto hat, zieht der StB den Scheck auf sein eigenes Konto ein.
    Von dort geht ein Teil später auf das Konto der KG.
    Der andere Teil geht, und zwar wiederum per Scheck, an das FA für die Steuerschulden der GmbH.
    Nur etwas (aber mehr als drei Monate) später stehen beide Gesellschaften auf meinem Schreibtisch.
    Daß das FA den erhaltenen Betrag nolens volens wird herausrücken müssen, scheint mir klar zu sein.
    Jedoch, jedoch... welches Verfahren bekommt ihn?
    Zur Auswahl stehen:
    a) Anfechtung nach § 133 InsO im Verfahren der GmbH.
    b) Anfechtung nach § 134 InsO im Verfahren der KG.

    Entscheiden Sie sich jetzt, aber entscheiden Sie sich richtig, denn wenn Sie den einen geltend machen, wird das etwas dauern, und bis dahin ist der andere verjährt...

  • Drei Jahre sind ja lang...

    Ich ich würde es zunächst mal mit IX ZR 138/06 versuchen.

    Bevor alle Stricke reißen, sollte man vorab überlegen, ob Du ein Verfahren nicht machst, wegen § 181 InsO.
    Dann kann Verwalter A seinen Anfechtungsanspruch an Verwalter B abtreten und Verwalter B hat 133 und 134 InsO, IX ZR 91/10.

    Deckungsanfechtung geht in der Regel vor Schenkungsanfechtung, IX ZR 194/04.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

    Einmal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (3. Mai 2012 um 15:42)

  • Deckungsanfechtung geht in der Regel vor Schenkungsanfechtung, IX ZR 194/04.


    Es stellt sich mir die Frage, ob Deckungsanfechtung im Verfahren der GmbH überhaupt möglich ist. Dem SV nach zu urteilen, könnte man durchaus der Meinung sein, dass das Geld nie an die GmbH gegangen ist und von dort also auch nichts gezahlt wurde. Es war ja treuhänderisch für die KG beim Steuerberater hinterlegt.

    Zweiter Gedanke: Steuerrechtlich bin ich da nicht informiert genug, deswegen würde ich prüfen, ob im Rahmen einer steuerlichen Organschaft die KG möglicherweise in Haftung für Steuerschulden der GmbH gekommen ist. Dann hätte die KG nicht einen Anspruch aus Schenkungs- sondern aus Deckungsanfechtung gegen das FA.

  • ob hier eine Organschaft vorliegt, ist bislang noch nicht ins Feld geführt, ob die KG nach 73 AO oder sonstiger Norm für die Steuerverbindlichkeiten der GmbH haftet, muss ich passen.

    Um den Strauß an Entscheidungen zu erweitern kann ich noch zur Frage Zahlung auf Steuer-oder Haftungschuld beitragen IX ZR 2/11.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Schriftsatz ist zwar immer noch nicht fertig, aber ich nähere mich mal dem vorliegenden Problem.

    Wichtig wäre für mich die Beantwortung der Frage, aus wessen Vermögen hier geleistet wurde. Dabei spielt es eine Rolle, wie die Zahlung durch den Steuerberater verbucht wurde. Wird das Ganze über ein Verrechnungskonto der Gesellschaften gebucht, dann wohl eher Leistung der GmbH, der hierfür ein Darlehen der KG zur Verfügung stand. Dann aber inkongruente Deckung, weil Direktleistung eines Dritten. Spielt sich alles bei der Kommanditgesellschaft ab, dann würde ich eher zu § 134 InsO tendieren, eine Leistung der GmbH und damit ein konkurrierender Anspruch liegt nicht vor.

    Das Thema umsatzsteuerliche Organschaft und Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter lasse ich vorerst mal noch außen vor.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Es stellt sich mir die Frage, ob Deckungsanfechtung im Verfahren der GmbH überhaupt möglich ist. Dem SV nach zu urteilen, könnte man durchaus der Meinung sein, dass das Geld nie an die GmbH gegangen ist und von dort also auch nichts gezahlt wurde. Es war ja treuhänderisch für die KG beim Steuerberater hinterlegt.

    Hm, mir gegenüber wird es natürlich so dargestellt, daß die KG der GmbH ein Darlehen gewährt hat, damit sie, die GmbH, ihre Steuerschulden bezahlen kann. (Hätte das FA die GmbH zum damaligen Zeitpunkt mit einem Insolvenzantrag traktiert, wäre sie als Komplementärin halt nur halb so schön gewesen.)
    Und dazu sagt die Rspr ja nun, daß direkter Zahlungsweg vom Darlehensgeber an den Gläubiger die Anfechtung im Verfahren des Darlehensnehmers gerade nicht hindert. Von daher müßte Deckungsanfechtung im Verfahren der GmbH hier gehen.

    Die hier vorliegende Konstellation habe ich in der Rspr so noch nirgends gefunden.
    Für § 134 im Verfahren der KG spricht mE, daß das Geld letztlich aus dem Vermögen der KG stammt. Gegen § 134 im Verfahren der KG aber, daß das FA als Empfänger mutmaßlich gar nicht wußte, daß das Geld von der KG stammte (Zahlung per Scheck gezogen auf das Konto eines Dritten, hier StB); und in der Rspr zur Unentgeltlichkeit im Dreiecksverhältnis heißt es nun mal immer wieder, das Faktum Drittzahlung müsse dem Empfänger erkennbar sein. Oder?

  • Für mich wäre das jetzt eindeutig ein Fall von § 131 InsO zu Gunsten der Komplementär-GmbH. Wenn es als Darlehen gewollt war und Darlehen drauf steht, ist wohl auch Darlehen drin.

    Ansonsten meine ich nicht, dass der Zahlungsempfänger im Fall des § 134 InsO irgendwelche Kenntnisse von den Hintergründen haben muss.

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    Einmal editiert, zuletzt von Gegs (6. Mai 2012 um 23:22)

  • Für mich wäre das jetzt eindeutig ein Fall von § 131 InsO zu Gunsten der Komplementär-GmbH.


    Siehe Sachverhalt, wenn dann 133.

    Wenn es als Darlehen gewollt war und Darlehen drauf steht, ist wohl auch Darlehen drin.


    Es steht leider garnichts nirgends. Das ist was man mir heute erzählt.

    Ansonsten meine ich nicht, dass der Zahlungsempfänger im Fall des § 134 InsO irgendwelche Kenntnisse von den Hintergründen haben muss.


    Ich schau morgen im Büro in meinen Zettelkasten, wo ich das her habe.

  • Das ist was man mir heute erzählt.

    Würde mir reichen; zu Not arbeite ich sogar mit Vermutungen :D.

    Mittlerweile lasse ich mir aber von Geschäftsführern gar nix mehr erzählen, nur wer aufschreiben läßt, führt erfolgreiche Prozesse. Soll heißen, ich lasse mir alles schriftlich darlegen, dann habe ich wenigstens etwas in der Hand.

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  • Die Bezugnahme auf Kenntnis des Empfängers von der Drittleistung, die mir im Hinterkopf herumspukte, war in IX ZR 59/07 Rn 21.

    Zitat

    Als Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar sind auch mittelbare Zuwendungen, bei denen der Schuldner Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt, ohne mit diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten. Für den Dritten muß hierbei erkennbar gewesen sein, daß es sich um eine Leistung des Schuldners gehandelt hat.

    Paßt aber wohl doch nicht so ganz, denn übertragen auf meinen Sachverhalt wäre "Schuldner" die GmbH, die KG wäre Mittler.

  • Zum Thema Drittzahlungen gibt es einen längeren Aufsatz, den ich aber noch nicht gelesen habe, in der neuesten ZInsO, 2012, Heft 18.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ergibt sich dies nicht schon aus pVV des Steuerberatervertrags :gruebel:.

    Ansonsten muss ich, mit Verlaub Herr Kollege, die Entscheidung erst einmal ein bisschen durchkauen.

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  • Wieso pVV; er hat doch getan wie ihm geheißen?
    Gerade drum ist er doch lt. BGH an Bord. Er hatte das Geld der Schuldnerin auf seinem Konto und von dort ist es an den Gläubiger geflossen. Der IV muß iRd 133 zwar die Kenntnis von der ZU nachweisen, aber, bitte: der StB.

  • Ich wr davon ausgegangen, der Steuerberater habe eigenmächtig darüber entschieden, wer von wem welches Geld bekommt. Wie konnte ich nur :eek:.

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  • Machen eure königlich-bayrischen StB das etwa so...?
    ;)

    :unschuldi- in 9 Jahren und 7 Monaten Dasein als Insolvenz-Hansl erlebt man so Einiges. Fast möge man rufen, das gibt's doch nicht. Doch gibt es!

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